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ADB:Plateanus, Petrus

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Artikel „Plateanus, Petrus“ von Otto Kaemmel in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 26 (1888), S. 241–243, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Plateanus,_Petrus&oldid=- (Version vom 18. Dezember 2024, 05:27 Uhr UTC)
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Plateanus: Petrus P., einer der bedeutendsten Schulmänner des 16. Jahrhunderts, stammte aus Brabant und zwar aus der Gegend von Lüttich, wo er gegen Ende des 15. Jahrhunderts geboren wurde. Als Sohn armer Eltern auf fremde Unterstützung angewiesen, besuchte er zunächst die Schule der Hieronymianer in Lüttich, studirte dann in Löwen namentlich am Collegium trilingue (Buslidianum) unter Conrad Goclenius und Rüdiger Rescus und bezog wahrscheinlich 1524 die Universität Wittenberg, vermuthlich besonders deshalb, weil er der protestantischen Ueberzeugung, der er sich zugewandt hatte, in seiner Heimath keinen freien Ausdruck verleihen konnte. Seitdem gehörte er ganz Deutschland an. Schon 1525 erhielt er auf Melanchthons Empfehlung das Rectorat der Stadtschule in Joachimsthal im Erzgebirge, das er bis 1531 bekleidete. Im Umgange mit Georg Agricola, dem Begründer der Mineralogie [242] in Deutschland (s. A. D. B. I, 143 ff.), der damals seit 1527 dort als Arzt wirkte, faßte P. ein so lebhaftes Interesse für Naturwissenschaft, daß er die Ausgabe von Agricola’s bahnbrechendem Werke: „Bermannus sive de re metallica liber“ 1528 ohne Wissen des allzubescheidenen Verfassers besorgte und 1531, als Agricola im Herbst 1530 als Stadtphysicus nach Chemnitz übersiedelte, selbst nach Marburg ging, vermuthlich um noch Medicin zu studiren. Wie weit er damit gekommen ist, steht nicht fest; eine lebhafte Theilnahme für dies Fach hat er immer behalten, aber in Marburg trat er später als Professor der Ethik und Rhetorik auf und erwarb 1533 den artistischen Magistergrad. Wenige Jahre später führte ihn der Einfluß seines alten Freundes Agricola nach Sachsen zurück und an die Stelle, wo er nun seine bahnbrechende Thätigkeit entfalten sollte, in das Rectorat der Schule zu Zwickau. Diese blühende Stadtgemeinde, wohlhäbig besonders durch ihren Antheil am Ertrag der Schneeberger Silbergruben, hatte schon seit dem Ende des 15. Jahrhunderts ihrer lateinischen Schule eifrige Fürsorge zugewendet und neben derselben 1519 unter Leitung eben Georg Agricolas eine besondere griechische Schule errichtet. die einzige ihrer Art in Deutschland, die indeß schon 1520 mit der Lateinschule zu einer Anstalt verschmolzen wurde. Da nun nach Agricola’s Weggange 1522 unter den schwierigen Zeitverhältnissen die Schule nicht recht gedieh, so schlug Agricola seinem früheren Zwickauer Collegen Stephan Roth, der damals das wichtige Amt eines Stadtschreibers bekleidete, den P. als Rector vor (Januar 1535). Am 5. Mai 1535 wurde dieser in sein Amt eingewiesen. Seine Stellung bot anfangs manche Schwierigkeiten, weil er in den Streit verwickelt wurde, den der Stadtpfarrer Leonhard Bayer mit dem Rathe über seinen Antheil an der Ernennung der Kirchen- und Schuldiener mit großer Hartnäckigkeit führte; doch wußte der Rath den neuen Rector bald ganz an Zwickau zu fesseln, indem er ihm den Ankauf eines Hauses ermöglichte und ihm das Bürgerrecht schenkte, und brachte endlich 1537 mit Melanchthon’s Hülfe auch einen Ausgleich jenes Streites zu Stande. Seine Schule ordnete P. nach dem Vorbilde der Hieronymianer in Lüttich; es ist sein Verdienst, deren verbesserte Methode nach Sachsen verpflanzt zu haben, denn die Gliederung des Cōtus in 8 Classen (thatsächlich bestanden nur sieben, da die I. aus Mangel an geeigneten Lehrkräften nicht gebildet werden konnte), der festgeregelte, in sicherem Fortschritt auf ein klar bestimmtes Ziel zustrebende Gang des Unterrichts (VIII und VII Lesen und Schreiben, Glauben, Vaterunser und Zehn Gebote; VI und V Beginn des lateinischen Unterrichts an der Hand der Grammatik und leichter Lectüre, Luther’s Katechismus; IV Abschluß der lateinischen Grammatik, Stilistik, Prosodie; III Abschluß des lateinsprachlichen Unterrichts im Anschluß an die Lectüre von Terenz, Virgil’s Aeneide, Cicero’s Briefen, (Cic. de senectute und de amicitia, Beginn des griechischen Unterrichts nach Theodorus Gaza, Sonntagsevangelien; II Dialectik und Rhetorik, Cicero’s rhetor. Schriften, Tusculanen, de officiis, Fortsetzung des Griechischen mit Lectüre aus Lucian oder eines griechischen Dichters, Aufsätze, Verse, Briefe, rhetorische Uebungen, griechische schriftliche Arbeiten), endlich die halbjährlichen Prüfungen und Versetzungen bezeichneten auch gegenüber Melanchthons kursächsischer Schulordnung von 1528 einen bedeutsamen Fortschritt, der P. in Mitteldeutschland denselben Platz in der Entwicklung des gelehrten Unterrichtswesens zuweist, den im Osten Trotzendorf, im Norden Neander, im Westen Sturm behauptet. Im Ganzen trägt natürlich der Unterricht seinen Zielen nach denselben Charakter wie damals überall: die Fertigkeit im mündlichen und schriftlichen Gebrauche des Latein bildet die Hauptaufgabe, an zweiter Stelle steht das Griechische, die Muttersprache wie die Realien finden keine Berücksichtigung. Die Musik wurde nur [243] mit Rücksicht auf den Kirchendienst gepflegt. In diesem immerhin beschränkten Kreise der Unterrichtsgegenstände wußte nun aber P. durch strenge Methode, Beschränkung auf das Wesentliche und klare Darstellung Vorzügliches zu leisten, umsomehr als seine bedeutende Persönlichkeit durch Verbindung von Milde und Strenge den Geist ernster Religiösität und pünktlichen Gehorsams, die Ehrfurcht vor der Obrigkeit und gesittetes Benehmen auch außerhalb der Schule seinen Zöglingen einzuflößen und die Bestimmungen seiner Schulgesetze nachdrücklich zur Geltung zu bringen wußte. Wissenschaftlichem Sinne suchte er insbesondere durch Vergrößerung der Bibliothek Gelegenheit zur Befriedigung zu bieten; er hat ihr später seine eigene bedeutende Büchersammlung vermacht. Ein ganzer Schulmann hat er wenig Zeit zu Correspondenzen und schriftstellerischen Arbeiten gefunden, und das einzige größere Werk, das er verfaßte, die „Libri II introductionis grammaticae lat.“, Leipzig 1543, 1544, auch dem Zwecke der Schule gewidmet. Erfolg und Anerkennung sind seinem Wirken in reichstem Maße beschieden gewesen. Von nah und fern strömten die Schüler, auch viele adligen Standes, zur „Zwickauer Schleifmühle“, so daß die Frequenz 1538 die Zahl von 500 erreichte, 1544 sogar auf 800 stieg. Da für sie das alte, 1479 erbaute Schulhaus (1878 abgebrochen) nicht mehr zureichte, so erbat der Rath nach Aufhebung des Cistercienserklosters Grünhain vom Kurfürsten Johann Friedrich den sog. Grünhainer Hof in Zwickau für die Schule, der am 10. October 1542 an P. übergeben wurde und in geeigneter Weise umgebaut, sie bis 1868 beherbergt hat. Seine Schüler bewiesen ihm die wärmste Anhänglichkeit. Der Rath schätzte den tüchtigen Rector hoch und unterstützte ihn namentlich auch in der Berufung trefflicher Mitarbeiter, zu denen u. a. Paul Rebhun (Perdix) gehörte, der sich als Dramendichter einen gewissen Namen machte; der Kurfürst verlieh ihm ein Canonicat am St. Georgenstift in Altenburg, Luther zählte in seinen „Tischreden“ die Zwickauer Schule zu den fünf angesehensten Sachsens.

Doch P. ist nicht als Rector und nicht in Zwickau gestorben. Der Trieb, sich ganz seinen naturwissenschaftlichen Studien zu widmen, faßte noch den gereiften Mann mit solcher Stärke, daß er zu Michaelis 1546 sein Rectorat niederlegte. Aber auch diesmal kam sein Plan nicht zur Ausführung. Der Schmalkaldische Krieg, welcher die Machtstellung des Ernestinischen Hauses zertrümmerte, traf auch das eifrig kursächsische Zwickau aufs schwerste. Nach wenigen Tagen zwang Herzog Moritz die Stadt zur Uebergabe (6. November 1546) und wies dann im Januar 1547, im härtesten Winter den größten Theil der Bürgerschaft aus. Damals hat wohl auch P. die Stätte seiner elfjährigen Wirksamkeit verlassen. Seinen Gedanken, der Medicin sich zuzuwenden, scheint er angesichts der schweren Bedrängniß, in welche der Ausgang des Krieges den deutschen Protestantismus versetzte, wieder aufgegeben zu haben, um seine Kraft der bedrohten Kirche zu widmen. Im August 1547 wurde er als Pfarrer und Superintendent nach Aschersleben berufen und trat hier am 22. October ins Amt. Doch starb er schon nach wenigen Jahren am 27. Januar 1551, ohne den Umschwung der deutschen Dinge zu erleben. Er hinterließ aus der Ehe mit der Zwickauer Bürgerstochter Magdalene Lochmann vier Söhne und eine Tochter.

Vgl. E. E. Fabian, M. Petrus Plateanus, Rector der Zwickauer Schule von 1535 bis 1546, Zwickauer Gymnasialprogramm von 1878, eine sorgfältige Arbeit auf Grund des urkundlichen Materials, der auch die beiden Schulordnungen und die Schulgesetze des P., sowie eine Anzahl anderer Belege beigefügt sind.