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ADB:Birken, Sigmund von

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Artikel „Birken, Sigismund von“ von Ferdinand Spehr in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 2 (1875), S. 660–661, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Birken,_Sigmund_von&oldid=- (Version vom 3. Dezember 2024, 15:43 Uhr UTC)
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Band 2 (1875), S. 660–661 (Quelle).
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Birken: Sigismund v. B., Dichter, ist am 25. April/5. Mai 1626 zu Wildenstein bei Eger geboren, woselbst sein Vater, Daniel Betulius, evangelischer Prediger war. Die Familie desselben stammte aus Deutschland und hatte nach damaliger Sitte ihren ursprünglichen Namen Birkner in Betulius latinisirt. Wegen Religionsbedrückung verließ der Vater im J. 1629 Böhmen mit seiner Familie und begab sich nach Franken, bis er 1632 in Nürnberg eine Anstellung als Diaconus fand, woselbst er 1642 gestorben ist. Wissensdurstig und talentvoll begab sich der junge Betulius, 17 Jahre alt, 1643 nach Jena, wo er Rechtswissenschaft und daneben Philosophie und Redekunst studirte. Noch vor Vollendung seiner akademischen Studien kehrte er jedoch, da ihm die Mittel fehlten, weiter zu studiren, nach Nürnberg zurück. Hier übten die Stifter des Blumenordens, Georg Philipp Harsdörffer und Joh. Klai (Clajus) auf den ferneren Bildungsgang des dichterisch begabten Jünglings einen bedeutenden Einfluß aus. Er wurde Mitglied des Blumenordens und trat im J. 1645, kaum 19 Jahre alt, unter dem Namen Floridan in die Gesellschaft der Pegnitzschäfer ein. Im J. 1646 folgte B. auf Empfehlung von Georg Justus Schottelius einem Rufe des Herzogs August von Braunschweig nach Wolfenbüttel, als Lehrer der jüngeren Söhne desselben, der Prinzen Anton Ulrich und Ferdinand Albrecht, gab jedoch, da ihm das Hofleben nicht zusagte, im J. 1647 diese Stelle zum Leidwesen des Herzogs August wieder auf und kehrte, nachdem er noch eine Zeitlang die Erziehung einer mecklenburgischen Prinzessin mitgeleitet hatte, im Jahre 1648 nach Nürnberg zurück, wo er durch Unterricht adeliger Jünglinge seinen Unterhalt erwarb. In der alten Reichsstadt tagte damals die zur Vollziehung des westfälischen Friedens zusammengetretene Reichsversammlung und Betulius erhielt vom Fürsten Ottavio Piccolomini, welcher durch eine im J. 1649 vor einer großen Versammlung gehaltenen Rede über den Krieg und den Frieden auf ihn aufmerksam geworden war, den Auftrag, die zur Feier des großen Frieden- und Freudenmahls zu veranstaltenden Festlichkeiten zu ordnen und zu leiten. In diesem „Friedensschauspiele“, welches am 4./14. Juli 1650 auf dem allegorisch reich ausgestatteten Schießplatze bei St. Johann vor zahlreicher Versammlung aufgeführt wurde, feierte B. den Triumph des durch ihn mitverbreiteten neuen Geschmackes. In dem Freudenspiele waren der Prunk schallender Rhetorik, die steife pedantische Allegorie, das fade Schäferspiel mit sentimentaler Wehmuth, die Lyrik in gewundenen Versarten mit pomphaften Aufzügen, Ballet und Musik verbunden, eine Nachahmung der durch Mazarin kurz zuvor in Paris eingeführten neuen Herrlichkeit. Das Freudenspiel: „Margenis oder das vergnügte, bekriegte und wieder befreite Deutschland“ wurde im J. 1650 mit den Festprogrammen, Gedichten, Reden und Inschriften durch den Druck veröffentlicht und der Dichter selbst im Jahre 1654 von Kaiser Ferdinand III. in den Adelstand erhoben und zum kaiserlichen gekrönten Pfalzgrafen ernannt, auch mit einer goldenen Gnadenkette beschenkt, bei welcher Gelegenheit er seinen Namen Betulius mit dem deutschen „v. Birken“ vertauschte. Später wurde v. B. zum kaiserlichen Dichter gekrönt und unter dem Namen des „Erwachsenen“ in die Fruchtbringende Gesellschaft, unter der Benennung „der Riechende“ aber in die von Philipp von Zesen gestiftete „deutschgesinnte Genossenschaft“ aufgenommen. Nach Harsdörffer’s Tode erwählte ihn der Blumenorden, der dadurch neues Leben erhielt, [661] im J. 1662 zum Oberhirten der Pegnitzschäfer und im J. 1679 wurde er zum Mitgliede des venetianischen gelehrten Ordens dei Ricovrati oder Recuperatorum zu Padua ernannt. v. B. starb zu Nürnberg am 12. Juni 1681, geehrt in der Heimath wie im Auslande, beglückt durch die Liebe seines fürstlichen Zöglings, des Herzogs Anton Ulrich von Braunschweig, der ihm bis zu seinem Tode mit großer Zuneigung anhing und durch wiederholte Gnadenbezeigungen („güldenen Regen“) auszeichnete. Die mannigfachen Ehrenbezeigungen und Gnadenerweise, mit welchen B. von verschiedenen fürstlichen Personen bedacht wurde, hatte er wol weniger seiner poetischen Begabung, als seinem Talente zu verdanken, den Höherstehenden, ohne sich zu erniedrigen, mit Anstand zu schmeicheln. Seine allegorischen Festspiele zeugen von dramatischem Talent, verrathen aber eben so wie seine lyrischen Gedichte fast in jeder Zeile die Schule, aus welcher sie hervorgegangen sind. Es fehlt seinen Dichtungen nicht an Gefühl, Erfindung, Geist und Witz, aber sie sind doch mehr Erzeugnisse des Verstandes als der dichtenden Kraft. B. hätte ein vorzüglicher Prosaiker werden können, wenn er weniger und vorsichtiger geschrieben hätte. Schon seine Zeitgenossen machen ihm den Vorwurf, daß er in der Bildung neuer Wörter weiter gegangen sei, als erlaubt, und tadeln seine Sucht, durch ungewöhnliche Ausdrücke und Wendungen neu und auffallend zu erscheinen, wodurch seine Poesie in fade, läppische Wortmacherei und geschraubte Spielerei ausarte, und welche ihn verleite, die widersinnigsten Mittel anzuwenden, wenn er nur Gelegenheit finde, zu glänzen. Seine Freunde dagegen bewunderten ihn wegen seiner eigenthümlichen Umschreibungen, seiner überraschenden Bilder und wegen der Erfindung von Neuem und Ungewöhnlichem aller Art. Sie nannten ihn den „wahren deutschen Siegmund, den Dädalus der Dichtkunst, des Wörtergolds feinsten Treiber“. Unter seinen geistlichen Gedichten athmen die einfach gehaltenen wahres Gefühl; mehrere sind in Gesangbücher aufgenommen, die Mehrzahl leidet an gesuchten Bildern und allen den oben angedeuteten Mängeln. Ein Verzeichniß seiner sämmtlichen Schriften hat B. selbst in seiner „Deutschen Rede-, Bind-, und Dichtkunst oder kurze Anweisung zur deutschen Poesie mit geistlichen Exempeln etc.“, Nürnberg 1679, 12 mitgetheilt. Die meisten sind erst nach 1655 entstanden. Zu den vorzüglichsten gehören: „Mausoleum der hungarischen Könige“, Nürnb. 1664 fol.; „Oesterreichischer Ehrenspiegel“, Nürnb. 1668 fol. mit vielen Kupfern (eigentlich nur eine von B. auf Befehl des Kaisers Leopold I. ausgearbeitete, vermehrte und verbesserte neue Auflage von Fugger’s Spiegel der Ehren des Hauses Oesterreich bis auf Maximilian I.); „Hochfürstlich brandenburgischer Ulysses“. Nürnberg 1667, 4 und 1678, 12; „Guelfis oder Niedersächsicher Lorbeerhain“. Nürnberg 1669. In dieser Dichtung meldet v. B. von sich, daß ihn „die Eger geboren, die Pegnitz erzogen, die Saale gelehret, die Oder, Elbe und Jeetze eine Zeitlang beehret, gehöret und gemehret hätten, bis er nach der Pegnitz umgekehret“. „Chur- und Fürstlich Sächsischer Heldensaal“. Nürnb. 1677, 12; „Pegnesis oder der Pegnitz-Blumengenoß-Schöpfung. Feldgedichte in neun Tagezeiten meist verfasset und hervorgegeben durch Floridan“. Zwei Theile. Nürnb. 1673, 1679, 12.

Ueber B. siehe Joh. Herdegen (Amaranthes), Historische Nachricht von des löblichen Hirten- oder Blumen-Ordens an den Pegnitz Anfang und Fortgang. Nürnberg 1744, 8. – J. Tittmann. Die Nürnberger Dichterschule. Göttingen 1847, 8. – Jördens, Lexikon I. S. 83–87. – Koberstein, Grundriß, 5. Aufl. Thl. II. S. 126. – Gervinus, Nationalliteratur (5. Aufl. herausgegeben v. K. Bartsch) III. 384 ff. – Goedeke’s Grundriß II. S. 463. – Birken’s Gedichte bilden den neunten Band von W. Müller’s Bibliothek deutscher Dichter d. 17. Jahrhunderts. Leipz. 1826. 8.