Zum Inhalt springen

ADB:Rüdeger von Hunchofen

aus Wikisource, der freien Quellensammlung

Empfohlene Zitierweise:

Artikel „Rüdeger von Hunchofen“ von Elias von Steinmeyer in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 29 (1889), S. 453–455, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:R%C3%BCdeger_von_Hunchofen&oldid=- (Version vom 26. Dezember 2024, 07:22 Uhr UTC)
Allgemeine Deutsche Biographie
>>>enthalten in<<<
[[ADB:{{{VERWEIS}}}|{{{VERWEIS}}}]]
<<<Vorheriger
Rude, Johann Jacob
Band 29 (1889), S. 453–455 (Quelle).
[[| bei Wikisource]]
Nach Wikipedia-Artikel suchen
Rüdeger von Hunchofen in Wikidata
GND-Nummer 119182041
Rohdaten, Werke, Deutsche Biographie, weitere Angebote
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Kopiervorlage  
* {{ADB|29|453|455|Rüdeger von Hunchofen|Elias von Steinmeyer|ADB:Rüdeger von Hunchofen}}    

{{Normdaten|TYP=p|GND=119182041}}    

Rüdeger: R. von Hunchofen (jetzt Hinkhofen, südöstlich von Regensburg), zwischen 1290 und 1293 urkundlich zu Regensburg nachgewiesen (Herrig’s Archiv 7, 340), nennt sich als Verfasser des „Schlegel’s“, eines deutschen Gedichtes, welches nicht ohne Laune und mit dramatischer Lebendigkeit folgenden weitverbreiteten Novellenstoff behandelt: ein Greis, der nach dem Tode seiner Frau allen Besitz seinen Kindern übergeben hat, wird von diesen schlecht behandelt. Auf den Rath eines Freundes läßt er eine schwere Kiste nebst verschiedenen Schlüsseln anfertigen. [454] Die Kinder glauben nunmehr, der Vater habe sich noch Schätze zurückbehalten, und die Aussicht auf die Erbschaft bestimmt sie, in sorgfältiger Pflege des Alten bis zu seinem Tode mit einander zu wetteifern. Hintendrein aber finden sie in der Kiste nur einen Schlegel (Keule) und dem schriftlichen Befehl, damit jeden zu tödten, der so thöricht sei, bei Lebzeiten seines Vermögens zu Gunsten seiner Nachkommen sich zu entäußern.

Aber denselben R. bezeichnet Püterich v. Reichertshausen in seinem 1462 verfaßten Ehrenbriefe Str. 107 (Zeitschrift für deutsches Alterthum 6, 51) auch als Autor einer Erzählung „Wittich vom Jordan“. In der That besitzen wir ein mittelhochdeutsches Gedicht, dessen Held Wittich vom Jordan heißt. Derselbe erringt nach lange vergeblichem Werben durch seine Tapferkeit die Liebe der schönen Heidin Libanet; sie verstattet ihm die Gewalt erst nur über den oberen, dann auch über den unteren Theil ihres Leibes und entflieht in seinem Geleite ihrem Gemahl Beliant. Zwar setzt dieser an der Spitze eines gewaltigen Heeres dem Paare nach, wird aber in blutiger Schlacht besiegt und gefangen genommen und begnügt sich zu guter Letzt mit einer andern Schönen. Obgleich obendrein die Wiener Handschrift dieses Gedichtes einen Prolog enthält, in welchem von Wunnnenhofen der May genant (klärlich eine Entstellung aus: von Hunchofen der meister) erwähnt wird, so stimmt doch die Sprache und Technik in keiner der beiden Fassungen des „Wittich“ zu derjenigen des „Schlegel’s“. Eher ließe sich die letztere vereinigen mit der Ausdrucksweise, welche einer andern Behandlung desselben Stoffes eignet, dem Gedichte „Die Heidin“. Hier mangeln alle Namen der handelnden Personen, hier fehlt der ganze zweite Theil des „Wittich“, d. h. die Erzählung endet mit dem Erwerbe der vollen Gunst der Dame durch den Ritter. Es wäre möglich, obwol wenig wahrscheinlich, da mehrere Reime und Eigenheiten des Sprachgebrauchs dagegen sprechen, daß diese Gestalt der Novelle R. zum Urheber hätte. Man müßte dann annehmen, daß in einzelnen Handschriften, wie eine solche uns vorliegt und Püterich vorlag, der „Wittich“, der erst aus der „Heidin“ durch Umarbeitung hervorging, mißverständlich statt dieser als ein Werk Rüdeger’s bezeichnet worden sei.

Den „Schlegel“ gab höchst mangelhaft heraus v. d. Hagen in seinem Gesammtabenteuer 2, 401 ff. – Die ursprüngliche, noch ungedruckte Redaction der „Heidin“ ist in der Wiener Handschrift Nr. 2779 enthalten; da dieser Codex aber vielfache Interpolationen erfahren hat, so kommt neben ihm für die Textconstitution in Betracht eine thüringische Bearbeitung, veröffentlicht in K. Bartsch’s Mitteldeutschen Gedichten (Stuttgart 1860) S. 40 ff. Eine andere, aber ganz freie Umgestaltung besitzen wir in dem gleichnamigen, bei v. d. Hagen, Gesammtabenteuer 1, 383 ff. abgedruckten Gedichte. – Die zweite Redaction („Wittich vom Jordan“), diejenige, in welcher den handelnden Personen Namen gegeben sind und eine Fortsetzung hinzukam, ist ebenfalls bisher ungedruckt. Sie liegt in zwei Recensionen vor. Deren erste wird repräsentirt durch die auf gemeinsame Basis zurückgehenden Handschriften zu Berlin (Ms. germ. 478 4°; vgl. Zarncke, Der deutsche Cato S. 116) und Heidelberg (Nr. 353; Inhaltsübersicht in Büsching’s Wöchentlichen Nachrichten 4, 195 ff.), ferner durch die Wiener Handschrift Nr. 2885 und die aus ihr abgeschriebene Innsbrucker (vgl. I. V. Zingerle in der Germ. 9, 29 ff.) – in diesen beiden fehlt jedoch der zweite Theil –, endlich durch das Hardenbergische Bruchstück (Zeitschrift für deutsche Philologie 11, 435). Die andere Recension ist überliefert in dem Gothaer Codex Nr. 56 (Inhaltsangabe bei Jacobs und Ukert, Beiträge zur älteren Litteratur 1, Leipzig 1835, S. 135 und theilweise bei Regel, Zeitschrift f. deutsche Philologie 11, 445 ff.). Sie unterscheidet sich von der ersten durch veränderten Schluß, sowie durch zahlreiche Einschübe und Zusätze; insbesondere ist die Schilderung eines [455] Drachenkampfes in 700 Zeilen hinzugekommen. Ob das jetzt verschollene Meersburger (Roth, Dichtungen des deutschen Mittelalters, Stadtamhof 1845, S. XVI, 118) und das Erlanger Fragment (Zeitschrift für deutsches Alterthum 26, 242) der ersten oder zweiten Recension zuzurechnen sind, steht nicht ganz fest, doch ist ihre Zugehörigkeit zur ersten wahrscheinlicher.

Vorstehenden Artikel abzufassen, war mir nur möglich durch die selbstlose Unterstützung des Herrn Cand. phil. K. Maeker[WS 1] in Berlin, welcher über das gesammte handschriftliche Material verfügt und auf Grund desselben sowol den „Schlegel“ wie die „Heidin“ herauszugeben beabsichtigt.


Anmerkungen (Wikisource)

  1. Karl Maeker (1859–?), aus Posen, Promotion in Berlin.