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ADB:Pachelbel, Wolf Adam

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Artikel „Pachelbel v. Gehag, Wolf Adam“ von Hermann Hallwich in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 25 (1887), S. 48–58, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Pachelbel,_Wolf_Adam&oldid=- (Version vom 24. November 2024, 02:35 Uhr UTC)
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Pachelbel: Wolf Adam P. v. Gehag, geb. 1599, † 1649. – Der Sohn eines der reichsten und angesehensten Patriciergeschlechter der vormals deutschen Reichsstadt Eger, erschien Wolf Adam P. schon von Geburt berufen, in der bedeutsamsten Epoche der so wechselvollen Geschichte seiner Vaterstadt und ihres ausgedehnten Stadtgebietes eine hervorragende Rolle zu spielen. Die besten Naturanlagen, geweckt und gefördert von einer trefflichen Erziehung; eine glühende, werkthätige Liebe zur Heimat und zur Freiheit, wie zum evangelischen Glauben: die schönsten Bürgertugenden einer angeblich „guten alten“ Zeit vermochten gleichwohl nicht die Sturmfluth aufzuhalten, unter deren welterschütternder Brandung die politische, nationale und confessionelle Selbständigkeit einer großen deutschen Gemeinde zu Grunde ging und ihre Führer alle nach hartem, verzweifeltem Widerstande mit sich begrub.

Als Stammvater des Geschlechtes P. (eigentlich „Bachelbel“) gilt ein freier deutscher Bauer dieses Namens im Dorfe Oschwitz bei Arzberg-Schirnding im Egerer Weichbild. Er wird urkundlich zum ersten Male im Jahre 1390 genannt. Der Bach, an dem das Gehöfte des jungen „Elbel“ (mundartlich für „Albrecht“) gelegen war, gab ohne Zweifel dem Besitzer und seiner Familie die regelrechte Taufe, die freilich nicht verhüten konnte, daß die ursprüngliche und auch später noch sehr häufige Form „Bachelbel“ nach und nach bleibend in „Pachelbel“ umgewandelt wurde. (Die Formen „Pachhälbel“ u. dergl. sind nachweisbar uncorrect.) Ein Hans P. lebte vor 1440 bereits in Eger und erwarb liegenden Grund daselbst. Ulrich, sein Sohn, wurde in den Jahren 1473–1516 wiederholt in den „äußeren Rath“ der Stadt gewählt, jedoch mit Unterbrechungen, da er während dieser Zeit öfter im benachbarten Wunsiedel verweilte, woselbst er sich auch mit Catharina Frießner vermählte. Der älteste Sohn dieser Ehe, Wolfgang, blieb in Wunsiedel und wurde dort Bürgermeister. Drei jüngere Söhne, Niklas, Georg und Johann, verwalteten das väterliche Gut in Eger; [49] deren Brüder Andreas und Thomas wandten sich dem geistlichen Stande zu und gingen nach Rom, während Erasmus als „Magister“ in Leipzig lebte. Von Ulrichs zahlreicher Nachkommenschaft hinterließ nur Wolfgang einen männlichen Erben, Alexander, der aber seinen Wohnsitz nicht in Eger nahm, wie denn nach Georg’s Tode im Jahre 1530 die Familie P. für einen Zeitraum von fünfzig Jahren gänzlich aus Eger verschwunden zu sein schien. Bis dahin hatte auch schon ein kaiserliches Diplom, d. d. Speyer, 23. Juli 1528, der Familie P. einen Wappenbrief verliehen, als dessen „Kleinod“ in blauem oder lazurfarbenem Schilde „ein gelb- oder goldfarbener Pelikan mit aufgethanen Flügen“ figurirte, „welcher mit dem Schnabel die Brust eröffnet; auf dem Schild ein Stechhelm, beiderseits mit gelber oder blauer Helmdecken, darauf abermals ein gelber Pelikan, wie im Schild.“

Erst Alexander’s ältester Sohn, Wolfgang II., kehrte nach vielen großen Reisen und manigfachen Erlebnissen in Diensten Erzherzog Karl’s von Steiermark und der Kaiser Maximilian und Rudolf II. nach Eger zurück. Er selbst berichtet, daß er seine Jugend „in Hispania, Italia, Gallia, Engeland, Niederland und anderen mehr fremden Nationen um Erlernung der Sprachen, freien Künste und ehrbaren löblichen Tugenden zugebracht“ und alsdann an Erzherzog Karl’s Hof gezogen, der ihn „in dero Geschäften nach Frankreich verschickt“, woselbst er die ihm aufgetragenen Befehle „zu Ihrer Fürstl. Durchlaucht gnädigstem Contento verrichtet“. Hierauf, erzählt Wolfgang weiter, sei er mit Kaiser Maximilian’s II. Gesandten, Hans Kowenzl, Ritter des Deutschen Ordens und Erzherzog Karl’s Geheimem Rathe, nach Polen und endlich mit dem kaiserlichen Orator Friedrich von Breuner nach Konstantinopel gegangen, wo er „vor einen etlicher Sprachen kundigen Agenten im Schreiben, Concipiren und Transferiren vieler geheimen Sachen gebraucht“ wurde. „Als aber gemeldter Herr Orator Breuner zu Konstantinopel Todes verschieden, habe ich mich gen Jerusalem begeben und nach solcher meiner glücklichen Wiederkunft in Deutschland in Ihrer kaiserl. Majestät Stadt Eger niedergelassen.“ Es war im Jahre 1584.

Stadt und Kreis Eger oder „das Egerland“, vormals im Besitze der Babenberger-Amerdaler, dann der Vohburger, seit 1149 ein Hausgut der Hohenstaufen, war unter den letzten Kaisern dieses Hauses unmittelbares Reichsland geworden. Noch bei Lebzeiten Konradin’s im Jahre 1266 durch Ottokar II. von Böhmen in Besitz genommen, jedoch im Kriege mit Rudolf von Habsburg an das Reich zurückgegeben, war es von 1279–1291 und von 1301–1315 wieder unmittelbares Reichsland, bis es im Jahre 1315 Ludwig von Baiern an den König von Böhmen verpfändete. Seitdem war das Egerland mit Böhmen, „jedoch nicht mit dem Staate, sondern mit der Krone von Böhmen“, verbunden gewesen, „mit allen Territorialrechten und dem Vorbehalt der Reichshoheit“, gleichwie die Grafschaft Glatz und andere Ländergebiete. Mit ängstlicher Sorgfalt hatten die Bürger von Eger ihre Freiheiten jederzeit gewahrt und so auch „alle Könige und Kaiser das geschlossene Territorium des Egerlandes, seine staatsrechtliche Stellung, sowie die besonderen Rechte der Stadt und des Landes von Eger in Majestätsbriefen anerkannt.“ Nichtsdestoweniger war die Aussicht auf eine Wiedereinlösung Eger’s zum Reiche immer mehr geschwunden, zumal seitdem die deutschen Kaiser zugleich Könige von Böhmen waren. Es fehlte darum nicht an mancherlei Versuchen, Eger in ein engeres Verhältniß zu Böhmen zu bringen und von den böhmischen Landtagsschlüssen abhängig zu machen als ein der Krone Böhmen „auf ewig versetztes Pfand.“ Der Gemeinde den alten reichsstädtischen Charakter zu wahren, galt demgemäß als die vorzügliche Aufgabe [50] der Egerer Stadtvertretung, in welche Wolfgang P. alsbald berufen wurde, um schon im Jahre 1600 zum Bürgermeister gewählt zu werden, nachdem er zwei Jahre zuvor durch die Heirath mit Ursula, der Tochter des Bürgermeisters Franz Juncker von Oberkunreut, zu den vornehmsten Familien der Stadt und des Landes Eger in die engsten Beziehungen getreten war.

Noch war die gewissenhafte Wahrung des städtischen Interesses allerdings vollkommen vereinbar mit dem schuldigen Gehorsam gegen den Landesherrn, wenn dieser, wie Kaiser Rudolf II., die verbrieften Rechte der Stadt und Landschaft unangetastet ließ. Es konnte und durfte daher Wolfgang P. in einer Eingabe vom Jahre 1610 an diesen Monarchen mit Genugthuung betonen: „Allda (zu Eger) bin ich in den Rathsstuhl gezogen und vor zehn Jahren zum Bürgermeisteramt befördert worden, darin ich bis dato verharre und mich in gemeiner Stadt und Kreises Eger fürgefallenen angelegenen Sachen stets unverdrossen, mühsamlich in viel Wege gebrauchen lassen, fürnehmlich aber Eurer Majestät primari Interesse und die allergnädigst begehrte Contribution treulich und fleißig befördert und also Eurer Majestät und dem hochlöblichen Hause Oesterreich über vierzig Jahre alle treue, emsige und unverdrossene Dienste geleistet.“ Er hätte mit gutem Grund noch hinzufügen können, daß, als vor kurzer Zeit (im Frühjahr 1608) die böhmischen Stände zum Schutze ihres Königs gegen Erzherzog Matthias rüsteten, auch die Egerer sofort dabei waren, dem bedrängten Landesherrn Kriegshilfe zu leisten, nicht ohne eifriges Zuthun ihres Bürgermeisters Wolfgang P. Ein kaiserlicher Gnadenbrief d. d. Prag, 19. Juni 1610, ertheilte ihm und dem Sohne seines bereits verstorbenen Bruders Hans, namens Alexander, das Recht, sich „von Gehag“ (einem Dorf und Rittersitz bei Eger, als Eigenthum der Familie P.) zu nennen und zu schreiben, und „verbesserte“ zugleich deren Geschlechtswappen in der Weise, daß der Stechhelm über dem Wappenschilde „in einen freien adeligen gekrönten Turnirhelm verändert, geziert“ u. s. w. wurde.

Dieses Diplom empfing Wolfgang P. persönlich in Prag, woselbst er als Abgesandter des Kreises Eger in einer für die damals streng lutherische Ritterschaft und Stadtgemeinde dieses Kreises hochwichtigen Mission verweilte. Es galt, bei dem Kaiser und den böhmischen Ständen, denen der bekannte Majestätsbrief vom 9. Juli 1609 volle Religionsfreiheit gewährt hatte, auch für das Egerland die gleiche Bürgschaft zu erlangen. Die böhmischen Stände aber dachten, die Gelegenheit zu nützen, um Eger zum völligen Anschluß an Böhmen zu nöthigen. Dazu verstand sich der deutsche Bürger unter keiner Bedingung. Und so blieb seine Gesandtschaft ohne den gewünschten Erfolg, obwohl er im nächsten Jahre wieder nach Prag kam und das Anliegen der Seinen den Wortführern der Stände eindringlich auseinandersetzte und einer derselben, der greise Budowetz von Budowa, gegen den Grafen Heinrich M. Thurn erklärte: „wir müßten Schelme und lose Bösewichter sein, wenn wir ihnen solche christliche Bitte versagen sollten.“ – Sie wurde versagt; die Egerer beharrten auf ihrer politischen Stellung, der festen Ueberzeugung: eins mit dem „Reiche“ jedweder Gefahr, auch für den evangelischen Glauben, gewachsen zu sein. Darum begnügte man sich nicht, als Matthias König von Böhmen geworden war, mit der Bestätigung der alten Egerländer Privilegien seitens der böhmischen Hofkanzlei, sondern suchte und erwirkte denn auch die gleiche Confirmation bei der Reichshofkanzlei, denn Privilegien des „Reiches“ konnte ein böhmischer König füglich nicht rechtskräftig bestätigen. Die Gefahren aber wuchsen von Jahr zu Jahr für Stadt und Land. Der Prager Fenstersturz gab das Zeichen zu allgemeiner Erhebung in Böhmen. Eger war klug genug, lange Zeit eine reservirte Haltung einzunehmen, wozu gewiß der alternde, bedächtige Wolfgang P. wesentlich beitrug. [51] Verheißungen und Drohungen, mit welchen die Prager Stände nicht sparten, vermochten ihn nicht zu einem übereilten Schritt zu drängen. Doch konnte er nicht hindern, daß, als Friedrich von der Pfalz, der Gegenkönig, auf seinem Einzuge in Böhmen den Weg nach Eger nahm, eine städtische Deputation denselben feierlich einholte. Ein halbes Jahr später leistete Eger zu Prag die begehrte Huldigung – ohne Zustimmung Wolfgang’s, der kurz zuvor, am 3. April 1620, im Alter von 75 Jahren gestorben war. Seiner glücklichen Ehe mit Ursula von Juncker entstammten die Söhne Wolf Adam und Alexander, denen er außer einem wohnlichen Patricierhause (Nr. 3), neben dem Stammhause der Juncker am oberen „Ring“ der Stadt gelegen, die Rittergüter Gehag und Harleß, vor Allem aber den hochgeehrten Namen eines vielverdienten Patrioten hinterließ.

Wolf Adam P., der am 28. Mai 1599 die Taufe erhalten hatte, war, wie bemerkt, im väterlichen Hause und in der Fremde einer ausgezeichneten Erziehung theilhaft geworden. Schon 1619, am 5. Mai, nahm er – noch „legum studiosus“ – die ehrbare und tugendsame Jungfrau Barbara, einzige Tochter weiland des „ehrenfesten und fürnehmen Herrn“ Franz Flentz, zum Weibe, die ihm als Heirathsgut das damals einem vollständigen Neubau unterzogene stattliche Haus Nr. 492 am unteren „Ring“ zubrachte: das nachmals bekannteste, denkwürdigste Gebäude Eger’s – Wallenstein’s Todeshaus. Es lag kein Segen auf den Mauern, die P. nur kurze Zeit bewohnte, denn schon im Jahre 1620, bald nach des Vaters Heimgang, verlor Wolf Adam auch die jugendliche Gattin durch den Tod, was ihn bestimmte, deren Erbe seinem Vetter, (dem im Diplom vom Jahre 1610 genannten) Alexander käuflich zu überlassen und das väterliche Haus zu beziehen. Dahin führte er 1621, im Februar, des ältesten Bürgermeisters Sebastian Rößler in Wunsiedel Tochter, Anna, als Gemahlin heim, während der Vetter Alexander zur selben Zeit sich mit seiner Base Magdalene, der Tochter des Egerer Bürgermeisters Adam Juncker von Oberkunreut, vermählte. Wolf Adam zeugte in zweiter Ehe, so viel bekannt, vier Kinder, deren ihn aber keines überleben sollte.

Wie im häuslichen Kreise hatten indessen auch in der Oeffentlichkeit die Verhältnisse die denkbar größten Wechselfälle erlitten, und Wolf Adam, schon 1620, kaum einundzwanzigjährig, in die Gemeindevertretung seiner Vaterstadt berufen, konnte sich ihnen nicht entziehen, auch wenn er dies gewollt hätte, was keineswegs der Fall war. Die Schlacht auf dem Weißen Berge hatte zu Gunsten Ferdinand’s II. und der katholischen Waffen entschieden, und wie an die böhmischen Stände trat an die Egerer die Frage der Umkehr mit bitterem Ernst heran. Ein Rescript des mit kaiserlicher Commission betrauten Kurfürsten von Sachsen forderte Eger zur Unterwerfung und Anerkennung des Kaisers als „des einzig rechtmäßig succedirenden, gekrönten und gesalbten Königs von Böhmen“ auf. Eine Versammlung der Ritterschaft und der Gemeinde am 22. December 1620 sollte die Antwort geben. Bei der Abstimmung aber wurde eine absolute Mehrheit nicht erzielt. Georg Christoph von Trauttenberg auf Wildstein, das Haupt der Ritterschaft, und Wolf Adam P. aus der „geschworenen Gemeinde“ votirten dafür, „als ehrbare aufrichtige Deutsche bei König Friedrich, dem Pfalzgrafen, dem man einmal die Pflicht geleistet, standhaft zu verharren“, mit der Erklärung, wie immer, so auch hier „den schlichtesten Weg gehen“ zu wollen. Die Votanten hatten damit ihr Loos geworfen. – Nur allzu bald wurde auch dem Vertrauensseligsten vollkommen klar, daß die Sache des „Winterkönigs“ unrettbar verloren war. Das Aeußerste abzuwenden, mußte sich Eger bequemen, Kur-Sachsen um Schutz anzurufen, dem siegreichen Kaiser [52] aber die Unterwerfung anzubieten. Welch’ günstige Gelegenheit für die böhmische Hofkanzlei, ihren langgehegten Plan zu verwirklichen und Eger endlich in ein enges Abhängigkeitsverhältniß zu Böhmen zu bringen! Die Gefahr stieg aufs Höchste. Mit Hingebung und Ausdauer fand sich Wolf Adam P. immer unter den Ersten in der Bekämpfung des drohenden Unheils. Zahllose Gesandtschaften wurden abgeordnet, bei welchen er niemals fehlte. So finden wir ihn im Jahre 1623 wiederholt in Prag und Regensburg, immer und überall die aus der Stellung Eger’s „als einer Pfandschaft der Krone Böhmen vom heiligen römischen Reich“ nothwendig resultirenden Rechte gegen jeden Widersacher schlagfertig und redegewandt vertretend. Am 23. Mai 1623 erfloß ein kaiserliches Indulgenz-Patent, mit welchem den Bürgern und der Landschaft Eger in Ansehung dessen, daß sie „an dem böhmischen fürgangenen Unwesen keinen Gefallen getragen“, dasjenige, „worin sie in Zeit gewährter Rebellion der Sachen zu viel gethan oder zu weit gegangen sein möchten“, verziehen und „zu Gnaden gewendet“ wurde. Am 17. Juli 1625 erfolgte die kaiserliche Bestätigung der Stadtprivilegien. Schon im Vorjahre hatte Wolf Adam als einer der Bürgermeister die unmittelbare Leitung der städtischen Angelegenheiten übernommen, um diese Würde fünf Jahre zu bekleiden. Alljährlich wählte damals und in der Folgezeit die Stadt vier Bürgermeister, deren jeder durch ein „Quartal“ als „Amts“- oder Ober-Bürgermeister fungirte.

Die Tage der Prüfung waren für Eger nach Confirmation der Stadtprivilegien durch den Kaiser nicht vorüber – im Gegentheil. Mochte man doch in der nächsten Zukunft vermeinen, es wäre Eger einer der auserwählten Punkte, um die sich von Zeit zu Zeit die Weltgeschichte zu bewegen scheint. Der Träger dieser Geschichte der Jahre 1625–34 war Wallenstein. Fünfmal in dem verhältnißmäßig kurzen Zeitraum kaum eines Decenniums bot Egel dem gewaltigen Friedland, auch zu längerem Aufenthalt, ein gastliches Obdach. Es sah den Aufgang, wie den Zenith und den Niedergang der so räthselhaften Doppellaufbahn seines blendenden Gestirnes.

Zum ersten Male am 31. Juli 1625 begrüßten den Generalissimus vor den Thoren von Eger die Bürgermeister Adam Juncker von Oberkunreut, Andreas Cramer, Georg Frießel und Wolf Adam P., welch’ Letzterer eben kurz zuvor dem Erstgenannten das „Amt“ übergeben hatte, „solches künftig Quartal Trinitatis zu versehen.“ Seine Herberge nahm der Feldherr zunächst im Hause Pachelbel’s (Nr. 3 des oberen Ringes), um jedoch alsbald Hoflager und Hauptquartier im nahen Schlosse Groß-Lehnstein, einer Besitzung des Egerer Bürgers Georg Erhard Werndl von Dölitz, aufzuschlagen. Hier blieb er bis zum 3. September. Dem „Schöpfer kühner Heere“ hatte ein Monat genügt, dem Kaiser eine Armee auf die Beine zu stellen. Es braucht nicht ausdrücklich gesagt zu werden, daß Stadt und Land Eger als allgemeiner Musterplatz dieser Armee, trotz aller Mannszucht, die geübt wurde, ganz außerordentliche Lasten getragen hatten. Wieder und wieder war Wolf Adam P. genöthigt gewesen, der bedrängten Gemeinde namhafte Geldopfer zu bringen. – Das ungleich größere Uebel aber, ja das Verderben selbst, kam erst nach dem Abzug der Friedländer Armada in Gestalt einer Reihe kaiserlicher Reformationspatente. Vergebens weigerte der Stadtrath die Publicirung dieser an die königlich böhmischen Städte adressirten, daher für Eger nicht rechtsverbindlichen Patente; ebenso vergeblich widerstrebte er der Ausfolgung des in städtisch-lutherische Hände übergegangenen deutschen Ordenhauses in Eger: ein kaiserlicher Commissär erlegte den Kaufpreis, den die Stadt vor Zeiten dafür bezahlt hatte; anstatt eines neuen Reformationspatentes aber erschien im Mai 1628 eine eigene Reformations-Commission, die im August ihre Thätigkeit begann und instructionsgemäß sofort die [53] Abschaffung der evangelischen Prädicanten verfügte. Abermals gingen Deputationen an den Kaiser, wurden jedoch nicht vorgelassen. Wohl aber kam ihnen der Bescheid, daß es „Ihrer Majestät endlicher Will und Meinung, alle ihre getreuen Unterthanen zu der Religion, in welcher Sie gedächten selig zu werden, zu bringen, und weil nun die katholische die alleinseligmachende wäre, hätte Ihre Majestät sich resolvirt, einen Ehrbaren Rath sammt der Stadt Eger auch dazu zu leiten.“ Ein vertrauliche Stimme fügte bei, daß kein Ausweg bleibe, als katholisch zu werden, „denn dieser Kaiser und dessen Räthe diese Maximam hätten, wer nicht katholisch wäre, könnte auch nicht getreu sein.“ Nicht genug damit. Auch in politischen Dingen sollte eine gründliche Aenderung vorgenommen werden. Bei aller formellen Anerkennung der privilegirten Stellung der Stadt wurde dieselbe von der kaiserlichen Regierung thatsächlich wie eine der königlich böhmischen Städte behandelt und zunächst insbesondere zu allen Steuerleistungen dieser Städte herangezogen. Die Aufregung war eine ungeheure. Nach vielen mündlichen und schriftlichen Protesten ging Wolf Adam P. wieder nach Wien – aber auch er konnte nicht bis zum Kaiser gelangen, trotz größter Anstrengung; im Vorzimmer ward er von einem der Minister mit den Worten abgespeist: „Ihr wollt eine Reichsstadt sein, da Ihr doch eine Pfandschaft seid. Ihr müßt Ihrer Majestät folgen und, was sie begehret, leisten; Sie sein wahrlich mit Euch nit zufrieden.“ – Dem Abgeordneten wurde wie zum Hohn ein Exemplar der eben vollendeten „Vernewerten Landes-Ordnung des Königreiches Böhmen“ zur Publicirung übergeben, welche Zumuthung jedoch mit der bündigen Erklärung erwidert wurde: Eger und Egerland vermögen eine böhmische Landes-Ordnung nicht anzuerkennen, „dieweil sie an den böhmischen Rechten nicht participiren, weder in privatis noch publicis.“ Darauf gab wieder ein kaiserliches Rescript an die böhmische Statthalterei die unzweideutige Antwort (1629), es sei beschlossene Sache, „das Egerland mit Böhmen dauernd zu vereinigen, zuvor aber die katholische Lehre als die allein herrschende daselbst einführen.“

Man war nicht wählerisch in Anwendung der Mittel, um den nächsten Zweck zu erreichen: die roheste Gewalt war Alles, was man nöthig hatte. Gebrauchte man aber ihre ganze Härte gegen die protestantischen Häupter, so war damit zugleich in politischer Richtung das Spiel so viel wie gewonnen. Die Rechnung konnte kaum einfacher lauten. Bewegliche Intercessionen des Kurfürsten von Sachsen für seine „Religionsverwandten“ in Eger fanden keine Beachtung. In dem Leiter der Egerer Reformations-Commission, Barthel Brunner von Wildenau, einem gebürtigen Egerer, war das richtige Werkzeug zur Durchführung der gehegten Absicht gefunden; er ließ an Rücksichtslosigkeit nicht das Geringste zu wünschen übrig. Sein grimmigster Haß wandte sich gegen die „widerspänstigen“ Bürgermeister Adam Juncker, Wolf Adam P. und Matthes Dietl. Er erwirkte ein kaiserliches Edict vom 3. April 1629, mit welchem befohlen wurde, die Genannten, da sie „im Reformationswerk allerhand Hindernisse thun und ihrer Schuldigkeit nicht nachkommen wollen, ohne Verzug ihrer Dienste nicht nur zu entsetzen, sondern auch ihre Raitung zu legen anzuhalten, nach Zurücklassung des Quotienten aus der Stadt zu weisen, dagegen aber die Erneuerung des Rathes vorzunehmen.“ Der Quotient, zu dessen Erlegung die Exilirten verhalten wurden, bestand in dem fünften Teile ihres Vermögens; er betrug, soweit es sich um städtischen Grund und Boden handelte, bei P. 8600, bei Adam Juncker sogar 20 000 Gulden. Schon am 4. Mai 1629 vollzog Barthel Brunner die angeordnete „Veränderung des Rathes“; P. war seiner Bürgermeisterwürde entkleidet. Da er sich weigerte, das „Abzugsgeld“ gutwillig zu entrichten, mußte er in den Kerker wandern. Sein städtisches Haus wurde [54] sequestrirt und der Quotient auf solche Weise sichergestellt; dann durfte er die Stadt verlassen. Er ging nach Gehag. Doch sollte er auch dort nicht bleiben. Die Reformations-Commission bestand auf der Veräußerung seiner Güter inner- und außerhalb der Stadt, schon wegen des Fünftelabzugs, und gebot mit Decret vom 5. November 1629, „daß er hievorigen Decretis schuldige Folge leiste und zwischen dato und dem Achten dieses“ – also längstens innerhalb dreier Tage – „sich aus der Stadt und dem Kreise Eger begeben, vorher aber, seines ferneren nichtigen Einwanderns ungeachtet, wegen des fünften Theils in der Losung gebührende Richtigkeit machen solle, mit der Verwarnung, da er solchem wie bishero nicht nachkäme und ihm ein Widriges, als er sich einbildet, begegnete, daß er Niemandem als sich selbsten werde die Schuld zuzumessen haben.“ – Und so mußte denn P. abermals zum Stabe greifen; man weiß nicht, wohin er sich wandte. Gewiß ist nur die traurige Thatsache, daß ihm bald nachher die ganze Familie hinwegstarb: die alte Mutter, der Bruder, die Gattin und sämmtliche Kinder. – Auch Adam Juncker und Alexander Pachelbel und viele andere vornehme und angesehene Bürger wanderten aus. Unter den wenigen höhergestellten Persönlichkeiten, die sich „bekehrten“, befand sich auch Georg Erhard Werndl auf Dölitz und Groß- und Klein-Lehnstein, der sich bald darauf zum Bürgermeister und gar zum Mitglied der Reformations-Commission ernennen ließ. Selbstverständlich lag von nun an das Stadtregiment ausschließlich in katholischen Händen; die Pfarrkirche wurde den Jesuiten übergeben.

In diese Zeit fallen rasch nach einander Wallenstein’s zweiter und dritter Aufenthalt in Eger. Er kam von Karlsbad her, um über Regensburg sich zur Armee nach Memmingen zu begeben. Sechs Fürsten und hundertfünfzig Edelleute mit siebenhundert Pferden, sechzig Packwagen und mehr als vierzig Kutschen und Staatskarossen waren außer einer starken berittenen Leibgarde sein glänzendes Geleite, mit dem er am 28. Mai 1630 den Einzug in Eger hielt. Wieder war Pachelbel’s Haus am oberen Ring, das nun leer stand, sein Quartier, von dem er schon am nächsten Tage wieder auszog. Nach Regensburg aber war ein großer Fürstentag berufen; und Niemand wußte besser als Wallenstein, was dort berathen und beschlossen werden sollte. Die Concentrirung seiner Heere in nicht gar zu großer Entfernung von Regensburg war keine zufällige. Wol nur ein Wink hätte genügt, den dortigen Fürstentag dem Kaiser gefügig zu machen – vorausgesetzt, daß dieser Kaiser überhaupt wollte. Er zog es vor, sich dem Willen der Kurfürsten zu beugen. Wallenstein wurde gestürzt, und widerstandslos zog sich der Abgedankte in das Privatleben zurück. Ueber Sulzbach, wo er wochenlang krank darniedergelegen hatte, traf er am 30. October 1630 wieder in Eger ein, auch diesmal nicht ohne großes und reiches Gefolge, das sich, Alles in Allem mit mehr als achthundert Pferden, in der ganzen Stadt vertheilte, während er wiederum in dem ihm wohlbekannten Hause Pachelbel’s, des exilirten Bürgermeisters – nun selbst eine gefallene Größe – die Nachtherberge nahm. Ort und Zeit waren geeignet, Reflexionen anzustellen.

Dem Generalissimus wurde eine Genugthuung zu Theil, wie er kaum gehofft haben mochte. Doch auch für P., den armen Emigranten, sollten noch Tage kommen, die eine gewisse Vergeltung brachten. Seit Wallensteins Abgang war von den ligistisch-kaiserlichen Waffen alles Glück gewichen; bei Breitenfeld erlitten sie eine entscheidende Niederlage. Kursachsen, das mit Schweden gemeinsame Sache gemacht, marschirte in Böhmen ein. Prag wurde genommen, und ihm folgte eine Stadt nach der anderen im Nordwesten des Landes. Am 13. December 1631 fiel auch Eger durch Ueberrumpelung und erhielt eine sächsische Besatzung. Man sagt, der Handstreich wäre von Egerer Exulanten geplant gewesen, und nennt dabei in erster Reihe Wolf Adam P. Beweise sind [55] für diese Behauptung nicht zu erbringen. Wohl aber kehrte P. mit vielen anderen emigrirten Mitbürgern noch im December 1631 nach Eger zurück und gewiß in der Hoffnung, zu bleiben. Er kam zur rechten Zeit, die Stadt vor schweren Verlusten zu bewahren. Die allgemeine Plünderung, die ihr drohte, wurde nur durch seine Bemühung abgewendet. Uebrigens fiel fast die ganze Stadt wieder dem Protestantismus zu. Man entließ die Jesuiten und gewährte den Katholiken nur eine Kanzel und einen Altar in der Pfarrkirche. Zur Erhaltung der Garnison mußte eine Steuer ausgeschrieben werden, zu deren Aufbringung der Commandant eine Commission für Stadt und Kreis einsetzte. Wolf Adam P., hiezu berufen, weigerte sich, die Stelle anzunehmen, bis der Stadtrath seine Zustimmung gegeben habe. „Weil man aber gesehen“, berichteten später entschuldigend die katholischen Bürgermeister der Regierung, „daß es damals nit anders hat sein können, haben wir lieber einen Patrioten, dessen Treue uns bekannt, als einen fremden hungrigen Bruder annehmen wollen, wie ihm denn die ganze Stadt das Zeugniß gibt, daß er die Grenzen der Commission getreulich observirt und die Stadt vor einer Generalplünderung abgehalten hat. Ueber sein Verhalten“, fügten sie hinzu, „haben wir uns nit zu beklagen; hätten vielmehr gewünscht, daß er die katholische Religion angenommen; wäre gemeiner Stadt nit übel gestanden, indem er ein gelehrter und glimpflicher Mann gewesen.“ – Wahrlich ein ehrenvoller Nachruf.

Die Herrschaft der Sachsen in Böhmen und damit die neue Ordnung der Dinge in Eger währte nicht lange. Mit neuen, fast unbeschränkten Vollmachten übernahm Wallenstein abermals das Commando über die kaiserlichen Truppen. In wenigen Wochen war Böhmen vom Feinde gesäubert. Am Abend des 16. Juni 1632 erschien Generalwachtmeister Heinrich Holk (A. D. B. XII, 735 ff.) mit bedeutenden Streitkräften und insbesondere mit einer großen Anzahl schwerer Geschütze vor den Wällen von Eger, deren Besatzung er, nachdem die Aufforderung zur Uebergabe abschlägig beschicken worden war, „durch Spielung der Stücke und Werfung Granaten und Feuerkugeln“ dermaßen in Angst und Schrecken setzte, daß Oberst Dietrich von Starschedel, der Befehlshaber, schon am Abend des 19. Juni sich mit Accord ergab und Tags darauf die Stadt den Kaiserlichen räumte. Sechs Tage später – am 26. Juni 1632 – marschirte Wallenstein an der Spitze einer Armee von 40 000 Mann wieder in Eger ein, um von hier aus dem Kurfürsten von Baiern und dessen geschlagenem Heere die Hand zu reichen, dem siegreichen Schwedenkönig aber vor Nürnberg ein donnerndes Halt zu gebieten. Wallenstein stand auf der Höhe seines Ruhmes und Glückes. Sein heftigster und gefährlichster Gegner, Maximilian von Baiern, die Seele des Regensburger Fürstentages, der ihn gestürzt hatte, kam ihm gedemüthigt, ein Flüchtling, hilfesuchend entgegen. In Eger fand die Begegnung statt. Beide Fürsten stiegen von den Pferden, sich zu umarmen; Beide „verkehrten ihre passiones in Freundlichkeit.“ Dennoch wollten etliche „curiosi“ dabei vermerken, „daß Ihro kurfürstliche Durchlaucht die Kunst zu dissimuliren besser als der Herzog gelernet.“ Am 29. Juni ging der Zug der wieder vereinigten ligistisch-kaiserlichen Heeresmacht über Mitterteich, Neustadt und Pfreimdt gegen Nürnberg.

In Eger hielt neuerdings die katholische Gegenreformation triumphirend ihren Einzug. Wer von Protestanten nicht bereits geflohen war, beeilte sich, den kaiserlichen und kirchlichen Strafgerichten zu entrinnen. Zum zweiten Male mußte Wolf Adam P. in’s Exil; sein Hab und Gut in Eger wurde confiscirt. Fünfhundert Glaubensgenossen aus Stadt und Land theilten sein Schicksal. Er ging nach Wunsiedel, wo auch sein Vetter Alexander lebte und eben damals Bürgermeister wurde. Zum Syndicus der Stadt ernannt, entschloß sich Wolf Adam [56] nochmals zur Ehe und nahm die Witwe Anna Maria Kotz von Metzenhofen zum Weibe. Friede und Ruhe fand er deshalb nicht. Auch nach dem stillen Wunsiedel drang der fortdauernde Kriegslärm. Schweden und Kaiserliche suchten es mit schweren Plagen heim. Alexander P., der Bürgermeister, wurde bei einem Ueberfall seitens der Kaiserlichen im Jahre 1633 mit noch anderen Bürgern als Geisel fortgeführt und nach Eger geschleppt, wo er zwölf Wochen gefangen gehalten wurde, bis ein Lösegeld von 4000 Thalern gezahlt war. Er starb noch in demselben Jahre. Seine Witwe Magdalene, geb. Juncker, blieb im Besitz des Hauses Nr. 492 am unteren Ring zu Eger, das jedoch nach wie vor wegen der Emigrationsgebühr durch die Stadtverwaltung sequestrirt wurde.

In diesem Hause war es, wo Wallenstein am 24. Februar 1634 sein – letztes – Nachtlager aufschlug. Gordon und Leslie, die Meuchelmörder, hatten es so bestimmt, und Walther Butler, der ihn geleitete, war es zufrieden; alle Gelegenheit des Raumes war den Verschworenen günstig. Schwer krank an Leib und Seele, doch nicht gebrochen, wohl aber gehaßt und gefürchtet wie nur Wenige, kehrte der nun „geweste“ kaiserliche oberste Feldhauptmann mit wenigen Getreuen dahin zurück, wo er zum andern Male vor nicht zwei Jahren – „nächst Gott und seiner gebenedeiten Mutter Maria“ die ganze Hoffnung seines Kaisers – mit vielen Tausenden ausgezogen war. Der ihn jetzt als Bürgermeister der Stadt empfing, war nicht (wie Schiller dichtet) der exilirte Wolf Adam P. In der letzten „Verneuerung des Rathes“ waren die gut katholischen Männer Adam Schmiedel, Paul Juncker, Hans Georg Meindl und Georg Erhard Werndl als Bürgermeister bestellt worden. Der Letztgenannte hatte am 16. December 1633 von seinem Vorgänger die Geschäfte eines Amts- oder Ober-Bürgermeisters übernommen und führte dieselben bis zur nächsten „Verneuerung“ am folgenden 8. März, bei der er abermals bestätigt wurde. Wallenstein’s Wirth im Namen der Stadt war also diesmal derselbe Georg Erhard Werndl auf Dölitz, der ihn im Sommer 1625 auf Schloß Lehnstein bewirthet hatte. Der Gast lag in der Nacht des 25. Februars 1634 ermordet von den Offizieren, denen er am meisten vertraut hatte. Drei Jahre später endete Georg Erhard Werndl, der Convertit, durch Selbstmord. Wallenstein’s Todeshaus kam 1642 durch Kauf in die Hände der Jesuiten, um nach dem Bau eines neuen Jesuitencollegiums in Eger an die Stadtgemeinde überzugehen.

Wolf Adam P. fand es gerathen, im Jahre 1635 seine Güter Gehag und Harleß im Egerland zu veräußern, und kaufte dafür das Gut Bernstein bei Wunsiedel, wohin er sich zurückzuziehen dachte, gab aber diesen Gedanken wieder auf, als Markgraf Christian von Baireuth ihn (1640) in seine Dienste nahm und mit dem Titel eines „hochfürstlichen Rathes und Mitbeamten der sechs Aemter Müffling“ zum Vice-Hauptmann in Wunsiedel ernannte. Auch auf diesem Posten erwarb er sich durch seine außerordentlichen Kenntnisse und Erfahrungen, sowie durch seltenen Eifer und Fleiß das größte Lob und wurde ganz besonders von ihm gerühmt, „er habe gegen alle Wechselfälle jederzeit treffliche Rathschläge zur Hand“ (ut in manu semper prompta adversus quoslibet casus haberet consilia. Pertsch, origg. Voitlandiae [1677], p. 173). Als im April des Jahres 1641 Johann Banèr nach einem vergeblichen Zuge in die Oberpfalz und an die Donau unter vielen Verwüstungen sich gegen Thüringen wandte und in Oberfranken den General Adam Pfuel mit etlichen Regimentern zurückließ, begab sich Wolf Adam P. zu diesem nach Hof und bestimmte ihn, nicht, wie er dachte, in Wunsiedel, sondern südlich davon in Redwitz eine feste Stellung zu nehmen. Seit dem Verkauf seines väterlichen Erbes im Egerland hatte er aber [57] keineswegs auch schon jeden Gedanken an die Rückkehr in die alte Heimat aufgegeben. Er stand erwiesenermaßen ununterbrochen in brieflichem Verkehr mit sehr vielen Egerer Exulanten, die sich alle unablässig mit diesem Gedanken trugen und nichts versäumten, ihn zu verwirklichen. Im Monat Mai 1636 bewogen sie noch einmal den Kurfürsten von Sachsen, sich für sie beim Kaiser zu verwenden und denselben nachdrücklich zu bitten, „sich gefallen zu lassen, daß die Egerischen Emigranten das verlorene exercitium Augsburgischer Confession … wiederum überkommen, der Regreß zu ihren Gütern ihnen wiederum vergönnet und sie dabei kaiserlich gehandhabt werden mögen.“ Vergebens. Die seit dem Jahre 1643 eröffneten Friedensverhandlungen zu Münster und Osnabrück weckten neue Erwartungen und ließen sogar hoffen, die seit Durchführung der Gegenreformation in Eger stillschweigend kassirte Reichsunmittelbarkeit der Stadt dennoch wiederzugewinnen. Am 3. November 1645 wurde der Reichsdeputation zu Osnabrück eine Beschwerdeschrift überreicht, die nach präciser, klarer Darlegung des fraglichen Rechtsstandpunktes der der Krone Böhmen „cum jure reluitionis et aliis reservatis pfandweise eingeräumten“ Stadt Eger, „von deren der Egerische, auf des Heiligen Römischen Reiches ohnmittelbarem Grund und Boden, außer des Königreiches Böhmen Bezirke gelegene Kreis den Namen hat“, mit dem Petitum schloß, „diese der betrübten Egerischen Emigranten Sache gnädig in solche Consideration zu fassen, damit sie wieder zu ihrem Bürger-, Ehren- und[WS 1] Inwohnerstand neben Weib und Kindern gelangen, ihr Hab und Gut in Eigenthum und Genieß, wie vordessen, annehmen, des ihnen ohne Fug bei dem gezwungenen Exilio abgedrungenen fünften Theils ihres Vermögens ohne Abzug oder Entgelt wieder habhaft gemacht und so fürders in dem ungehemmten Gebrauch des Exercitii der evangelischen Religion Augsburgischer Confession, wie sie solchen vorhero gehabt und der ihnen in Kraft kaiserlicher Commission in annis 1620 und 1621 theuer und mit hoher Zusage versprochen worden, restituirt und dabei für und für unbeeinträchtigt gelassen werden mögen.“ – Verfasser dieser und aller späteren Eingaben, die noch von den „Egerischen Emigranten“ ausgingen, war höchstwahrscheinlich Wolf Adam P.; gewiß stand er ihnen, wie den kurfürstlichen Intercessionen, sehr nahe. Die gestellte Bitte fand auf Seite der protestantischen Reichsstände und der Schweden die gebührende Rücksicht; sie bildete im Laufe der Friedensverhandlungen eine immer wieder berathene ständige Frage. Noch im November 1645 ersuchten jene Stände in einem „Gutachten“ den Kaiser, die Exulanten zurückkehren „und sonderlich die Stadt Eger in ecclesiasticis et politicis in vorigen Stand völlig wiederum restituiren zu lassen.“ Es folgte ein überaus umständlicher, langwieriger Schriftenwechsel.

Ein wichtiges Kriegsereigniß schien plötzlich eine günstige Wendung herbeizuführen. Am 17. Juli 1647 fiel Eger nach längerer, harter Belagerung durch Karl Gustav Wrangel in schwedische Hände. „Ich muß betonen“, berichtet der Eroberer an den Reichsmarschall Oxenstjerna, „daß der betreffende Commandant mir einen solchen Widerstand gemacht hat, wie ich ihn lange Zeit vorher vor mir nicht gefunden habe.“ Man schrieb katholischerseits dieses Unglück dem Anstiften der Egerer Exulanten zu, vorzüglich wieder dem rührigen Wolf Adam P. Auch diese Verdächtigung konnte niemals erwiesen werden. Bestimmt versprachen sich jene Exulanten von dem eben eingetretenen Umstand einen erfreulichen Rückschlag auf die zu Osnabrück in Verhandlung stehende Frage, deren Beantwortung über ihr und ihrer Familien Wohl und Wehe für alle Zeit entscheiden sollte. Er brachte auch den Vortheil, daß sich die Exulanten wieder daheim zusammenfanden, um die weiter einzuleitenden Schritte gemeinsam zu berathen. Allen voran, erwies sich noch einmal Wolf Adam P. als thätiger, gewandter [58] und unerschrockener Verfechter des guten alten Rechtes seiner geliebten Vaterstadt; bereitwillig erkannte die neue, ob auch kleine, doch nicht bedeutungslose evangelische Gemeinde seine Führerschaft. Eines kam den kaiserlichen Commissären in Osnabrück sehr zu statten, daß sie mit Grund sich auf die Thatsache berufen durften, daß die Stadt Eger selbst, die längst katholisirte, gar nicht darnach Verlangen trage, wofür sich die wenigen Protestanten daselbst und ihre Freunde unter den protestantischen Reichsständen und den Schweden so eifrig verwendeten. So kam es, daß nach vielfältigen Disputationen und Schreibereien bei dem Friedensschlusse die Egerer Angelegenheit nebst anderen offen gebliebenen Fragen den Friedensexecutions-Verhandlungen überwiesen wurde, welche „demnächst“ zu Nürnberg zu eröffnen wären; „bis dahin aber solle Stadt und Kreis Eger sowohl in ecclesiasticis als politicis in den Stand des Jahres 1624 gesetzt werden.“ – Wolf Adam P. sah darin, wie auch die Folge lehrte, einen gänzlichen Mißerfolg; er hatte den Glauben an die Zukunft dessen, wofür er zeitlebens gestritten und gelitten, für immer verloren; sein Geist war umnachtet. Nach Wunsiedel zurückgekehrt, hatte er nur den einen Wunsch, zu sterben. Er stürzte sich aus dem Fenster seines Hauses, fand aber nicht den Tod; die gebrochenen Glieder wurden geheilt. Am 17. Juni 1649 fand man den Entseelten im Walde von Wunsiedel. Die einstige Reichsstadt Eger war zu politischer, nationaler und religiöser Unfreiheit verurtheilt. – Wolf Adam P. hinterließ drei Söhne: Julius Heinrich, geb. 1639; Johann Christoph, geb. 1642, und Wolf Gabriel, geb. 1649, laut der Matrik: nach dem „leidigen“ Todesfall seines Vaters. Ihr Geschlecht blüht noch in mehreren Linien.

Nach Urkunden der kaiserl. Archive zu Wien, des Stadtarchivs in Eger und im Privatbesitz (z. Th. von Herrn Stadtpfarrer Fr. Pachelbel v. Gehag in Lindau und Herrn Archivar H. Gradl in Eger gef. zur Verfügung gestellt). – Vergl. J. G. v. Meiern, Acta pacis Westphalicae publ. (1734–36). V. Prökl, Eger und das Egerland (1845; 2. Aufl. 1877). – Fr. Kürschner, Eger und Böhmen (1870). – Adam Wolf, Geschichtl. Bilder aus Oesterreich (1878). – H. Gradl, die Chroniken der Stadt Eger (1884).


Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: uud