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ADB:Schmidt, Alexander

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Artikel „Schmidt, Alexander“ von Ludwig Julius Fränkel in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 31 (1890), S. 713–715, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Schmidt,_Alexander&oldid=- (Version vom 27. Dezember 2024, 04:38 Uhr UTC)
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Schmidt: Alexander S., Philolog und Shakespeareforscher, wurde am 5. Dec. 1816 zu Kaschin in Westrußland als Sohn wackerer deutscher Eltern, eines Arztes und einer Gutsverwalterstochter, geboren. 1819 siedelte die Familie nach Schwetz, 1821 nach Preußisch-Eylau, wo der Vater Kreisphysicus wurde, über. 1821–29 besuchte S., ein stiller, öfters kränkelnder Knabe, die dortige Stadtschule, dann zu Königsberg i. Pr. das Friedrichscolleg und das kneiphöfische Gymnasium, wo er Michaelis 1834 eine ausgezeichnete Reifeprüfung ablegte. Wie auf der Schule bekundete er auch auf der Königsberger Universität, die er nun als Student der alten Sprachen und Geschichte bezog, mehr einen allgemeinen Wissenstrieb, namentlich betreffs der großen Dichter der Neuzeit. Namentlich pflegte er aber eifrig wie schon früher seine Naturbegeisterung und frohe Geselligkeit. Das lustige, vielfach anregende akademische Leben, das in jenen Jahrzehnten an der ostpreußischen Albertina herrschte, riß ihn mit fort, ohne daß er wie manche Feuerköpfe in dem Strudel des aufdämmernden Radicalismus unterging; er hat die oft besungenen „Tage der Rosen“ als Verbindungsbursche in vollen Zügen genossen. Finanzielles Unvermögen des Vaters und die Ermahnung [714] eines treuen Beratbers, Majors v. Madeweiß, veranlaßten 1836 eine fleißige Hingabe an die Studien, 1838 durch eine vorzügliche Promotion, 1840 durch eine umfängliche facultas docendi belohnt. Ostern 1840 ward er Hilfs-, 1842 ständiger Lehrer an der St. Petrischule zu Danzig, und folgte 1855 dem regierungsseits erst nach längerem Schwanken bestätigten Rufe als Director der städtischen höheren Bürgerschule zu Königsberg, einer später mit auf seinen Antrieb zum Range einer Realschule 1. Ordnung erhobenen Anstalt. Bis Michaelis 1885 wirkte er segensreich an diesem Löbenicht’schen Realgymnasium. Erfolge und Ansehen verdankte er hier, wie einer seiner ältesten Schüler sagt, reiner Humanität und opferwilliger Pflichttreue. Nie völlig gesund und längere Zeit von mancherlei Leiden geplagt, die treue Pflege der Angehörigen und rastloses gelehrtes Weiterforschen erleichterten, starb er am 27. Juni 1887. Seine Schüler errichteten ihm auf dem Löbenicht’schen Friedhofe ein würdiges Denkmal (mit trefflichem Bildniß von Fried. Reusch). – S. war ein Mann von Charakter und, obwohl milden Gemüths, von Thatkraft, unerschütterlich im Urtheile ehrlicher Ueberzeugung, fest beim beschlossenen Plan, ein ergebener Freund, ein durch mancherlei Sorge gestähltes Familienmitglied, ein wahrhaft edler Mensch. Als Gelehrter zeichnete er sich ebenso sehr durch gediegene Kenntnisse und geschmackvolle Verarbeitung, wie durch Bescheidenheit und weise Beschränkung aus. Das eindringliche Studium Shakespeare’s bildete über ein halbes Jahrhundert den Mittelpunkt von Schmidt’s Denken und Forschen. Bereits 1836 nahm er mitten in den Anfangsgründen der englischen Grammatik, die er einem herabgekommenen, meist betrunkenen Handlungsgehülfen bei regelmäßigem Gespräche und Zusammenlesen ablernte, „König Lear“, dann zeitlebens sein Lieblingsstück, vor, nachdem er sich schon als Primaner mit den Hauptdramen befreundet hatte. Diese Neigung bot den Keim zu dem glänzenden ersten litterarischen Auftreten mit „Sacherklärenden Anmerkungen zu Shakespeare’s Dramen“ (Danzig 1842), den Musterleistungen deutscher Shakespearekritik anzureihen. Hier fand man sauber und bequem beisammen, was die englischen Ausleger zur Wortauslegung und Quellengeschichte festgestellt hatten. Namentlich die Vorrede ragt sachlich und formell hervor: niemals wieder ist der schönrednerischen, aber in der Realienfrage unsäglich oberflächlichen Methode der Erklärer Tieck’schen Schlags so deutlich ihr Todesurtheil begründet worden. Fast alle folgenden Arbeiten Schmidt’s bewegten sich in demselben Fahrwasser: die Programmabhandlungen „Essay on the Life and dramatic Writings of Ben Jonson“ (1847), „Voltaire’s Verdienste um die Einführung Shakespeare’s in Frankreich“ (1864), „Zur Shakespeareschen Textkritik“ (Jahrbuch der dtsch. Sh.-Ges. III, 1868), Ausgabe von „Coriolanus“ (1878), von „King Lear“ (1879), „Zur Textkritik des King Lear“ (Anglia III, 1879), „Quartos und Folio von Richard III.“ (Jahrbuch der dtsch. Sh.- Ges. XV, 1880), „Die ältesten Ausgaben des Sommernachtstraums“ (Königsberger Progr. 1881). Das Hauptwerk seines Lebens ward aber das „Shakespeare-Lexikon. A complete dictionary of all the english words, phrases and constructions in the works of the poet“, 1874 und 1875 bei G. Reimer in Berlin in 2 Bänden erschienen, nachdem er seit 1864 seine ganze Kraft und Muße der Vollendung dieser Glanzleistung gewidmet hatte. Alle früheren Ansätze stellt es weit in den Schatten. 1885 hat es noch unter seiner Hand eine zweite, des Stereotypdrucks wegen nur wenig vermehrte, jedoch allseitig verbesserte Auflage erlebt. Außerdem hat S. für die 1867–71 von der deutschen Sh.-Ges. veranstaltete Durchsicht der „Schlegel-Tieck’schen“ Uebersetzung 22 Stücke von 36 trefflichst bearbeitet und mit lehrreichen Einleitungen ausgestattet. Alle seine Beiträge zur Erläuterung von Shakespeare’s Dramen zeigen S. als ebenso kenntnißreichen wie scharfsinnigen Beurtheiler der Kunst des Meisters, der auch [715] weniger auffällige sprachliche Besonderheiten gehörig in Anschlag bringt. Auch was er sonst drucken ließ, bezog sich meist auf Erscheinungen des neuenglischen Schriftthums, so seine gelungenen Verdeutschungen der „Lieder des alten Rom“ (1853) und einiger Essays von Macaulay, von Th. Moore’s „Lalla Rookh“ (1857, 2. Aufl. 1876), der „Lieder der schottischen Cavaliere, ein Denkstein, gesetzt den Manen des Dichters William Edmonstoune Aytoun“ (Progr. 1866), ferner die Vorträge „Walter Scott“ (1861) und „Milton’s dramatische Dichtungen“ (1864), zwei feinfühlige litterarhistorische Charakteristiken. Er behandelte in derartigen Studien übrigens auch die deutsche Sprache stets mit großer stilistischer Gewandtheit, während ihm für das Englische erst nach und nach eine volle Ausdrucksfähigkeit zu eigen ward. „Gesammelte Abhandlungen von Dr. Alexander S. Mit einer Lebensskizze herausgegeben von Freunden des Verstorbenen“ (Berlin 1889) enthalten fast alle genannten kleineren Aufsätze. In Danzig hatte er 1853 als Schulprogramm „Supplemente zur französischen Grammatik“ mitgetheilt.

M. Bernays, Zum Studium des deutschen und englischen Shakespeare: Beilagen zur (Münchener) Allg. Ztg. 1884, Nr. 307–309. – K. Lentzner, A. Schmidt: Englische Studien XI, 364–387. – F. Schultz, A. Schmidt: Jahrb. d. dtsch. Sh.-Gesellschaft XXIV, 174–179. – C. Witt, Dr. A. Schmidt. Eine Lebensskizze: Ges. Abhandlungen von Dr. A. S. (1889), S. 1–23. – L. Fränkel, Ein deutscher Fachgelehrter vor dem gebildeten Publikum: Blätter für literarische Unterhaltung 1890, Nr. 16, S. 245 f. – D. Asher, Eine Bemerkung zu A. Schmidt’s „Gesammelten Abhandlungen“: Magazin für die Litteratur des In- und Auslands 1890, Nr. 14.