ADB:Schiff, Hermann
Heinrich Heine’s, wurde am 1. Mai 1801 zu Hamburg von jüdischen Eltern geboren, die in ärmlichen Verhältnissen lebten. Theils in Kiel im Hause einer Madame Aaron, theils in Hamburg erzogen, widmete er sich, nachdem er das Johanneum in Hamburg absolvirt, auf der Universität Göttingen dem Studium der Philosophie und erlangte hier auch 1824 die Doctorwürde. In der Folge beschäftigte er sich bald mit Musik, bald mit der Litteratur, ging zuerst nach Leipzig, wo er mit seinem Freunde Wilhelm Bernhardi die Monatsschrift „Der Dichterspiegel“ redigirte (1826), dann nach Berlin, wo er längere Zeit für den „Gesellschafter“ und den „Freimüthigen“ arbeitete und sich eine leidlich gesicherte Stellung als Schriftsteller erwarb, und kehrte um das Jahr 1835 nach Hamburg zurück. Hier ergriff er die verschiedenartigsten, oft recht abenteuerliche Erwerbszweige: er war Schauspieler, Musiker, Fechtmeister, Ballettänzer, Dichter, Notenschreiber; dabei befand er sich, trotzdem er sowohl von der Schillerstiftung als auch vom Leipziger Schriftstellerverein und den Erben Salomon Heine’s Unterstützung erhielt, beständig in den dürftigsten Verhältnissen, so daß sich die Behörde sogar gezwungen sah, ihn einige Zeit ins Werk- und Arbeitshaus aufzunehmen. Die Bemühungen des Redacteurs der Hamburger „Reform“, J. F. Richter, S. aus seiner Versumpfung emporzureißen, erwiesen sich als erfolglos, so daß auch dieser Freund schließlich seine Hand von ihm zurückzog. Ebenso unglücklich verheirathet und ebenso verwildert wie Grabbe, nur noch tiefer gesunken wie dieser, endete S. endlich am 1. April 1867 im Hamburger Armenhause. – S. war unleugbar ein Schriftsteller von großem Talente, das besonders auf dem Gebiete der Novelle hätte zur Geltung kommen können, wenn sein liederliches Leben ihn nicht an ernster Arbeit gehindert hätte. Schon sein erstes Werk, die Novelle „Höllenbreughel“ (1826), berechtigte zu den schönsten Erwartungen; sie gehörte neben den späteren „Glück und Geld“ (1836) und „Gevatter Tod“ (II, 1838) zu seinen besten Arbeiten. Mit seinen „Lebensbildern von Balzac. Aus dem Französischen übersetzt“ (II, 1830) hatte er in übermüthiger Laune das Publicum düpirt. Es waren eigene Dichtungen, die „nach Erfindung und Ausführung zwar sehr nach Paris schmeckten, aber der Geschmeidigkeit seiner Auffassung kein ungünstiges Zeugniß ausstellten“. Auch „Das Elendsfell. Drei Novellen von Balzac“ (1832) waren untergeschoben, um ihnen Eingang in Deutschland zu verschaffen. S. war schließlich ehrlich [193] genug, seine Täuschung selbst aufzudecken, was mancher andere, um den Erfolg nicht abzuschwächen, wohl unterlassen haben würde. Seine Novellen aus der letzten Hälfte seiner schriftstellerischen Wirksamkeit lassen nur zu sehr das verkommene Genie erkennen, ja in den Novellen aus dem jüdischen Volksleben sind seine Witze und Späße oft geradezu widerlich. Den wenigen dramatischen Arbeiten Schiff’s, die in dem „Jahrbuch deutscher Bühnenspiele“ zum Abdruck gelangten, „mußte es an Haltung fehlen, da er sich bei seinem Treiben weder in wirkliche Menschenverhältnisse versetzen, noch auch das, was er allenfalls vermocht hätte, mit fester Hand in objectiven, lebendigen Personen durchführen konnte“.
Schiff: Hermann S. (eigentlich David Bär S.), ein Verwandter- Alberti, Lexikon der Schleswig-Holstein-Lauenburgischen etc. Schriftsteller II, 327. – Schröder, Lexikon der Hamburgischen Schriftsteller VI, 522. – H. Zeise, Aus dem Leben und den Erinnerungen eines norddeutschen Poeten. Altona 1888, S. 257. – Goedeke, Grundriß zur Geschichte der deutschen Dichtung III, 747.