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ADB:Piccolomini, Ottavio Fürst

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Artikel „Piccolomini, Octavio Fürst“ von Hermann Hallwich in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 26 (1888), S. 95–103, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Piccolomini,_Ottavio_F%C3%BCrst&oldid=- (Version vom 25. Dezember 2024, 04:33 Uhr UTC)
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Piccolomini: Octavio Fürst P., Herzog von Amalfi, kaiserlicher Generallieutenant, geb. 1599, † 1656. – P. selbst war rechtzeitig darauf bedacht, einen Mann zu finden, der ebenso befähigt wie gewillt wäre, seinen vielen Verdiensten um Staat und Kirche, in Krieg und Frieden, ein schriftliches Denkmal zu setzen, welches denn auch thatsächlich noch bei seinen Lebzeiten zu Stande kam, ein umfangreiches Manuskript unter dem Titel: „Genialogia Ihrer Fürstlichen Gnaden Herrn Octavio Fürsten Piccolomini Duca di Amalfi.“ Gleichwohl darf nicht behauptet werden, daß Piccolomini’s Biographie bereits geschrieben sei, sofern eine bezahlte Lobrede nicht von vornherein als Biographie verstanden werden will. Hier soll auf Grund einer Fülle urkundlichen Materials, zunächst der ausgebreiteten Correspondenz des Genannten, eine kurze Lebensskizze geboten werden, in deren engem Rahmen allerdings nur die Hauptmomente berührt oder vielmehr flüchtig angedeutet werden können.

Die Familie P. leitet mit Grund ihren Ursprung von Rom her, von wo sie im 14. Jahrhundert nach Siena übersiedelte. Daselbst alsbald zu Einfluß und Ansehen gelangt, gab sie später der Christenheit sogar zwei Päpste: den ebenso klugen und gewandten wie gelehrten Aeneas Sylvius (Pius II.) und dessen Schwestersohn Francesco Todeschini (Pius III.), einen der kläglichsten Vertreter päpstlicher Nepotenwirthschaft. Octavio war der jüngste Sohn Silvio Piccolomini’s mit Violante Gerini und wurde am 11. November 1599 in Florenz geboren. Kaum siebzehnjährig trat er, „mit einer Pike auf der Achsel“, in spanische Dienste, um auf lombardischem Boden im sogenannten kleinen Kriege die Sporen zu verdienen. Als aber nach dem Ausbruch der böhmischen Revolution der Großherzog von Toscana Cosmo II. dem Kaiser noch im Jahre 1618 ein Regiment von 500 Kürassieren zu Hilfe schickte, führten die beiden [96] Brüder Aeneas und Octavio P. als Rittmeister je hundert Reiter dieses „Florentiner Regiments“. Sie kämpften unter Führung Balthasar Marradas’ (s. A. D. B. XX, 421 ff.) im südlichen Böhmen. Hier fand bereits im August 1619 der ältere Bruder in einem Gefecht bei Moldauthein und Bechin den Tod. Unter Bucquoy focht Octavio in der Schlacht auf dem Weißen Berge und im folgenden Jahre bei Neuhäusel in Ungarn, wo er Beweise persönlicher Tapferkeit ablegte. Nach Bucquoy’s Fall commandirte er auf dem Rückzuge der kaiserlichen Armee sein Regiment, nach dessen Auflösung ihm eine Freicompagnie überlassen wurde. Der Kaiser verlieh ihm die Kämmererswürde. Unter Caraffa de Montenegro nahm er an dem beschwerlichen Feldzuge des Jahres 1623 Theil, begehrte aber, da im Herbst des nächsten Jahres das Florentiner Regiment reorganisirt wurde und seine Compagnie demselben wieder einverleibt werden sollte, die Entlassung, um abermals in spanische Bestallung zu treten. Nachdem er eine Zeit lang der Belagerung von Breda beigewohnt, ging er vor deren Beendigung mit Gottfried Heinrich Pappenheim (s. A. D. B. XXV, 144 ff.), der damals ebenfalls der Krone Spanien diente, als Oberstlieutenant des Pappenheim’schen Cavallerieregiments durch Graubünden nach Italien, wo er unter dem Oberbefehl des Herzogs von Feria, als Statthalters von Mailand, Verwendung fand, ohne jedoch hierbei viele Lorbeeren zu ernten, da Feria nicht vom Glück begünstigt war.

Seitdem durch Wallenstein eine neue Armee errichtet worden war, hatte P., wie er sich brieflich wiederholt aussprach, „keinen größeren Wunsch, als wieder dem Kaiser zu dienen“. Durch Vermittlung des Hofkriegsraths-Präsidenten Rambold Collalto (s. A. D. B., IV, 404 ff.), dessen besonderes Wohlwollen er sich verschafft hatte, suchte er Aufnahme in das kaiserliche Heer. Ein Zerwürfniß Collalto’s mit Wallenstein verzögerte die Erfüllung dieses sehnlichen Wunsches bis zum Juni 1627. Da wurde P. nicht nur kaiserlicher Oberst, sondern auch Capitän der Leibgarden des Generalissimus, welche Auszeichnung er, abgesehen von der Verwendung Collalto’s erwiesenermaßen dem Umstande verdankte, daß nach Aussage der Astrologen die „Nativität“ Piccolomini’s in allen ihren Einzelnheiten überaus günstig lautete. – Zugleich mit Octavio fand auch Silvio P., dessen Neffe, Aeneas’ Sohn, einen geeigneten Posten bei den herzoglichen Garden. Ihm hatte Cardinal Francesco Barberini, der päpstliche Staatskanzler, durch Empfehlungsschreiben an den Kaiser und dessen Feldherrn die Wege geebnet. Der spätere Briefwechsel Octavio’s bezeugt, wie sehr er sich hierfür dem Cardinal zu Dank verpflichtet fühlte. Wallenstein’s Leibgarde zu Pferd bestand damals aus 700 Mann; den Kern der Garde bildeten zweihundert Lanzenreiter, die P. persönlich zu commandiren hatte. Dafür empfing er mit seinen Officieren, wo immer er sein Quartier aufschlug, „doppelte Unterhaltung“. Das erste Quartier, das ihm im Winter 1627–28 zugewiesen wurde, lag weit entfernt vom herzoglichen Hoflager derselben Zeit; es war Stargard in Hinterpommern. Es blieb sein eigentliches Standquartier bis in den Sommer 1629, nicht ohne daß von Seite der Bevölkerung heftige Klagen gegen vielfältige Bedrückungen erhoben worden wären, die er ihr zufügte. Indem er, alsbald nach seinem Einmarsch, der Stadt ohne irgend eine Vollmacht die Zahlung einer Ranzion von 30 000 Thalern auferlegte, zog er sich einen scharfen Verweis von Seite des Generalissimus zu, der dem Obersten Arnim die Untersuchung dieser Angelegenheit mit den Worten auftrug: „Ist der P. unrecht, wie er denn wegen derselbigen Extorsion nicht recht haben kann, so will ich, daß er gestraft wird.“ Es bedurfte einer kräftigen Intervention Collalto’s und sonstiger Freunde, die angedrohte Strafe von dem Bedrohten fern zu halten, was ihn Collalto um so näher führte. P. verstand es in so hohem Grade, den zürnenden Gebieter wieder für sich zu gewinnen, daß ihn derselbe bald nachher zum Obersten „zu Roß und [97] Fuß“ ernannte, d. h. ihm außer der Garde ein Cavallerie- und ein Infanterieregiment unterstellte. Eben damals (August 1628) wurde Octavio’s zweiter Bruder, Ascanio, bis dahin Familiar des Cardinal-Staatskanzlers, auf Anregung der Cardinäle Francesco und Antonio Barberini’s – Vettern des Papstes Urban VIII. – zum Erzbischof von Siena ernannt. Von nun an stand P. ununterbrochen in vertraulicher Correspondenz mit den hervorragendsten Mitgliedern der päpstlichen Curie. Seine Thätigkeit zu jener Zeit war nicht so sehr eine kriegerische, als daß ihn vielmehr Wallenstein zu allerhand wichtigeren Missionen an seine Unterfeldherren oder nach Wien verwendete. Um so werthvoller konnten und mußten seine Briefe Jedem sein, dem es darauf ankam, über die Absichten des kaiserlichen Heerführers Aufklärungen zu erhalten.

Das Frühjahr 1629 brachte den Mantuaner Krieg. Ein französisches Heer überschritt die Alpen, nachdem die Vorhut einer kaiserlichen Armee, deren Commando den Generalen Collalto, Aldringen und Gallas anvertraut wurde, bereits zu den Spaniern in Mailand gestoßen war. An den nothwendigen Vorbereitungen hierzu war auch P. betheiligt; schon mit der Vorhut ging ein Theil seiner Regimenter nach Italien. Er folgte im Herbst mit speciellen Aufträgen Wallenstein’s an Ambrosio Spinola, den spanischen Oberfeldherrn. Doch war seines Bleibens vorerst nicht lange. Noch im December kehrte er nach Deutschland zurück. Seine Berichte bestärkten Wallenstein in der Ueberzeugung von der Nothwendigkeit, die Mantuaner Angelegenheit so bald wie nur möglich wieder beizulegen. „Was den Frieden in Italien anbelangt“, schrieb er an Collalto, „bitte nochmals, der Herr Bruder wolle ihn befördern, denn er wird gewiß damit Gott, dem Kaiser und der ganzen Christenheit einen angenehmen Dienst erweisen.“ Bereits im Februar 1630 wurde P. wieder an Collalto abgefertigt, und schon nach wenigen Wochen verlangte Wallenstein dringend seine abermalige Rückkunft. Er kam mit Depeschen des Herzogs von Savoyen, Spinola’s und Collalto’s. Sie waren von bestimmendem Einfluß auf Wallenstein. Gegen seinen Willen hatten in Norditalien die Dinge einen Lauf genommen, daß ein kräftiges Eingreifen unerläßlich geworden war. Was er an Truppen entbehren konnte, wurde nach dem Süden dirigirt. P. mußte nach dem Elsaß, einen namhaften Succurs zu betreiben. Im Juli marschirten 6000 Mann durch die Schweizer Pässe gegen Mantua, P. mit ihnen. Vier Schwadronen seines Namens, die etliche Wochen im Veltlin campirten, „verwüsteten die Gegend auf eine Jammer erregende Weise“. Bevor noch die Verstärkungen eingetroffen waren, erfolgte die Eroberung Mantua’s, dessen beispiellose Plünderung und Verwüstung den Haß gegen Oesterreich und Spanien nur steigerte. Der Krieg war nicht zu Ende. Man kennt seinen Verlauf. Man weiß auch, welche gewaltigen Ereignisse damals in Deutschland einander folgten: die Landung Gustav Adolf’s von Schweden und die – Abdankung Wallenstein’s als kaiserlichen Oberfeldherrn. Beide Thatsachen wirkten begreiflich auch auf den Krieg in Italien zurück. Mit demselben Eifer, den der Kaiser früher für diesen Krieg geäußert hatte, war er nun um jeden Preis für dessen Beendigung. Auf seinen Befehl schloß Collalto im September 1630 einen Waffenstillstand. Eben waren die Feindseligkeiten wieder eröffnet; die Heere standen einander in Schlachtordnung gegenüber; eine Kugel streckte Piccolomini’s Roß zur Erde: als Mazarin die Nachricht brachte, daß am 13. October zu Regensburg der Friede geschlossen worden sei. Wenige Tage später erklärten die Franzosen diesen Frieden für unannehmbar; der Krieg begann auf’s Neue. Kurz zuvor war Ambrosio Spinola gestorben; am 18. November (nicht 19. December) erlag Rambold Collalto einer langwierigen, schweren Krankheit. Die Lage der kaiserlichen Truppen in Italien [98] war unerträglich. P. wurde nach Wien entsendet, von wo er noch vor Ausgang des Jahres mit den weitestgehenden Vollmachten zum definitiven Friedensschlusse wieder aufbrach. Nach einem neuerlichen Waffenstillstand kam es am 6. April 1631 zum Frieden von Chierasco, der die Erfolge der kaiserlichen Waffen alle dahingab. Bis zur Durchführung seiner Bedingungen wurden beiderseits Geiseln gestellt; unter ihnen befand sich auch P. – Der Ausblick in die nächste Zukunft war kein erfreulicher. Der eifrigste Protector, den P. bisher gehabt hatte, Collalto, war für immer verloren; unaufhaltsam drangen die Schweden bis in das Herz von Deutschland vor; die kaiserlichen und ligistischen Heere, einer starken, einheitlichen Leitung entbehrend, wichen auf allen Punkten zurück. Kein Wunder, wenn auch P., wie tausend Andere, an Wallenstein dachte und betheuerte, daß er „auf der Welt keinen größeren Trost empfände, als wenn der Herzog von Mecklenburg wieder sein früheres Commando übernähme“, obgleich er zugestehen mußte, daß „Seine Hoheit in der Lage, in der sie sich befindet, eine große Genugthuung empfinden werde, frei von allem Verdrusse, den die gegenwärtigen Verhältnisse ihr bereiten würden, wie sie es sich zum größten Ruhme anrechnen kann, den Unterschied der Erfolge unter ihrem und anderem Commando zu betrachten“. „Ich weiß“, versicherte P., „wie viel ich der Güte und Leutseligkeit jenes Herrn schulde, und bin begierig, dies durch Thaten wahrer Erkenntlichkeit zu bezeugen.“

Bis zum Ende September 1631 blieb P. in Ferrara internirt. Doch auch nach seiner Freigebung beeilte er sich nicht mit der Rückkehr nach Deutschland, trotzdem der Wiener Hofkriegsrath ihn kategorisch hierzu befehligte. In Venedig empfing er die Nachricht von der gänzlichen Niederlage Tilly’s bei Breitenfeld. Dennoch begab er sich noch nach Mailand, um erst im December bei seinen Regimentern, die inzwischen nach Böhmen gezogen worden waren, einzutreffen. Auch Böhmen war zum großen Theil vom Feinde besetzt. Prag und der ganze Nordwesten des Landes befand sich in den Händen der mit Schweden verbündeten Sachsen. In äußerster Bedrängniß wandte sich Ferdinand II. an Wallenstein, der, ausgestattet mit der Autorität eines Dictators, zum zweiten Male sich zur Heeresleitung entschloß und sofort mit aller Energie die Wiederaufrichtung einer Armee in Angriff nahm, größer, mächtiger als zuvor. Die zahlreichen Werbungen von Truppen jeder Waffengattung heischten von selbst die Beförderung aller tüchtigeren Officiere zu höheren Chargen. Die Generale Aldringen, Gallas und (Philipp) Mansfeld wurden zu Feldzeugmeistern und bald darauf zu Feldmarschällen, die hervorragendsten Obersten aber zu Generalwachtmeistern ernannt, nicht weniger als elf an der Zahl: Fürstenberg, Kratz, Merode, Traun, Ilow, Desfours, (Rudolf) Colloredo, Holk, Haraucourt, (Hans Philipp) Breuner und Schaffgotsch. Der unter ihnen allen am sichersten eine solche Rangerhöhung erhofft hatte, P., wurde ihrer nicht gewürdigt. Er mußte sich gefallen lassen, den Befehlen General Holk’s unterstellt zu werden. – Der Däne Heinrich Holk (s. A. D. B. XII, 735 ff.), unter derselben Constellation, im selben Jahre wie der Florentiner P. geboren, war erst im Frühjahr 1630, während des Letzteren Abwesenheit in Italien, von Wallenstein für die kaiserlichen Fahnen gewonnen und vom ersten Augenblick an in jeder Hinsicht vor Anderen ausgezeichnet worden. Dies und die neueste Auszeichnung des „dänischen Günstlings“ empfand P. als eine schwere persönliche Kränkung; er sah sich durch Holk aus einer bevorzugten Stellung verdrängt, die ihm nach seiner Meinung von Rechtswegen zukam. Nur mit dem größten Widerwillen gewann er es über sich, dem glücklicheren Altersgenossen Gehorsam zu leisten. Unter seiner Führung nahm er Theil an der Zurückeroberung der Städte Rackonitz, Saaz, Kralowitz, Jechnitz, Eger und Elbogen. Mit ihm bezog er, während Wallenstein mit der Hauptmacht gegen [99] Gustav Adolf vor Nürnberg lagerte, eine feste Stellung bei Forchheim. Mit ihm brach er von dort am 16. August 1632 zu einem großen Verheerungszug gegen Sachsen auf, während dessen glücklicher Durchführung Holk zum Feldmarschall-Lieutenant avancirte, indessen P. nach wie vor die bescheidene Stellung eines Obersten bekleidete. Der Tag von Lützen war es, der die glänzenden Eigenschaften Holk’s, seine seltene Begabung zum Feldherrn, in das hellste Licht stellte. Doch gab er auch P. Gelegenheit, seine unleugbare Tapferkeit neuerdings an den Tag zu legen. Der officielle Schlachtbericht, der dem Kaiser durch Giulio Diodati, einen vertrauten Landsmann Piccolomini’s, erstattet wurde, wußte mit ganz besonderer Ausführlichkeit die landsmannschaftliche Bravour fast noch mehr zu rühmen als die ausschlaggebenden Verdienste Holk’s. Am 31. December darauf wurde P. vom Kaiser zum Generalwachtmeister ernannt. Am selben Tage aber erwirkte Wallenstein für Holk das Patent eines Feldmarschalls. Seitdem war Holk selbst bei den älteren Marschällen des kaiserlichen Heeres, Gallas und Aldringen, ein vielbeneideter, bei P. entschieden der bestgehaßte Mann.

Zu Beginn des Jahres 1633 fungirte P. als Beisitzer des „Reiterrechts“, das in Prag unter Leitung Holk’s über die feldflüchtigen Officiere und Soldaten der Lützener Schlacht zu Gericht saß. Ihm war bei der Zurüstung zum nächsten Feldzug eine nicht unwichtige Rolle zugedacht. Um so auffälliger muß es erscheinen, wenn er auch jetzt nicht unterließ, über alle Vorkommnisse in Wallenstein’s Umgebung nach Rom zu berichten und z. B. die genauesten Daten über die jeweilige Heeresstärke dahin auszuliefern. Man weiß, daß die päpstliche Politik jener Zeit eine den kaiserlichen Interessen feindselige Richtung verfolgte. P. wurde mit neuen Werbungen in Italien betraut und führte das geworbene Volk im März seinem Auftraggeber zu. Im folgenden April stand er mit 6000 Mann zu Fuß und 2000 Reitern bei Königgrätz, dem Feinde, falls er aus Schlesien in Böhmen einbrechen sollte, die Spitze zu bieten. Im Mai marschirte er mit Wallenstein nach Schlesien. Es ist nun allgemein bekannt, daß es dem kaiserlichen Feldherrn bei diesem Feldzug nicht so sehr um unmittelbare kriegerische Erfolge als vielmehr darum zu thun war, die Kurfürsten von Sachsen und Brandenburg zu einem Separatfrieden zu nöthigen, um sodann, mit ihren Truppen vereint, die Waffen gegen die Schweden zu kehren: eine Kriegspolitik, die auf die Dauer weder in Wien noch in Madrid, am wenigsten aber in München behagen mochte. Die Unzufriedenheit wuchs immer mehr, je weniger greifbare Resultate diese Politik aufzuweisen hatte. Sie wurde von keinem eifriger genährt als von P. Bis in die allerhöchsten Kreise wußte er schon damals – die Beweise liegen vor – mit mehr als schlauer Berechnung das Mißtrauen nicht allein gegen die Befähigung, auch gegen die lautere Gesinnung des Generalissimus zu tragen. Wie schon im J. 1626 in Wallenstein’s Lager eine förmliche Militärverschwörung bestand, als deren Seele Johann Aldringen, als deren zweifellose Tendenz aber die Beseitigung des Herzogs von Friedland vom Commando und dessen Ersetzung durch Collalto zu betrachten war, so ist es feststehende Thatsache, daß in demselben Lager bereits im August des Jahres 1633 eine zweite förmliche Verschwörung angezettelt wurde, deren vielseitige Fäden alle in der Hand Piccolomini’s zusammenliefen, als deren nächster Zweck aber wieder nur der Sturz, und zwar von vornherein der gewaltsame Sturz des Friedländers zu Gunsten König Ferdinand’s III., des kaiserlichen Thronerben, bezeichnet werden muß. Es ist hier nicht der Raum, jene Fäden zu entwirren. Der Ausgang der Verschwörung ist kein Geheimniß. Den Verschwörern zu gelegenster Zeit starb Holk – nach seiner eigenen Aussage an Gift. Ihm zuvor war Prinz Ulrich von Dänemark in dem Augenblicke, da er [100] als sächsischer Unterhändler einer Beredung der Friedensbedingungen mit Wallenstein’s Vollmachtträgern im offenen Felde beiwohnte, mit wohlberechneter Absicht – auch hierfür stehen die Beweise zu Gebote – meuchlings ermordet worden. P. selbst wich kaum mehr von der Seite Wallenstein’s, der ihm allmälig wieder das vollste Vertrauen schenkte und zu den wichtigsten, geheimnißvollsten Geschäften sich vorzüglich seiner Mithilfe bediente, wie er denn schon im October 1633 seine Bestallung zum General der Cavallerie erwirkte. Es ist ein sonst sehr unterrichteter Zeitgenosse, der zu erzählen weiß, es habe Wallenstein, vom Grafen Trczka, seinem Schwager, ermahnt, dem ihm verdächtigen P. nicht allzuviel Vertrauen zu schenken, mit der Beruhigung geantwortet, es sei unmöglich, daß P. an ihm zum Verräther werde, denn „er habe in dessen Nativität eine derartige totale Uebereinstimmung der Genien, der Planeten und ihrer Einflüsse mit seiner eigenen entdeckt, daß es den Anschein gehabt, als wäre Beider Horoskop nur einer einzigen Person gestellt gewesen“. – Die Officiere Buttler, Gordon, Leslie und viele Andere waren von P. gewonnen, als er am 12. Januar 1634 mit den meisten übrigen Regimentscommandanten den bekannten ersten Pilsener Schluß unterzeichnete, durch den dieselben „bis zum letzten Blutstropfen“ bei dem Herzog-Generalissimus auszuharren gelobten. Seine Meldungen hierüber an den Wiener Hof führten unmittelbar zur Absetzung des Feldherrn. In Folge seiner directen Einflußnahme wurde gegen Wallenstein der ausdrückliche Befehl erlassen, „sich seiner lebendig oder todt zu bemächtigen“. Gleichzeitig mit diesem Befehl empfing P. hinter Wallenstein’s Rücken den Marschallsstab. Nach seinen, Piccolomini’s, Instructionen handelten Buttler und Genossen in der Nacht des 25. Februars 1634. Es wird erklärlich, wie man aus Eger nach Wien berichten konnte, „daß die Hauptrebellen zu denjenigen Obristen, welche sie niedergemacht, ein sehr großes Vertrauen gesetzt hatten“. – Die Summe von hunderttausend Gulden und die sehr ansehnliche böhmische Herrschaft Nachod waren außer der Marschallswürde die „Gnadengabe“, mit welcher P. für seine „guten Dienste“ abgefunden wurde.

Die Mörder Wallenstein’s feierten einen großen Triumph in dem großen Siege der vereinigten spanisch-kaiserlichen Heeresmacht bei Nördlingen (5. und 6. September 1634), an dem sich auch P. hervorragend betheiligte. Und dennoch zeigte sich’s, wie der Ermordete vorhergesagt, nur allzu deutlich, daß, „wenn der Kaiser auch zehn victorias würde erhalten, doch nichts gewonnen sei“. Man schloß, wie Wallenstein gewollt, einen Separatfrieden mit Sachsen, allein es fehlte der Mann, der den Vortheil zu nützen das Verständniß und die Kraft hatte. Seine Schüler hatten ihm allerdings manchen taktischen Kunstgriff abgelernt, der sie befähigte, zuweilen einen größeren oder geringeren Augenblickserfolg zu erringen: strategisches Genie, politischen Scharfblick besaß nicht Einer, auch nicht P., zu allerletzt aber derjenige, der als Generallieutenant zunächst mit der obersten Heeresleitung betraut war, Matthias Gallas (s. A. D. B. VIII, 320 ff.). Mit wechselndem Glück zog sich der Krieg immer mehr in die Länge. Die Betheiligung der Spanier führte, wie gleichfalls Wallenstein wiederholt ernstlich gewarnt hatte, nur dazu, daß „Frankreich und andere aemuli sich auch darein mischten“. Es scheint, daß P., der unter Gallas über den Rhein nach Frankreich vordrang und bei dieser Gelegenheit eine große Anzahl Städte zur Uebergabe nöthigte, die Unzulänglichkeit seines neuen Oberfeldherrn sehr wohl erkannte und sich deshalb bei Zeiten nach einem anderen Schauplatz seiner Thätigkeit umsah. Mit Begierde nahm er das Erbieten Spaniens an, einen Succurs von 12 000 Mann nach den Niederlanden zu führen (1635). Mit den Spaniern vereinigt, zwang er Franzosen und Holländer (4. Juli), die Belagerung von Löwen aufzuheben und sich auf Roermonde zurückzuziehen. Dagegen [101] blieben seine Versuche auf die Schenkenschanze, auf Hesdin und Pont à Mousson erfolglos. Er war im nächsten Jahre nach vielen Anstrengungen bemüßigt, von der Belagerung Lüttich’s wieder abzulassen; ein Vormarsch an die nordfranzösische Grenze änderte nichts an der Lage der Dinge. Und so schwankte die Wage Jahr um Jahr. In unzähligen Scharmützeln wurden Ströme Blutes vergossen. Inwieweit die Klage Piccolomini’s, es hätten ihm Uebelwollen und Eifersucht der königlich spanischen Generale und Diplomaten jede entscheidende Waffenthat vereitelt, als begründet anzusehen, muß dahingestellt bleiben. Auffallend erscheint, daß P. nach Ferdinand II. Tode zweimal um seine Erhebung in den Grafenstand einkommen mußte, bevor ihm dieselbe mit kaiserlicher Entschließung vom 19. Juni 1638 zugestanden wurde. Eine neue Rangerhöhung stand ihm bevor. Das Glück, das ihn bisher geleitet hatte, stellte ihm in dem nächsten Jahre einen feindlichen Feldherrn gegenüber, der von Haus aus aller und jeder kriegerischen Befähigung vollständig entbehrte; man kennt ihn aus den Verhandlungen Richelieu’s mit Wallenstein im Frühjahr 1633: Manasses de Pas Marquis de Feuquières. Als diplomatischer Agent eben nicht von Triumphen begleitet, besaß er den Ehrgeiz, den Lorbeer mit dem Degen erkämpfen zu wollen. Er lag mit einer stattlichen Armee vor Diedenhofen (Thionville), als P. zum Entsatz dieser wichtigen Festung heranzog. Der Belagerer versäumte die einfachsten, nothdürftigsten Vorsichtsmaßregeln und wurde so mit überlegenen Streitkräften plötzlich von allen Seiten angegriffen und nach kurzem Widerstande auf’s Haupt geschlagen (7. Juli 1639). P. selbst schätzt den Verlust des Gegners auf 5–6000 Todte und 3000 Gefangene. Unter diesen befand sich, schwer verwundet, auch Feuquières, der bald darnach seinen Wunden erlag. Durch diesen namhaften Sieg, den er mit eigener Hand erfocht, erreichte P. den Gipfel seines Kriegsruhms; er wurde ihm von zwei Monarchen reichlich gelohnt. Der Kaiser ernannte ihn zu seinem Wirklichen Geheimen Rathe und ließ ihm nach dem Tode Feuquières’ als „Ranzion“ die Summe von 34 000 Gulden auszahlen; der König von Spanien verlieh ihm das angeblich schon einem seiner Vorfahren gehörig gewesene Herzogthum Amalfi, dessen Namen er in Zukunft führte.

Indessen waren auf dem deutschen Kriegstheater unter Gallas, dem „Heerverderber“, die Verhältnisse gekommen, wie sie kommen mußten. An Gallas’ Stelle trat ein neuer Befehlshaber; die Wahl fiel auf den kriegslustigen, keineswegs aber besonders fähigen Erzherzog Leopold Wilhelm, zu dessen Verstärkung P. mit seinen Truppen zurückberufen wurde. Bereits am 5. September 1639 verständigte diesen der Erzherzog, daß ihm der Kaiser „das Generalcommando über deroselben Hauptarmada gnädigst aufgetragen“, mit dem dringenden Ersuchen, alsbald zu ihm zu stoßen. Mit großem Widerstreben und erst nach langem Zögern gehorchte P.; er hatte ohne Zweifel nichts Geringeres als das selbstständige Obercommando für sich erwartet. Erst am 5. December traf er, ohne Truppen, zu Prag im erzherzoglichen Lager ein. Drei Jahre lang war er nunmehr die Seele der kaiserlichen Kriegführung – einer unglücklichen Führung. Der Feldzug des Jahres 1640 gegen Johann Banèr begann mit der Eroberung von Königgrätz durch P. (1. März). Banèr wurde durch die Ueberzahl seiner Feinde aus Böhmen gedrängt, doch ohne daß ihm weiterhin ein nennenswerther Vortheil hätte abgerungen werden können. Dreimal – bei Saalfeld, Vacha und Fritzlar – lagen die feindlichen Heere in verschanzten Lagern unter den größten Entbehrungen einander gegenüber; Schlacht wurde keine gewagt. Durch die vormals Weimarische Armee unter Guébriant verstärkt, eröffnete Banèr 1641 schon im Januar wieder die Feindseligkeiten durch einen Angriff auf Regensburg, den nur ein Zufall vereitelte. Er wendete sich gegen Cham, um neuerdings in [102] Böhmen einzubrechen, was P. trotz der Einnahme von Neuenburg nicht hindern konnte. General Geleen, der ligistische Feldherr, nahm keinen Anstand, P. wegen seines Aufenthaltes vor Neuenburg eines groben Versäumnisses zu beschuldigen, in Folge dessen die sonst sichere Vernichtung Banèr’s hintertrieben worden sei. Ein Zweikampf mußte vom Kaiser persönlich untersagt werden. Banèr starb bald nachher; das führerlose Heer empörte sich; die Gelegenheit wurde von P. nicht genützt. Er und der Erzherzog zögerten so lange, bis die feindlichen Reihen wieder gestärkt und geeinigt waren, und sahen sich nach einem blutigen, doch unrühmlichen Treffen vor Wolfenbüttel (29. Juni) zum Rückzuge genöthigt. Banèr’s Nachfolger war Linnard Torstensson. Ihm war ein P. nicht gewachsen, auch nicht in Verbindung mit Leopold Wilhelm. Die Kriegsgeschichte hat hierüber längst ihr Urtheil gefällt. Auch in den Jahren 1641–42 fehlte es nicht an mancherlei Vortheilen auf Seite der Kaiserlichen – jedes Schulbuch zählt sie auf: – sie gingen alle und nicht sie allein bei Breitenfeld (2. November 1642) durch eine der schwersten Niederlagen des ganzen langen Krieges gründlich verloren. Erzherzog Leopold Wilhelm und P. legten ihr Commando nieder – Gallas nahm wieder ihre Stelle ein.

P. ging nach Spanien, wo er im October 1643 eintraf. Hier wurde ihm bei seinem ersten Empfang zugleich mit dem Goldenen Vließ die Würde eines Granden zu Theil: Belohnungen von vornherein. Seine Bestimmung war selbstverständlich der niederländische Boden. Widrige Umstände verhinderten seine Ankunft daselbst bis zum Mai 1644. Mehr als zwei Jahre focht er dort wieder für die spanische Sache. Fast seine ganze Thätigkeit ging darin auf, den Fall des hartbedrängten Dünkirchen zu verhüten; vergebens. Auch dieses Bollwerk fiel in französische Hände (11. October 1646). Da hatte in Deutschland General Gallas bereits seine zweite Abdankung erhalten, ohne daß damit dem Kaiser geholfen gewesen wäre. Eben wurde zum dritten Male mit Gallas wegen Uebernahme des Oberbefehls verhandelt und P. beauftragt, ihm zu secundiren. Gallas nahm an (11. December), allein P. erschien nicht; es fehlte nicht an Ausflüchten, ohne geradezu den Gehorsam zu verweigern, die Reise wieder und wieder hinauszuschieben. Gallas verließ das Heer für immer und starb. Am 3. Mai 1647 erhielt statt seiner Peter Melander Graf Holzappel das „Generalcommando über alle Ihrer kaiserlichen Majestät Armaden“. – P. sah sich bitter enttäuscht. Und dennoch sollte er noch das höchste Ziel seiner soldatischen Wünsche erreichen. Wenige Tage nach der Affaire von Zusmarshausen, am 28. Mai 1648, empfing P. mit der Bestallung als Generallieutenant den ersehnten alleinigen Oberbefehl über die kaiserliche Armee. Ihm war es beschieden, den letzten Feldzug des unseligen „großen deutschen Krieges“ an der Spitze der „katholischen“ Waffen auszufechten – Dank der kräftigen Mithilfe des wackeren Johann v. Werth nicht ohne thatsächlichen Waffenerfolg, doch auch nicht ohne die Schwierigkeiten sattsam kennen zu lernen, die mit der Stellung eines kaiserlichen Generalissimus gegenüber dem Oberhaupt der katholischen Liga verbunden waren. Baiern war von den siegreichen verbündeten Schweden und Franzosen unter Wrangel und Turenne überschwemmt; eine Diversion nach Böhmen sollte die Reichsarmee dahin ablenken. Der Kaiser verlangte schleunige Hilfe für Böhmen; Kurfürst Maximilian bestand auf der Abmachung einer sofortigen Action mit gesammter Macht zur Säuberung Baiern’s von den Feinden. Als darum P. eine Heeresabtheilung gegen Böhmen dirigirte – Prag war bedroht – und so geschwächt nur langsam gegen die Verbündeten vorrückte, wurde er wegen „dergleichen eigenthätigen resolutiones“ mit den schwersten Vorwürfen und Kränkungen überhäuft. Allein der Hunger zwang die Feinde, das Land zu räumen; sie zogen gegen Donauwörth, während P. bei Ingolstadt die Donau übersetzte. Auf dem [103] Marsch nach Cham ereilte ihn am 8. November die Nachricht von dem Abschlusse des Friedens. – P. war es, der berufen wurde, den Vollzug der Friedensbedingungen zunächst in Prag mit den gegnerischen Commissären zu bereden. Er war der kaiserliche Principal-Commissarius zum Friedens-Executions-Convent zu Nürnberg, der am 5. October 1650 seinen feierlichen Abschluß fand. Drei Tage später unterzeichnete der Kaiser ein Schreiben – „dem Fürsten“ P. Der Reichspfennigmeister wurde angewiesen, ihm an „jüngsthin zu Nürnberg geführten Spesen“ den Betrag von 114 566 Gulden auszuzahlen. – Ein Jahr darnach entschloß sich P. zur Ehe; seine Gemahlin war Benigna Francisca, Tochter des Herzogs Julius Heinrich von Sachsen-Lauenburg. Die Ehe blieb kinderlos. P. starb am 11. August 1656. Da die Söhne seines Bruders Aeneas sämmtlich vor ihm verstorben waren, beerbte ihn dessen Enkel gleiches Namens. Mit dem Enkel Aeneas’ des Jüngeren, Octavio Aeneas Josef, erlosch im Jahre 1757 das Geschlecht P.

Nach Urkunden der kaiserl. Archive zu Wien und zahlreicher Privatarchive.