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ADB:Wilhelm (Herzog von Sachsen-Weimar)

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Artikel „Wilhelm (Herzog von Sachsen-Weimar)“ von Gustav Lämmerhirt in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 43 (1898), S. 180–195, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Wilhelm_(Herzog_von_Sachsen-Weimar)&oldid=- (Version vom 17. Dezember 2024, 16:36 Uhr UTC)
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Wilhelm IV., Herzog von Sachsen-Weimar, der Stifter der neuen Weimarischen Linie ist geboren zu Altenburg am 11. April a. St. 1598 als fünfter Sohn des Herzogs Johann und der Dorothea Maria von Anhalt. Es war ein großer Kreis von Geschwistern, in dem der Knabe seine Jugend verlebte. Der Tod hatte einige früh hinweggenommen, immerhin blieben es nach Uebersiedlung des Vaters nach Weimar (1602) noch zehn Brüder, die als „die junge Herrschaft auf dem Hornstein“ bald Jedem wohlbekannt wurden. Unter ihnen kennt die Geschichte neben W.: Johann Ernst († 1626 auf dem Feldzug in Ungarn), Friedrich († bei Fleurus 1622), Ernst, den nachmaligen Herzog von Gotha, und Bernhard, Gustav Adolf’s Schüler († 1639), weniger treten hervor Albrecht, später Herzog von Eisenach, Johann Friedrich und Friedrich Wilhelm. Auf die Erziehung dieser fröhlichen Schar konnte der Vater nur noch geringen Einfluß üben. Freilich die Instruction für den Unterricht seiner ältesten Söhne Johann Ernst und Friedrich zeugt noch von seinem Geiste strenger Religiosität, auch die Bestallungen der ersten Lehrer, M. Bartholomäus Winter aus Altenburg und Georg Berger stammen noch von ihm, aber als er am 31. October 1605 starb, hinterließ er seiner Wittwe doppelte Noth. Es war in Wirklichkeit eine schwere Aufgabe in den knappen und engen Verhältnissen des weimarischen Hofes eine so stattliche Zahl junger Söhne fürstlich zu erziehen, allein Dorothea Maria als echte „Mutter der Ernestiner“ hat sie gelöst. Nichts war da, was ihr Erleichterung geschafft hätte, im Gegentheil, zu allem Ungemach kam noch die unliebsame Vormundschaft des Albertiners Kurfürst Christian II. Es gelang der Fürstin nicht den wohlwollenden Großoheim ihrer Söhne, Johann Casimir von Coburg, Johann Friedrich’s d. M. Sohn, der von jeher gleich seinem Bruder Johann Ernst d. Ae. von Eisenach die Fortschritte der jungen Herrlein liebevollen Auges verfolgt hatte, in das vormundschaftliche Amt zu bringen. W. selbst allerdings, der Siebenjährige fühlte vorläufig von diesen Schmerzen allen noch nichts. Wir sehen ihn in seinem Schreibstüblein mit schwerer Kunst sich beschäftigen. Schon eine höhere Stufe der Erkenntniß mochte er erklommen haben als im April 1608 die beiden ältesten Brüder den Störungen der Kleinen entzogen wurden und in Jena ihren Unterricht fortsetzten. W. erhielt mit den jüngeren nun einen eigenen Hofstaat unter Friedrich von Kospoth als Hofmeister. Neben Winter und Berger werden als seine Lehrer noch genannt der Generalsuperintendent D. Abraham Lange († 1615), Verfasser einer „christlichen Kinderlehre“, gedr. Jena 1608 und einer größeren Erläuterung des Lutherischen Katechismus, auch der 1613 nach Weimar berufene berühmte Ratich, der indessen hier mit vielen Schwierigkeiten zu kämpfen hatte [181] und dessen Methode weit länger im Lande einflußreich blieb als seine Person. Darüber noch später. Mutter und Söhne standen auch jetzt noch in fortwährender Beziehung. Oft liefen Briefe und kleine Geschenke zwischen Jena und Weimar hin und her, im J. 1609 bestellten die Jenaer Brüder bei W. einen hölzernen Vogelkäfig als Geschenk für die Mutter – das erste Zeugniß seiner Liebhaberei am Drechseln und seiner Kunstarbeit, worin er es später zu großer Fertigkeit brachte, wie die jetzt noch auf der großherzogl. Bibliothek vorhandenen Proben beweisen. Hie und da mag wol auch das eintönige Leben auf dem Hornstein durch Besuche in der nahen Universitätsstadt unterbrochen worden sein. Je länger je öfter scheint W. diese Besuche wiederholt zu haben. Ohne wirklich dauernden Aufenthalt zum höheren Unterricht in Jena zu nehmen muß er doch unter den Einfluß der akademischen Professoren gekommen sein. Wir hören, daß der Jüngling nach Lange’s Tode, also in seinem siebzehnten Jahre, dort Religionsunterricht bei D. Johann Major genossen, daß der Professor der Mathematik, Heinrich Hofmann, sein Lehrer gewesen sei. Der Verkehr mit dem Letzteren kann nicht nur vorübergehend oder sporadisch gewesen sein, denn Mathematik, theoretische wie angewandte (Baukunst, Ingenieurwissenschaft) war ja immer das Lieblingsfach Herzog Wilhelm’s. Noch enger denken wir uns das Verhältniß zu Friedrich Hortleder, dem Geschichtsforscher und Juristen, wenn anders aus der Lebensauffassung und Lebensführung des Mannes W. ein Rückschluß auf seine Erziehung zu machen ist. Hortleder war 1608 als junger gut empfohlener Mann, frisch von der Universität weg in die Dienste der Herzogin getreten und von ihr zunächst mit der Leitung des Prinzenunterrichts in Jena betraut worden. Die charakteristische Art und Weise wie er die Aufgabe anfaßte, mußte auf die weichen Gemüther seiner Zöglinge von höchstem Einfluß sein. Die Nothwendigkeit der Beschränkung, „da ja doch fürstliche Personen nicht so lange wie andere den Studien obliegen“, führte ihn dazu neben dem Latein nur die Geschichte ausführlich zu behandeln und hier wiederum vor allem die Geschichte der Reformationszeit mit specieller Rücksicht auf die Erbverbrüderten Sachsen, Hessen und Brandenburg. Seine eigene Neigung andererseits gebot ihm die Geschichte „mit politischen Augen“ anzusehen und als Unterlage für die Behandlung streitiger Verfassungsfragen zu benutzen. Hortleder widerstand dieser Neigung nicht. Wie er schon im lateinischen Unterricht auf lehrreiche Sentenzen das größte Gewicht gelegt hatte, so regte er bei Behandlung der Kaisergeschichte u. a. die Frage nach dem Verhältniß der Kaisergewalt zur landesfürstlichen Würde an. Er kam zu dem Resultate, daß das Reich über dem Kaiser wie das Concil über dem Papst sei (vergl. Moriz Ritter, Neues Arch. f. d. sächs. Gesch. I, 188 ff.) und verlor bei derlei Deductionen wol ein wenig den historischen Boden unter den Füßen. Wie mußte diese tendenziöse Art der Geschichtsbetrachtung auf die Zöglinge wirken? Der trübe Eindruck, den eine Behandlung der Reformationsgeschichte auf jeden Ernestiner schon an sich machen mußte (alter Gegensatz gegen die Albertiner und das Haus Habsburg), verstärkte sich zu einem gewissen Trotz auf die landesherrliche Freiheit, der ja das Recht gegeben wurde über den Kaiser zu urtheilen, sogar gegen ihn aufzutreten. Solche Zuspitzung der Geschichte auf den Gegensatz protestantisch–katholisch, Landesfürstenmacht–Kaisergewalt, ist besonders bei einem Mann des beginnenden 17. Jahrhunderts nichts Wunderbares und hat nachher, als es zum Schlagen kam, sehr Gutes gewirkt. Aber für W. speciell, dessen näherer Verkehr mit Hortleder kaum vor 1613 begonnen hat, brachte die Neigung des Lehrers zum Theoretisiren, wenn ich nicht irre, einen besonderen Nachtheil mit sich. Auch er gewöhnte sich an Abstractionen, die mitunter wirklich ein bißchen zu hoch über den realen Verhältnissen standen. Dafür wird uns später ein leuchtendes Beispiel [182] staatsrechtlicher Natur aufstoßen. – Dem Wachsthum der von Hortleder gelegten Gesinnungskeime boten die Ereignisse fruchtbaren Boden. Die Theilnahme der vier älteren Brüder, unter ihnen auch Wilhelm’s, an der Naumburger Zusammenkunft zur Erneuerung der Erbverbrüderung mit Brandenburg und Hessen brachte Eindrücke, die sich gegenseitig störten. Das leidige Aufspringen des Präcedenzstreits mit den Altenburger Vettern, eine Frage, in der die Weimaraner von jeher ihren kurfürstlichen Vormund – seit 1611 Johann Georg – gegen sich gehabt hatten, verdunkelte das Bild der Solidarität der drei Häuser (März 1614). Und die berüchtigte Vormundschaftsquittung vom 28. October 1615, in welcher sich der Kurfürst das schriftliche Versprechen ablegen ließ, daß die Brüder auch in Zukunft nichts ohne seinen, des „Familienoberhauptes“ Rath vornehmen wollten, kann geradezu als Beweis dafür gelten, wie man in Dresden gar nicht den Wunsch hegte, den alten Antagonismus mit Weimar sammt allen Erinnerungen, die sich daran knüpften, in Vergessenheit zu bringen. – Er ist denn auch eines der Principien, welche das selbständige Handeln der Brüder und nicht zuletzt Wilhelm’s in der folgenden Zeit beeinflussen.

Auf der großen Bühne finden wir W. zum ersten Mal mit den Brüdern Johann Ernst und Friedrich als Theilnehmer am Unionstage zu Nürnberg (November 1619). Fürst Christian von Anhalt, Oheim der Brüder mütterlicherseits, die Seele der Union, der mit seinen Neffen in den nächsten verwandtschaftlichen Beziehungen stand, hatte sie zum Beitritt angeregt. Gern waren sie seinem Rathe gefolgt, konnten sie doch jetzt, wo ihre Bildung vollendet war (noch 1617 bis 1619 hatte W. die als Abschluß fürstlicher Erziehung damals üblichen Auslandsreisen gemacht) die aus der Betrachtung ihrer kurfürstlichen Vorfahren gesogene Glaubenstreue auch praktisch beweisen. Zudem kam die Einsicht, daß, wie W. einmal schreibt „sie sich samt allen ihren lieben Brüdern in dem eigenen Fürstenthum nicht aufhalten könnten“ – der Enge der Verhältnisse wegen. Auch war die Mutter inzwischen gestorben (1617), der alte Hornstein war abgebrannt (1618), die Bande also, welche sie an die Heimath fesselten, hatten sich gelockert. Die Lage freilich, in der sie den Bund fanden, setzte ihre Entschlossenheit auf eine harte Probe. Die Kirchthurmpolitik der meisten Protestanten zeigte sich im hellsten Lichte. Niemals wäre eine kräftige Action nöthiger gewesen als in diesem Augenblick, wo Friedrich von der Pfalz, schon zum König von Böhmen gewählt, vor der sicheren Aussicht auf Krieg mit Ferdinand stand. Friedrich war denn auch selbst gegenwärtig und forderte Hülfe. Aber – mochte es nun an der Abwesenheit des kranken Christian von Anhalt liegen, mochte es einen anderen Grund haben – Niemand fand er seinen Wünschen geneigt. Vielmehr wurde ihm sogar sein Gehalt als Unionsgeneral entzogen. Man beklagte sich, daß er Bundestruppen mit nach Böhmen genommen habe. Schutz der Erblande vor kaiserlicher Invasion wolle man ihm gewähren, mit der böhmischen Sache wolle man nichts zu thun haben. Die Union löste bald sich nachher ganz auf, sie war aber damals schon politisch todt. Wie anders unsere jungen Herzöge. Sie traten sofort zu dem Pfälzer, nahmen Bestallung von ihm und kamen der Verpflichtung zu Werbungen nach. W. brachte in Westfalen und im Braunschweigischen 150 Reiter zusammen. Johann Georg war darum nicht gefragt worden: daß er die Initiative seiner Vettern nicht billigte, zeigen verschiedene Bevormundungsversuche bei Johann Ernst und W., die alle mißglückten, und sein Bündniß mit der Liga auf dem Kurfürstentag zu Mühlhausen im März 1620. Die Schlacht am Weißen Berge (29. Oct./8. Nov.) fochten alle drei Brüder mit. W., der dabei in Lebensgefahr gerieth, begleitete nachher den Pfalzgrafen auf seiner Flucht nach Schlesien. Als sich aber dieser weiter in die Niederlande zurückzog, kehrte unser Herzog nach [183] Weimar zurück. Zu frischen Rüstungen erhielt er durch den brüderlichen Vertrag zu Aschersleben (24. Febr. 1621) die Mittel theilweise aus den Landescassen und er glaubte mit Recht der Sache auf die er eingeschworen war dadurch besser zu dienen als durch die Theilnahme am Schicksal eines Geächteten, Landflüchtigen. Nicht durch die geängstete Landschaft, durch die jüngeren Brüder und durch den alten Coburger Oheim, noch durch Kursachsen oder die angebotene Vermittlung des Landgrafen Ludwig von Darmstadt, ließ er sich von den Werbungen abhalten. Nur darüber war er eine Zeit lang in Zweifel, welchem Kriegsherrn er sich anschließen sollte. Nach den Beschlüssen der Seegeberger Versammlung vom Februar wäre zu erwarten gewesen, daß König Christian von Dänemark und der niedersächsische Kreis, gedeckt durch Bündniß mit Holland und England, eine Armee aufstellen und die protestantischen Fürsten Oberdeutschlands in ihren Schutz nehmen würden. Solch einer großen Coalition zu dienen mochte W. das liebste sein. Allein von dieser Seite geschah nichts und so ging er schließlich zu Mansfeld, der nach Böhmens Verlust die Vertheidigung der pfälzischen Erblande sich zur Aufgabe gemacht hatte. Im April und Mai zog er durch Franken nach der Oberpfalz. Er brachte 2 Regimenter, 6 Compagnien Reiter und 10 Fähnlein Fußvolk. Anfang Juli wird er sich mit Mansfeld verbunden haben. Auch Bruder Friedrich war wieder mit ihm. In der Waidhausener Schanze behauptete sich Mansfeld gegen Tilly bis in den September. Aus dieser Zeit besitzen wir ein merkwürdiges Schriftstück Wilhelm’s: den Satzungsentwurf eines „Ordens der Beständigkeit“, datirt aus dem Feldlager vor Waidhausen 21. Juli. Er gedachte danach unter den Officieren einen Bruderbund zu stiften hauptsächlich zum Zwecke gegenseitigen Loskaufs im Falle der Gefangenschaft und Unterstützung mit Geld. Ob der Orden wirklich zu Stande gekommen ist, wissen wir nicht, bei den Anfang August aus Mangel an Verpflegung auftretenden epidemischen Krankheiten hätte er das beste Feld der Wirksamkeit gehabt. Es ist bekannt wie Mansfeld sich Anfang October Maximilian von Baiern gegenüber scheinbar dahin verstand die festen Plätze in Böhmen und der Oberpfalz zu räumen und seine Truppen zu entlassen, wie er aber von vornherein entschlossen war, diesen Vertrag nicht zu halten, vielmehr den Krieg in die Unterpfalz hinüber spielte, wo er zu allen Gegnern auch noch die Spanier fand. Anfang 1622 trat dann auch Markgraf Georg Friedrich von Baden in den Kampf ein. Schon im December finden wir W. mit Genehmigung Mansfeld’s zu Durlach in Verhandlungen mit dem Markgrafen wegen Stellung neuer Truppen, von da begab er sich im Januar nach Weimar um die Werbeplätze in Thüringen, auch im Stift Halberstadt (Lieutenant Leo Freytag mit 350 Reitern) und im Bisthum Paderborn (3000 Mann und 1000 Pferde zu Gebrungen, Borkholze u. a. geworben) zu eröffnen. Ueber den Zweck der Rüstungen wurde jetzt auf Veranlassung Georg Friedrich’s eine Version verbreitet, die seitdem von der protestantischen Partei bis zum Leipziger Convent öfter gebraucht worden ist: man bezog sich auf schriftliche Ermahnungen des Kaisers an die Reichsstände zur Vertheidigung ihres Landes und Verwahrung der Pässe gegen feindliche Armeen, stellte also die ganze Sache als eine harmlose Defension dar. Natürlich erwartete man wol kaum mit dieser Behauptung Glauben zu finden, allein genug, man war rechtlich gedeckt. W. brauchte diesen Vorwand zuerst gegen Johann Georg, der auch diesmal wieder Anstrengungen machte sein Thun zu kreuzen. Es wurde sogar von einer Absicht Kursachsens gesprochen das weimarische Land zu besetzen um die kaiserfeindlichen Werbungen der jungen Ernestiner zu vernichten. Dazu kam es nun freilich nicht, denn schon am 27. Febr. a.St. verließ W. mit 2000 Fußvolk Mann und 1000 Reitern die Heimath und ging ins badische Lager. Man war guten Muthes. Nicht [184] nur in der Pfalz sammelte sich der Widerstand, auch von Westfalen her war der Zuzug Christian’s von Halberstadt zu hoffen, der Ende vorigen Jahres, unzufrieden mit der Schwachherzigkeit der niedersächsischen Kreisstände endlich allein das Schwert für „Base Elisabeth“ gezogen hatte. Glückte es, sämmtliche protestantische Truppen zu vereinigen, so konnte man sich auf eine Macht von 70 000 Mann stützen, die durch die Anwesenheit des Pfalzgrafen selbst einen Mittelpunkt bekam. Der war nämlich im April von den Niederlanden her bei Mansfeld eingetroffen. Warum daraus nichts wurde und damit der ganze Feldzug mißlang, darüber Vermuthungen auszusprechen ist hier nicht der Ort. Kurz: die Heereskörper blieben, bis auf eine vorübergehende Vereinigung Mansfeld’s mit dem Markgrafen vereinzelt und machten dem Gegner die Ueberwindung leicht. Nach einem Siege Mansfeld’s und Georg Friedrich’s über Tilly zwischen Wiesloch und Mingolsheim am 16./26. April (Theilnahme Wilhelm’s bei der Arrièregarde) folgten nur noch Niederlagen. Der Markgraf allein ward von Tilly und Cordova bei Wimpffen geschlagen (25.April/5. Mai), wobei Wilhelm’s Mannschaft fast ganz aufgerieben wurde, und der Halberstädter von Tilly bei Höchst am 9./19. Juni. Die Wimpffener Schlacht hatte den Muth des Markgrafen gebrochen. Zwar brachte er es noch zu einer kurzen Sammlung seiner Kräfte, aber nach einem Monat (12./22. Juni) dankte er die Reste seiner Truppen zu Durlach (Karlsburg) in Gegenwart Wilhelm’s ab. Vom 3./13. Juli ist das Patent datirt, welches die Entlassung Mansfeld’s und des Halberstädters aus den Diensten des Pfalzgrafen ausspricht. Da W. Anfang August nach Weimar zurückkehrte, konnte er die schmerzliche Ueberzeugung vom vollständigen Siege der Gegner mitnehmen. Auch Bruder Friedrich hatte er zum letzten Mal gesehen. Dieser fiel Ende August bei Fleurus in den Niederlanden, wohin er sich mit Johann Ernst, Mansfeld und Christian zurückgezogen hatte.

Der Pfalzgraf war durch seinen Schwiegervater Jakob von England vom Kaiser in eine Falle gelockt worden. Man hatte den Beiden, unter der Bedingung daß Friedrich die Waffen niederlege, Friedensanerbietungen gemacht. Aber die Selbstaufgebung des Winterkönigs hatte nicht den Frieden zur Folge, sondern die vollständige Unterwerfung der Pfalz und die Berufung eines Deputationstags der Fürsten nach Regensburg für den September. Der Zweck dieses Tages – es war die Uebertragung der Pfälzer Kurwürde auf Maximilian von Baiern – blieb vorläufig noch dunkel, erregte aber gerade wegen seiner Dunkelheit die größten Besorgnisse. Dies ist die Stimmung, aus der heraus W. damals die Verfassung eines von ihm geplanten „Deutschen Friedbundes“ (Bundesbrief d. d. 27. Oct. 1622 gedr. Arch. f. d. Sächs. Gesch. XI [1873], S. 71–75) entwarf. Weder auf Gott noch auf Menschen, so ist sein Gedankengang, wird in jetziger Zeit Rücksicht genommen, Reichs- und Kreisverfassung, Eide, Bündnisse und Verträge sind verachtet, dazu greift in Deutschland noch der fremden Spanier List und Trug um sich. Aus solchen Zuständen kann nichts helfen als das Schwert, und zwar nicht das Schwert eines Einzelnen sondern eine große festorganisirte Verbindung mit imponirendem Heer, geschlossen zur Erreichung bestimmter, Allen bekannter Ziele. Theilnehmer können alle Reichsglieder hohen, mittleren und niederen Standes sein. Fünf Aufgaben sind dem Bunde gestellt: 1. Hinwirken auf eine künftige Vereinigung zwischen römischen Katholiken und Evangelischen, bis dahin Dringen auf Einstellung aller Glaubensstreitigkeiten. 2. Beseitigung der Differenzen zwischen Gesetz und Handhabung desselben, Sorge für unparteiische Rechtsprechung. 3. Ausübung eines Druckes auf die Kriegführenden, daß sie die Waffen niederlegen und den status quo ante herstellen. 4. Abschaffung aller andern Bündnisse, besonders derer mit fremden Nationen [185] Sicherung gegen Angriffe Fremder auf das Reich. 5. Herbeiführung einer Friedensversammlung aller Bundesglieder unter dem Kaiser, worin zum Wohle des Vaterlandes berathschlagt, beschlossen und gehandelt werden soll. Wahrhaftig große schöne Gedanken eines Idealisten. Opel findet darin Spuren von dem Geiste keines geringeren als Wilhelm’s von Oranien. Trotzdem müssen wir sagen: ausführbar war der Plan nicht! Als ich oben von Abstractionen Wilhelm’s sprach, die allzuhoch über den realen Verhältnissen standen, meinte ich besonders diesen Friedbund. Einer festorganisirten militärischen Verbindung, aus der der Schutz gegen außen selbst hervorgegangen wäre, widerstrebte die allzuoft bewiesene Neigung der Deutschen zu eigensinnigem Abschluß gegen einander und die Thatsache daß damals noch, wie in der Reformationszeit und bis zur Mitte des folgenden Jahrhunderts die nationale Scham, welche von einer Verbindung mit stammfremden Völkern (Franzosen z. B.) zurückhält, noch nicht ausgebildet war. Einer Wiedervereinigung zwischen Rom und Wittenberg steht entgegen der einmal geweckte Geist des Deutschthums, dem nichts so gemäß ist, als die religiösen Grundlagen der Reformation. Der status quo ante, auf dem Wege des Zwanges hergestellt, hätte nur bestanden solange der Druck dauerte, Herstellung auf andere Art war nicht möglich. Ein gewissermaßen idealer Reichstag war in der Zeit der fürstlichen Libertät, der Krönungseide und Wahlcapitulationen des Kaisers ein Unding. Außerdem: um ein so gewaltiges Unternehmen auch nur mit Glück anzufassen, hätte W. im Reiche ungefähr die Macht und das Ansehn Friedrich’s des Weisen haben müssen. W. war sich dieser Dinge aller nicht bewußt – konnte es nicht, als Kind seiner Zeit, und so glaubte er denn eine Zeit lang an die Möglichkeit der Verwirklichung seines Projects. Im Winter 1622 auf 23 ging er mit frischem Muthe daran. Oheim Ludwig von Anhalt gab für die Zwecke des Bundes 35 000 Thaler und knüpfte Verbindungen mit Wolfenbüttel, Dänemark und Kurbrandenburg an. Mit den Niederlanden verkehrte W. besonders durch seinen Bruder Johann Ernst. In Süddeutschland wurde auf die öffentliche Meinung der Reichsstädte und der Reichsritterschaft durch Flugschriften zu wirken gesucht, auch Württemberg und Baden-Durlach wußten darum. Zum Ziel führten alle diese Bemühungen nicht. Ja es war ein eigenthümliches Mißgeschick, daß W., der eben noch einen Friedensbund stiften gewollt, für die Fortsetzung des Kriegs mit ausschlaggebend wurde. Kein Zweifel, daß die Werbungen, welche der Herzog gleichzeitig mit den Verhandlungen und Reisen in Sachen des Bundes begann, ursprünglich zur Unterlage des bewaffneten Friedens bestimmt waren. Auch der militärische Vertrag mit Vetter Friedrich von Altenburg (Jan. 1623) ist so zu verstehen. Da aber die Bundessache gar kein Resultat zeitigte, Wilhelm’s Truppen dagegen je länger je mehr wuchsen, so kam er bald in eine gewisse Nothlage. Wie sollte er die Truppen beschäftigen, wo ohne Gewaltsamkeit quartieren? Verschiedene Versuche im guten die Schwierigkeiten zu lösen mißlangen. Der Herzog erbot sich in den Dienst des niedersächsischen Kreises zu treten, welcher mit der Aufstellung einer Defension gegen Tilly umging. Umsonst: die „Defension“ war zu ehrlich gemeint, man fürchtete Wilhelm’s Feuer und wies ihn zurück (Febr.). Aehnlich gings ihm bei den Niederlanden und bei Kursachsen. Gegen Ende Februar konnte er einen gewaltsamen Vorbruch nach den Harzgegenden nicht mehr vermeiden. Indessen hatte sich auch Christian von Halberstadt, wieder in Niedersachsen aufgenommen, als der Alte entpuppt. Der Kreis hatte dem Halberstädter Versöhnung mit dem Kaiser und Entlassung seines Heeres gerathen, er aber verstärkte sich im Gegentheil. Die Beiden, W. und Christian, vereinigten sich jetzt. Niedersachsen war für den Augenblick überrumpelt. Aber auch die Lage der Herzöge war nicht beneidenswerth. Es erwies sich als unmöglich [186] Jemanden für ihre Sache zu interessiren. Johann Georg besonders, an dem ihnen am meisten gelegen war, hielt sich ganz fern (Obers. Kreistag zu Jüterbok, April). Am Ende wurden sie sogar unter dem Druck Tilly’s förmlich aus dem niedersächsischen Kreise ausgewiesen und auf dem Wege nach den Niederlanden von Tilly bei Stadtlohn eingeholt und geschlagen. Der Schlachttag vom 27. Juli/6. August 1623 bedeutete für W. eine längere kaiserliche Gefangenschaft. Verwundet war er mit Friedrich von Altenburg in die Hände des Oberstlieutenants Illo gerathen und ward von diesem Ende November zu Wien dem Kaiser übergeben. Ferdinand war sich fürs Erste gar nicht klar darüber, welches „Factotum“ er in seiner Hand hatte. Er nahm die Sache sehr leicht, soll sogar geneigt gewesen sein, die Ernestiner gegen Bürgschaft für ihr Wohlverhalten sofort an Johann Georg abzutreten. Erst unter dem Einfluß Maximilian’s von Baiern ließ er sie in strenge Haft nach Neustadt bringen. Alle Verwandten, auch die Anhaltiner – W. hatte sich vor Ausgang 1622 mit Eleonore Dorothea, Tochter Johann Georg’s von Anhalt verlobt – traten bald für die Gefangenen in Thätigkeit. In der Stellung des Kurfürsten von Sachsen, der sein Verhältniß zum Reichsoberhaupt bisher als das der einfachen Lehnstreue aufgefaßt hatte, bereitete sich eine Veränderung vor: der in der Uebertragung der pfälzischen Kur liegende Verfassungsbruch, die gewaltsame Rekatholisirung Böhmens, der dauernde Aufenthalt der Spanier in der Pfalz hatten seinen Verdruß und sein Mißtrauen gegen Ferdinand erregt. Er kam dazu seine weimarischen Vettern mit milderen Augen anzusehen. Bruder Albrecht fand deshalb, als er im November persönlich eine Reise nach Dresden unternahm, um im Namen aller Ernestiner den Kurfürsten um Vermittlung für Erledigung der Beiden zu bitten, eine günstigere Aufnahme, als er nach den vorangegangenen schriftlichen Verhandlungen erwartet hatte und erlangte Johann Georg’s Zusage. Auch am Wiener Hofe selbst fehlte es nach wie vor nicht an Fürsprechern: selbst Tilly war darunter. W., der nach außen hin stets lebhafte Correspondenz unterhielt, war von all dem unterrichtet. Im März war die kurfürstliche Intercession für beide gefangene Vettern angekommen, trotzdem erfolgte im Mai die Freilassung Friedrich’s von Altenburg allein, von W. war keine Rede. Daß unser Herzog nun von der guten Zuversicht auf schnelle Befreiung verlassen wurde und in Trübsinn verfiel ist nur natürlich. Der Trübsinn verhinderte ihn übrigens nicht, auf Bekehrungsversuche zum Katholicismus keine Rücksicht zu nehmen. Die bei Stadtlohn erbeuteten Papiere des Friedensbundes hatten ihn in diese Lage gebracht. Ferdinand beschloß, den „jungen Wolf“ noch ein wenig mürbe zu machen. Am 8. Juni 1624 ließ er ihm in Neustadt 46 auf die Unionssache bezügliche Fragen vorlegen, W. jedoch compromittirte Niemand. Ob die schließliche Erledigung des Herzogs mehr einem gewissen Schwächegefühl, wie es zu dieser Zeit nach Opel (Nieders.-dän. Kr. II, 34) sich in Wien geltend machte, oder den wiederholten Intercessionen des Albertiners und seiner Anerkennung der bairischen Kur (Juli) oder endlich der Fürsprache der Kaiserin, welche an Wilhelm’s Kunstfertigkeit Gefallen gefunden haben soll, zu verdanken sei, wird schwer zu entscheiden sein. Kurz: er wurde zu Weihnachten in Gnaden und ohne allen Vorbehalt entlassen und brachte im Januar 1625 sogar noch eine kaiserliche salva guardia für das weimarische Fürstenthum mit in die Heimath.

Zu der Zeit als W. nach Hause zurückkehrte trat Christian von Dänemark in den Kampf ein. Wir sehen unsern Herzog in den nächsten Jahren mit einer gewissen Reserve den Ereignissen gegenüberstehn. Er hatte sich verheirathet (23. Mai a. St. 1625) und wünschte seitdem an Stelle seines dauernd durch Kriegsdienst ferngehaltenen ältesten Bruders Johann Ernst auch die Landesregierung [187] zu übernehmen: ein Wunsch der ihm am 1. October 1626 in Erfüllung ging, nachdem der Bruder in einem Schreiben aus dem dänischen Lager d. d. 28. April 1626 die Einwilligung dazu gegeben hatte. Zwar hat W. dem Fürstentag zu Lauenburg (März-April 1625), der Christian zum Obersten des Niedersächsischen Kreises designirte und Rüstungen beschloß, im geheimen beigewohnt, auch soll er später dem König geradezu Hülfe zugesagt haben: seine Sympathieen waren demnach jedenfalls beim Heere, aber durch den Gang der Dinge wurde er bald daran erinnert wie es seine Pflicht jetzt sei für Sicherung von Land und Familie zu sorgen. Seit Mitte 1625 nämlich kam Thüringen selbst allmählich in den Machtbereich der kaiserlichen Heere. Bei Wallenstein’s Durchzug im Sommer und Herbst allerdings war das weimarische Fürstenthum allein von Belästigung noch verschont geblieben (kraft des kaiserlichen Schutzbriefs), doch W. entzog sich von Anfang an nicht den Maßregeln, die vom ganzen sächsischen Hause gegen die von Monat zu Monat drückender werdende Militärdictatur des Friedländers ergriffen wurden. Schon im März 1626 hören wir von Verhandlungen seinerseits mit seinen Ständen und mit den Herzögen von Eisenach und Coburg wegen einer Defensionsverfassung, die praktischen Erfolg hatten. Dann wieder im Juni von einer Berathung der Ernestiner in Saalfeld, deren Beschlüssen gegen die Abwehr militärischer Vergewaltigungen bei Durchzügen auch der längst unwillige Johann Georg nicht fern stand, und von einem obersächsischen Kreistag zu Leipzig Anfang August. Freilich waren die Beziehungen zu Christian, welche Bruder Bernhard vermittelte, nie ganz abgebrochen. Deshalb ist der Verdacht Wallenstein’s, daß W. trotz der kaiserlichen Sauvegarde den Gegnern ein Rendezvous im Weimarischen bereite, nicht ungerechtfertigt und die immer schwerere Belastung Thüringens vom Standpunkte des kaiserlichen Feldherrn aus erklärlich. – In der Sorge für seine Brüder hatte der Herzog wenigstens kein Unglück: es war nach vielem Hin- und Herschreiben wahrscheinlich geworden, daß der Kaiser die Johann Ernst drohende Acht nicht verhängen würde, als dieser starb (4./14. December 1626). Für Bernhard hat W. ebenfalls kaiserlichen Pardon ausgewirkt (23. Febr. 1628). Aber die mannichfachen Anstrengungen dem Lande die Last zu erleichtern hatten weder vor noch nach der Schlacht bei Lutter, da die weimarischen Verbindungen mit Dänemark aufhörten, Erfolg. Er versuchte es mit ritterlicher Zuvorkommenheit Wallenstein gegenüber, er knüpfte mit Merode engern Verkehr zu Weimar am Hofe an, er beschwerte sich über Collalto beim Kaiser oder bei Johann Georg, er schickte Gesandte an Tilly, er scheute sogar eine Reise nach Prag an den kaiserlichen Hof nicht – nichts wollte verfangen. Was hätten auch solche kleine Mittel helfen sollen. War doch die Ausbeutung Thüringens nur ein Glied in der Kette der Maßregeln, welche den Siegesübermuth des Kaisers schließlich dazu führten, im Restitutionsedict den Protestanten die unerträglichste Demüthigung aufzulegen und zugleich einen schweren politischen Fehler zu machen. Denn dies Edict durfte nicht durchgeführt werden, wollte sich der Protestantismus nicht selber aufgeben. W. überzeugte seine Verwandten, daß zur Abwendung der Folgen des Edicts andere Mittel zu ergreifen seien, als die stets gleich erfolglosen Bittschreiben nach Wien und Dresden. Im Januar 1630 finden wir Bernhard, eben aus den Niederlanden zurückgekehrt, im Auftrage seines älteren Bruders bei Johann Georg mit dem Vorschlag einer Vereinigung der protestantischen Fürsten, vielleicht auch ihrer Anlehnung an Holland und Schweden, für den Fall, daß der Kaiser die Beschwerden nicht abstellen würde. Dies ist die erste Anregung zum Leipziger Convent. Erst im September nimmt Johann Georg den Gedanken auf, indem er (d. d. Zabeltitz, 3. Sept.) Ferdinand erklärt, nächstens die evangelischen Stände um sich versammeln zu müssen zur [188] Berathung dessen, was man gegenüber der kaiserlichen Unnachgiebigkeit zu thun habe. Der Kurfürst fühlte keinen eigentlichen Beruf in sich das zu thun, nur das Eingreifen Gustav Adolf’s in die deutschen Verhältnisse und der Gedanke, daß dieser sich an die Spitze der Protestanten stellen werde, hatte seine Eifersucht erregt. W. beurtheilte also den Albertiner über Verdienst gut, wenn er ohne weiteres annahm, daß das Resultat der angekündigten Berathungen ein bewaffneter Bund sein werde. Seine alte Geschäftigkeit von Friedensbundszeiten her erwachte wieder. Abgesehen davon, daß er sofort Organisationspläne bei der Hand hatte, erbot er sich bei Coburg, Eisenach, Anhalt, Hessen-Kassel und andern Ständen zu handeln, bereitete sogar das Landesaufgebot vor. Aber auch nicht durch die Begeisterung seines Vetters, sondern durch die Spiegelfechterei seiner Gegner wurde Johann Georg bestimmt, für den 6./16. Februar 1631 wirklich einen Convent nach Leipzig zu laden. Die um den Kaiser hatten nämlich nach anfänglicher Bestürzung einen Compositionstag in Sachen des Restitutionsedicts nach Frankfurt a. M. für dieselbe Zeit einberufen, nur in der Absicht, die sächsischen Pläne zu paralysiren. Da ihnen dies nicht gelang, blieb der Frankfurter Tag ganz bedeutungslos und mit ihm der officiell angegebene Zweck der Leipziger Versammlung: Vorberathung für die Composition. W. spielte in Leipzig eine bemerkenswerthe Rolle. Das Programm, mit dem er hinging erinnert in den Grundzügen an das vom October 1622, steht aber auf viel festerem Boden, zeigt schärfere Umrisse und ist auch confessionell bestimmt gefärbt: Forderung eines festgegliederten bewaffneten Bündnisses mit nur evangelischen Ständen als Theilnehmern und mit der Spitze gegen den Kaiser, den man in einem Ultimatum vor die Frage stellen sollte, ob Aufhebung des Edicts und seiner Folgen, ob Krieg. Die Möglichkeit der Realisirung dieses Programms wäre an sich also viel größer gewesen als bei jenem traumhaften Friedensideal. Trotzdem aber W. als Führer der Actionspartei seine Sache aufs beste vertrat, scheiterte sein Project diesmal an dem Willen Johann Georg’s, der über den Standpunkt einer nutzbringenden Hauspolitik nicht hinausging. Da Kursachsen allein von allen Glaubensgenossen noch bei Kräften war, so hätte ein festes Bündniß leicht unangenehme Verpflichtungen für das Land heraufführen können. Man erreichte daher in Leipzig so gut wie nichts: Einsetzung eines ständigen Ausschusses und Beschluß von Kreisrüstungen. Dies Resultat diente nur dazu die Stände nun doch in die Arme Schwedens zu treiben.

Der Herzog fällt unmittelbar aus einer selbstbewußten Sicherheit des Denkens in eine unbegreifliche Haltlosigkeit des Thuns. Am 11./21. Nov. 1630 hatte Landgraf Wilhelm von Hessen-Kassel mit Gustav Adolf zu Stralsund eine Eventualconföderation geschlossen und war von ihm bevollmächtigt worden unter anderen auch die weimarischen Herzöge zum Beitritt aufzufordern. Damals hatte W., trotz seiner schwedenfreundlichen, auch dem Könige gegenüber schon erprobten Gesinnung in Gedanken an den Leipziger Tag abgelehnt. Jetzt war der Herzog mit Kursachsen innerlich fertig: er schwebte gleichsam in der Luft und war doch noch an die Abmachungen bezüglich der Rüstungen gebunden. Das mag sein Schwanken erklären. Noch in Leipzig hatte er mit schwedischen Gesandten Verbindung angeknüpft. Am 18. April dann unterzeichnete Bernhard im Auftrage des Bruders einen Receß zu Reinhardsbrunn und zu Kassel verständigte sich der Landgraf nebst W. und Bernhard dahin (22. April/2. Mai) dem Könige eine Offensivallianz anzutragen. Während diese Absicht dem Schweden übermittelt wurde, richtete Tilly – es ist die Situation nach der Zerstörung Magdeburgs – durch die ungewöhnlich starken Rüstungen in Thüringen und Hessen aufmerksam gemacht, seinen Marsch dahin. W., in der größten Bestürzung, läßt Land, Weib und Kind im Stich und flüchtet nach Leipzig. [189] Die Aufnahme seiner Truppen auf kursächsischem Gebiete aber verweigert Johann Georg, der inzwischen Wissenschaft von der schwedischen Verständigung bekommen hat. Sie müssen entlassen werden. Von Leipzig aus ist eine Erklärung Wilhelm’s an Gustav Adolf abgegangen, worin er den Verzicht auf das schwedische Bündniß aussprach (Juni). In dieser selbstgeschaffenen schlimmen Lage nach beiden Seiten compromittirt blieb der Herzog auch nach der Rückkehr nach Weimar bis nach dem Uebergang Kursachsens zu Schweden und der Breitenfelder Schlacht. Das schwedisch-hessische Bündniß war seit einem Monat abgeschlossen, als sich W. auf Gustav Adolf’s Ladung Ende September zu Halle einfand, wo zwischen Beiden ein Einverständniß hergestellt wurde. Denn auf des Königs Entschluß, den Marsch durch Thüringen und Franken zu nehmen, hat Herzog W. Einfluß geübt. Zur Erfurt erhielt W. dann am 25. Sept./5. Oct. die Ernennung als schwedischer Militärgouverneur von Thüringen und Statthalter von Erfurt mit dem Befehl eine Armee zu errichten. Ein eigentliches Bündniß nach Analogie des hessischen hat der Herzog nie erreicht. Gustav Adolf wollte das nicht: er war seiner auch so sicher und hätte ihm im Bündnißfalle den Besitz Erfurts und des Eichsfeldes garantiren müssen. Die Werbungen (Ende des Jahres 1631 3000 Mann Infanterie und 1000 Mann Cavallerie, dazu einige königliche Regimenter) waren bestimmt mit Erfurt als Stützpunkt eine Generalreserve zu bilden und hatten als solche die unscheinbare, doch nicht unbedeutende militärische Aufgabe, die Operationen nach allen Seiten zu unterstützen: nach Süden durch Rücksicht auf Horn’s Engagement mit Tilly in Franken, nach Osten durch scharfe Beobachtung des Kurfürsten von Sachsen, der eben im Januar 1632 wieder antischwedische Gesinnung merken ließ, nach Norden (Verbindung mit Baner zu Osterwiek 18. Jan.) durch Vorgehen gegen Pappenheim in Niedersachsen und Sicherung des Eichsfeldes (Jan./Febr.). Im März wurde der Herzog nach Franken zur königlichen Armee berufen um den Zug gegen Tilly und Maximilian mitzumachen. Die ungünstigen Einflüsse Wallenstein’s durch Arnim auf Johann Georg im Sinne eines „Friedens“ hatten indeß solche Fortschritte gemacht, daß der König wegen des Abfalls dieses Bundesgenossen zu fürchten begann, zumal nach einem Schreiben des Grafen Philipp Reinhard von Solms, seines außerordentlichen Gesandten in Dresden vom 24. Mai, worin die dringende Bitte enthalten war, Gustav Adolf möge so bald als möglich durch persönliches Erscheinen der zweideutigen Haltung des Kurfürsten ein Ende machen. Ungern entschloß sich der König dazu, aber er that es. Wilhelm, zu Memmingen am 26. Mai zum Generallieutenant über alle schwedischen Armeen ernannt, ward vorausgeschickt, um in Niedersachsen und an der Elbe die Truppen zu einem Zuge nach Sachsen zu sammeln. Der König wollte aus Schwaben und Franken vordringend mit dem Herzog sich zu demselben Zweck vereinigen. Am 4. Juni finden wir W. in Weimar, am 25. kamen zu Gera Solms und Thurn zu ihm, welche ihn bestimmten, da Gefahr im Verzug sei, den König nicht abzuwarten, sondern allein auf Dresden zu gehen. Ehe dies geschehen konnte, hatte der König seinen Plan fallen lassen. Die Vereinigung Wallenstein’s und des bairischen Heeres, welche beide jetzt gegen ihn heranrückten, ließ ihm den sächsischen Marsch bedeutungslos erscheinen gegen die Aufgabe, bei Nürnberg – soweit war er auf dem Vormarsch gekommen – eine Entscheidung herbeizuführen und also seine Truppen hier zu concentriren. Der Inhalt der Weisungen an Herzog W. von Ende Juni war denn auch: Rückmarsch auf Nürnberg. Zugleich wünschte Gustav einige kursächsische Regimenter unter Wilhelm’s Oberbefehl bei sich zu haben. Dies geschah. Als Mitte August der König und W. sich wiedersahen führte dieser 6000 Mann eigener Truppen und 5 Regimenter Kursachsen. Es ist bekannt, wie aus der Entscheidung [190] zu Nürnberg nichts wurde. W. erkrankte gefährlich und verließ im September die Armee. Als Stellvertreter für ihn während der Krankheit wurde Bernhard nach des Königs Abzug von Nürnberg zum Befehlshaber in Franken ernannt (Memorial Gustav Adolf’s d. d. Windsheim, 21. Sept.). Daß der Herzog in dem wichtigen Momente des Todes des Königs nicht am Platze sein konnte, sondern noch krank zu Erfurt lag, war für seine Stellung zu der ferneren Leitung der Dinge nicht günstig. Sein militärisches Prestige, seit jener Schwäche vom Frühjahr 1631 erschüttert, litt abermals. Hatte vielleicht schon Gustav Adolf sich ein wenig in ihm getäuscht gefühlt, Oxenstierna besaß geradezu ein ungünstiges Vorurtheil gegen ihn. Er stand jetzt ein für alle Mal in der zweiten Linie: Bruder Bernhard in der ersten. W. hätte sicherlich in diesem Augenblick gern seiner Charge als Generallieutenant einen Inhalt gegeben. Schon am 8. November wies er als rechtmäßiger Befehlshaber des verwaisten Heeres dieses während seiner Krankheit an Bernhard, forderte auch regelmäßige Rapporte von diesem als seinem Unterfeldherrn. Weiterhin ist es ihm aber niemals gelungen sich als Chef geltend zu machen. Der Reichskanzler nahm auf ihn durchaus keine Rücksicht. Alle seine selbständigen Operationspläne, z. B. Führung eines Heeres an der Weser mit Hessen gegen Gronsfeld (Dec. 1632), Uebernahme des Commandos in Franken (Jan. 1633), Einbruch in die kaiserlichen Erblande (März 1633), Befreiung Frankens und der Wetterau von den Kaiserlichen gemeinsam mit Bernhard, Baner und Hessen (Verabredungen zu Eisenach October 1634) scheiterten an dem Willen Oxenstierna’s. Bei diesem stand es von vornherein fest, daß man W. nicht über die schon vom König ihm zugewiesene Aufgabe, Truppen als Beobachtungscorps und zur Generalreserve in Thüringen und Franken zu halten, hinausgreifen lassen dürfe. Wilhelm’s öftere Forderungen inbezug auf seine Charge, das Eichsfeld, Erfurt, Franken, beantwortete er dilatorisch oder gar nicht. Mit seiner Bewilligung geschah es sogar im Sommer 1633, daß Bernhard in Franken Truppen seines Bruders frischweg an sich zog. Demnach ist nicht wunderbar, daß W. mit der Zeit immer weniger geneigt wurde Pläne zu unterstützen, die über seinen Kopf hinweg entworfen würden. Besonders da er nach der Nördlinger Schlacht und dem Sanderslebener Vertrag zwischen Johann Georg und Baner (Jan. 1635) von den aus Franken heranziehenden Kaiserlichen bedrängt merkte, daß es im Plane der Schweden lag Süd- und Mitteldeutschland aufzugeben und sich auf den Norden als Basis ihrer Macht zu beschränken, da entfuhr ihm wol das Wort daß er sich „nun auch etwas mehr umbthuen must, wo er sich etwa anhalten könnte“ (Baner an Oxenstierna d. d. Egeln 1635, März 6.). Den Anhalt hatte er schon an Sachsen gefunden. Seit des Königs Tode war das sächsisch-schwedische Bündniß unhaltbar. Den Ansprüchen Oxenstierna’s auf Weiterführung des schwedischen Directoriums in ganz Deutschland war Johann Georg mit der Forderung eines sächsischen Directoriums im Osten begegnet und hatte seitdem der Gründung des Heilbronner Bundes (März 1633), der Zusammenkunft der sächsischen und westfälischen Kreisstände mit Oxenstierna zu Halberstadt (Anfang 1634) wie dem Frankfurter Convent in Bundessachen (Sommer 1634) principiell gegenübergestanden. Zugleich neigte er immer stärker auf kaiserliche Seite. Schon Wallenstein’s Streben nach einem Universalfrieden fand in Dresden Sympathieen: nach dessen Tode wurde mit des Kaisers Gesandten direct verhandelt, zu Leitmeritz und zu Pirna, wo am 14./24. November 1634 ein Vergleich abgeschlossen wurde. W., im Februar 1633 noch völlig schwedisch gesinnt, ward seit März mit dem Anerbieten einer sächsischen Generallieutenantschaft in Johann Georg’s Interesse gezogen. Das Motiv trifft des Herzogs gekränkten Ehrgeiz und die Verbindung bleibt seitdem bestehen. Auch mit Wien [191] unmittelbar Friedens wegen anzuknüpfen scheint W. im Januar 1634 die Absicht gehabt zu haben. Jedenfalls war er seit December des Jahres (zu Eisleben durch Johann Georg selbst) von den Bedingungen des Pirnaer Vergleichs unterrichtet, wurde 1635 im Februar in den Waffenstillstand des Kurfürsten mit dem Kaiser zu Laun eingeschlossen und trat im Sommer 1635 dem Prager Frieden bei (Weimarische Friedenspatente vom 5. Juli und 18. Aug. a. St.). Seine Truppen mußte er zu der nun geforderten einheitlichen, kaiserlichen Armee unter kursächsischer Führung abgeben.

Was er vom Frieden hoffen mochte war Ruhe seines Landes, was er erreichte war außer einigen nicht nennenswerthen religiösen Zugeständnissen, die auch nur auf dem Papiere standen, schlimmere Bedrängniß als vorher. Er war in einen Sumpf gerathen, worin ihm überdies die Möglichkeit selbständiger Politik abgeschnitten erschien. Die Geschichte der Jahre bis zur endlichen Beruhigung des Reichs ist für den Herzog weiter nichts als ein ewiges Laviren zwischen dem Kaiser, Kursachsen, Schweden und – nach Bernhard’s Tode – der weimarischen Armee unter Guébriant, ohne Erreichung gesicherter Zustände, wie sie die Prager Verhandlungen versprochen zu haben schienen. Im Gegentheil, wir hören sogar von einer befürchteten Sequestration des Landes (Sommer 1638). Es lohnt sich nicht alle die nutzlosen Schutzbriefe und Protectoria zu nennen, die W. im Laufe der Jahre von den verschiedenen Parteien für seine Städte erwirkte, noch ins einzelne zu verfolgen wie er „die hohen Officier zu allen Theilen unter den Durchzügen und Landes-Einquartierungen … hoch caressiret und beschenket“ – nur seine eigene Residenz blieb verhältnißmäßig verschont. Die Schweden ließen sich eben nicht ohne weiteres aus dem Reiche entfernen, und gerade die Ernestinischen Fürstenthümer sollten schwer zu leiden haben unter der fortdauernden Besetzung Erfurts durch schwedische Truppen und der sich infolge dessen entwickelnden endlosen Blokade der Stadt durch kaiserliche und kursächsische Völker (1636–38), eine Landplage, die resultatlos im Sande verlief, nachdem ernestinische Interpositionsverhandlungen vergeblich versucht hatten sie abzukürzen. Erfolglos waren auch die Bemühungen Wilhelm’s und seiner Brüder Bernhard auf die kaiserliche Seite, resp. zum Prager Frieden herüberzuziehen (Hoffmann’s Sendung im Sommer 1638), oder einen nennenswerthen Theil von seiner Erbschaft zu erlangen, oder gar dessen Armee und das Elsaß gegen französische Diplomatie zu behaupten. Noch einmal im Sommer 1640, als Baner mit der weimarisch-französischen Armee vereinigt bei Saalfeld stand und Hessen und Lüneburg sich geneigt zeigten durch energische Cooperation mit ihm die faule Prager Friedenspolitik über den Haufen zu werfen, da war auch W. „gar eifferig zu Actionen gegen den Keyser“ (Baner an Oxenstierna Saalfeld 1640, Mai 16.) – aber aus der neuen „dritten Partei“ wurde nichts. Inzwischen hatten sich unter dem Einfluß des jungen Kurfürsten Friedrich Wilhelm von Brandenburg auf dem seit 1640 tagenden Reichstag zu Regensburg Aussichten auf den allgemeinen Frieden eröffnet. Hier war es, wo der Friedenscongreß beschlossen wurde, der dann 1643 in Münster sein Werk begann. W., anfangs entschlossen, selbst theilzunehmen, schickte schließlich (1645) gemeinsam mit Bruder Ernst den Dr. Achatius Heher nach Osnabrück. Die Bedingungen des am 24. October 1648 endlich abgeschlossenen Friedens enthielten das Erreichbare: u. a. durchgehende Wiederherstellung des Besitzverhältnisses vom 1. Januar 1624 inbezug auf geistliche Güter und Würden, Annahme desselben Tages als Normaltermin für das Recht freier Religionsübung nach katholischem oder evangelischem Ritus, volle Landeshoheit für alle deutschen Fürsten. Zwei Dinge verzögerten die wirkliche Ausführung des Friedens. Einmal die Unmöglichkeit, eine wirkliche Parität beider Religionen herzustellen, solange diese Parität im [192] Kurfürstencolleg nicht mehr bestand – sie war durch den Hinzutritt Kurbaierns aufgehoben worden. Auf dem Reichstag zu Regensburg (1653–54) war es wieder Kurbrandenburg, das hier Auskunft fand und die Ernestiner schlossen sich ihm an. Ob W. erkannt hat, daß Friedrich Wilhelm auf dem besten Wege war, die Führerschaft des Protestantismus an Stelle Kursachsens zu überkommen? Diese Frage zu entscheiden wäre interessant, ist aber jetzt und an diesem Orte nicht möglich, jedenfalls finden wir Wilhelm’s Sohn Johann Georg seit dem Jahre 1656 in brandenburgischen Kriegsdiensten im Herzogthum Preußen. – Indessen schon war die andere Schwierigkeit für die völlige Pacification gehoben: Entschädigung und Abzug der französischen und schwedischen Truppen auf Reichsboden war geschehen und W. hatte, wie andere Fürsten, 1650 am 19. August a. St. zu Weimar das Friedensfest begehen können.

Volle Landeshoheit war das für den Herzog wichtigste Ergebniß des Westfälischen Friedens. Wie hat er die dadurch vertiefte Aufgabe der Sorge für sein Land erfüllt? Umfang und Verfassung des weimarischen Fürstenthums veränderten sich seit Wilhelm’s Regierungsantritt (1. Oct. 1626) bis zu seinem Tode mehrfach. Am 13. Februar 1640 fielen ihm durch den Vertrag zu Altenburg aus dem fränkischen Länderbestande der ernestinischen Gesammtlinie die Landestheile Eisenach und Gotha zu, und dies veranlaßte ihn, seinen Brüdern eine Theilung vorzuschlagen. Unterm 9. April 1640 wurde darüber vorläufige Uebereinkunft getroffen, die Theilung dann 1641 am 12. September vollzogen. W. wurde darin auf den weimarischen Landestheil beschränkt, Albrecht erhielt Eisenach, Ernst Gotha. Aenderungen machte am 20. Decbr. 1644 der kinderlose Tod Albrecht’s nöthig. Weimar erhielt von dessen Ländern in der Theilung mit Gotha u. a. Amt und Stadt Eisenach mit der Wartburg (30. März 1645). Auch die hennebergische Haupttheilung vom 9. August 1660, die Weimar u. a. Ilmenau zuführte, fällt noch in Wilhelm’s Lebenszeit. Verfassungsmäßig wurde Wilhelm’s Stellung näher bestimmt durch seinen Hauptvertrag mit Albrecht, Ernst und Bernhard vom 19. März 1629. Während in früheren brüderlichen Verträgen, zuletzt 1626 (Sept. 20.), die Landesregierung nur von Fall zu Fall vergeben worden war, wurde jetzt grundsätzlich ausgesprochen, daß im weimarischen Hause jedesmal der älteste Bruder oder Vetter das Directorium führen solle, aber nicht im eigenen Namen allein, sondern im Namen aller Brüder und Vettern, die denn auch für Entscheidung von Religions- und Kirchensachen, Rechts- und Kriegshändeln die Rechte von Mitregenten eingeräumt bekamen. Diese Verfassungsurkunde blieb dann in Geltung bis zur Einführung der Primogenitur im J. 1724. – Der Wohlstand des Landes, welcher damals nach einer Aeußerung des Kanzlers v. Göchhausen „allein auf den lieben Getreidig- und Weinfrüchten“ beruhte, war durch den langen Krieg entsetzlich herabgekommen, was bei den seit Herbst 1625 und besonders seit Sommer 1635 sich jährlich mehrenden Einlagerungen fremder Truppen nicht zu verwundern ist. Gegen den aus dieser Lage entstandenen Schaden war die Finanzklemme gering, wie sie das im Anfang der zwanziger Jahre grassirende Kipper- und Wipperwesen mit sich gebracht hatte. Jede der in den vierziger Jahren öfter angeordneten Landesvisitationen brachte dasselbe Bild: Hungersnoth, fortschreitende Entvölkerung (zwei Drittel der Einwohner waren schließlich zu Grunde gegangen), Verwüstung und Entwerthung des Grundbesitzes auf dem Lande. Daran trug übrigens nicht nur der Feind die Schuld, sondern auch die bäuerliche Bevölkerung selbst, durch ihr beständiges fluchtartiges Zusammenströmen in den wenigen Städten. Es war eine schier unlösbare Aufgabe hier durchzugreifen und sofort Wandel zu schaffen. Die Staatsfinanzen wie die Cassen des Hofes waren erschöpft. Auflage von Grundsteuern (noch 1625 nach den um das Doppelte [193] oder Dreifache zu hohen Anschlägen von 1583 ausgeschrieben!) konnte das Geldbedürfniß nicht entfernt befriedigen, ebensowenig die im Drange der Noth neu erfundenen Umlagearten (Handwerks- und Gewerbesteuern, Kopfsteuern, Kriegssteuern etc.). Es war den Grundbesitzern materiell unmöglich, die verlangten Summen zu erlegen, dazu kam ihr Widerwille, zuverlässige Angaben den Behörden zu machen und endlich ihr passiver Widerstand – sie ließen das Land absichtlich unbebaut liegen um der Grundsteuer zu entgehen. Sehr hülfreich und nützlich für die Zukunft sollte sich indeß die Bodenreform erweisen, zu welcher W. in den Jahren 1640 und 1645 die Grundlinien zog. Er forderte eine Eintheilung der Liegenschaften nach ihrem gegenwärtigen Werthe in drei Classen und eine Besteuerung nach diesem Princip. Auf solcher Basis ist dann in ruhigerer Zeit nach seinem Tode das weimarische Grundbuch ausgebildet worden. Unter der Finanzcalamität litt nicht am wenigsten die Jenaer Hochschule, von der 1632 befürchtet wird, daß sie „wegen Mangelung der Professoren-Besoldung ganz zu Grunde und Sumpf gehen werde“. Also hatte eine zehn Jahre früher vorgenommene Gehaltsaufbesserung nichts genützt. Sie wurde dann im J. 1633 durch Schenkung der heimgefallenen Gleichischen Herrschaft Remda und des Vitzthum’schen Guts Apolda einigermaßen auf feste Füße gestellt. Viel wichtiger aber war die nothwendige Hebung von Kirche und Schule. Was diese Dinge betrifft, so stand W. von jeher unter dem Einfluß des noch von Dorothea Maria im J. 1613 nach Weimar berufenen, vom Herzog selbst 1627 zum Generalsuperintendenten ernannten Johann Kromayer, eines Kenners und Förderers der Methode des Ratich. Auf dem Landtage zu Jena (Anfang 1636) und den daran sich anschließenden Commissionsberathungen regte Hortleder den Gedanken an eine Schulvisitation an. Aber Kromayer war dagegen der Meinung, daß die hier hervorgetretenen Schäden wie Verarmung, Unwissenheit, sogar sittliche Unzuverlässigkeit der Geistlichen und Lehrer, die durch die Zeitläufte herbeigeführt worden waren, auch erst mit besseren Zeiten wieder verschwinden würden, daß also eine augenblickliche Heilung nicht, auch nicht durch Visitation, zu erreichen sei. Der Erfolg der durch Patent vom 22. März 1643 wider Kromayer’s Willen auf Drängen von Albrecht und Ernst, die ihren Bruder schließlich zur Beistimmung gebracht hatten, angekündigten Kirchen- und Schulvisitation hat ihm Recht gegeben: sie besserte die Zustände nicht im geringsten. Dagegen arbeitete Kromayer mit Förderung des Herzogs für Erziehung einer Jugend, die in Zukunft fähig sein sollte die heilende Hand anzulegen. Seine Schulordnungen nach Ratich’s Grundsätzen (1619, 20 – darin Forderung des allgemeinen Schulzwangs ausgesprochen –, 1629, 1640 etc.) dienten diesem Zweck. – Herzog Wilhelm’s Thätigkeit zur Pflege des Landes konnte demnach, wie von vornherein zu erwarten war, über fruchtbringende Anregungen und Entwürfe nicht hinauskommen. Der Zeit mußte überlassen werden, das zu reifen, was er gepflanzt.

Des besonderen Wohlwollens Wilhelm’s hatte sich die weimarische Stadt- und Landschule zu erfreuen. Diese Schule war auch und ist gewissermaßen jetzt noch betheiligt an dem Fest, womit der Herzog am 28. Mai (seitdem als „kleiner Wilhelmstag“ bekannt und gefeiert) 1658 die Einweihung seiner neuerbauten Schloßkirche beging. Dieser Tag bezeichnete die Vollendung eines Werkes, für das seit 40 Jahren (Brand des Hornsteins, 2. Aug. 1618) unablässig gearbeitet worden war: des Baues eines neuen Schlosses. Die trotz der theuern Zeiten erfolgten Bewilligungen der Landstände zu diesem Zweck hatten bis Ostern 1630 die erste, nothdürftige Wiederherstellung der Schloßkirche möglich gemacht, 1651 im Februar begann dann der eigentliche Burgbau, an dem [194] der Herzog persönlich das größte Interesse nahm. Eine stattliche Wasserveste entstand, durch eine steinerne Brücke mit dem jenseitigen Ufer der Ilm verbunden, Teich und Gartenanlagen dazu. Es ist wol zu bedauern, daß diese „Wilhelmsburg“ nach des Herzogs Vorliebe für mathematische und mechanische Wissenschaft mit allerhand kunstreichen Dingen (turris echonica, Wendeltreppe, astronomisches Observatorium und Himmelsglobus auf dem Dache) ausgestattet und erfüllt mit Arbeiten von seiner Hand, daß auch die Schloßkirche mit der schönen Orgel, auf der W. selbst schließlich noch spielen lernte, nicht mehr erhalten ist. Sie brannte 1774 ab, nur die Brücke ist von der Anlage übrig geblieben. Hätten wir Alles noch, so könnten wir uns ein weit farbenreicheres Bild von Wilhelm’s Zeit machen. In des Herzogs letzten Jahren entwickelte sich noch ein ziemlich reges Hofleben. Da war seine Gemahlin Eleonore Dorothea von Anhalt († 1664) und seine neun Kinder (u. a. Johann Ernst II., sein Regierungsnachfolger, Adolf Wilhelm, nachher Herzog von Eisenach, Johann Georg, nachher Herzog von Marksuhl, Bernhard, nachher Herzog von Jena), da war seine nähere Umgebung: der Jenaer Mathematiker Erhard Weigel und die Brüder Richter, Johann Moriz, der Baumeister und Christian der Hofmaler, da waren seine Beamten, die ihm je länger je mehr ans Herz wuchsen, endlich nicht zuletzt seine weimarischen Bürger, die ihn alle wegen seiner Frömmigkeit, Milde und Leutseligkeit verehrten und liebten. Am 7. Mai 1651 mochte W. eine besondere Freude erleben. Das Amt des Oberhauptes der „Fruchtbringenden Gesellschaft“ oder des „Palmenordens“ wurde ihm durch eine Cöthener Gesandtschaft angetragen, nachdem er schon vorher durch Harsdörfer erfahren, daß seine Wahl gesichert sei. Dieser Augenblick führte ihn in seine Jugend zurück. Denn am 24. August 1617 war es gewesen, in trüber Zeit, kurz nach der Mutter Tod, als diese Gesellschaft zur Pflege der deutschen Sprache auf dem Hornstein zu Weimar von der jungen Herrschaft gegründet worden war. W. gehörte ihr seitdem unter dem Namen des Schmackhaften an, seitdem auch hatte sein Oheim, Fürst Ludwig von Anhalt-Cöthen, einer der Mitgründer, an der Spitze gestanden. Mit Freuden übernahm jetzt der Herzog des Oheims Nachfolge. Die Kenntniß von Wilhelm’s Wirken für den Orden, die bis jetzt besonders auf Georg Neumark’s, des Erzschreinhalters, bekanntem Werk beruhte, wird erweitert werden durch Briefe aus Gesellschaftskreisen. Der Herzog hatte Beziehungen zu Nürnberg, die sich nicht nur auf Schriftsteller, wie die Mitglieder des Pegnitzschäferordens, sondern auch auf bildende Künstler erstreckten, denen er Aufträge nach Art der alten ernestinischen Kurfürsten ertheilte. Läßt sich auch nicht leugnen, daß die eigentlichen Zwecke des Ordens: Reinigung und Reinhaltung der Muttersprache durch schriftstellerische Thätigkeit der Mitglieder, in Weimar weniger beachtet worden sind, als vorher in Cöthen, so waren sie doch nicht vergessen. Der Herzog selbst dichtete; die Lieder „Gott, der Frieden hat gegeben“ und „Herr Jesu Christ dich zu uns wend“ rühren von ihm her. Freilich kam ihm sehr viel auf äußerlich prächtige Repräsentation des Ordens an: „es ist kein Vierteljahr hingangen da der selige Schmackhafte nicht von vornehmen Herren mit einer großen Suite besucht wurde um die Gesellschaft zu vermehren“ wird einmal geschrieben. Darin kann man vielleicht einen Fehler und eine Ursache des schnellen Verfalls der Gesellschaft nach des Herzogs Tode sehen.

W. beendete sein an Gedanken, Thaten und Segen reiches Leben am 17. Mai a. St. 1662. Er ist einer der weimarischen Landesherrn, dessen Andenken am frischesten unter uns lebt. Die Worte, welche die sterbende Mutter am 18. Juli 1617 dem Jüngling mit auf den Lebensweg gegeben: „Wilhelm wirds wohl machen“, sie haben sich am Greise erfüllt.

[195] Eine Biographie des Herzogs fehlt noch. Außer den allgemeinen Werken über den 30jähr. Krieg vgl.: Die Biographien der Brüder, Johann Ernst’s (Hellfeld, Heermann), Bernhard’s (Hellfeld, Röse, Droysen), Ernst’s (Gelbke, Beck), ferner: Christfürstl. Ehrengedächtniß des Herzogs vom Jahr 1665; Müller, Annalen; Wette, Nachrichten von Weimar; Weber, Ratich am Hofe der Herzogin Dorothea Maria (Weimar-Album 1840); Preller, Weimar und Jena vor 200 Jahren; Thür. Zeitschr. II (1857), wo die ältere Litteratur zu finden ist; Stichling, Die Mutter der Ernestiner, Weimar 1860; Menzel, Die Union des Herzogs Wilhelm etc.; Weber’s Archiv f. d. sächs. Geschichte XI (1873); Kius, Zustände … im alten Fürstenthum Weimar, Weimar 1878 (= Hildebr. Jahrbb. für Nationalök. 1870); Herrmann, Der Kampf um Erfurt, Halle 1880, dazu Ztschr. f. thür. Gesch. N. F. III (1883); Curt Schmidt, Weimars Schulverhältnisse z. Z. d. 30j. Kr., Leipziger Diss. o. J.; Weniger, Thür. Ztschr. N. F. X (1898); Struck, D. Bündniß Wilhelms v. Weimar m. Gust. Adolf, Stralsund 1895; Burkhardt, D. Weimarische Grundbuch (Jahrb. f. Nationalök. III. F. Bd. X, 1895); Ders., Neue Mittheilgn. über Harsdörfer nach ungedruckten Briefen, Allg. Ztg. 1895, Nov. 16., wiss. Beil., die Briefe werden erscheinen in d. Schriften d. Pegnesischen Blumenordens 1896; Ders., Aus d. Briefwechsel Sigmunds von Birken u. Georg Neumarks, Euphorion 1897, 3. Ergänzungsheft; Ernst Devrient, Die älteren Ernestiner, Vierteljahrsschrift d. Ver. „Herold“ 1897. – Einzelnes a. Archivalien.