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ADB:Schilling, Christoph

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Artikel „Schilling, Christoph“ von David Erdmann in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 31 (1890), S. 253–255, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Schilling,_Christoph&oldid=- (Version vom 18. Dezember 2024, 08:08 Uhr UTC)
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Schilling: Christoph S., M. und Dr. med., gehört zu dem Kreise gelehrter Humanisten, die in Schlesien, oder, aus Schlesien hervorgegangen, in anderen Ländern für die Sache evangelischer Wissenschaft und Bildung auf dem Gebiet des Schulwesens förderlich wirkten. In Frankenstein geboren (wann, ist unbestimmt), besuchte er bis zum 13. Jahr die dortige Schule und erhielt dann seine weitere Ausbildung auf der weithin berühmt gewordenen städtischen Gelehrtenschule in Wien. Entscheidend für sein religiöses Leben und seine künftige theologisch-pädagogische Stellung war es, daß er in Wittenberg als Melanchthon’s Schüler den theologischen und humanistischen Studien fleißig oblag und mit seinem großen Lehrer neun Jahre lang daselbst im Verkehr stand. Nachdem er dann nach der damaligen Gepflogenheit junger Humanisten mehrere Reisen ins Ausland gemacht und, von dort zurückgekehrt, in seiner Vaterstadt eine Anstellung gefunden hatte, erging an ihn 1563 der Ruf in das Rectorat der Stadtschule zu Hirschberg in Schlesien. Er hatte wegen seiner ausgezeichneten Tüchtigkeit im Lateinischen und Griechischen bereits einen weiten Ruf erlangt. Die Hirschberger Schule, deren erster evangelischer Rector nach dem Eindringen der Reformation Tobias Treiber aus Löwenberg seit 1526 gewesen war, nahm in kurzer Zeit unter seiner Leitung einen gedeihlichen Aufschwung. Aber bald traten üble Hemmungen in ihrer Entwicklung ein. S. war von Anfang an als Melanchthon’s Schüler der streng lutherischen Richtung fern geblieben. Ueber die Brücke der philippistischen Doctrin hatte er sich immer mehr dem deutschen reformirten Bekenntniß genähert, wie es in dem Heidelberger Katechismus zum Ausdruck kam, der unter dem vom lutherischen zum reformirten Bekenntniß übergetretenen Kurfürsten Friedrich III. von der Pfalz von dem Heidelberger Theologen Zacharias Ursinus, einem geborenen Breslauer, und Caspar Olevianus abgefaßt und 1563 erschienen war. S. ertheilte den Religionsunterricht nach diesem Katechismus. Sein Einfluß aber erstreckte sich über die Schule hinaus auf die Gemeinde, in der er namentlich unter den Gebildeten und bei den höheren Ständen mit seiner [254] reformirten Auffassung der Abendmahlslehre viel Beifall fand. Es war die Zeit, in der auch in dem piastischen Fürstenhause in Schlesien das lutherische Bekenntniß dem reformirten weichen mußte und die calvinische Abendmahlslehre von dort aus immer mehr Verbreitung fand. Wie in anderen Orten Schlesiens, so entbrannte auch in Hirschberg, der von Hause aus lutherischen Gemeinde, ein heftiger confessioneller Streit. S. hielt in der St. Annenkirche wöchentliche Katechisationen mit der Schuljugend nach dem Heidelberger Katechismus, den er auch in besonderen Versammlungen erwachsenen Gemeindegliedern erklärte. Damit forderte er den heftigen Eifer des Pastors der Hirschberger Gemeinde, Balthasar Tilesius, heraus, der öffentlich von der Kanzel gegen ihn predigte und in den Kreisen der Amtsgenossen des S. sowie der städtischen Behörden alles aufbot, um die calvinistische Bewegung niederzuhalten. Sein leidenschaftliches gehässiges Vorgehen gegen S. hatte den Erfolg, daß derselbe seines Amtes schon 1566 entlassen wurde, nachdem er es nur etwa drei Jahre unter sichtbarem Aufblühen der Schule bekleidet hatte.

Wir finden ihn dann in der Pfalz, wohin er durch den Einfluß des Ursinus, des Hauptverfassers des von ihm mit großem Eifer vertretenen und erklärten Heidelberger Katechismus, dem Kurfürsten Friedrich III. empfohlen war. Dieser zog ihn zu Rathe bei einer dem reformirten Bekenntniß entsprechenden Einrichtung des Pädagogiums zu Amberg in der Oberpfalz. Der älteste Sohn des Kurfürsten, Ludwig, regierte hier als Statthalter und leistete ihm beharrlichen Widerstand gegen seine Bemühungen um Durchführung einer reformirten Lehr- und Kirchenordnung. Der Kurfürst begab sich selbst nach Amberg, als der aus Hirschberg vertriebene S. dort eingetroffen war, um den in hellen Flammen auflodernden Lehrstreit zu dämpfen und die schlimmsten Aufhetzer, die trotz des Verbots der öffentlichen Schmähungen und Verdammungen mit denselben fortfuhren oder sie noch überboten, zu entlassen. Das Pädagogium in Amberg war ebenso wie die Schulen in Heidelberg, Neuhausen und Selz dem Studium der alten Sprachen gewidmet und sollte gleich diesen auch zur Vorbildung junger Leute auf das Studium der reformirten Theologie dienen. Unter Schilling’s Rectorat wurde es mit einer Anzahl von Freistellen versehen, wie solche bereits auch schon in Heidelberg und Neuhausen durch kurfürstliche Freigebigkeit begründet waren. Aber der Erbe der Kurwürde verharrte in seinem Widerstande gegen des Vaters Versuche, ihn für das reformirte Bekenntniß und für die kirchliche Reform im Sinne desselben zu gewinnen. Ein zum Ausgleich zwischen den lutherischen Geistlichen und den reformirten Professoren und Schulmännern veranstaltetes Colloquium hatte keinen Erfolg. Statt des Olevianus, der seinen Gegnern unterlegen war, wurde Ursinus zur Wiederaufnahme desselben nach Amberg berufen. Dieser lehnte aber das Eintreten in die Verhandlung ab und eilte nach Heidelberg zurück. Bald mußte auch S. weichen und seinem Freunde nach Heidelberg folgen, wohin er vom Kurfürsten als Rector des dortigen Pädagogiums berufen wurde. Mit großem Erfolge leitete er auch hier die classischen Studien, durch innige Freundschaft mit ausgezeichneten Männern wie A. Budithius, Joh. Crato, Thomas Crafft, Theod. Zwinger verbunden. Nach dem Tode des Kurfürsten Friedrich III. (1576) trat unter seinem streng lutherischen Nachfolger, seinem Sohn Ludwig, ein auf Beseitigung des reformirten Bekenntnisses gerichtetes Regiment ein. Unter solchen Umständen mußte auch in Heidelberg der confessionelle Streit wieder aufflammen. S. gerieth namentlich wegen der Abendmahlslehre mit den lutherischen Geistlichen in scharfe Differenzen. Das Ende davon war für ihn, daß er sich auch hier genötbigt sah, sein Rectoramt niederzulegen.

Er schlägt nun eine völlig veränderte Lebensbahn ein. Es kann wohl nur [255] aus dem Ueberdruß an theologischen und confessionellen Zwistigkeiten, in die er wiederholt verwickelt worden, erklärt werden, wenn er jetzt den Entschluß faßte, sich dem Studium der Medicin zu widmen, und zu diesem Zweck nach Italien zu gehn. Hier trieb er seine medicinischen Studien mit dem größten Eifer und trat in Verkehr mit den berühmtesten Aerzten und Gelehrten seiner Zeit. Von Italien begab er sich nach Frankreich, wo er am 2. December 1579 an der Akademie zu Valence von dem Kanzler der Akademie zu Montpellier, Laurentius Jobert, der zugleich Leibarzt des Königs Heinrich III. von Frankreich war, unter den ehrenvollsten Auszeichnungen zum Doctor der Medicin promovirt wurde. Nach Deutschland zurückgekehrt, wurde er von den oberösterreichischen Landständen als Physicus nach Linz berufen, wo er sich durch seine ärztliche Wirksamkeit einen ebenso ehrenvollen Ruf, wie einst als Lehrer des Griechischen und Lateinischen und als Schulrector, erwarb. Er übte seinen ärztlichen Beruf so aus, daß er den Kranken und Elenden stets herzliches Mitleid und Erbarmen bewies, in Fällen völliger Unheilbarkeit es an väterlichem, tröstlichem Zuspruch und an Glaubensstärkung nicht fehlen ließ, jedermann aber ohne Eigennutz zu dienen beflissen war. Und doch mußte er infolge unberufener Eingriffe in seine ärztliche Praxis die schmerzlichsten Erfahrungen machen und auch außer den schlimmsten Widerwärtigkeiten und Verletzungen seiner Ehre solche Einbußen an Hab und Gut erleiden, daß er in einem Briefe seines Freundes Georg Calaminus (Röhrich) vom 2. Februar 1583 an den gemeinschaftlichen Freund Joh. Crato als Beispiel eines von schwerstem Unglück betroffenen, mit Hiob zu vergleichenden Mannes, der sich nicht selten selber für noch elender als Hiob gehalten habe, hingestellt wird. Er starb in demselben Jahr, am 16. October 1583, in Linz.

Neben seiner ärztlichen Praxis setzte er seine Lieblingsstudien im Griechischen und Lateinischen fort. Er verfaßte griechische und lateinische Gedichte, die wegen ihrer ausgezeichneten Formvollendung in nicht geringem Ansehen standen. Besonders werden seine griechischen Poesieen gerühmt. In einem Distichon bei Conradi, Silesia togata (ed. Schindler, Liegnitz 1706, S. 265) heißt es von ihm: carmina Smyrneo certantia scribis Homero! Seine griechischen und lateinischen Poesieen erschienen 1580 in Genf gedruckt. Eine Anzahl von seinen Briefen findet sich in der collectio epistolarum philosophicarum medicarum etc. von Laurent. Scholz 1599, Fol. Frankfurt a. M. Die Breslauer Stadtbibliothek besitzt von ihm drei meist poetische Publicationen aus Wittenberg unter den Signaturen 407/7, 2 W. 7/98 u. 4 F. 1464/2. Dieselbe Bibliothek besitzt eine handschriftliche vita des Mannes in Msc. Klose 179: M. Hanke, vitae Silesiorum eruditorum u. d. Jahr 1583, worin seine Hirschberger Bestrebungen für die reformirte Lehre und sein Conflict mit Balthasar Tilesius besonders erwähnt werden. – Die Bibliothek der evangelischen Gnadenkirche in Hirschberg ist im Besitz einer Handschrift von M. David Zeller unter dem Titel: „Vermehrte Hirschbergische Merkwürdigkeiten“, worin ausführliche Mittheilungen über S. enthalten sind.

Jöcher. – Großes Universal-Lexikon, Bd. 34, s. v. Schilling. – Henel, Silesiographia, Cap. VII, 186. – Lucae, Schlesiens curieuse Denkwürdigkeiten od. Chronica, Frankfurt a. M. 1689. S. 489. – Hensel, historisch-topographische Beschreibung der Stadt Hirschberg. Hirschberg 1797. – Herbst, Chronik der Stadt Hirschberg. Hirschberg 1849. – Kopietz, Kirchengeschichte des Fürstenthums Münsterberg. Frankenstein 1885. (Darin erwähnt die handschriftl. Chronik der Stadt Frankenstein von Dr. Samuel Schilling, in einem Bande mit der Bezeichnung A. Lansky.)