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ADB:Morgenstern, Carl

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Artikel „Morgenstern, Karl“ von Heinrich Weizsäcker in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 52 (1906), S. 478–480, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Morgenstern,_Carl&oldid=- (Version vom 24. November 2024, 07:40 Uhr UTC)
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Morgenstern: Karl M., Landschaftsmaler, kgl. Professor, geboren in Frankfurt a. M. am 25. October 1811, † ebenda am 10. Januar 1893.

M. entstammte einer thüringischen Künstlerfamilie, die seit dem 18. Jahrhundert in Frankfurt ansässig geworden war. Hier hatten sich durch ihre Malerei schon vor ihm sein Großvater und sein Vater, Johann Friedrich M., einen geachteten Namen erworben. In der väterlichen Werkstatt wurde ihm die erste künstlerische Unterweisung zu Theil. Von Bedeutung wurde später für ihn ein Studienaufenthalt in München (1832 und 1833) und eine daran anschließende längere Reise nach Italien (1834 bis 1837). Sie lenkten ihn zwar in etwas von der ererbten Kunstweise des Vaters ab, trugen jedoch auf der anderen Seite dazu bei, ihn mit der Zeit Schritt halten und seine persönliche Eigenart in ihm ausreifen zu lassen.

Die Frankfurter Malerkunst des 18. Jahrhunderts lebte von der Ueberlieferung der niederländischen Schule. Die scharfgeprägte Realistik der Niederländer, Hand in Hand mit einer achtbaren handwerklichen Routine, kennzeichnet die gediegene, wenngleich etwas spießbürgerliche Altfrankfurter Kunst jener Zeit. Auf ihrer Tradition fußte auch die Malerei der beiden älteren Träger des Namens Morgenstern, und noch die ersten selbständigen Leistungen von [479] Karl M. erinnern stark an Ruisdael und Hobbema. In München, wo seit der Thronbesteigung König Ludwig’s I. der romantische Classicismus mit dem Kunstwesen der vorangegangenen Zeit energisch aufgeräumt hatte, sah sich der junge Frankfurter in einen völlig anders gearteten geistigen Horizont hineingestellt. Hier stand im Gebiet der Landschaftsmalerei Karl Rottmann an der Spitze einer Bewegung, die einem neuen Idealstil in glänzender Raumentfaltung und mit den Mitteln einer reicheren Palette zustrebte, und die vornehmlich die klaren, großen Erscheinungsformen der südlichen Landschaft als den ihr am meisten zusagenden Gegenstand der Darstellung erwählt hatte. Rottmann’s Persönlichkeit hat auf Karl M. damals einen tiefen Eindruck gemacht. Daß er sich entschloß, von München nach Italien zu gehen, um sich dem Studium der classischen Landschaft an Ort und Stelle hinzugeben, war die gegebene Consequenz dieses Einflusses. Zwar wirkte dort die alteinheimische Gewöhnung des Sehens und Gestaltens in ihm noch immer mit solcher Stärke nach, daß es ihn anfänglich hart ankam, der neuen Aufgabe auch eine neue, ihrem besonderen Charakter entsprechende Form der Behandlung abzugewinnen. Und er hatte einen um so schwereren Stand, als er den Ehrgeiz hatte, Mittel und Wege dafür, ohne sich an Andere anzulehnen, ganz aus eigenem Vermögen zu finden. Aber das Ergebniß lohnte die Mühe. Nicht nur die wundervollen Studien, die er später aus den Sabinerbergen, aus dem Umkreise von Neapel und Sicilien mitbrachte, auch die zahlreichen Staffeleigemälde, die daraus hervorgingen, lassen eine charaktervolle und durchaus persönliche Interpretation der italienischen Landschaft und ihrer Schönheiten erkennen, die zu erreichen ihm gelungen ist. Und während die ersten Eindrücke des Südens ihn eher enttäuscht als erbaut hatten, lebte er sich später in die italienischen Motive, auch auf erneuten Reisen, derart ein, daß sie in dem Gesammtertrage seiner langen und von außergewöhnlichem Erfolge begleiteten Künstlerlaufbahn geradezu den Hauptinhalt bilden. Er hat nach der Rückkehr in seine Frankfurter Heimath, wo er 1845 zur Gründung des eigenen Hausstandes gelangte, zwar auch in der Beschränkung auf den näher gelegenen Umkreis des Main- und Rheingebietes dankbare und reizvolle Gegenstände seines künstlerischen Wirkens aufzufinden verstanden, hat auch durch Reisen in die Schweiz und nach Frankreich, Belgien und Holland seinen Gesichtskreis unermüdlich zu erweitern gesucht. Aber mit Vorliebe pflegte er doch die italienische Landschaft und diese Seite seiner Thätigkeit ist es wol auch, die ihn außerhalb seiner engeren Heimath am meisten bekannt werden ließ.

Das Gepräge seiner Kunst ist allerdings in etwas immer das der bürgerlichen Kleinkunst des 18. und des beginnenden 19. Jahrhunderts geblieben, und die gesellschaftlichen Kreise der alten Reichsstadt, in denen seine Werke hauptsächlich Absatz fanden, mögen durch die ihnen eigene Geschmacksbildung ihn darin, ob auch vielleicht unbewußt bestärkt haben. So hat er sich denn auch den ins Große gehenden stilistischen Bestrebungen der eigentlichen romantischen Landschaftsmalerei, die ihn eine Zeitlang beschäftigt hatten, je länger je mehr entfremdet. Was er schuf, das sind im allgemeinen heitere sonnige Existenzbilder von zarter und lichter Haltung in Form und Farbe. Den Rang der vollwerthigen künstlerischen Leistung erlangen sie nicht durch starke Mittel der Wirkung, auch nicht durch solche, wie sie heute bevorzugt werden; ihr Reiz liegt in der liebevollen inneren Anschauung, in der Form und Sorgfalt der Wiedergabe, nicht am wenigsten auch in der Reinheit, mit der die technische Handhabung der Farbmittel beobachtet ist. In großer Zahl sind seine Bilder in Frankfurter Privatbesitz zu finden; werthvolle Erzeugnisse seiner Kunst besitzen ferner die Gemäldesammlung [480] des Städel’schen Kunstinstituts in Frankfurt a. M. und die Schack-Galerie in München.

Reisebriefe von Karl Morgenstern im Besitz der Familie und mündliche Mittheilungen aus demselben Kreise. – Kaulen, Freud’ und Leid im Leben deutscher Künstler (1878), S. 147 ff. – A. F. Graf v. Schack, Meine Gemäldesammlung (VII. Aufl., 1894), S. 229. – Lebensabriß i. d. Frankf. Zeitung 1893, Nr. 90.