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ADB:Ratpert

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Artikel „Ratpert“ von Gerold Meyer von Knonau in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 27 (1888), S. 365–366, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Ratpert&oldid=- (Version vom 21. Dezember 2024, 18:22 Uhr UTC)
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Ratpert, Mönch, Lehrer und Geschichtschreiber in St. Gallen, † bald nach 884 an einem 25. October. Ein Zürcher von Geburt – die unten genannte Monographie will „den ersten Zürchergelehrten“ feiern – war R., als „magister atque presbyter“, in St. Gallen in der besten Zeit des Klosters im neunten Jahrhundert, als Zeitgenosse, und nicht, wie Ekkehart IV. will, als Schüler, des Lehrers Iso (s. A. D. B. XIV, 637) neben und nach diesem an der St. Galler Schule thätig, strenge und eifrig, höchst gewissenhaft in seinem Amte, wie die spätere Tradition ihn darstellt. Vorzüglich that er sich aber daneben als Dichter, sowie als Geschichtschreiber seines Klosters hervor. Schon Ermenrich (s. A. D. B. IX, 702) pries ihn als Poeten. Als Zürcher verherrlichte er die Einweihung der Kirche der dortigen Abtei zum Fraumünster und dichtete die Grabschrift der ersten Aebtissin, der Königstochter Hildegard (s. A. D. B. II, 510 u. 511); als St. Galler schuf er Hymnen, aus denen ihm Ekkehart IV. besonders nachdrücklich die Litanei „Ardua spes mundi“ zuschreibt, und mehrere der beliebten [366] Empfangsgedichte für den Anlaß hoher Besuche, ebenso aber auch in deutscher Sprache ein leider in der ursprünglichen Form verlorenes und nur in Ekkehart’s IV. lateinischer Uebertragung erhaltenes Gedicht über die Thaten des heiligen Gallus. War R. schon hier, in der an die älteste Vita sich anschließenden, doch mit individuellen der Tradition entnommenen Zuthaten versehenen Darstellung der Anfänge St. Gallens, auf historischem Felde hervorgetreten, so war das vollends in den „Casus sancti Galli“ der Fall, mit denen er die Klostergeschichtschreibung in Zusammenhang begann, vielleicht angeregt durch den Besuch Kaiser Karl’s III. Anfang December 883, welcher ja bekanntlich auch zur Abfassung des Büchleins, sehr wahrscheinlich des Notker Balbulus über Karl den Großen den Anstoß gab. R. hat die Geschichte St. Gallens von den Anfängen bis auf das Jahr 884 geschildert und dabei für die erste Zeit auf die ältere im Kloster liegende historische Litteratur sich gestützt. Aber daneben ist dieser frühere Theil, und zwar bis auf die Anfänge des Abtes Gozbert (s. A. D. B. IX, 523) herab, infolge der Verdunkelung durch eine einseitige Tradition und der Voreingenommenheit des Verfassers selbst, ganz vorzüglich die gesammte Auffassung der Rechtsbeziehungen St. Gallens zu den Königen und noch mehr zu den hier arg verunglimpften Bischöfen von Constanz, vielfach ganz unglaubwürdig. Doch auch, wo das Buch der eigenen Zeit des Autors sich nähert und damit an Werth und Verlässlichkeit gewinnt, ist in eigenthümlicher Weise das – voran unter Grimald und Hartmut (s. A. D. B. IX, 702 u. X, 705) – so erfreuliche innere Leben, mit Ausnahme der Vermehrungen der Büchersammlungen, fast gar nicht berührt, einzig und allein die äußere Geschichte des Gotteshauses vorgeführt. Ekkehart IV. erzählt, das Ansehen des Lehrers R. sei trotz seiner Strenge bei den anhänglichen Schülern so groß gewesen, daß vierzig derselben an seinem Sterbebette sich einfanden.

Vgl. vom Verf. d. Art. dessen St. Gallische Geschichtsquellen, Heft II (die Ausgabe von Ratpert’s Casus s. Galli enthaltend) und Heft III (wo besonders S. 126–158), sowie Sickel: St. Gallen unter den ersten Karolingern (in den St. Galler Mitth. zur vaterl. Gesch., Heft IV) zur Kritik der Casus, Dümmler im Neuen Archiv für ältere deutsche Geschichtskunde, Bd. IV, S. 541 u. 542, über seine Gedichte (deren Abdruck in den Poetae Latini medii aevi, Tom. III, der Monum. Germ. hist., folgen wird), Müllenhoff und Scherer, Denkmäler deutscher Poesie und Prosa, 2. Aufl., S. 19 ff., 304 ff. über den Lobgesang auf den heiligen Gallus. Fleißig, doch nicht von ausreichender Kritik ist die Monographie von G. R. Zimmermann jun.: „Ratpert der erste Zürchergelehrte“ (Basel 1878), sehr beachtenswerth dagegen P. Gabr. Meier’s einschlägiger Abschnitt in der Abhandlung; Geschichte der Schule von St. Gallen im Mittelalter (Jahrb. für schweizerische Geschichte, Bd. X, S. 52 und 53).