ADB:Ernst I. (Herzog von Sachsen-Gotha-Altenburg)

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Artikel „Ernst I., „der Fromme“, Herzog von Sachsen-Gotha und Altenburg“ von August Beck in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 6 (1877), S. 302–308, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Ernst_I._(Herzog_von_Sachsen-Gotha-Altenburg)&oldid=- (Version vom 19. März 2024, 14:02 Uhr UTC)
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Ernst I., mit dem Zunamen „der Fromme“, Herzog von Sachsen-Gotha und Altenburg, regierend von 1640–74, geb. am 25. Dec. 1601 auf dem [303] Schlosse zu Altenburg, gest. am 26. März[1] auf dem Schlosse Friedenstein zu Gotha, war einer der besten und edelsten Fürsten nicht bloß seiner Zeit, sondern aller Zeiten. Er war der neunte Sohn Herzog Johanns von Sachsen-Weimar (gest. am 13. Oct. 1605) und der Prinzessin Dorothea Maria von Anhalt-Köthen (gest. am 18. Juli 1617). Die Eltern gaben ihren Kindern eine für die damalige Zeit musterhafte Erziehung. Nach einem von Friedrich Hortleder verfaßten strengen Plane unterrichtete M. Bartholomäus Winter die jungen Prinzen. Den Unterricht in der lateinischen Sprache, in der Geschichte, Politik und Staatsrecht übernahm der gelehrte Hortleder selbst. Das Hauptziel des Unterrichts aber war auf Frömmigkeit und Reinheit der Sitten gerichtet, und der Hofprediger Kromayer hatte eine besondere „Christliche Kinderlehre für die fürstliche junge Herrschaft zu Weimar“ (Jena 1608) verfaßt. Mit ausgezeichneten Geistesgaben ausgestattet, hatte Prinz E. schnell Fortschritte in allen Zweigen des Wissens gemacht und die frühzeitige Gewöhnung an das Lesen der Bibel und der lutherischen Bekenntnißschriften, an tägliches Gebet und Andachtsübungen hatten auf sein weiches Gemüth einen für sein ganzes Leben unauslöschlichen Eindruck gemacht und seinen Sinn von irdischen Gütern abgezogen. Frömmigkeit wurde der Grundzug seines Charakters; als er noch nicht das elfte Jahr vollendet hatte, fühlte er schon das Bedürfniß, das heilige Abendmahl zu genießen und seine Mutter erfüllte bei den entwickelten geistigen Anlagen ihres Sohnes gern sein Verlangen. Die Jugend des Prinzen E. war keine glückliche; er mußte viele traurige und widrige Ereignisse erleben. Im vierten Jahre starb sein Vater, im sechzehnten seine Mutter, im neunten wäre er beinahe durch das Springen des Stahls einer Armbrust getödtet worden. Im J. 1607 wüthete eine verheerende Pest in Deutschland, das J. 1612 brachte in Folge eines sehr harten Winters eine Hungersnoth und neue Krankheiten und im J. 1613 (29. Mai) brachte ein furchtbares Gewitter erschreckliche Zerstörungen über Weimar und die ganze Umgegend. Diese außergewöhnliche Ueberschwemmung ist in der Geschichte unter dem Namen der „thüringischen Sintfluth“ bekannt (von der Lage, Vollständige Acta der thüringischen Sündfluth des J. 1613. Weimar 1720). Das J. 1617 brachte eine schreckliche Theuerung und im J. 1618 kam der dreißigjährige Krieg zum Ausbruche. Reisen zu machen, was damals für einen wesentlichen Theil der Prinzenerziehung galt, wurde Prinz E. durch die äußeren Umstände verhindert. Durch einen Vertrag der weimarischen Brüder (2. Dec. 1618) blieben die Lande ungetheilt, dem ältesten Bruder Johann Ernst wurde die gemeinschaftliche Landesregierung mit jährlich 12000 Gulden übertragen, Herzog E. erhielt 2500 Gulden. Als nun die drei älteren Brüder Johann Ernst, Friedrich und Wilhelm sich für den von den empörten Böhmen neugewählten König Kurfürst Friedrich V. von der Pfalz erklärten und von ihm Kriegsbestallung annahmen, leitete Herzog E. die Landesverwaltung, bis sein Bruder Albrecht von seinen Reisen zurückkehrte (28. Juni 1621). Bei der ersten Vertheilung der Landeseinkünfte (6. Dec. 1624) erhielt Herzog E. 7000, bei der zweiten (19. März 1629) 8000, bei der dritten (21. Dec. 1633) 12000 Gulden. Unter dem schwedischen Könige Gustav Adolf nahm Herzog E. Dienst als Oberst eines Reiterregiments (October 1631). Bei der Belagerung von Königshofen, welches sich am 30. Sept. 1631 ergeben mußte, hatte sich Herzog E. so vortheilhaft ausgezeichnet, daß er zum Statthalter von Königshofen ernannt wurde. In Haßfurt schlug er hierauf sein Lager auf. Ein Zug seiner Gerechtigkeitsliebe darf hier nicht mit Stillschweigen übergangen werden. In dem Dorfe Gückelhorn hatten seine Reiter 800 Schafe weggenommen und nach Tambach getrieben. Auf die Beschwerde des Schäfers, dem die Schafe geraubt waren, gab er Befehl, dieselben sofort zurückzugeben, obschon sie seinen Feinden [304] gehörten. Herzog E. begleitete hierauf den König von Schweden durch das ganze Baiernland, und als Tilly den Uebergang über den Lech streitig zu machen versuchte, war es Herzog E. mit seinen Getreuen, der zuerst diesen Fluß durchschwamm, um eine Furt zu suchen. Er bereitete dadurch zwar dem Könige den Weg zum Siege über Tilly, wurde aber in Folge der Erkältung todtkrank und mußte acht Wochen bis zu seiner Genesung in Augsburg zubringen. In der blutigen Schlacht bei Lützen, wo der Heldenkönig Gustav Adolf sein Leben verlor (6. Nov. 1632), zeichnete sich Herzog E. neben seinem Bruder Bernhard durch Tapferkeit und Klugheit aus. Beide besiegten den tapferen Wallenstein, und als Pappenheim von Halle her mit frischen Truppen heranstürmte, griff ihn Herzog E. an und besiegte ihn; ja er soll den General selbst vom Pferde geworfen haben. Als nun Herzog Bernhard für seine vielen Siege das Herzogthum Franken mit den Bisthümern Würzburg und Bamberg zum Geschenk erhielt, übertrug er seinem Bruder E. die Verwaltung dieses Landes. Mit welcher Sorgfalt er diese Verwaltung führte, geht aus der Aeußerung des Fürstbischofs Franz v. Hatzfeld hervor, der später sein Land wieder erhielt, „Herzog E. habe das Würzburger Land in einen besseren Zustand gebracht, als wenn er es selbst verwaltet hätte“. Unter seinem Bruder Bernhard focht Herzog E. noch bei Landshut (12. Juli 1634) und in der unglücklichen Schlacht bei Nördlingen (6. Sept. 1634). Dem ruhmlosen Frieden zu Prag (20. Mai 1635) trat er mit seinen Brüdern Wilhelm und Albrecht bei. Herzog Bernhard schloß sich ihnen nicht an. Leider wurde Thüringen dadurch der Schauplatz, auf welchem abwechselnd Freund und Feind sich herumtummelten.

Durch den dreißigjährigen Krieg war das ganze Thüringer Land in einen trostlosen, jammervollen Zustand gerathen. Herzog E. suchte, so viel in seinen Kräften stand, dem Unglücke zu steuern. Ueberall erschien er als ein Wohlthäter und spendete Segen. Nach dem Tode des kinderlosen Herzogs Johann Philipp von Sachsen-Altenburg (1. April 1639) war zu Altenburg ein Erbtheilungsvertrag zu Stande gekommen (13. Febr. 1640), durch welchen Herzog E. die fürstlichen Aemter Gotha, Tenneberg, Reinhardsbrunn, Georgenthal, Ichtershausen, Wachsenburg, Schwarzwald, Tonndorf, Salzungen und Königsberg in Franken erb- und eigenthümlich zugetheilt erhielt. Am 9. April 1640 nahm er diese ihm zugefallenen Landestheile in Besitz und wählte die Stadt Gotha zu seiner Residenz. Da aber hier noch keine fürstliche Wohnung sich befand, so bezog der Herzog mit seiner Familie das Schloß Tenneberg bei Waltershausen, bis das Kaufhaus zu Gotha zur herzoglichen Wohnung hergerichtet war. Am 24. October 1640 zog er mit seinem Gefolge in Gotha ein und ließ sich auf dem Kaufhause am 17. Febr. 1641 huldigen. Unter seiner Regierung wurde das Fürstenthum Gotha mehrmals durch Erbschaft vergrößert. Am 20. Dec. 1644 starb Herzog Albrecht von Sachsen-Eisenach, und da er ohne Kinder starb, fiel dieses Land an seine Brüder Wilhelm zu Weimar und E. zu Gotha. Der letztere erhielt durch den Theilungsreceß vom 30. März 1645 die Aemter Heldburg, Creinberg, Eisfeld, Veilsdorf, Volkenroda und das Klosteramt Allendorf. Mittlerweile hatte Herzog E. versucht, Deutschland den Frieden wiederzugeben, aber das anmaßende und herrschsüchtige Frankreich hinderte seine Bemühungen und erst am 24. Oct. 1648 kam derselbe zu Stande. Mit welchem Jubel er von dem Herzoge E. aufgenommen wurde, beweisen die silbernen großen und kleinen Denkmünzen, welche er prägen ließ, und welche die Aufschrift haben:

Gott den Herrn lobt und ehrt,
Der den Frieden uns beschert;
Fördert seine Furcht und Ehr’,
Sonst besteht er nimmermehr!

[305] Ueber die Grafen und Herren, die gemeinschaftlich den beiden Brüdern Wilhelm und E. verblieben waren, hatte der ältere Wilhelm das Directorium mehrere Jahre geführt, bis Herzog E. die erbliche Vertheilung verlangte, die auch 18. Juni 1657 zu Weimar zu Stande kam. Herzog E. erhielt dadurch die Obergrafschaft Gleichen (Grafen von Hohenlohe), die Untergrafschaft Gleichen (Grafen von Schwarzburg-Arnstadt), Amt Ilmen (Grafen von Schwarzburg-Rudolstadt) und die Herrschaft Ober-Cranichfeld (Grafen von Schwarzburg-Rudolstadt). Bedeutender wurde der Zuwachs zu dem neuen Herzogthume durch die Theilung der Grafschaft Henneberg, welche bisher dem ganzen Hause Sachsen gemeinschaftlich gehört hatte. Durch den am 9. August 1660 abgeschlossenen Theilungsreceß kamen an Gotha die Aemter Frauen-Breitungen, Wasungen und Sand. Die bedeutendste Vergrößerung des gothaischen Landes erfolgte, als am 14. April 1672 ganz unerwartet der minderjährige Herzog Friedrich Wilhelm III. starb und dadurch die Fürstenthümer Sachsen-Altenburg und Coburg mit dem Stifte Saalfeld und dazu gehörigen hennebergischen Landestheilen erledigt wurden. Herzog Wilhelm und mit größerem Rechte Herzog E. machten Ansprüche auf die Erbschaft. Aus Liebe zum Frieden und um seinen Kindern nicht einen langwierigen Proceß zu hinterlassen, ließ Herzog E. sich auf Unterhandlungen ein. Durch Vermittlung der Vormünder Kurfürsts Johann Georg von Sachsen und Herzogs Moritz von Sachsen-Naumburg-Zeitz kam am 16. Mai 1672 zu Altenburg ein Vergleich zu Stande, durch welchen Herzog E. drei Viertheile des Fürstenthums Altenburg und Coburg erb- und eigenthümlich erhielt. Die Einkünfte aus diesen drei Viertheilen betrugen nach damaligem Werthe 60000 Gulden jährlich. Das Herzogthum Gotha erhielt dadurch als Zuwachs die Aemter Altenburg, Leuchtenburg und Orlamünde, Camburg, Eisenberg, Roda, Ronneburg, Saalfeld, Gräfenthal, Probstzella, ferner aus dem Fürstenthume Coburg die Aemter Coburg, Sonnefeld, Neuenhaus, Sonneberg, Hildburghausen und Schalkau, endlich von den hennebergischen Landen die Aemter Themar, Maßfeld, Meiningen, Behrungen und Römhild. Nach dem Theilungsvertrage vom 9. August 1660 hatte der Herzog den Titel „gefürsteter Graf von Henneberg“ und nach dem Vergleiche vom 16. Mai 1672 den von „Sachsen-Gotha und Altenburg“ angenommen.

Die Verfassung und Verwaltung des gothaischen Landes war vom Herzog E. so vortrefflich eingerichtet worden, daß sie anderen Staaten zum Muster dienen konnte und wirklich diente. Land und Unterthanen prosperirten und ungeachtet des langjährigen verderblichen Krieges nahm der Wohlstand zu, wie in keinem anderen Lande. Der Herzog stand an der Spitze des Ganzen und hatte die höchste Gewalt sowol in weltlichen wie in geistlichen Dingen (summus episcopus); er übte das Richteramt über Leib und Leben seiner Unterthanen; nur in Reichsangelegenheiten stand er unter der Oberhoheit des deutschen Kaisers. Die Regierungsgeschäfte besorgten fünf hohe Collegien (Geheimer Rath, Landesregierung, Consistorium, Kammercollegium oder Rentkammer und Vormundschaftscommission). Der Herzog regierte mit Zuziehung der Landstände, deren Rechte auf das allmählich entstandene Herkommen sich gründeten. Sieben Hauptlandtage wurden während der Regierung Herzog Ernsts nach Gotha und einer nach Altenburg berufen, aber außerdem kamen 44 Mal der weitere oder engere Ausschuß zusammen. Eine ganze Reihe wohlthätiger Verordnungen und Gesetze, welche hauptsächlich die moralische Besserung des Volkes und die wahre Gottesfurcht förderten, waren die Folge davon. Obenan standen die Heiligung des Feiertags und christliche Zucht. Der Herzog betrachtete die Verachtung des göttlichen Wortes und die Entheiligung des Sabbaths als eine Hauptquelle, aus welcher andere große und schwere Sünden herflössen. Es hielt schwer, in dieser Beziehung [306] eine Besserung herbeizuführen, aber E. ließ sich die Mühe nicht verdrießen, immer wieder und wieder neue Verordnungen zu erlassen, bis sie allmählich Eingang fanden. Es wurden besondere Disciplininspectoren in den verschiedenen Orten des Landes angestellt, welche über die äußere Zucht zu wachen hatten. Es ergingen Verbote gegen Gotteslästerungen, Fluchen, insbesondere gegen das „Voll-, Zu- und Gleichsaufen“, gegen das Bettler-, Zigeuner- und Landstreicherwesen, gegen das Unwesen der Quacksalber, Hirten, Scharfrichter und andere Unbefugte, welche von unverständigen Leuten in Krankheitsfällen zu Rathe gezogen wurden, und überhaupt gegen alle Mängel und Mißbräuche, welche in der langen Kriegszeit eingerissen waren. Sicherheit der Person und des Eigenthums sollte wieder hergestellt werden, die wüst liegenden Güter mußten binnen wenig Wochen wieder bebaut werden, sonst gingen sie für den Besitzer verloren. Der Sucht zur Ueppigkeit, zum Luxus und zu Vergnügungen wurde durch eine ganze Reihe von Mandaten gesteuert. Auf solche Weise suchte der Herzog der Versunkenheit seines Volkes entgegenzuarbeiten und den sittlichen Lebenswandel als das sicherste Förderungsmittel des öffentlichen Wohles wieder zu Ehren zu bringen. Große Aufmerksamkeit schenkte der Herzog auch der Besserung des Gerichtswesens. Die Gesetzgebung war mangelhaft und der Krieg hatte alle Ordnung zerstört. Ungehorsam gegen die Obrigkeit, Frevel und Diebstahl hatten überhand genommen. Der Herzog suchte auf die Verhütung von Processen hinzuwirken, oder, wo dies nicht möglich war, doch auf schleunige Beendigung derselben. Der großen Willkür, welche im Gerichtswesen herrschte, wurde durch Verordnungen Einhalt gethan. Zu diesem Zwecke entstand eine Kanzleiordnung, Gerichtssordnung, Vormundschaftsordnung, Geheimerathsordnung, Kammerordnung, Proceßordnung und eine revidirte und vermehrte Landesordnung, die 16. April 1653 gedruckt erschienen. Zur Erhaltung guter Zucht und Ordnung setzte er die Rügegerichte ein und ließ eine Rügegerichtsordnung verfertigen (1657). Eine besondere Commission hatte von Zeit zu Zeit die Gerichte zu visitiren und die gefundenen Mängel abzustellen. Und dennoch, so viel auch zur besseren Gestaltung des Justizwesens geschah, in Einem Punkte konnte Herzog E. von dem Wahne seiner Zeit sich nicht frei machen, nämlich von dem unheimlichen Glauben an Zauberer und Hexen. Mehrere Hexen, namentlich zu Georgenthal, wurden unter seiner Regierung verbrannt oder durch das Schwert hingerichtet.

Ein weiteres Verdienst Herzog Ernsts bestand in der Hebung des Gewerbfleißes. Ackerbau, Handel und Gewerbe wurden gefördert. Das Zoll- und Geleitswesen wurde geregelt, gleiches Maß und Gewicht im ganzen Lande eingeführt, die schlechten Münzsorten abgeschafft und ihre Annahme bei Strafe verboten. Die regelmäßige Bewirthschaftung des Thüringer Waldes wurde durch eine Forst-, Wald-, Jagd- und Waidwerksordnung geregelt (1644). Zur Vertilgung der Raubthiere der Bären, Wölfe und Luchse erschien noch eine besondere Ordnung. Die größte Sorgfalt und den hingebendsten Eifer verwandte der edle Herzog auf das Kirchen- und Schulwesen. Sein klarer Blick erkannte in ihnen die Grundpfeiler eines wohl eingerichteten Staates, mit deren Hülfe eine bessere Zukunft angebahnt wurde. Mit inniger Dankbarkeit bewundern wir noch heute die Einrichtungen in Kirche und Schule, durch welche er unendlichen Segen nicht bloß seinem Lande und Volke, sondern allen deutschen Ländern geschaffen hat. In Folge des Kriegs waren Pfarr- und Schulhäuser und Kirchen zum großen Theil niedergebrannt, und wo noch Kirchen vorhanden waren, wurden sie durch Comödianten, Possenreißer, Affen- und Bärenführer entweiht. In den Schulen war die Faust und der Stock das Haupterziehungsmittel. Um diese Art Mängel und Gebrechen genauer kennen zu lernen, ordnete Herzog E. im J. [307] 1641 eine Kirchen- und Landesvisitation an, deren Leitung dem Superintendenten Dr. Salomon Glaß übertragen wurde. An der Spitze der Geistlichkeit stand ein Consistorium, zu dessen Erleichterung Unterconsistorien und geistliche Untergerichte gebildet wurden. Eine strenge Kirchenzucht wurde eingeführt, um den Lastern und Gebrechen jener zuchtlosen Zeit entgegenzuarbeiten und die Disciplininspectoren mußten die Sünder anzeigen, damit sie gestraft würden. Eine der segensreichsten Einrichtungen war das sogenannte Informationswerk, an welchem alle Erwachsenen in den Kirchen Theil nehmen mußten. Die oft armseligen Besoldungen der Geistlichen und Schullehrer wurden verbessert und es kam dahin, daß jeder Schulmeister jährlich mindestens 50 Gulden an Geld, Brotkorn auf zwei Personen, frei Getränke, Garten- und Küchenspeise, frei Holz und freie Wohnung hatte. Durch die Gründung eines Wittwenfiscus im J. 1645 wurden auch die Wittwen und Kinder der Geistlichen und Schullehrer vor Mangel und Noth geschützt. Aehnlich wurde im J. 1669 auch ein Jägerwittwenfiscus gegründet. Schon bevor der Herzog zur Regierung kam, hatte er im J. 1629 eine Stiftung von 27000 Gulden zu Gunsten der Schulen des Landes gemacht. Zur Förderung seiner Ideen berief er den Rector M. Andreas Ruyser von Schleusingen nach Gotha und dieser arbeitete eine neue Schulordnung aus, welche den Titel führt: „Ein Special- und sonderbarer Bericht, wie die Knaben und Mägdlein kurz und nützlich unterrichtet werden können und sollen“ (Gotha 1642). Dieser Schulmethodus, unter welchem Namen er allgemein bekannt ist und der öfters in veränderter Form erschien, ist die Grundlage geworden, auf welcher später fortgebaut worden ist und die den meisten deutschen Ländern zum Vorbild und Muster gedient hat. Außer diesem „Methodus“ arbeitete Ruyser nach den Angaben des Herzogs noch eine ganze Reihe deutscher Schulbücher aus. In Folge aller dieser zweckmäßigen Anordnungen blühte das Gymnasium ebenso wie die Schulen des ganzen Landes schnell empor, und nicht nur aus ganz Deutschland, sondern auch aus Dänemark, Schweden, Polen, Ungarn kamen Zöglinge nach Gotha, um den vortrefflichen Unterricht zu genießen. Die Schülerzahl wuchs von 341 im J. 1641 auf 721 im J. 1661. Die Schulzucht wurde durch gute Gesetze verbessert und das ganze Schulwesen unter die Aufsicht des Consistoriums gestellt. Zur Versorgung armer verlassener Waisenkinder und solcher Personen, welche ihren eigenen Lebensunterhalt nicht gewinnen können, beabsichtigte er ein Zucht- und Waisenhaus herzustellen, die Idee kam jedoch nicht zur Ausführung, weil der große Brand zu Gotha im J. 1646 sie verhinderte; dennoch setzte er nach dem Abschlusse des westfälischen Friedens ein Capital von 20000 Gulden zu diesem Zwecke aus. Erst unter seinem Enkel Herzog Friedrich II. kam das Zucht- und Waisenhaus zu Stande. Im J. 1670 fundirte er die „Mildenkasse“ mit 142000 Gulden; sie gibt einen Ueberblick über die milden Stiftungen des Herzogs für Kirchen und Schulen; außerdem stiftete er „zur Förderung des weltlichen Regiments“ noch 28000 Gulden. Außerordentliche Summen für die damalige Zeit! Des Herzogs frommer Eifer zeigte sich noch nach einer anderen Seite hin. Der Superintendent Nicolaus Hunnius hatte nämlich die Idee, ein ständiges Collegium von gelehrten Männern, namentlich Theologen, einzurichten, welche die Streitigkeiten in der evangelischen Kirche untersuchen und schlichten sollten. Herzog E. erklärte sich bereit (1670), zu diesem Zwecke 200000 Thaler als Fonds herzugeben; aber die Sache scheiterte, weil die anderen Fürsten sich nicht damit einverstanden erklärten; ebenso waren seine Bemühungen vergeblich, die synkretistischen Streitigkeiten zwischen den Helmstädter und Wittenberger Theologen auszugleichen. Durch die Veranstaltung einer neuen Bibelausgabe (1641) – die Ernestinische oder Weimarische oder Nürnberger genannt – erwarb er sich ein großes Verdienst, ebenso [308] durch den Druck eines Concordienbuchs (1646) und des ersten gothaischen Gesangbuchs (1666). Die wissenschaftlichen und Kunstsammlungen des Friedensteins, Bibliothek, Münzcabinet, Kunst- und Naturaliencabinet verdanken ihm ihr Entstehen. Zur Verschönerung der Städte und Dörfer verwendete er nicht unbedeutende Summen; viele Kirchen verdanken ihm ihr Entstehen, öffentliche Bauten unterstützte er, das Lusthaus auf dem Inselsberg ließ er errichten (1649), der großartigste Bau aber war das Schloß Friedenstein, das ihm ganz allein sein Entstehen verdankt (1643–46). Von diesem Gebäude findet sich eine ausführliche Geschichte in meiner „Gothaischen Geschichte“ Band II. 422. Zur Förderung des Handels hatte er den Plan gefaßt, die Werra schiffbar zu machen. Trotz aller Beharrlichkeit gelang ihm dies jedoch nicht, das Unternehmen scheiterte an der Hartnäckigkeit der hessischen Regierung (1658); auch die Schiffbarmachung der Unstrut und der Saale scheiterte an der Hartnäckigkeit des Kurfürsten Johann Georg von Sachsen (1667). Zum Schutze seines Landes hatte der Herzog schon im J. 1641 eine „Landesdefension“ oder Landmiliz eingerichtet, aus welcher sich später das gothaische Landregiment entwickelte.

Mit welchem Eifer der Herzog seinem evangelischen Glauben anhing, das hat er nicht allein in seinem Lande gezeigt, sondern auch in der Art und Weise, wie er sich der bedrückten Evangelischen in fremden Ländern annahm, namentlich legte er mehrere Male Fürbitte für dieselben in den österreichischen Ländern beim Kaiser ein, unterstützte die neuerbaute Kirche in der deutschen Sloboda (d. i. Vorstadt) von Moskau und beabsichtigte sogar die lutherische Lehre nach Aethiopien zu verpflanzen. Durch seinen Kammerdirector Hiob Ludolf hatte er einen Abyssinier Abba Gregorius kennen gelernt, dem er bei seiner Rückkehr in sein Vaterland deshalb Aufträge gab. Aber Gregorius starb in Aegypten und der Geistliche Johann Michael Wansleben (siehe denselben), den er dorthin sandte, betrog ihn.

Herzog E. war mit der Prinzessin Elisabeth Sophia, der einzigen Tochter des Herzogs Johann Philipp von Sachsen-Altenburg vermählt (24. Oct. 1636). Die äußerst glückliche Ehe wurde durch 18 Kinder gesegnet, von denen beim Tode des Vaters (1675) noch 7 Prinzen und 2 Prinzessinnen am Leben waren. Als der Herzog am 8. August 1674 von einem Schlaganfalle betroffen wurde, der ihm den Gebrauch der Sinne raubte, übertrug er die Regierung seinem ältesten Sohne Friedrich (14. Oct. 1674). Sein Enkel, Herzog Friedrich II., ließ ihm im J. 1728 in der St. Margarethenkirche zu Gotha ein prächtiges Denkmal aufrichten.

Aug. Beck, E. der Fromme, Weimar 1865, 2 Bände.

[Zusätze und Berichtigungen]

  1. S. 303. Z. 1 v. o. l.: 26. März 1674. [Bd. 29, S. 774]