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ADB:Mundt, Christoph

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Artikel „Mundt, Christoph“ von Adolf Hasenclever in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 52 (1906), S. 537–540, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Mundt,_Christoph&oldid=- (Version vom 25. November 2024, 05:25 Uhr UTC)
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Mundt: Christoph M. (Mount, Montius), politischer Agent Heinrich’s VIII. in Deutschland. Ueber die Jugend wie überhaupt die Herkunft des späteren Agenten Christoph M. wissen wir gar nichts; soviel steht nur fest, daß er aus Köln gebürtig war und bereits in frühen Jahren nach England gekommen ist; in welcher Eigenschaft ist unbekannt. Zunächst trat er dort in Thomas Cromwell’s Dienste; wie es scheint, hat er ihm gegenüber eine ähnliche Stellung eingenommen wie sein wol ungefähr gleichaltriger niederrheinischer Landsmann und späterer politischer wie persönlicher Freund Johann Sleidan am französischen Hof gegenüber dem Cardinal Johann du Bellay; auch in der Art seiner wissenschaftlichen Bethätigung erinnert M. an den zukünftigen Geschichtsschreiber des deutschen Protestantismus: er übersetzte Bücher, das heißt doch wol, er bearbeitete wie jener Chroniken; eine Belohnung, welche M. im J. 1532 dafür von seinem Herrn erhielt, ist amtlich beglaubigt.

Seit dem Sommer 1533 wurde M. zu auswärtigen Gesandtschaften herangezogen, zunächst noch in Verbindung mit anderen Agenten, und auch nur um über die politische Lage zu referiren, weniger um selbständig irgend welche Verhandlungen anzuknüpfen. Wir finden ihn damals in Oberdeutschland, in Nürnberg und Augsburg, in Verbindung mit den Mitgliedern des schwäbischen Bundes. Seit dieser Zeit ist er nur mit kurzen Unterbrechungen vier Jahrzehnte hindurch einer der vornehmsten englischen Berichterstatter über deutsche Angelegenheiten geblieben.

Welche Stellung M. damals zur religiösen Frage einnahm, wissen wir nicht. Das nahe Verhältniß zu Thomas Cromwell, „dem Hammer der Mönche“, läßt ja allerdings vermuthen, daß er nicht mehr ganz auf dem Boden der alten Kirche stand; auch daß Heinrich VIII. ihn im folgenden Jahre mit einer Sendung an die deutschen Fürsten betraute, um über die ihm von Seiten der römischen Curie zugefügten Beleidigungen Klage zu führen, läßt zum mindesten auf den Beginn einer inneren Wandlung schließen. Völlig gewonnen für die neue Lehre erscheint M. ein Jahr später, denn sonst hätte man ihn wol kaum ausgesandt, um Melanchthon aufzufordern, statt dem Rufe nach Paris zu folgen, nach England zu kommen. Damals suchte M. den berühmten Magister persönlich in Wittenberg auf, und wenn er auch nicht die Erfüllung seines diplomatischen Auftrages in seinem ganzen Umfange erreichte, so gelang es ihm doch, sich die Freundschaft des großen Gelehrten zu erwerben. Seine Stellungnahme zur Cardinalfrage des Jahrhunderts war damit gegeben.

Hierdurch war seine Haltung gegenüber dem schmalkaldischen Bunde bedingt. Sein politisches Ziel war fortan, bis zum Ausbruch des Religionskrieges in Deutschland, ein Hand-in-Handgehen Englands mit den deutschen Protestanten herbeizuführen. Seine Thätigkeit culminirte mithin weniger in einer Antagonie gegen das kaiserliche Cabinet als in einer Durchkreuzung der Versuche Franz’ I., die Kräfte des deutschen Protestantismus, soweit er im schmalkaldischen Bunde politisch organisirt war, den Interessen der französischen Krone dienstbar zu machen. Kurze Zeit schien Mundt’s Bemühungen voller [538] Erfolg zu winken, während der Vorverhandlungen über das Heirathsprojekt Heinrich’s VIII. mit Anna von Cleve, der Schwägerin des sächsischen Kurfürsten Johann Friedrich. Aber die Unbeständigkeit und Sinnlichkeit des englischen Königs, die bekanntlich wenige Monate nach der vollzogenen Trauung im Sommer 1540 zur officiellen Scheidung führte, trug diese Hoffnungen bald zu Grabe, ja machte ein ferneres Zusammengehen des Inselreiches mit dem schmalkaldischen Bunde, dessen vornehmstes Mitglied Johann Friedrich sich durch die schimpfliche Behandlung einer nahen Verwandten tief verletzt fühlte, nahezu unmöglich. Auch M., den man zu den Vorverhandlungen zumal mit dem kursächsischen Hofe hinzugezogen hatte, wurde von dem jähen Abbruch der Beziehungen unangenehm betroffen. Ob er nach der Hinrichtung seines Gönners Thomas Cromwell direct in Ungnade gefallen ist, wissen wir nicht; immerhin ist es auffallend, daß von Juni 1540 – am 28. Juli endete nach längerem gerichtlichen Verfahren Cromwell auf dem Schaffott – bis Juli 1542 in den State papers kein Bericht von M. an Heinrich VIII. mitgetheilt wird; soviel scheint festzustehen, daß er seit jener Zeit sich die Möglichkeit hat verschaffen wollen, anderweitig Dienste anzunehmen; der Fortgang der religiösen Bewegung in England mag nicht zum wenigsten mitbestimmend für ihn gewesen sein. Zu Beginn der 40er Jahre finden wir denn M. in Speier, am Sitze des Kammergerichts, wo er Rechtsstudien trieb und sich auch den Doctorhut erwarb.

Nach der Beendigung des Speierer Reichstages (Herbst 1544) wandte sich M. nach Straßburg, um sowol Erkundigungen einzuziehen über den Inhalt des auffallenden Friedensschlusses von Crespy, als auch um Verhandlungen anzuknüpfen über seinen Eintritt in den Dienst dieser Stadt als Rechtsgelehrter sowie über Lösung seines Dienstverhältnisses zu England. Der Versuch scheiterte, so warm sich auch Martin Bucer, mit dem M. aufs innigste befreundet war, bei dem Altstättmeister Jakob Sturm für ihn verwandte. Wie es scheint, kehrte er daraufhin (nach einer diplomatischen Mission zu Landgraf Philipp von Hessen im December) nach Speier zurück. Während des Reichstages zu Worms im Frühjahr und Sommer 1545 finden wir M. am Sitz der Reichsversammlung, später hielt er sich meist in Frankfurt auf, vorübergehend auch noch in Worms, bis er im October 1546, in den Zeiten des schmalkaldischen Krieges, als die kritischen Wochen des Donaufeldzuges herannahten, in Frankfurt das Bürgerrecht erwarb. Zwei Jahre später siedelte M. dauernd nach Straßburg über und wurde dort unter die Schirmverwandten der Stadt aufgenommen. Nach einigen Monaten, am 13. Januar 1549, verheirathete er sich dort mit Rosine Quintner aus dem Geschlechte der Quintner von Saarburg; im November desselben Jahres wurde ihm die erste Tochter geboren.

Erst seit dem Frieden von Crespy (Sept. 1544) ist M. wieder activ in die große Politik eingetreten; die Jahre, welche jetzt folgen bis zur Katastrophe des schmalkaldischen Bundes, bilden unbestreitbar den Höhepunkt seines Lebens. Vorher war er nur politischer Berichterstatter gewesen, der lediglich zu referiren hatte über die Stimmungen und politischen Strömungen innerhalb Deutschlands; später sank er wieder in diese mehr secundäre Stellung zurück, so oft man auch seinen Rath einforderte, wenn es galt, eine Action diplomatisch vorzubereiten. Jedoch während dieser beiden für den gesammten deutschen Protestantismus so entscheidungsvollen Jahre war es M. vergönnt – freilich ohne augenblicklichen, endgültigen Erfolg – an der Durchsetzung seiner eigenen politischen und mehr noch religiösen Ueberzeugungen rege mitzuarbeiten. „Seine Hauptaufgabe sah er … jedenfalls darin, sein ursprüngliches und [539] adoptirtes Vaterland auf dem Grunde der Reformation politisch zu einigen“ (Lenz, Bucerbriefwechsel II, 269). Scheinbar kam der Kreis von Publicisten und Staatsmännern, in welchen er durch seine zeitweise Uebersiedlung nach Straßburg gerathen war, diesen seinen Bestrebungen entgegen, freilich nur scheinbar, wenigstens nur in einer, in der religiösen Richtung. Gegen einen zu engen politischen Anschluß an England sträubte man sich dort vornehmlich aus Furcht vor dem benachbarten Frankreich aufs äußerste. Erst mußte der Friede zwischen Heinrich VIII. und Franz I. hergestellt seien, bevor die deutschen Protestanten an ein Hand-in-Handgehen mit dem fernen Inselreich denken konnten. Dieser politischen Nothlage entsprang im Sommer 1545 Mundt’s energische Mitarbeit an den Verhandlungen, welche zur Friedensvermittlung der Schmalkaldener zwischen England und Frankreich im Spätherbst und Winter des Jahres 1545 führten. Sie scheiterten bekanntlich infolge der diplomatischen Ungeschicklichkeit der protestantischen Unterhändler – auch Johann Sleidan gehörte zu ihnen – wie an der überlegenen politischen Position des Kaisers, dem die Fortdauer der kriegerischen Verwicklungen im Interesse seiner internationalen Stellung erwünscht war. Doch schon war wieder ein anderer Boden bereitet, von dem aus mit noch mehr Aussicht auf Erfolg eine gemeinschaftliche Action zwischen dem Inselreiche und der protestantischen Vereinigung inaugurirt werden konnte: die gemeinsame Gegnerschaft gegen das im December 1545 eröffnete Concil von Trient. In den ersten Monaten des Jahres 1546 war M. unermüdlich thätig, ein solches Zusammengehen herbeizuführen, selbstverständlich nur um später den Abschluß eines politischen Bündnisses folgen zu lassen mit der wenn auch officiell verheimlichten, so doch nach Lage der Dinge unverkennbaren Spitze gegen Frankreich. Soweit waren seine Bemühungen bereits von Erfolg gekrönt, daß das rührigste und nach außen hin angesehenste Mitglied des schmalkaldischen Bundes, Philipp von Hessen, sich für seine Person nicht abgeneigt zeigte, mit Heinrich VIII. einen Pensionsvertrag abzuschließen; nur auf den dringenden Rath der Straßburger Politiker insbesondere, welche den Zorn des benachbarten französischen Königs fürchteten, unterließ der Landgraf den letzten entscheidenden Schritt (April und Mai 1546). Wenige Monate später brach der längst gefürchtete schmalkaldische Krieg aus. Da noch nichts Definitives mit England abgemacht war, kam man nach den schweren Niederlagen der Protestanten auf die früheren Verhandlungen nicht mehr zurück. Auch Mundt’s selbständige politische Wirksamkeit hatte durch den überwältigenden Sieg Kaiser Karl’s V. ein baldiges Ziel gefunden.

Seit seiner Uebersiedlung nach Straßburg im Spätherbst des Jahres 1548 und seit seiner Verheirathung blieb Mundt’s dauernder Wohnsitz die oberdeutsche Reichsstadt, so oft er auch im Dienste seines Adoptivvaterlandes zur Unterstützung diplomatischer Missionen berufen wurde. Nur wenige Jahre mußte er seine Thätigkeit unterbrechen: unter der Regierung der blutigen Maria war für einen so entschiedenen Protestanten wie M. war, der dazu noch in Straßburg, dem internationalen Zufluchtsort vieler wegen ihres Glaubens verfolgten Bekenner des Evangeliums, lebte, kein Platz in der englischen Beamtenhierarchie. Doch kaum hatte Elisabeth den Thron bestiegen, als M. mit allen Ehren wieder in seine frühere Stellung eingesetzt wurde, nicht zum Schaden der englischen Berichterstattung über Deutschland. So sehr genoß er das Vertrauen seiner Herrscherin, daß er sogar einmal, in den sechziger Jahren, zu ganz vertraulichen Verhandlungen über ein, allerdings wie viele andere nicht zu Stande gekommenes Heirathsprojekt Elisabeth’s mit Erzherzog Karl von Oesterreich, dem jüngsten Sohne Kaiser Ferdinand’s I. [540] hinzugezogen wurde. Im Sommer des Jahres 1572 starb M. in Straßburg, das genaue Datum ist nicht bekannt.

Die englische Litteratur über Mundt ist angegeben im Dictionary of National Biographie Bd. XXXVIII (London 1894), S. 205, wo (S. 204 f.) auch einige kurze biographische Notizen zu finden sind. – Vgl. noch außer den bekannten Actenpublicationen über die 30er und 40er Jahre des 16. Jahrhunderts, wo Mundt häufig erwähnt wird, A. O. Meyer, Die englische Diplomatie in Deutschland zur Zeit Eduards VI. und Mariens (Breslauer Dissertation 1900), S. 89–96 sowie Forschungen zur deutschen Geschichte Bd. V (Göttingen 1865), S. 1–68: Aktenstücke über jenes oben erwähnte Eheprojekt Elisabeths von England.