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ADB:Schnell, Samuel

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Artikel „Schnell, Samuel Ludwig“ von Emil Blösch in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 32 (1891), S. 163–165, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Schnell,_Samuel&oldid=- (Version vom 21. November 2024, 18:32 Uhr UTC)
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Schnell: Samuel Ludwig S., 1775–1849. Neben den drei Brüdern S., von denen die zwei jüngern, der Dr. juris Karl und der Professor Dr. med. Hans S. oben in ihrem Lebensgang dargestellt sind, lebten gleichzeitig drei andere Brüder des nämlichen Namens in Burgdorf, welche alle in ihrer Weise das gewöhnliche Mittelmaß überragt haben. Der älteste und bedeutendste dieses zweiten Dreigestirns war der Rechtsgelehrte Samuel S. Derselbe wurde am 7. Mai 1775 zu Burgdorf getauft, sein Vater Samuel († 1813) war ein Bruder des hiervor erwähnten Districtsstatthalters Dr. Johannes S. und hatte sich als Kaufmann in seiner kleinen Vaterstadt Wohlstand und Ansehen erworben. Auch sein ältester Sohn, dessen Eigenart und geistige Bedeutung von seiner Umgebung nicht verstanden wurde, sollte diesem Berufe sich widmen und mußte, da man ihn für wenig brauchbar hielt, einige Jahre hindurch im väterlichen Geschäfte die gewöhnlichsten Dienstleistungen verrichten, bis endlich ihm gestattet wurde, den Weg zu betreten, zu dem er in so hohem Maß befähigt war. Wenig vorbereitet, aber mit eminenter Denk- und Gedächtnißkraft ausgerüstet, ging er 1796 nach Tübingen und kehrte schon 1797 als Doctor juris zurück, um sich in Bern als Rechtsanwalt niederzulassen. Der Einbruch der Franzosen im März 1798, denen der junge Mann als Milize in der Bedienung eines Geschützes in hoffnungslosem Kampfe gegenüberstand, stürzte das aristokratische Regiment des alten Bern und damit die Schranke, welche bis dahin den Angehörigen der kleinen Landstädte den Zugang zu den höhern Staatsämtern verschlossen hatte. Schon 1799 wurde Samuel S., der sich kurz zuvor mit einer Schwester des helvetischen Ministers Philipp Albert Stapfer verehelicht hatte, von der helvetischen Einheitsregierung zum Mitglied des neu errichteten obersten Gerichtshofes für die Schweiz ernannt. Er wurde Vorsitzender der Criminalabtheilung dieser Behörde, soll sich aber in jener schwierigen Uebergangszeit durch muthigen Widerstand gegen politische Processe mehrmals den Unwillen der jeweiligen Machthaber zugezogen haben. Mit der Wiederherstellung der selbständigen Kantone durch den Vermittlungsspruch Napoleon’s, 1803, wurde auch der einheitliche Gerichtshof aufgelöst. S. trat wieder als Rechtsanwalt auf; aber bei der Neuerrichtung der bernischen Akademie im J. 1806 wurde ihm der Lehrstuhl des vaterländischen Rechts und der Schweizergeschichte übertragen. Als Collegen erhielt er den Professor Karl Ludwig v. Haller, den „Restaurator der Staatswissenschaften“ (siehe den Art.), und der in Naturanlage, Charakter und Denkungsart begründete Gegensatz der beiden Männer wurde zum beiderseitigen tiefgehenden, für das Leben entscheidenden Hasse. Unversöhnlich, schonungslos standen sich der klare und kluge Anhänger modern-rationalistischer Rechtslehren und der tiefsinnig-romantische Reaktionär gegenüber, bis der letztere infolge seines erst geheimen, dann offenen Uebertrittes zur katholischen Kirche, 1821, weichen mußte. Unterdessen hatte S. erfolgreich an der Besserung und Entwicklung der bernischen Rechtszustände gearbeitet. Im J. 1808 erschienen seine „Bemerkungen über den Ursprung und die Ausbildung des Bernischen Civilrechts“; 1809 folgten „Abhandlungen über verschiedene wichtige Theile des Bernischen Civilrechts“. Durch Umarbeitung [164] dieser Schriften entstand das „Handbuch des Civilrechts, mit besonderer Berücksichtigung des Kantons Bern“ (Bern 1810), an welche das „Handbuch des Civilprocesses“ und sein „Vollständiges Notariatsbuch“ sich anschlossen. Diese Arbeiten mochten das ihre dazu beitragen, das Bedürfniß einer einheitlichen Civilgesetzgebung ernstlich fühlbar zu machen. Als mit dem J. 1814 die Revolutionsperiode abgeschlossen und die äußere Ruhe eingekehrt war, wurde das Werk unternommen. 1817 setzte die Bernische Regierung zu diesem Zwecke eine Commission ein, und S., der im Jahr zuvor für den jungen Kanton Aargau ein neues Gesetzbuch bearbeitet hatte, erhielt nun auch in Bern den amtlichen Auftrag und die Stelle eines Gesetzes-Redactors. Ziemlich rasch ging die Arbeit vor sich: 1821 wurde bereits der erste Theil, das Gesetzbuch über das gerichtliche Verfahren, vom Großen Rathe behandelt und angenommen; 1823 folgte das „Personenrecht“; 1826 der erste und 1830 der zweite Theil des „Sachenrechts“ (Civilgesetzgebung für die Stadt und Republik Bern, mit Anmerkungen, Bern 1825–31, in 3 Bänden). Die vielgestaltigen historischen Einzelrechte der Bernischen Gebiete waren damit durch einen einheitlichen systematisch-geordneten Codex nach modernen Grundsätzen für den ganzen Kanton verdrängt. Diese Gesetzgebung wurde Schnell’s Lebensaufgabe und sein Lebenswerk; sie ist auch sein Denkmal geworden; denn sie hat trotz unbestreitbarer Mängel bis heute alle politischen Stürme und Verfassungsänderungen im Kanton Bern überdauert und wird ihre Gültigkeit so lange behalten, bis einst ein analoges Werk für die ganze Eidgenossenschaft zu Stande kommt. Mit vollem Recht macht ein Biograph Schnell’s darauf aufmerksam, wie sehr die Herstellung des einheitlichen Gesetzbuchs der politischen Umgestaltung des Kantons Vorschub geleistet hat, welche nicht zufällig mit dessen Beendigung zeitlich zusammengefallen ist: „Neben Schnell’s streng logischem Personen- und Sachenrecht, welches für den Bauern und den Herren galt, war auch die staatsrechtlich privilegirte Stellung der „regierenden Geschlechter“ und der Stadt Bern zu einem Anachronismus geworden.“ Schnell’s Verwandte, die Brüder Karl und Hans S., waren es, welche diese Folgerung zogen. Samuel selbst, obwohl Beiden als älterer Freund und vertrauter Rathgeber, dem Einen von ihnen, Hans, zudem als Schwiegervater nahe stehend, hat keinen Theil an der revolutionären Bewegung genommen; sein Einfluß wirkte im Verborgenen und war mehr auf Mäßigung und Zurückhaltung, als auf Reizung gerichtet. Höhere Ehrenstellen hat auch er niemals erstrebt, auch nicht in der Zeit der unbeschränkten Herrschaft der „Burgdorfer Partei“, als man ihn, den „alten Professor Fuchs“, allgemein für den geheimen Lenker des ganzen Staatswesens hielt. Mit der Umwandlung der Akademie in eine Universität, 1834, wurde auch er zum Hochschulprofessor, aber neben ihm erstand jetzt in dem extremen Radicalismus seines phantasievollen Collegen Wilhelm Snell, eines deutschen Flüchtlings, eine Gegenwirkung, welche seine ehemalige Feindschaft gegen Haller reichlich vergalt und seine Thätigkeit lähmte. Im August 1843 legte er sein Amt als Rechtslehrer nieder; von wenigen treuen Verehrern aufgesucht, die seinen geistreich witzigen Umgang und sein scharfsichtiges Urtheil zu schätzen wußten (von den Witzworten und schlagfertigen Antworten des Mannes existiren in Bern ganze Anekdoten-Sammlungen; sie haben meistens eine politische Spitze), lebte er, in zweiter Ehe mit einer Dame aus der patricischen Familie von Wattenwyl verheirathet, noch einige Jahre in behaglicher Ruhe, bis er am 3. Januar 1849 nach kurzer aber schmerzlicher Krankheit starb. In seiner Jugend dichterisch gestimmt, hatte er sogar eine Sammlung Idyllen im Geschmacke Sal. Geßners erscheinen lassen, von der sich jedoch kein einziges Exemplar scheint erhalten zu haben. Während des Aufenthaltes in Tübingen war er im Cottaschen Hause mit Goethe zusammengetroffen, mit Kaspar Lavater war er befreundet, [165] und wie sein Schwager Stapfer, der sich ganz in Paris niederließ, so standen auch die andern Häupter der helvetischen Republik, Alb. Rengger, Escher v. der Linth, Paul Usteri und selbst C. Laharpe, mit dem er manchen Kampf bestanden hatte, bis an ihr Lebensende mit ihm in brieflichem Verkehr; Isembert, Lord Brougham und andere Fremde suchten ihn auf bei ihren Reisen in die Schweiz; und der Berliner Gans hat in seinen „Rückblicken“ (Berlin 1836) einen längern Artikel über Charakter und Verdienste Schnell’s mit den Worten eröffnet: „In Bern machte ich eigentlich nur eine einzige bedeutende Bekanntschaft, aber diese wog alle übrigen auf, die mir hätten zufallen können“. – Sein jüngerer Bruder, Jakob Rudolf S. (1778–1856) hat sich um seine Heimath verdient gemacht durch die Stiftung einer großen Erziehungsanstalt für arme Mädchen, zu welcher er ein in Paris und Florenz erworbenes Vermögen durch letzte Willensverordnung bestimmte.

Außer den oben bei Prof. Hans S. genannten kommen hier noch in Betracht: Alf. Hartmann, Gallerie berühmter Schweizer der Neuzeit, II, 68 (mit Bildniß). Baden 1871. – Gans, Rückblicke auf Personen und Zustände, S. 275 ff. Berlin 1836, und das Pamphlet: „Bern, wie es ist“, von Eugen v. St. Alban, I, 85 ff. – Schnell’s Briefe an Stapfer, abgedruckt im Archiv des histor. Vereins von Bern, XII, und zahlreiche handschriftliche Arbeiten und Briefe, nebst mündlichen Ueberlieferungen.