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ADB:Moretus

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Artikel „Moretus“ von Karl Steiff in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 22 (1885), S. 224–226, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Moretus&oldid=- (Version vom 3. Dezember 2024, 15:13 Uhr UTC)
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Moretus ist der Name eines Geschlechts von Buchdruckern und Buchhändlern in Antwerpen, welches das dortige Geschäft des großen Druckerherrn Chr. Plantin als Erbe überkommen und dasselbe mit vielem Gewinn, doch nur in wenigen Vertretern in des alten Meisters Geist fortgeführt hat bis in unsere Tage herein. Der ursprüngliche Name ist übrigens nicht Moretus, dies ist vielmehr nur die latinisirte Form desselben, welche zuerst, doch durchaus noch nicht constant, von dem sofort zu nennenden Joh. M. angewandt worden ist. Falsch ist es jedoch, wenn Falkenstein, Gesch. der Buchdruckerkunst, S. 258, u. andere, „van Morst“ als ursprünglichen Namen der Familie bezeichnen. Aus deren ältesten Drucken, aus Acten, zahllosen Papieren u. s. w. ergibt sich nämlich aufs unzweifelhafteste, daß er vielmehr „Moerentorf“ (oder „Mourentorf“) lautete, – ein Name, welcher im Verein mit einigen andern Thatsachen es höchst wahrscheinlich macht, daß die Familie eine ursprünglich vlämische war, wenngleich der Vater des ersten Buchdruckers, ein Jacob Moerentorf, der Sohn eines Seidenfabrikanten in Lille gewesen, und erst 1544 unter die Bürger von Antwerpen aufgenommen worden ist. Als die bedeutendsten Gestalten in dem Geschlecht der Buchdrucker M. treten zwei hervor, die denn auch allein auf diesen Blättern genannt zu werden verdienen: Johann M., der erste in der Reihe, und sein Sohn Balthasar. – Johann (Jan) M., geb. 22. Mai 1543, † 22. Sept. 1610, trat schon als vierzehnjähriger Knabe in das Geschäft Plantins ein, wurde in der Buchhandlung verwendet, später auch mit der Führung der Rechnungsbücher betraut und zeigte dabei solche Tüchtigkeit und persönliche Anhänglichkeit an seinen Herrn, daß ihm dieser im Jahr 1570 seine zweite Tochter Martina zur Frau gab. Jetzt erhielt er die selbständige Leitung der Buchhandlung; auch diejenige der Druckerei wurde ihm – erst mit dem andern Schwiegersohn Franz Rapheleng zusammen, später allein – in Plantin’s Abwesenheit übertragen. Ueberhaupt ward er mehr und mehr der unentbehrliche Gehilfe des alternden Meisters, der ihn für seine Dienste vor allen andern Schwiegersöhnen auszeichnete. Nach Plantin’s Tod (1. Juli 1589) fiel Fr. Rapheleng die Presse in Leyden zu, die vorher schon von demselben geleitet worden war, übrigens nur nur noch kurzen Bestand haben sollte; das Gesammtgeschäft in Antwerpen bekam – gegen freiwillige Entschädigung an die andern Erben – Joh. M. Dieser behielt die alte Firma einer ausdrücklichen Bestimmung der Wittwe Plantin’s folgend bei, in der Weise, daß er zu derselben „ex officina Plantiniana“) seinen („apud J. M.“) und bis zum Tod der Wittwe (1596) auch deren Namen setzte; und dem entsprechend hielten es auch alle seine Nachfolger, wenn sie es nicht vorzogen – was seit 1696 Regel wurde –, neben der stolzen Unterschrift: „ex architypographia Plantiniana“ ihren bescheideneren Namen verschwinden zu lassen. Auch das Recht der Fortführung des Plantin’schen Druckerwappens – ein von einer Hand geführter Zirkel mit der Devise: „Labore et Constantia“ – ging auf Joh. M. über. Als letzterer das Geschäft übernahm, arbeiteten bei einem Letternvorrath von 44 000 Pfund 10 Pressen in den Werkstätten und in den Magazinen lagerten 10 761 Ries bedruckten nebst 5329 Ries unbedruckten Papiers; an Büchern überkam er überhaupt sowie jeder einzelne der Erben einen Werth von 29 295 fl. Es sind dies Zahlen, welche auf einen sehr bedeutenden Umfang speciell des Antwerpener Geschäfts schließen lassen und man wird, mit einigen Einschränkungen, sagen können, daß Joh. M. dasselbe auf dieser Höhe erhalten hat. Wenigstens war es sicher nicht nur der Wiederschein des Glanzes vergangener Tage, was noch im J. 1604 Gilles Schoondonck bewog, die Plantin’sche Officin unter die „Admiranda hujus saeculi“ zu zählen, und was laut Foppens’ Bericht (s. u.) noch einige Jahre nach des Joh. Moretus Tod die Infantin Isabella veranlaßte, [225] die Königin Maria von Medici nach Antwerpen zu führen und ihr die berühmte Druckerei zu zeigen. Ist auch der Gesammtverlag des Joh. M. kleiner als der Plantin’s – es sind 444 Werke –, so bleibt doch die Zahl der Bücher, welche die Frankfurter Meßcataloge aus seinem Verlag Jahr für Jahr aufführen, hinter den daselbst von Plantin verzeichneten nicht zurück; im ganzen hat er 364 Werke auf die deutschen Messen gebracht. Auch in der Sorgfalt des Drucks und in der Schönheit der Ausstattung suchte Joh. M. dem großen Vorbild seines Herrn und Meisters nachzueifern. Ein Punkt ist nun aber freilich, in welchem der Epigone sich nicht verleugnet und es ist ein sehr wichtiger Punkt: die Litteratur, welche er, der fromme Katholik, mit Vorliebe gepflegt hat, sind Andachtsbücher, liturgische Schriften und dergleichen Dinge; große wissenschaftliche Werke, ähnlich jenen, durch welche Plantin sich seinen Ruhm zu einem guten Theil erworben, sind bei Joh. M. höchst selten. Wir heben hervor: des Caesar Baronius Annales ecclesiastici, 1588–1609, wie diese Zahlen zeigen, noch unter Plantin begonnen, (2. Ausgabe begonnen 1597, vollendet von Johann’s Söhnen 1612); die revidirte Biblia vulgata, für deren Druck und Verkauf nördlich der Alpen ihm durch ein päpstliches Decret vom 11. März 1597 ein zehnjähriges Privilegium gewährt worden war; eine neue (3.) Ausgabe von des Ortelius Thesaurus geographicus, 1596. Und endlich des bekannten Gelehrten Justus Lipsius Schriften. Uebrigens war Joh. M. wie ein Mann von edler Gesinnung so auch ein wohl unterrichteter Mann, der z. B. sieben Sprachen verstand. Daß er von Lipsius’ Schrift De constantia eine vlämische Uebersetzung veranstaltete, welche von Plantin 1584 gedruckt wurde, sei nur beiläufig erwähnt. – Des Joh. M. ältester Sohn Caspar war frühe gestorben, der zweite Melchior war Priester geworden und so setzten der dritte und der vierte seiner Söhne, Balthasar und Johann (II.), nach seinem Tod das Geschäft mit der Mutter († 1616) fort, so zwar, daß Johann die Leitung der Buchhandlung, Balthasar diejenige der Druckerei übernahm. Als Johann schon 1618 starb, ging das Ganze in die Hände Balthasar’s über. Doch kommt noch bis 1630 neben seinem Namen der der Wittwe seines Bruders auf den Drucken vor. Von 1618–29 war er überdies mit Johann Meursius (van Meurs) associirt.

Balthasar M., geb. 23. Juli 1574, † 6. Juli 1641 als Junggeselle, war zwar in körperlicher Beziehung von der Natur verkürzt, sofern er von Geburt an auf der rechten Seite gelähmt war; um so glücklicher war er, was Intelligenz und Willen betrifft, veranlagt, und da zu dieser reichen Begabung eine tüchtige Ausbildung kam – er studirte 1592–94 in Löwen –, so waren alle Vorbedingungen gegeben, daß er das Geschäft wieder auf die Höhe von Plantin’s Tagen zurückführte, sofern es unter seinem Vater von derselben zurückgewichen war. Nun wird vor allem der Verlag wieder ein anderer; Liturgien und Andachtsbücher müssen vor den wissenschaftlichen Werken in den Hintergrund treten. Unter letzteren seien namentlich genannt: des F. Haraeus Annales ducum seu principum Brabantiae totiusque Belgii, 1623 (3 Bände in Folio); die Opera des Dionysius Areopagita, 1634 (2 Bände in Folio) und die Gesammtausgabe von Justus Lipsius’ Werken, 1637 (4 Foliobände). Was aber die Ausstattung der Bücher betrifft, so haben viele von Balthasar’s Drucken einen Schmuck, den auch die Plantinen entbehren mußten. Dank der Freundschaft, welche der künstlerisch, namentlich poetisch angelegte Mann mit Rubens unterhielt, konnte er seine Druckwerke mit Titelbildern und sonstigen Ornamenten ausstatten, welche von keines Geringeren als dieses genialen Künstlers Hand entworfen waren. (Man findet solche z. B. eben in den genannten Werken.) Befragen wir endlich die Meßcataloge nach der Betheiligung des Balthasar [226] M. an den deutschen Messen, so ist auch hier nur ein Aufschwung zu verzeichnen. Denn trotz der Ungunst der Zeiten – es war ja die Zeit des dreißigjährigen Kriegs – hat er bei einer Gesammtproduction von 736 Drucken, von 1610 an gerechnet, nicht weniger als gegen 600 Werke nach Frankfurt geliefert. Bezeichnend für den Maßstab, in welchem er sein Geschäft betrieb, dürfte demnach die Thatsache sein, daß er genöthigt und im Stande war, auf die Restauration und Vergrößerung der Gebäude der Druckerei die enorme Summe von 60 000 fl. zu verwenden. – Nach Balthasar Moretus’ Tod erbleicht der Glanz der Officina Plantaniana Moretorum rasch. Indem die Nachfolger – zunächst folgte seines Bruders Johann Sohn, Balthasar II. – sich fast ausschließlich auf die Ausnützung des Privilegiums, für Spanien und dessen Besitzungen Andachtsbücher zu drucken und ähnlicher Monopole beschränkten, wuchs zwar der Reichthum des Hauses ganz gewaltig und hiermit wiederum hing wohl die Erhebung der Familie in den Adelstand durch den König von Spanien im J. 1692 zusammen, aber für die Geschichte verlor die Druckerei alle Bedeutung. Von den letzten Generationen der Moretus wurden übrigens die Pressen nur noch aus Pietät in Thätigkeit erhalten, bis im August 1867 der Druck ganz eingestellt wurde. Neun Jahre später (20. April 1876) wurden von Ed. Jean Hyacinthe Moretus († 1880) die Gebäude mit allem, was darin und daran war, an die Stadt Antwerpen verkauft und nun ward die Officina Plantiniana in ein „Musée Plantin-Moretus“ umgewandelt, welches die höchst bedeutenden, mit seltener Sorgfalt durch drei Jahrhunderte erhaltenen Denkmäler des Hauses Plantin-Moretus zu einer Sammlung vereinigt, die einzig dasteht in ihrer Art.

Vgl. Foppens, Bibliotheca belg., Brux. 1739, I, p. 122 sq. II, p. 698, (dort auch das Porträt des Balth. M.); Schwetschke, Codex nundinarius, Halle 1850, S. 27–96; Le Glay, Spicilège d’histoire litt. 2, Lille 1859 (sechs Briefe von Balth. M.); vor allem aber das Prachtwerk von dem Conservateur du Musée Plantin-Moretus, Max Rooses, welchem Ref. auch einige briefliche Mittheilungen über die Moretus zu danken hat: Christophe Plantin, Anvers 1882, Fol. Hier sind auch die Bilder von Joh. M., seiner Frau und seinen Eltern (nach von Rubens für Balth. M. gefertigten Gemälden), ferner von Balth. M. und endlich auch Ansichten der Druckerei zu finden.