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ADB:Schiffmann, Jost

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Artikel „Schiffmann, Jost“ von Hyacinth Holland in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 31 (1890), S. 193–195, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Schiffmann,_Jost&oldid=- (Version vom 25. November 2024, 12:57 Uhr UTC)
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Schiffmann: Jost S., Landschaftsmaler, wurde am 30. August 1822 zu Luzern geboren. Aus einer alten Patricierfamilie stammend muß derselbe eine sehr gute Erziehung und Bildung genossen haben. Sein Wunsch, Maler zu werden und die weite Welt zu sehen, war gleich groß; da ihm aber die Mittel [194] hiezu fehlten, ließ er sich als Schweizergardist anwerben und kam so nach Rom, wo er, gewissenhaft jede freie Zeit ausnützend nicht allein Gelegenheit fand sein künstlerisches Streben zu fördern, sondern auch materiellen Nutzen daraus zu ziehen, indem er frühzeitig Bilder malte und seine kaum errungene Praxis wieder im lehrhaften Unterricht verwerthete. Dadurch erhielt S. als Künstler Zutritt in vielen fremden und hohen Familien, die dem päpstlichen Nobelgardisten gewiß verschlossen geblieben wären. Er hielt deßhalb seine Doppelstellung möglichst geheim und kleidete sich als feiner Mann und Künstler mit guten Allüren; manche Collision, in welche ihn dieses doppelgängerische Incognito führte, erhöhte natürlich nur den heiteren Reiz des Geheimnisses. Auf der Kunstausstellung 1846 zu Rom machte sich S. schon durch zwei gute Bilder bemerklich: mit einer Landschaft vom Tiberufer und einer Studie aus dem Pinienwäldchen der Villa Borghese. Die Jahre 1848 und 1849 brachten indessen auch ernstere Scenen, wobei S. wohl eine Belagerung auf der Schweizerwache aushielt und ein paar Mal wacker im Feuer stand. Nach Ablauf einer sechsjährigen Dienstzeit legte er die Waffen nieder, widmete sich ganz der Kunst und zog als Landschafter langsam durch Italien, in seine Heimath und nach München. Hier brachte er zuerst (Ende 1852) einen „Morgen am Vierwaldstättersee“ in den Kunstverein, worauf viele poetische Stimmungsbilder und Mondnächte aus der Schweiz, vom Bodensee und Rheingau bis nach Köln hinab folgten, da S. vielfach in Deutschland Umschau hielt und insbesondere für die alten Winkel der ehemaligen kleinen Reichsstädte ein wachsames und empfängliches Auge hatte. Er verstand es, aus dem Vorbilde der übrigen Münchener Schulen Nutzen zu ziehen und vereinte in seiner Weise die Vorzüge des Architekturmalers Eduard Gerhardt mit Christian Morgenstern’s träumerischen Nachtbildern. So einen vom stillverschlafenen Mondlicht übergossenen, winterlich verschneiten Marktplatz staffirte S. mit einem Nachtwächter, eine duftschwüle Sommernacht mit einem Todtengräber (beide photographirt bei J. Albert), einen dunkelrauschenden Eichwald mit jener Legende, wie Rudolf von Habsburg einem Priester über den brausenden Bergbach hilft, wozu Friedrich Boltz das Pferd malte. Auf einer seiner Wanderungen kam S. auch nach Salzburg, wo er nach dem Verluste seiner ersten Frau eine Schwester oder Base des damals noch unbekannten Makart heirathete. S. erkannte das in seinem kurz vorher als ganz talentlos von der Wiener Akademie verabschiedeten Schwager oder Vetter schlummernde Genie und lud ihn nach München, zügelte und schulte, läuterte und schürte daselbst dessen Feuer, bis er den schweigsamen Jungen eines Tages zu Piloty und damit auf die richtige Fährte brachte. Um diese Zeit geschah es auch, daß Makart, sei es in Ermangelung eines anderen Modells oder im Drange künstlerischer Dankbarkeit, seinen vetterlichen Schwager nebst Gattin im pompösen Costüm des Künstler-Maskenballs von 1857, dem heute noch gerühmten „Rubensfeste“, malte und zwar mit einer „Vornehmheit der Auffassung und malerischen Freiheit der Behandlung“, welche schon den großen Künstler ahnen ließen. S. fröhnte dazumal der noblen Passion, ächte Ebenholzmöbel und den seltensten Urväterhausrath aller Art aufzustöbern und in seinem mit stylgerecht gemustertem Goldpapier tapezirten „Rittersaale“ aufzuspeichern, wodurch Makart Gelegenheit erhielt, allerlei „Stillleben“ zu studiren und zu malen, bis er später als gemachter Mann, das ganze Inventar auf einen Schlag erwarb und als Grundstock seinem bald fürstlichen Etablissement einverleibte. Makart’s künstlerischer Einfluß reagirte dann wieder auf S., welcher mit einer über seine angeborenen Kräfte gehenden Kühnheit coloristisch experimentirte und wenn auch nur vorübergehend in eine sehr eigenthümliche Farbenbehandlung gerieth. Beispiele dieser Art ergaben eine „Parthie am Bodensee“ und „Bei Andernach“ (1868), ganz hübsche Compositionen, [195] aber von einer färbelnden Manier mit schwefelgelben, röthlichweißen und giftgrünen Tönen, wie nach einem unverdauten Recepte Böcklin’s. Glücklicherweise gewann sein gesundes Auge alsbald wieder die rechte Einsicht. – Um diese Zeit ging S. abermals zur Sommersaison nach Salzburg, woraus sich ein längerer, zehnjähriger Aufenthalt ergab, da unser Maler durch Makart’s Empfehlung die Custodie an dem durch Vincenz Süß gegründeten Salzburger Museum erhielt. Hiemit kam S. in eine seinem Sammeleifer ganz erwünschte Thätigkeit. Was er früher im eigenen Heim erstrebt hatte, schien ihm als officielle Wirksamkeit vorgezeichnet: die gemüthvolle Behaglichkeit der Vorzeit zur nutzbringenden Erwärmung unserer Gegenwart wieder vor Augen zu stellen. Dabei leitete ihn als Künstler nur jener malerische Tact und Sinn, welcher auch dem Laien das Verständniß am besten überbrückt und unvermerkt den Wunsch der Nachahmung erregt. Insoweit war S. ganz in seinem Rechte. Keinen Rest der alten Herrlichkeit mißachtend und im armseligsten Fragment das ehemalige Ganze erfassend, schuf er aus Trümmern und Scherben neue Geräthe, stellte zur Verbindung der Lücken und zur belehrenden Erklärung täuschende Copien neben die Originale, ließ alle Künste eines gewiegten Restaurators spielen und gerieth in das seligste Entzücken, wenn die landläufigen Touristen und neuvermählten Hochzeitsreisenden in staunende Bewunderung ausbrachen und den Schöpfer dieser gemüthlichen Herrlichkeit priesen. (Eine Abbildung des von S. etablirten „Gelehrtenzimmer“ und der „Jägerstube“ in No. 49 „Ueber Land und Meer“ 1878. XL, 1012.) Das dauerte so lange, bis ein paar Kritiker dazwischenfuhren, das ganze Unterfangen für falsch und das System für unwissenschaftlich erklärten und an der mühsam aufgebauten Arbeit des Malers keinen guten Fetzen mehr ließen. Es gab unnöthigen Lärm, es hagelte Vorwürfe und Anklagen; man setzte einen Aufsichtsrath ein, verclausulirte das ohnehin schon geringe Budget, so daß der Künstler gebrochenen Herzens seine Stelle aufgab, die Stadt verließ und in München die seither vernachlässigte Kunst durch einige complicirte „Stillleben“ und neue landschaftliche Bilder, wozu auch Seestücke und Strandscenen kamen, zu versöhnen suchte. Im Vollgenusse seiner Freiheit und eines neuen schönen Familienlebens mit seiner dritten Frau, welche er zu einer kunstreichen Stickerin gebildet hatte, dachte S. mit neuem Eifer der Kunst zu leben, sehnte sich nach der Vollendung seines ganz originell ausgestatteten Ateliers, bezog auch noch dasselbe, erlag aber schon am 11. Mai 1883 einer Lungenentzündung.

Vgl. Wurzbach 1875. XXIX, 296 ff. (das daselbst gespendete Lob über Schiffmann’s Einrichtung des Salzburger Museums ist durch einen Nachtrag in XL, 288 zurückgenommen). Dazu die Nekrologe in Beil. 181 Allgem. Ztg. 1. Juli 1883; Lützow’s Zeitschrift 1883. XVIII, 562 ; Zeitschrift des Kunstgewerbevereins 1883 S. 57. – Kunstvereinsbericht für 1883 S. 78 ff.