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ADB:Montanus, Jakob

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Artikel „Montanus, Jakob“ von Ludwig Hölscher in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 22 (1885), S. 176–180, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Montanus,_Jakob&oldid=- (Version vom 22. November 2024, 01:20 Uhr UTC)
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Montanus: Jakob M., Humanist, stammte aus Gernsbach, der im jetzigen Baden gelegenen, ehemals zur Grafschaft Eberstein, Speierschen Gebiets, gehörigen Stadt; wegen des letzteren Verhältnisses nannte er sich Spirensis. Geburtsjahr unbekannt. Er machte seine theologischen und philosophischen Studien zu Deventer unter Alexander Hegius, war Mitschüler von Hermann Busch, hielt sich eine Zeitlang bei Rudolf Lange in Münster auf und wurde von diesem als Lehrer in das Fraterhaus zu Herford geschickt; er wurde am 21. September 1486 als Conventual von dem (5.) Pater Rector Wessel Scharnow aufgenommen. Er hat dort auch später als Vorsteher und Beichtvater des dasigen Schwesterhauses gewirkt. Aber er ist nicht fortwährend in Herford geblieben, sondern war, wie schon Hamelmann bestimmt sagt, eine Zeitlang wieder in Münster. Es ist wahrscheinlich, daß der von Murmellius unter den 1503 in Münster verweilenden Gelehrten aufgeführte Jacobus, zugleich als sodalis des Vorstehers des Schwesterhauses Johann Veghe (der 1504 starb) bezeichnet, M. ist. 1509 schrieb Ortwinus Gratius von Köln aus an Jac. Murmellius: Vale feliciter meque Jacobo Montano Spirensi viro doctissimo offer (Zeitschrift für preußische Geschichte, 1880 S. 655), und vom 13. Mai 1511 ist aus Münster datirt Montanus’ Vorrede zur vita der hl. Elisabeth. Gleich darnach ist er wieder nach Herford zurückgekehrt, denn 1. Sept. 1512 schrieb Herm. Busch an J. Murmellius, M. fühle sich in Herford nicht wohl propter saeva ingenia populi et propter fortunam loci, quae ad arma et seditiones spectare videtur (s. Krafft-Crecelius S. 56). Sein Aufenthalt von da in Herford ist schon durch seine Briefe an Murmellius von 1513 (irrig Krafft-Crecelius: Erfurt), an Horlenius von 1516 an, an Tilmann Mulle in Attendorn von 1517 bezeugt. H. Busch, Pirkheimer, Murmellius waren mit M. innig befreundet. M. hat verschiedenen Schriften des Murmellius poetische Empfehlungen vorausgeschickt, Murmellius schon 1515 in dem Gedichte Charoleia den M. als Poeten gefeiert und Empfehlungsgedichte zu dessen „Thesaurus latinae constructionis“, den „Odae spirituales“ und der „Vita Elisabethae“ verfaßt. Schon [177] daraus erhellt die Bedeutung des M. unter den Humanisten; doctos viros et literas colit, hoc unum studet, sagt H. Busch von ihm. Zahlreich sind die Schriften, die wir von ihm besitzen; die dichterischen theologischen Inhalts kennzeichnen ihn als gewandten Poeten in der Weise seiner Zeit, die prosaischen sind großentheils philologischen Inhalts, für die Zwecke des Unterrichts berechnet, und zeugen von guten Kenntnissen der Stilistik und Synonymik; wo er sich in eignen historischen Darstellungen ergeht, weicht seine Latinität von der classischen ab, ist er oft schwülstig. Er nennt sich regelmäßig in seinen älteren Schriften Christi sacerdos J. M. Spirensis. 1509 erschien zuerst (Köln bei Quentell) „Thesaurus latinae constructionis per quindecim regulas digestus atque ex praestantissimorum auctoritate scriptorum electus“ (138 Bl. 4°), ebenso 1509 (nachher öfters aufgelegt) die „Collectanea latinas locutionis“, dedicirt dem Grafen Bernhard von Steinfurt, auch für den Schulgebrauch, und zwar eine Vorübung für Briefschreiben: „Progymnasmata artis componendarum epistolarum“, 1517 (Köln, Euchar. Cervicornus), der „Collectanea opus secundum“ (58 Bl. 4°), nachher ebenfalls öfters aufgelegt, mit Empfehlungsgedicht von Jos. Horlenius, dedicirt Dr. juris Martin Gloden; 1521 „Elegantiae terminorum per Chr. S. J. M. recognitae atque repurgatae“, dedicirt ingenuis ac studiosis scholasticis Hervordiae in Curia studentium commorantibus, charissimis auditoribus suis, Hervordiae Idibus Martiis 1521 (Köln, Euchar. Cervicornus 18 Bl. 4°), meist Auszüge aus Laurentius Valla, alphabet. Handbuch der Synonymik und Stilistik, beginnt: Avarus et avaritia semper in malam significationem sumuntur. Et ideo in scriptura reprehenditur avarus. Avidus et aviditas in bonam partem sumuntur et honestae rei sunt; das letzte Wort ist: utor relatum ad personam significat conversari, ut amico familiarissime utor. Inde usus pro conversatione, ut cum bonis mihi est usus, hoc est conversatio, familiaritas et consuetudo. 1525 erschien, als einer der ersten in Deutschland veröffentlichten Briefsteller, die „Centuria epistolarium formularum sermone cum, ut aiunt, vulgari, tum latino, studiosae iuventuti“ (Köln, Cervicornus 72 Bl. 4°), eine deutsche Briefsammlung zum Uebersetzen ins Lateinische mit Anmerkungen versehen, dedicirt Rodolpho Batrachomylae, eximio studiosae iuventutis moderatori, d. i. Rudolf Möller, Rector der lateinischen Schule am Münster (s. Hamelmann S. 177), der sich der Verbreitung der Reformation in Herford mit Eifer annahm, später durch seine kirchenhistorischen Arbeiten bekannt geworden ist. Endlich 1534 hat M. veröffentlicht „Castigationes in Ambrosii Calepini lexicon una cum Calepini dictionario“ (Köln, Prael). Die große Zahl der grammatischen Schriften zeugt von Montanus’ Lehreifer; mit Recht wurde er genannt vir de literis optime meritus, illustris linguae latinae per Westphaliam reformator. Neben der litterarischen Thätigkeit ging die praktische in seiner Stellung am Fraterhause und Süsterhause. Wir schließen auch aus der Dedication der elegantiae terminorum, daß er als Lehrer thätig war an der Alumnatsschule, genannt der Studentenhof, einer Stiftung des päpstlichen Protonotars Nanus oder Dwerg, die damals wol nur noch eine Nebenabtheilung der Schule am Münster war. Die Behauptung also H. Müller’s (Vorrede zu Montani vita divae Elisabeth p. XIII), daß M. in Herford nie als eigentlicher Lehrer in Thätigkeit gewesen sei, ist unhaltbar. Mit dem Rector der lateinischen Schule, R. Möller, stand M. in freundschaftlicher Verbindung, so lange nicht Möller seine Angriffe auf das Fraterhaus begann. Aus seiner kirchlichen Gesinnung ging zuerst 1509 der „Liber odarum spiritualium“ (Deventer bei Pafraet), 2. Ausgabe Straßburg 1518, hervor, dem Münster’schen Kanzler Johann von Elm (Hamelmann S. 204, 266) dedicirt, welcher auch von Busch [178] und Murmellius gefeiert ist; die 28 odae sind Hymnen auf Christus und die Heiligen (40 Bl. 4°). 1511 folgte: „De passione ac morte Christi fasciculus myrrhae coccineo lugubris metri funiculo colligatus“, vorausgehen empfehlende Verse von Ortwinus Gratius und die Dedication an Jacob. Wimpheling und Jodocus Gallus (Köln, Quentell. 44 Bl. 4°, Neudruck Straßburg 1513). 1511 erschien auch, datirt ex Monasterio Westvaliae metropoli 1511, die „Vita ilustris ac divae Elisabeth Hungarorum regis filiae“, im Herbste 1510 verfaßt, dedicirt honorabilibus ac Christo Jesu devotis patri fratribusque in urbe Marpurgensi religiosam primitivae ecclesiae vitam agentibus. Das Ganze enthält 34 Capitel. Von der ersten Ausgabe von 1511 befindet sich nur noch ein defectes Exemplar in Marburg, die Vorrede und die vita bis zum ersten Viertel des 9. Capitels enthaltend. Die zweite Ausgabe erschien Köln 1521, dann erschien das Werk in den Sammelwerken von Laur. Surius, de probatis Sanctorum historiis, Tom. VI., Köln 1581 und Henr. Sedulius, historia seraphica Francisci Assisiatis, Antwerpen 1613. Aus der defecten ersten und der zweiten Ausgabe ist das Werk des M. neu herausgegeben von Herm. Müller, Heilbronn 1878. Derselbe hält es für sehr wahrscheinlich, daß die Ausgabe von 1511 in Münster gedruckt sei, bringt aber keinen Grund vor. Unter den vielen Lebensbeschreibungen der hl. Elisabeth ist die von M., deren Stoff nach seiner eigenen Angabe aus verschiedenen Schriften zusammengestellt ist, eine der besten, enthält auch einige unbekannte Einzelheiten, die Sprache ist aber sehr schwülstig, als ob der Gegenstand den noch ganz gläubigen Verfasser seine humanistische Bildung habe vergessen machen. Dem defecten Marburger Exemplar sind zehn Blätter angebunden, mit gleichen Lettern gedruckt, enth. eine am Anfang unvollständige Vita St. Nicolai, am Schluß Hendekasyllaben von Joh. Murmellius. Daß der Verfasser dieser vita ebenfalls M. sei, scheint dem Herausgeber H. Müller (Vorrede S. IX) nicht unwahrscheinlich zu sein. 1518 erschien die „Vita D. Pauli apostoli, carmine heroico descripta“, auch betitelt „Heros Tarsensis“ (Köln, Cervicornus 47 Bl. 4°), dedicirt dem Münster’schen Domcanonicus Dietrich Schade. Aus derselben Zeit mögen die von Hamelmann (S. 176) erwähnten Hymni per dies festos anni stammen. – Bedeutender aber noch als die Anregung, welche M. durch seine Schriften gab, sollte sein Einfluß in der neuen kirchlichen Bewegung werden. Die Augustiner in Herford standen früh in Verbindung mit Wittenberg, aus dem Augustinerkloster ging die Reformation der Stadt hervor. Aber die Brüder des gemeinsamen Lebens sind fast überall unter den ersten Freunden der lutherischen Sache zu nennen. Als Landsmann und Freund Melanchthons trat M. mit demselben in lebhaften Briefwechsel, schon 1520 wandte er sich dem evangelischen Glauben zu, der erste in Herford, und gewann dafür den ganzen Convent, den Rector Amelius, Gerhard Wieskamp von Xanten, Gerhard Roggel, Anton Meyer, Heinrich Telgte u. A. Auch mit Luther war M. in Briefwechsel getreten, den er gern um Rath fragte. Im ersten Briefe vom 23. Juli 1523 entschuldigte sich Luther wegen seines langen Schweigens, bestätigte des M. Meinung, daß das Aufzählen der Sünden in der Beichte nicht nothwendig sei, meldet als gute Nachricht den Tod der beiden Märtyrer in Flandern. Der Bischof Erich von Paderborn und Osnabrück, erstaunt über das Umsichgreifen der lutherischen Lehre in seiner Diöcese, lud den Procurator Heinrich Telgte und Gerhard Wieskamp vor sich und hielt sie auf Schloß Dringenberg fest, bis die Aebtissin Anna von Limburg, von der das Fraterhaus abhängig war, trotz ihrer dauernden Anhänglichkeit an den katholischen Glauben, und Graf Simon von der Lippe sich für sie verwandten und ihre Freiheit gegen eine Strafe von 300 Goldgulden und das Versprechen, die lutherische Lehre zu verlassen oder neue [179] 1000 Gulden zu zahlen, erlangten. Die Conventualen aber erklärten den Eid für erzwungen und bekannten sich wieder zum Evangelium. Nach Amelius Tode 1528 wurde Wieskamp Rector (nicht Decan); wir haben Briefe Luthers an ihn vom 1. Januar 1528, 20. October 1528, 2. September 1529; es herrscht ein überaus freundschaftlicher Ton zwischen ihnen, Geschenke gingen hin und her, Erzeugnisse der Brüder von hier, Bücher Luther’s von dort; eine pura et munda lampas in Christo, seinen Lampadarius nennt Luther Wieskamp. Auch der Briefwechsel mit M. dauerte fort, vgl. 28. Mai 1529. Wegen der Nichtunterwerfung verlangte Bischof Erich 1531 das Strafgeld, es wurde natürlich nicht gezahlt, er starb 1532; damit hörten von jener Seite die Behelligungen auf. Die katholische Aebtissin war froh, wenn sie selbst nicht weiter beunruhigt wurde, die Reformation war in der Stadt allgemein durchgeführt. Aber es folgte von anderer Seite Bedrängnis für die Conventualen. Kirche und Schule, Prediger Dreier, Rector Möller hofften durch Maßregeln gegen das Fraterhaus Geld zur Verbesserung der Amtsstellen zu erhalten; Dreier, der Verfasser der Kirchen- und Schulordnung, wollte Frater- und Schwesternhäuser aufgehoben wissen. Als die Fratres unter dem Schutz der Aebtissin in ihrem Hause blieben, wurden sie hart angefeindet, von der Kanzel geschmäht, auf ihr Haus beschränkt, obgleich sie ein stilles, arbeitsames Leben führten. Die Aebtissin schrieb deshalb an Luther, und Wieskamp und M. schickten 1532 an ihn ihr Glaubensbekenntniß und eine Schilderung ihrer Lebensweise und Bedrängniß. Da schrieb eigenhändig Luther die schönen Worte zurück: „Ich, Martin Luther, bekenne mit dieser meiner Hand, daß ich nichts unchristliches in diesem Buche finde; wollte Gott, daß die Klöster alle so ernstlich wollten Gottes Wort lehren und halten.“ In einem besonderen Schreiben an die Aebtissin theilt er ihr mit, daß er den Rath gegeben habe, daß die Stadt nicht in fremde Obrigkeit greifen solle. An das feindliche Neunmänner-Collegium der Stadt, die vom Rath für die Untersuchung der verlassenen Klostergüter eingesetzte Commission, die an ihn Abgesandte geschickt hatte, schrieb er, daß die Stadt kein Recht habe, die Fratres in ihrer Wohnung und ihren Gütern zu beirren, daß, wenn jene nicht freiwillig ihre eigene Communion aufgäben, Niemand sie zwingen dürfe, weil sie Pfarrrecht hätten; er rieth dringend zur Friedfertigkeit, er bat sogar den Rath, nicht zu gestatten, daß Jemand Frevel an den armen Leuten verübe. In einem lateinischen Briefe an die Fratres (venerabilibus Viris Domino Gerhardo de Xantis Patri Domus Fratrum et collegis ipsius in Erfordia, suis amicis) theilt er ihnen dies Schreiben an die Neunmänner mit, sagt ihnen, daß er durchaus nicht wolle, daß sie ihre Lebensweise ändern, auch nicht, daß sie ihr Pfarrrecht aufgäben, nur möchte es vielleicht zum Frieden beitragen, wenn sie dies thäten, doch überlasse er ihnen selbst die Entscheidung. Er sandte ihnen hierbei auch das mitgeschickte Geld zurück, damit er nicht Anderen Gelegenheit zu Schmähungen gebe. Darauf bestätigte die Aebtissin am 20. Mai 1532 die Privilegien des Fraterhauses. Doch begnügte sich der Rath nicht dabei, er schickte 1534 R. Möller und den Bürger H. Pottgeter nach Wittenberg, Luther vorzuschlagen, daß das Fraterhaus ganz in eine Schule verwandelt würde. Luther sprach sich entschieden dagegen aus; er wünsche, daß solcher frommen und fleißigen Leute viele wären; die Fraterhäuser seien anders zu behandeln als die Stifter und Klöster; was sie hätten, sei von ihnen erworben, ihnen nicht gegeben; sie huldigten dem Evangelium und führten ein züchtlich Leben nach der Apostel Lehre; er bitte, daß die Stadt sich nicht in schlechten Ruf bringe. Das Wort Luthers fand guten Boden, es wurde wohl noch gegen das Fraterhaus gepredigt, aber 1542 den Fraterherren der Fortbestand ihres Hauses in völliger Exemtion vom Pfarrnexus, unter alleiniger Gerichtsbarkeit der Abtei, durch einen Vergleich zugesichert. [180] Diese Zeit hat M. wohl nicht mehr erlebt, nach 1534 hören wir nichts mehr von ihm. Im Fraterhause ist er gestorben.

Luther’s Briefe bei de Wette. – Hamelmann. – Hagedorn, Ravensberg. Reform. Gesch. 1748. – Biedermann, Altes und Neues von Schulsachen. Thl. 4, 283 ff. – Cornelius, Geschichte des Münster’schen Aufruhrs. – Krafft und Crecelius, Beiträge zur Geschichte des Humanismus am Niederrhein und in Westfalen. 2. Heft. – Lipp. Reg. IV, 3133. –- Hölscher, Gymn.-Progr. Herford 1869. 1872. – Reichling, Zeitschr. für vaterl. Gesch. Münster, Bd. 36, Abth. I, S. 16–32. – Schulze, Evang. Kirchenzeit. 1881, N. 24.