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ADB:Pörschke, Karl Ludwig

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Artikel „Pörschke, Karl Ludwig“ von Carl von Prantl in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 26 (1888), S. 442–444, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:P%C3%B6rschke,_Karl_Ludwig&oldid=- (Version vom 20. Dezember 2024, 05:23 Uhr UTC)
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Pörschke: Karl Ludwig P., geb. am 3. Januar 1751 zu Molschnen bei Königsberg, † am 24. September 1812 in Königsberg, woselbst er am Gymnasium Fridericianum seine Vorbereitungsstudien gemacht hatte und am 24. Sept. 1768 an der Universität immatriculirt wurde, trat seit dieser Zeit in näheren persönlichen Umgang mit Kant, zu dessen Tischgenossen er später bis zum Tode desselben gehörte; auch mit Christ. Jak. Kraus (A. D. B. XVII, 66) war er enge befreundet. Nach einer vieljährigen Studienzeit, in welcher er neben den Vorlesungen Kant’s sich auch mit Philologie und Naturwissenschaften beschäftigte, besuchte er (1785) noch Halle und Göttingen, und nachdem ihn (1786) bereits die Facultät für eine erledigte Lehrstelle der griechischen Litteratur empfohlen hatte, habilitirte er sich in Königsberg (13. April 1787) mit einer Abhandlung „De protyporum in artibus utilitate“ und wurde dann im März 1795 zum außerordentlichen Professor der Philosophie ernannt. Zum Antritte der ordentlichen Professur der Poesie (27. Mai 1803) schrieb er „De Platonis sententia, poetas e republica bene constituta esse expellendos“; am 23. März 1807 wurde er Ordinarius der schönen Wissenschaften, der Pädagogik und Beredtsamkeit und 1809 erhielt er das Ordinariat der praktischen Philosophie (im J. 1808 war er Rector). Er war ein eifriger und erfolgreicher Lehrer, dessen lebhafter und faßlicher Vortrag auf die zahlreichen Zuhörer anregendst wirkte; seine Vorlesungen erstreckten sich auf alle Zweige der Philosophie und außerdem auf Geschichte, Pädagogik, Poesie und Rhetorik, auch Physik, Geographie, sowie classische Philologie, und so kam es, daß er zuweilen sechs Stunden im Tage las. Bezeichnend für seine Stellung zu Kant ist, daß er allerdings [443] öfters über desselben Kritik der reinen Vernunft Vorträge hielt, aber daneben in seinen übrigen philosophischen Vorlesungen Compendien zu Grund legte, welche von Halbkantianern oder geradezu von Gegnern Kant’s verfaßt waren; so lehnte er sich z. B. an Heydenreich und Heusinger, ja mehrfach sogar an Eberhard, sowie im Naturrecht an Achenwall an. Man kann ihn allenfalls einen eklektischen Kantianer nennen, aber das Richtigere wird man treffen, wenn man an jene Autonomie der Vernunft denkt, deren sich die Aufklärer so gerne rühmten; ein lebhafter Drang nach Selbständigkeit und Freiheit brachte ihn bei aller persönlicher Hochachtung für Kant, dessen Schüler im vollen Sinne des Wortes er nie war, zu dem Ausspruche (in einem Briefe an Fichte), daß die Kantianer eine freche Rotte seien, welche sich nur durch Nachbeten und Intoleranz bethätige, und daß der Name „kritische Philosophie“ überhaupt zu tilgen sei, da es sich nur um eine „Philosophie schlechthin“, d. h. ohne Beinamen, handeln dürfe. Seine schriftstellerische Thätigkeit ging vom Gebiete der Aesthetik aus, indem er zunächst in seiner Habilitationsschrift (1787) die Ansicht durchführte, daß der Künstler weder durch Natur-Nachahmung, noch durch theoretische Regeln richtig geleitet werde, sondern auf Betrachtung der bereits vorliegenden Vorbilder, und zwar hauptsächlich der antiken, angewiesen sei, welche er genau nach Natur und Composition analysiren müsse. Hierauf veröffentlichte er „Gedanken über einige Gegenstände der Philosophie des Schönen“ (2 Bände, 1794–96, der besondere Titel des 2. Bandes ist „Beiträge zur Theorie der Dichtkunst“), worin er unter Verwerthung eines reichen kunstgeschichtlichen Wissens sich grundsätzlich auf den Boden der Moral stellte, da die Kunst als Erscheinung oder Darstellung des Guten auf die Menschen bessernd und veredelnd wirken müsse; hieran knüpft er bei Besprechung sämmtlicher einzelner Künste manche feinen psychologischen Bemerkungen, welche sich auch auf sog. Völker-Psychologie erstrecken. Nur in verschwommener Weise zeigt sich ein Einfluß Kant’s, dessen Scheidung in ästhetische und teleologische Betrachtung er wieder verwischt; daß aber Lessing’s Leistungen für den sonst so belesenen Mann sichtlich nicht vorhanden waren, ist auffallend. Seinem Freiheitsdrange gab er einen lebhaften Ausdruck in seinen „Vorbereitungen zu einem populären Naturrechte“ (1795), worin er die Anmaßung der Regenten, die Bürger geschickt, religiös und moralisch zu machen, als die Ursache aller Entsittlichung betrachtet, während in Wahrheit jeder Bürger durch eigene Thätigkeit auf seinem Platze der Schöpfer einer bessern[WS 1] Menschheit werden müsse. Und während er diese sittliche Aufgabe in seiner „Einleitung an die Moral“ (1797) in nähere Verbindung mit den ethischen Grundsätzen Kant’s brachte, richtete er 1797 und 1798 mehrere Briefe an Fichte, in welchen er die förmliche Erklärung abgab, daß er sich an denselben anschließe und als Mitarbeiter beim Philosophischen Journale einzutreten gedenke (J. G. Fichte’s Leben u. lit. Briefwechsel. Bd. II, S. 365 ff.). Als gegen Fichte die bekannten Maßregeln ergriffen wurden, schrieb ihm P. (April 1799), daß er in Erwartung des Sieges über die Gegner die Veröffentlichung einer Schrift „Ueber die Unmöglichkeit des Atheismus in denkenden Wesen“ beabsichtige; und sichtlich ist die Einlösung dieses Versprechens in der ausgedehnten Vorrede der „Briefe über die Metaphysik der Natur“ (1800) enthalten, worin er in Anlehnung an Kant’s Ethik den Nachweis versucht, daß es überhaupt keinen Atheismus geben könne, da Gott ein unbedingtes Postulat der Moral sei; in diese letztere verlegt er auch grundsätzlichst das Wesen der Religion, bezüglich deren er völlig nach Art der Aufklärer sich in einer zuweilen sehr heftigen Weise gegen jede statutarische Priester-Religion wendet (ein Standpunkt, welcher öfter auch in seinen übrigen Schriften durchblickt), daher er auch Trennung zwischen Staat und Kirche fordert. Aber die theoretischen Grundsätze Kant’s erscheinen hier in einer abgeschwächten und vielfach [444] mit Wolff’s Anschauungen vermischten Form. Seine letzten Schriften waren „Ueber Shakespeares Macbeth“ (1801) und „Anthropologische Abhandlungen“ (1801), welch letztere gleichfalls nur vom Gesichtspunkte der Moral ausgehen und unter mannigfachen Anklängen an Rousseau eine edle Begeisterung für Freiheit und Menschenwürde kundgeben. Das Ganze ist – um kantisch zu sprechen – eine pragmatische Psychologie, welche er auch in einer Schilderung der Volks-Charaktere, sowie einzelner Männer mittelst Verwendung gewisser, zuweilen bedenklicher Schlagworte durchführt. – Als Mensch bewahrte P. nach einstimmigem Urtheile der ihm Näherstehenden einen offenen, festen und sittlich strengen Charakter und äußerst angenehme Umgangsformen. Ein Schlaganfall setzte seinem Leben ein unerwartet frühes Ende.

Die Personalien nach gütigen Mittheilungen des Herrn Bibliothekars Dr. Reicke in Königsberg. – Hartung’sche Zeitung (Königsberg), 1812, 12. Novbr. – Wilh. Dorow, Erlebtes aus den Jahren 1790–1827,Bd. III, S. 23.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: bessen