Zum Inhalt springen

ADB:Meyerheim, Eduard

aus Wikisource, der freien Quellensammlung

Empfohlene Zitierweise:

Artikel „Meyerheim, Eduard Friedrich“ von Lionel von Donop in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 21 (1885), S. 640–642, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Meyerheim,_Eduard&oldid=- (Version vom 5. November 2024, 13:54 Uhr UTC)
Allgemeine Deutsche Biographie
>>>enthalten in<<<
[[ADB:{{{VERWEIS}}}|{{{VERWEIS}}}]]
<<<Vorheriger
Meyerbeer, Giacomo
Nächster>>>
Meyerheim, Franz
Band 21 (1885), S. 640–642 (Quelle).
[[| bei Wikisource]]
Friedrich Eduard Meyerheim in der Wikipedia
Friedrich Eduard Meyerheim in Wikidata
GND-Nummer 117570389
Datensatz, Rohdaten, Werke, Deutsche Biographie, weitere Angebote
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Kopiervorlage  
* {{ADB|21|640|642|Meyerheim, Eduard Friedrich|Lionel von Donop|ADB:Meyerheim, Eduard}}    

{{Normdaten|TYP=p|GND=117570389}}    

Meyerheim: Eduard Friedrich M. wurde am 7. Januar 1808 in Danzig geboren. Sein Vater Karl Friedrich M., welcher als Meister-Aeltermann dem ehrsamen Gewerke der Stubenmaler in Danzig vorstand, unterwies ihn in der handwerklichen Kunstübung, während Breyssig, ein Neffe des Directors der Danziger Kunstschule, welche M. besuchte, das Auge des Knaben für den Eindruck der charaktervollen Baudenkmäler seiner Vaterstadt öffnete. Durch Vergünstigung der Danziger Friedensgesellschaft konnte er zu seiner weiteren künstlerischen Ausbildung im J. 1830 nach Berlin übersiedeln. Hier erwarb er sich zunächst mittelst fleißiger Proportionsstudien nach G. Schadow’s Polyklet bei gleichzeitiger Kenntnißnahme der Anatomie unter d’Altons Leitung ein gründliches Verständniß der menschlichen Figur. Nach eigenem Zeugniß hat nächst Schadow, dessen energisches Naturstudium dem angehenden Künstler besonders zusagte, der Lehrer der Zeichenklasse, Prof. Niedlich, seinen Entwicklungsgang beeinflußt. Im Wesentlichen jedoch hat sich die künstlerische Individualität Meyerheim’s aus sich selbst entfaltet. Franz Kugler, der einsichtsvolle Förderer seines Talentes veranlaßte ihn, zehn Ansichten der Stadt Danzig in lithographischer Reproduction als Album im J. 1832 zu veröffentlichen. Um diese Zeit durchwanderte er mit Strack die Mark Brandenburg, um gemeinschaftlich mit demselben Aufnahmen von den zahlreichen mittelalterlichen Backsteinbauten des Landes zu machen. Die nach Sepiazeichnungen ausgeführten Lithographieen, Prospecte oder Veduten, deren Werth in der perspectivischen Klarheit liegt, erschienen 1833 unter dem Titel: „Architektonische Denkmäler der Altmark Brandenburg. In malerischen Ansichten aufgenommen von Strack, Architekt, und Meyerheim, Maler. Lithographirt von Meyerheim. Mit erläuterndem Texte von Dr. Franz Kugler“ – Auf Studienreisen in Nord- und Mitteldeutschland entdeckte sein eindringlicher Beobachtungssinn in engbegrenzten Volkskreisen die zur Belebung seiner landschaftlichen Ansichten charakteristische Staffage, die er bald zur selbständigen Bildwirkung erhob. Vermöge seiner treuherzigen Schilderungen aus dem bäuerlichen Leben und dem Kleinbürgerthum, die Erstlinge ihrer Art in Deutschland, wurde er in Kurzem der Liebling des Publikums. Auf sommerlichen Wanderungen durch Thüringen, durch hessische Lande und den Harz wie in den Rheingegenden betrat er als willkommener Gast das deutsche Bürger- und Bauernhaus, das er mit kindlich reiner Seele, mit dem Auge des naiven Volksdichters, der die Einfalt und den köstlichen Humor nicht verschmäht, in seinen Bildern schildert. Die kleine Welt, in der er als Meister waltet, das durch sittliche Reinheit geläuterte Leben in ländlicher Abgeschiedenheit athmet sonnige Heiterkeit. Das Glück der Eltern, die Freude der Kinder im bunten Spiel mit den Thieren des Hauses, alle lichten Stunden des deutschen Familienlebens hat M. mit innigem Gemüthsantheil belauscht. Darum leuchtet aus seinen Werken voll Anmuth und Wahrheit der Empfindung der Geist der Zufriedenheit und Ruhe, die das Wesen seiner Persönlichkeit und Kunst bilden. [641] Im Einklang mit der Innerlichkeit seiner Genrebilder, die er zu hoher künstlerischer Bedeutung erhob, steht das feinste Stilgefühl. Mit unermüdlich treuem Fleiße hat er seinen Gestalten das schlichte Gewand ihrer äußeren Erscheinung geliehen. Man gewahrt in der Behandlung der Nebendinge dieselbe Gediegenheit, mit der er in der Hauptsache verfährt. Ohne sich durch die schwankenden coloristischen Neuerungen beunruhigen zu lassen, galt ihm die malerische Technik nur als Mittel zum Zweck. Die Poesie seiner Darstellungen erfordert ein lichtes und freundliches Colorit, das in den an der Oberfläche spielenden Lichtern einen emailleartigen Glanz und bisweilen eine übertriebene Glätte und Gebundenheit im Localton zeigt. Ein Hauptgewicht legte er auf die formelle Durchführung und den geistig lebensfrischen Ausdruck. – In der Reihenfolge seiner Werke nehmen die unter dem beherrschenden Einfluß der Düsseldorfer Malerschule entstandenen Oelbilder, welche in der Schwere des Farbentones den mühsamen, fast erzwungenen Ernst verrathen, eine verhältnißmäßig untergeordnete Stelle ein. Zu diesen sentimental-romantischen Ritter- und Frauenbildern gehören u. A.: „Romeo und Julia auf dem Balkon“, „Wanderliebe“, „Der Abschiedswink vom Söller“, „Indiscretion“, „Das Rendez-vous“. Der Meister fand sich selbst erst in den von natürlicher Lebenswahrheit und herzerfreuender Anmuth beseelten Genrebildern aus dem Bürger- und Bauernleben. Bereits mit der „Kegelgesellschaft“ von 1834, einem heiteren Stückchen echt deutscher Biederkeit, bahnte er sich den Weg zu den höchsten Zielen moderner Genremalerei. Ein figurenreiches Bildchen vom Jahre 1836 „Das Schützenfest“ westfälischer Bauern in idyllischer Hügellandschaft, wo Jung und Alt den Helden des Tages mit Sang und Klang beglückwünschen, fand allgemeinen Beifall und veranlaßte Meyerheim’s Wahl zum Mitglied der Königlichen Akademie der Künste. In demselben Jahre heirathete er die Schwester des Bildhauers Fr. Drake. Auch durch das tief empfundene Bild „Der blinde Bettler“ von 1836 erwarb er seiner Kunst neue Freunde. Aus der langen Reihe der übrigen Oelbilder, welche dem einheitlichen Boden des deutschen Kleinlebens angehören und eine erstaunliche Fülle von Motiven offenbaren, sind durch eigenartige Vorzüge am Bekanntesten geworden: „Die thüringischen Landleute aus der Kirche heimkehrend“, „Die Bleicherin“, „Das Milchmädchen“, „Kinder mit Katzen spielend“, „Der Kirchgang“, „Die Harzerin mit dem Kinde“, „Die Quirlverkäuferin aus dem Harz“, „Mutterfreuden“, „Wanderers Lust“ und „Das gefährdete Frühstück“. Allen diesen Bildern liegen die sorgfältigsten Vorstudien bis in die geringfügigsten Einzelheiten zu Grunde. An der Hand seiner zahlreichen Entwürfe und Zeichnungen, von welchen ein ansehnlicher Bestand im Cabinet der National-Galerie zu Berlin sich befindet, kann man die intime Beobachtung der Lebenswirklichkeit, die ursprüngliche und frische Naivetät des Künstlers recht kennen lernen, welche naturgemäß in den Oelbildern den Reiz ihrer Unmittelbarkeit eingebüßt hat. Er vermied es stets, ein Object direct aus der Natur in sein Bild zu übertragen, sondern traf durch Oelstudien, Aquarelle und Zeichnungen die peinlichsten Vorbereitungen, um sich selbst genug zu thun. In derartigen Blättern verstand er, das Innere ländlicher Wohnungen mit dem Reize der Heimlichkeit zur stillbeglückten Stätte einfacher Menschenkinder auszustatten. Die Studien einzelner Köpfe, bestimmter Bewegungen oder Stellungen, von Geräthschaften und Gewandungen lassen die bewundernswerthe Energie erkennen, mit welcher M. nach völliger Correctheit strebte. Auf Grund der Mustergültigkeit seiner Bilder machte er sich ohne eigenes Bemühen die reproducirenden Künste dienstpflichtig; Stahl- und Kupferstich, Lithographie und Photographie wetteiferten, das Werk des Meisters in zahllosen Nachbildungen zu verbreiten und zum Gemeingut des [642] Volkes zu machen. Neben der Malerei fand M. von Jugend auf in der Musik sein Lebenselement. Nach mehrfacher Auszeichnung durch Orden und Medaillen wurde er 1855 königlicher Professor und Mitglied der Akademieen von Berlin, Dresden und München. Sein Lebensabend blieb leider nicht ungetrübt. Von einem schweren Nervenleiden, das seinen Körper und Geist lähmte, sieben Jahre lang gefesselt, erholte er sich noch einmal für kurze Dauer. Nach der Rückkehr von seiner Vaterstadt zerstörte das alte Leiden seine Lebenskräfte und er starb am 18. Januar 1879 in Berlin. Sein Bildniß, von dem Sohne Paul gemalt und der Vaterstadt Danzig gewidmet, vergegenwärtigt treu und anziehend den Charakter des populären Künstlers.

Vgl. Die Berliner Malerschule von 1819–1879. Studien und Kritiken von Adolf Rosenberg. Berlin 1879, S. 298–302. – Ausstellung der Werke von Ed. Meyerheim, Ernst Fries und Friedrich Nerly. Berlin. Kgl. Nat.-Galerie, 1880. – Zeitschrift für bildende Kunst. XVI. Bd. Leipzig 1881, S. 1 ff. – Friedrich Eduard Meyerheim. Eine Selbstbiographie des Meisters, ergänzt von Paul Meyerheim, eingeleitet von Ludwig Pietsch. Mit einem Vorworte von Berthold Auerbach und dem Bildniß Ed. Meyerheim’s, nach Paul Meyerheim, radirt von E. Forberg. Berlin 1880. – Katalog der kgl. National-Galerie von Dr. M. Jordan. Berlin 1883.