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ADB:Schulze, Moritz

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Artikel „Schulze, Moritz“ von Albert Schumann in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 37 (1894), S. 325–328, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Schulze,_Moritz&oldid=- (Version vom 23. Dezember 2024, 19:31 Uhr UTC)
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Schulze *): Adolf Moritz S., evangelischer Theolog und Schulmann, geboren am 5. Mai 1808 in Gotha, der zweite Sohn des Professors Chrn. Ferd. S. (s. A. D. B. XXXII, 765 ff.), empfing den ersten Unterricht seit 1813 in der dortigen Garnisonschule, besuchte seit 1816 die Vorbereitungsclasse des Gymnasiums, die sog. Subtertia, wo der bekannte Fabeldichter Wilh. Hey (s. A. D. B. XII, 344 ff.) sein Lehrer war, und durchlief dann die vier Classen des eigentlichen Gymnasiums. Schon damals weckte das Beispiel seines Vaters in ihm die Neigung zum Lehr- und Predigtamte; aber der Beginn seiner fachwissenschaftlichen Laufbahn verzögerte sich durch eine Brustkrankheit um ein halbes [326] Jahr, so daß er erst zu Ostern 1827 die Jenaer Hochschule beziehen konnte. Nachdem er hier während dreier Semester philosophische, philologische und theologische Vorlesungen gehört und in dieser Zeit sich der fortdauernden litterarischen Anregung seines Landsmannes, des Professors K. H. Scheidler, erfreut hatte, setzte er auf der Universität Leipzig seine Studien in der gleichen Richtung fort, betheiligte sich an den Uebungen verschiedener gelehrter Gesellschaften und suchte sich überdies im Kanzelvortrage weiterzubilden. Als eine Anerkennung seines eifrigen Strebens durfte er es betrachten, daß er die Stelle eines Nachmittagspredigers an der Universitätskirche erhielt, wozu jedoch die Erlangung eines akademischen Grades erforderlich war. Er erwarb sich daher im Februar 1830 die Würde eines Doctors der Philosophie, trat am 14. März in das neue Amt ein und unterzog sich am 12. Mai auch der ersten theologischen Prüfung in seiner gothaischen Heimath. Während er nun bis 1837 als Prediger wirkte, bemühte er sich zugleich um seine Förderung im Lehrfache: er besorgte vom Sommer 1830 bis zu seinem Weggange von Leipzig die gesammte Unterweisung eines Mädchens vom siebenten Altersjahre an, übernahm 1831 die Fächer der Geschichte, Geographie und Naturgeschichte an einer Erziehungsanstalt für Mädchen und trieb einige Jahre mit Studenten hebräische und griechische Exegese, Dogmatik und Kirchengeschichte. Mit gleich günstigem Erfolge wie die erste bestand er am 20. Mai 1835 in Gotha die zweite theologische Prüfung (das sog. Examen pro ministerio) und fand vor- und nachher noch Zeit, sich schriftstellerisch zu bethätigen. Abgesehen von verschiedenen Aufsätzen in wissenschaftlichen Zeitschriften veröffentlichte er als erstes selbständiges Buch: „Georg und Luther oder Ehrenrettung des Herzogs Georg von Sachsen“ (1834); dann folgten noch: die „Erinnerung an Diezmann, Markgrafen von Meißen und Landgrafen in Thüringen“ (1835), und das „Lehrbuch bei Judenbekehrungen“ (1837). – Seine Verlobung mit Emilie Waitz, der Tochter des Seminardirectors und Stiftspredigers J. H. W. Waitz (s. d.), die er bei seinen Besuchen in Gotha kennen gelernt hatte, legte ihm den Wunsch nahe, eine Anstellung in seinem engeren Vaterlande zu finden. Er sah diesen erfüllt, als ihm das gothaische Oberconsistorium das Pfarramt in Langenhain bei Waltershausen übertrug. Am 18. Juni 1837 hielt er seine Abschiedspredigt in der Leipziger Universitätskirche, übernahm am 30. Juli sein neues Amt und feierte am 1. August seine Hochzeit. Neben seinem geistlichen Berufe, den er nicht nur in seiner Gemeinde, sondern auch in dem nahe gelegenen Landarmenhause zu üben hatte, war wiederum die Schule ein Gegenstand seiner steten Aufmerksamkeit; denn er begnügte sich nicht mit dem Confirmandenunterrichte und der von Amtswegen ihm obliegenden Aufsicht über die Schule des Ortes, sondern gründete auch unter manchen Schwierigkeiten eine Kleinkinderschule, veranstaltete und leitete Jugendfeste und ertheilte zwei Knaben und einem Mädchen häuslichen Unterricht. Sein thatkräftiges Wirken blieb nicht unbemerkt: im Januar 1842 wählte ihn der Bürgervorstand in Gotha zum Rector der dortigen Stadtschulen. Nicht ohne Ueberwindung – hatte er doch in seiner Gemeinde viel Liebe und Anerkennung gefunden – nahm er den Ruf an und begann damit eine neue arbeitsvolle, aber höchst verdienstliche Wirksamkeit, welche ihm den Dank seiner Vaterstadt für alle Zeiten sichert. Seine Arbeit als erster selbständiger Rector mußte vor allem eine aufbauende und neugestaltende sein, da die Bürgerschulen Gothas, damals im ganzen drei, seit der Reformation unter der Leitung des Gymnasialdirectors gestanden und als Anhängsel der vornehmeren Schwester immer nur die Rolle eines Aschenbrödels gespielt hatten. Da sie den gesteigerten Anforderungen nicht mehr genügten, so hatte sich neben ihnen eine Reihe von Candidaten der Theologie gehaltener Winkelschulen gebildet, welche die besseren [327] Köpfe dem öffentlichen Unterricht entzogen. Daher bedurfte es zunächst einer Abtheilung, die für das Gymnasium und die Realschule vorbereitete und zugleich eine ausreichende Bildung für den Uebertritt ins praktische Leben gewähren konnte. So entstand die erste oder höhere Knabenbürgerschule mit vier Classen und ebenso vielen Lehrern, darunter S. selbst für Religion und Geschichte, zeitweise auch für Französisch und Lateinisch. Am 1. Mai 1843 mit 90 Schülern festlich eröffnet, gewann sie, ebenso wie die drei anderen Bürgerschulen, sehr bald das Zutrauen der Eltern und erfuhr gleich jenen eine bedeutende Steigerung ihres Besuches. 1848 schloß sich dieser höheren Abtheilung für Knaben eine zweite für Mädchen an; 1850 erhielt die zweite Bürgerschule neue Räume zugewiesen, wobei man die Abtheilung für Knaben mit dem Seminar verband, diejenige für Mädchen in die Garnisonschule verlegte, während die Vorstadtschule sich um einige Classen erweiterte. 1843 hatten sämmtliche Schulen 15 Classen mit 857 Kindern enthalten; 1850 zählten sie 23 Classen mit 1200 Kindern. Nebenher gingen noch zahlreiche andere Verbesserungen: die Anlegung eines Turnplatzes, die Berufung eines Turnlehrers, die Gründung einer Schulbibliothek, einer naturwissenschaftlichen Sammlung und eines physikalischen Cabinetes, die Einrichtung des Unterrichtes in weiblichen Handarbeiten, die Erhöhung der Lehrerbesoldung u. s. w., alles dies unter vielfachen Hemmnissen und Schwierigkeiten. Bei dem stets sich erweiternden Umfange dieses großen Ganzen reichten zuletzt die Kräfte eines einzelnen Mannes für die Leitung nicht mehr aus, so daß sich S., seit 1846 „Schuldirector“, nach einer Entlastung sehnte. Sie vollzog sich dadurch, daß vom 1. April 1855 an nur noch die erste Knaben- und die erste Mädchenbürgerschule seiner Aufsicht anvertraut blieben, während die übrigen Stadtschulen dem bisherigen Conrector Chrn. Gotthold Neudecker (s. A. D. B. XXIII, 479 ff.) als „zweitem Rector“ zugetheilt wurden. Infolge dieser Erleichterung konnte er zur Vermehrung seiner ziemlich bescheidenen Einkünfte 1857 noch die Garnisonpredigerstelle übernehmen, besonders da er, von einem Vicar unterstützt, nur jeden zweiten Sonntag zu predigen hatte. Gleichwol endeten die Sorgen um den Lebensunterhalt – seine Gattin hatte ihm allmählich neun Kinder geboren – damit noch nicht, weshalb er sich 1859 um das Amt eines Oberpfarrers und Superintendenten in Ohrdruf bewarb. Seitdem er dieses am 10. Juni 1860 angetreten hatte, flossen ihm die Tage im ganzen ruhiger dahin, wenn es auch jetzt nicht an genügender Arbeit und an neuen Aufgaben fehlte. Außer der eigenen, bald vergrößerten Ephorie verwaltete er zeitweise noch drei andere, unterrichtete zahlreiche Confirmanden und blieb daneben der öffentlichen Schule nicht fern. Da es keine höhere Mädchenschule gab, schuf er eine solche in den Räumen seiner Amtswohnung, versah nach der Veröffentlichung des neuen Schulgesetzes (1863) die Stelle eines Bezirksschulinspectors und suchte als Mitglied und Vorsitzender des Schulvorstandes eine zeitgemäße Fortbildung des Ohrdrufer Schulwesens zu bewirken, womit er jedoch an dem hartnäckigen Widerstande des Progymnasialdirectors scheiterte. Schon in Gotha war er Vorsitzender des örtlichen Bezirkslehrervereins und des Allgemeinen gothaischen Lehrervereins gewesen, und dort wie an seinem neuen Wohnorte stand er in den engsten Beziehungen zur Allgemeinen Deutschen Lehrerversammlung. Seit 1848, wo die letztere zum ersten Mal in Eisenach tagte, blieb er kein einziges Jahr aus; 1852 und 1855, als sie nirgends eine gastliche Stätte fand, bereitete er ihr eine solche in seiner Vaterstadt. Von 1852 an saß er ununterbrochen in ihrem Ausschusse und besorgte als eines der drei Mitglieder die umfangreiche Geschäftsführung und Correspondenz, machte die Protokolle der Sitzungen druckfertig, stellte Preisaufgaben, verhandelte mit den Eisenbahnen über Ermäßigung der Fahrpreise u. s. w., eine Thätigkeit, um deretwillen er mit Recht „der getreue Eckhart“ dieser Versammlung [328] hieß. Auch seine schriftstellerischen Bemühungen setzte er unterdessen fort, nur daß diese jetzt theilweise der geliebten Schule galten, und gab in Gotha und Ohrdruf heraus: „Lectionen zum Auswendiglernen in den drei untern Klassen der ersten Abtheilung der Knabenbürgerschule zu Gotha“ (1843; öfter wiederholt); „Die Einweihung und Einrichtung der höhern Knabenbürgerschule in Gotha“ (1843); „Katechismusunterricht nebst einem kurzen Abrisse der Religionsgeschichte für Bürgerschulen“ (1844, 2. Aufl. 1851); „Rede bei der Gedächtnißfeier des Höchstseligen Herzogs Ernst in der höhern Knabenbürgerschule zu Gotha“ (1844); „Heimathskunde für die Bewohner des Herzogthums Gotha“ (3 Bde., 1845–47); „Lesebuch für Schulkinder der beiden ersten Schuljahre“ (1850, 3. Aufl. 1859); „Christian Ferdinand Schulze, nach seinem Leben und Wirken geschildert“ (1851); „Die Entwicklungsepoche des deutschen Volksschulwesens unter Herzog Ernst dem Frommen“ (1855, Sonderabdruck aus Kern’s „Pädagogischen Blättern“); „Kleine Schulgeographie. Heimatskunde des Herzogthum’s Gotha“ (1869); „Kleine Heimathskunde des Herzogthums Gotha“ (1874) und „Hauptbetrachtungen für die Weihestunden der Confirmanden“ (1876, 3. Aufl. 1878). Zudem veröffentlichte er nach seines Vaters Tode dessen druckfertige Schrift „Leben des Herzogs von Sachsen-Gotha und Altenburg Friedrich II.“ (1851) und die zwölfte Auflage von dessen „Vorübungen zum Uebersetzen aus dem Deutschen in das Lateinische“ (1856), verfaßte mehrere Beschreibungen zu dem „Album der Residenzen, Schlösser und Rittergüter Thüringens, insbesondere der Sächsischen Lande Ernestinischer Linie“ (1858) und lieferte Abhandlungen und Recensionen in Gersdorf’s „Repertorium“, die Darmstädter „Allgemeine Kirchen-Zeitung“ und das dazu gehörige „Theologische Litteraturblatt“, das „Journal für Prediger“ von Neander, Goldhorn und Bretschneider, A. Diesterweg’s „Pädagogisches Jahrbuch“, die „Allgemeine Deutsche Lehrerzeitung“, Lauckhard’s „Volksschulblätter für Thüringen“ und „Reform“ und den „Pädagogischen Jahresbericht“, in welchem der Abschnitt „Religionsunterricht“ im 14. bis 25. Bande (1862–74) von ihm herrührt. – Mit den sechziger Jahren trübte sich allmählich das freundliche Glück seines Hauses. Mehrere nahe Verwandte schieden aus dem Leben; bange Sorge erfüllte ihn um den zweiten Sohn, welchen die beiden Kriege von 1866 und 1870 in das Feld riefen, und er selbst erkrankte 1873 an einer Lungenentzündung, infolge deren seine körperlichen Kräfte zusehends abnahmen. Er legte daher 1877 den Posten eines Schulinspectors nieder und trat am 1. Januar 1878 mit dem Titel eines Kirchenrathes auch von seinem geistlichen Amte zurück. Dann siedelte er nach Gotha über und erlebte 1880 dort noch die fünfzigjährige Jubelfeier seiner Doctorpromotion; aber schon im nächsten Jahre traf ihn ein Schlagfluß, der seinen Körper empfindlich schwächte und eine Störung seines Geistes herbeiführte. Da sich die bisherige Ruhe und Milde seines Wesens in das Gegentheil verkehrte, sahen sich seine Angehörigen genöthigt, ihn der Anstalt für Geisteskranke in Hildburghausen zu übergeben, wo am 8. December 1881 der Tod dieses schattenhafte Dasein endete. Am 11. December fand er in Gotha seine letzte Ruhestätte.

J. B. Heindl, Galerie berühmter Pädagogen, verdienter Schulmänner u. s. w., 2. Bd., München 1859, S. 419–425. – Leipz. Illustr. Ztg., Nr. 1360 vom 24. Juli 1869, S. 68b (mit Schulze’s Bildn.). – Allgem. Deutsche Lehrerzeitung, 34. Jahrg., 1882, Nr. 24 vom 11. Juni, S. 213a bis 216a (von A. Meier in Lübeck). – Ernst Schulze, Dr. Adolf Moritz Schulze. Ein Bild seines Lebens u. Wirkens für Verwandte u. Freunde entworfen. Leipzig 1884 (32 S. 8°). – Vgl. auch: E. Zschäck in der „Chronik“ des „Verbesserten Gothaischen Historien-Kalenders auf das J. 1883“, Gotha (1882), S. 13a u. 13b.

[325] *) Zu Bd. XXXII, S. 761.