ADB:Pistorius, Maternus
[202] Amtsgenossen zu erhalten. Die auf das gleiche Ziel gerichtete Thätigkeit seines Collegen Nicolaus Marschalk (s. A. D. B. XX, 431) war nur von kurzer Dauer; nach dessen Weggange übernahm P. wieder allein die Leitung der den neuen Ideen zugewendeten Jugend, die mit Begeisterung den verehrten Lehrer feierte (s. u. a. die „Laudes gymn. Erph.“ von Eoban Heß). An diesen Erfurter Kreis schlossen sich bald auch auswärtige Gelehrte an, namentlich der Canonicus Konrad Mutianus Rufus in Gotha (s. A. D. B. XXIII, 108), bei dem P. 1506 während einer in Erfurt aufgetretenen Pest Unterkunft fand. Allmählich vollzog sich aber unter den jungen Erfurter „Poeten“ ein auffälliger Umschwung; an die Stelle der maßvollen Freude am Alterthume, welche nach außen u. a. sich in der Latinisirung und Gräcisirung der deutschen Namen bemerkbar machte, traten leidenschaftliche und den Frieden gefährdende Angriffe auf das alte System, besonders nachdem der unruhige Hermann von dem Busche und Ulrich von Hutten in Erfurt erschienen waren. P. wollte dieser neuen Bewegung nicht folgen, vermochte sie aber auch nicht zurückzudämmen; er trat daher von seiner führenden Stellung zurück und überlieferte dieselbe seinem Freunde Mutianus. Er beschränkte sich ganz auf seine Thätigkeit als Lehrer, fand auch in dieser nach wie vor die verdiente Anerkennung; zweimal war er Decan seiner Facultät (1511 und 1518), zweimal Rector (1516 und 1527); Einfluß scheint er aber später kaum noch besessen zu haben. Er starb 1534. Eigene Schriften von ihm sind nicht erhalten, nur eine mit einer Einleitung versehene Ausgabe der „Declamatio lepidissima Th. Beroaldi“ … 1501.
Pistorius: Maternus P., auch Pistoris oder Pistoriensis, Humanist. Er war zwischen 1465 und 1470 in Ingweiler im Unter-Elsaß (in der Nähe von Buchsweiler) geboren; im übrigen fehlen die Nachrichten über seine Herkunft und Jugendgeschichte. 1488 trat er in Erfurt in das „große Collegium“ ein und widmete sich hier, besonders unter Trutvetter’s Leitung, eifrig wissenschaftlichen Studien. 1494 wurde er Magister und begann darauf Vorlesungen in der philosophischen Facultät zu halten. Schon früh durch einige seiner Lehrer auf die Schönheiten des classischen Alterthums hingewiesen, wendete er sich bald ausschließlich dem Studium desselben zu, erwarb eine ungewöhnlich große Bibliothek und eignete sich selbst im Gegensatze zur Sprache der Scholastiker die elegante Form des lateinischen Ausdrucks an, die er an den classischen Dichtern bewunderte. Bald machte er auch die Alten zum alleinigen Gegenstand seiner Vorlesungen; ein zahlreicher Kreis von Schülern sammelte sich um ihn, die er zur Nachbildung der classischen Vorbilder anleitete; er wurde der Führer der „Poeten“, wie man die jungen Nachahmer der Alten damals benannte. Die milde Bescheidenheit in Pistorius’ Charakter, sein tadelloser Wandel, seine Mäßigung und Friedfertigkeit machten es ihm möglich, Jahre lang ein gutes Einverständniß zwischen seinem Kreise und seinen der Scholastik treu gebliebenen- Joach. Camerarius, Narratio de Hel. Eobano Hesso, comprehendens mentionem de compluribus illius aetatis doctis et eruditis viris c. 2 (1533). – Kampschulte, Die Universität Erfurt I, S. 49–74. – Bursian, Gesch. der Philologie, S. 97.