ADB:Reß, Johann Heinrich

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Artikel „Reß, Johann Heinrich“ von Paul Zimmermann in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 28 (1889), S. 249–251, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Re%C3%9F,_Johann_Heinrich&oldid=- (Version vom 29. März 2024, 15:37 Uhr UTC)
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Reß: Johann Heinrich R. wurde am 28. März 1732 zu Helmstedt als Sohn des 1750 verstorbenen Rectors der Stadtschule daselbst, Joh. Prosper Reß, geboren, besuchte die Schule seiner Vaterstadt und wurde am 15. Decbr. 1749 behufs Studiums der Theologie auf der dortigen Universität immatriculirt. Im J. 1755 kam er als Candidat in das Predigerseminar des Klosters Riddagshausen, am 18. September 1758 wurde er vor dem Consistorium zu Wolfenbüttel ordninirt. Im October des folgenden Jahres wurde er zum Diakon in Vorsfelde und Pastor in Parsau bestimmt, trat aber diese Stelle nicht an, da er sogleich darauf zum Pastor und Inspector des Waisenhauses B. M. V. in Braunschweig ernannt wurde. Hier hat er seit Anfang des Jahres 1760 als Prediger und Schulleiter, insbesondere als Lehrer und Examinator der angehenden Landschulmeister eine Reihe von Jahren segensreich gewirkt, bis ihm im August 1765 die Superintendentur zu Thiede nebst den [250] Pfarren zu Thiede und Steterburg übertragen wurde. Von hier kehrte er um die Mitte des Jahres 1773 in einen seiner vorigen Stellung ähnlichen Wirkungskreis zurück. Er wurde unter Beibehaltung seiner Superintendentur zum Archidiakon d. i. zweiten Prediger der Hauptkirche B. M. V. in Wolfenbüttel ernannt, zugleich aber auch zum Inspector des dortigen Schullehrerseminars und der von diesem aus geleiteten sogenannten kleinen Schulen der Stadt. Dieses Amt hat R. bis zu seinem Tode mit bestem Erfolge versehen und sich um die Ausbildung des Landschullehrerstandes nicht unwesentliche Verdienste erworben. Die Grundsätze, welche er hier vertrat, berührten sich zu einem guten Theile mit den Forderungen, welche der Zeit die Philanthropen erhoben. Er hatte vor allem das Bestreben, die Schüler brauchbar fürs Leben zu machen, sie praktische Lebensweisheit, nützliche Realien, wie z. B. selbst diätetische Regeln zu lehren; er wollte die Vorschriften des Christenthums in wahrem Zusammenhange mit beständiger Anweisung aufs Leben vorgetragen wissen; er suchte den Industrieunterricht kräftig zu fördern und verlangte für die Schulen gesunde Räume, freie Höfe u. dergl. In theologischer Beziehung war R. ein Anhänger derjenigen Richtung, welche insbesondere durch S. J. Baumgarten in Halle vertreten war. Am 16. November 1791 ward R. zum Propste des Klosters „zur Ehre Gottes“ in Wolfenbüttel ernannt; 1793 rückte er nach dem Tode des Abtes Knittel (s. A. D. B. XVI, 299) zum Pastor prim. an der Kirche B. M. V. auf, erhielt aber zu seiner großen Betrübniß die von jenem verwaltete Generalsuperintendentur nicht, worauf er dann auch die bislang versehene Thieder Superintendentur aufgab. Er starb allgemein geachtet am 11. Januar 1803 an der Lungenschwindsucht und hinterließ außer seiner Wittwe einen Sohn und zwei Töchter. – R. ist als Schriftsteller auf dem Gebiete der Theologie, der Geschichte und der Landwirthschaft thätig gewesen. Ein großer Theil seiner zahlreichen Arbeiten, die sich in Rotermund’s Fortsetzung zu Jöcher’s Gel. Lex. B. VI, Sp. 1839 ff. und in Meusel’s Gel. Teutschland 5. A. B. VI, S. 316, B. X, S. 469 und B. XV, S. 141 verzeichnet finden, erschien in dem Braunschweig. Magazin. Es sind zum großen Theile Aufsätze, welche mit seinem Bestreben, die Landschullehrer für das praktische Leben auszubilden, zusammenhängen, theils sind es fleißig angestellte localgeschichtliche Forschungen. Die umfangreichste Arbeit dieser Art ist erst nach seinem Tode herausgegeben: „Ueber Benennung und Ursprung aller Oerter des Herzogthums Braunschweig-Wolfenbüttel“ (Wolfenbüttel 1806), ein Werk, das nach den reichen Erfolgen der damals erst sich entwickelnden deutschen Sprach- und Alterthumswissenschaft natürlich jetzt als völlig veraltet gelten muß. Wirklich bekannt in weiteren Kreisen ist aber Reß’s Name nur durch seinen Streit mit Lessing geworden. In den von letzterem herausgegebenen Fragmenten eines Ungenannten waren in den Berichten der Evangelien über die Auferstehung Christi zehn Widersprüche aufgestellt. Lessing hatte dieselben zwar zugegeben, jedoch die aus ihnen gezogene Folgerung bestritten, daß die Auferstehung selbst deßhalb nicht glaubwürdig sei. Hiergegen wandte sich R. mit seiner Schrift „Die Auferstehungsgeschichte Jesu Christi gegen einige im vierten Beytrage zur Geschichte und Litteratur aus den Schätzen der herzoglichen Bibliothek zu Wolfenbüttel gemachte neuere Einwendungen vertheidigt“ (Braunschweig 1777) und suchte nachzuweisen, daß jene Widersprüche in der That gar nicht vorhanden seien. Obwohl das Buch anonym erschien, blieb Lessing der Verfasser nicht verborgen und er richtete gegen ihn, seinen „lieben Nachbar“, indem er die Evangelien und sich als die Angegriffenen betrachtete, auf welche R. replicirt habe, „eine Duplik“, Es war ihm ein Leichtes, die wissenschaftlichen Gründe des wohlmeinenden, aber ungeschickten Apologeten zurückzuschlagen. Er beginnt voll „Achtung gegen den frommen Mann, der sich in seinem Gewissen [251] verbunden gefühlt hat, die Auferstehungsgeschichte gegen das Fragment eines Ungenannten zu retten“, bleibt auch im ersten Theile ruhig und sachlich, geht aber dann in einen äußerst leidenschaftlichen und höhnischen Ton über, der schon bei zeitgenössischen Verehrern Lessing’s einen peinlichen Eindruck machte. R. hat keine Veranlassung zu diesem jähen Stimmungswechsel, zu solch rücksichtslosem Auftreten gegeben: wir haben dasselbe daher wohl durch äußere, hiervon unabhängige Verhältnisse, die Lessing’s Laune verbitterten, vor allem durch den inzwischen erfolgten Tod seiner Frau, vielleicht auch durch den Lobspruch Goeze’s über jenes Buch „als das vortrefflichste Meisterstück, das je geschrieben worden“, zu erklären. R. antwortete noch mit einer Gegenschrift „Die Auferstehungsgeschichte Jesu Christi ohne Widersprüche, gegen eine Duplik“ (Hannover 1779), welche Lessing unerwidert ließ.

Lessing von Danzel und Guhrauer und die sonstige Lessinglitteratur. – Matthias, Zur Geschichte des herzoglichen Lehrerseminars in Wolfenbüttel (Wolfenbüttel 1879) S. 47 ff. – Acten des herzoglichen Consistoriums in Wolfenbüttel.