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ADB:Schöner, Johannes

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Artikel „Schöner, Johann“ von Siegmund Günther in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 32 (1891), S. 295–297, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Sch%C3%B6ner,_Johannes&oldid=- (Version vom 28. Oktober 2024, 23:05 Uhr UTC)
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Schöner: Johann S., Astronom und Geograph, geboren am 16. Januar 1477 zu Karlsstadt in Unterfranken, † an seinem Geburtstage 1547 zu Nürnberg, Vater des vorgenannten Andreas S., dessen Name schon von Doppelmayr richtig, sonst aber – der lateinischen Form Schonerus wegen – sehr häufig irrthümlich Schoner geschrieben wird, erhielt seine gelehrte Bildung zu Nürnberg bei einem Magister Daniel Schmidt, Pfarrer der Frauenkirche, und studirte sodann an der damals durch ihre Humanisten berühmten Universität Erfurt Philosophie und Theologie. Ob er ebendort, wie sein Commilitone Martin Luther, in den geistlichen Stand getreten, ist ungewiß, doch hatte er zweifellos die Priesterweihe empfangen, denn schon zu Anfang des 16. Jahrhunderts begegnet er uns als Caplan bei St. Jacob in Bamberg, nachdem er zuvor bei Bernhard Walther in Nürnberg († 1504) sich mit der praktischen Astronomie vertraut gemacht hatte. Wissenschaftliche Arbeiten, von denen wir gleich hören werden, machten Schöner’s Namen bekannt, und da derselbe auch die Vorsicht gebraucht hatte, eines seiner Werke dem Nürnberger Magistrate zu widmen, so wurde dieser auf ihn aufmerksam und berief den fast Fünfzigjährigen, als Melanchthon das Gelehrtenschulwesen Nürnbergs neu organisirt hatte, im J. 1526 als Professor der Mathematik an das Gymnasium. Er folgte dem Rufe und schloß sich gleichzeitig der Reformation an, denn unmittelbar nach seiner Uebersiedlung trat der bisherige Priester in den Stand der Ehe, und schon 1528 wurde ihm ein Sohn Andreas (s. d. vor. Art.) geboren. Nahezu 20 Jahre hat S. seinen Posten bekleidet, und zwar allen Nachrichten nach mit vielem Erfolg, denn es wird ausdrücklich berichtet, daß, als in den dreißiger Jahren die Studienanstalt ihre meisten Schüler verlor und ihre besten Lehrer mißmuthig fortziehen sah, für die mathematische Lectur es nie an Zuhörern gemangelt habe. Der Sohn Andreas gibt ihm das Zeugniß, daß er Wissenschaft und Lehre mit dem ausdauerndsten Eifer gepflegt habe, und gleicherweise sagt Irenicus in seinem „Lob des Frankenlandes“ von S.: „Magno cum labore Noribergae provehit mathematica“. Erst 1546 trat derselbe in den Ruhestand, dessen er sich nicht lange mehr erfreuen sollte.

Schöner’s erste Arbeiten gehörten der Geographie an. Schon 1515 ließ er eine „Luculentissima terrae totius descriptio“ zu Nürnberg erscheinen, und eben um diese Zeit begann er mit der Verfertigung künstlicher Erdkugeln, bei [296] der ihn sein Gönner Johann Seyler, ein angesehener Bamberger Bürger, durch Geldhilfe unterstützte. Der größte dieser Globen, den er 1520 fertigstellte, befindet sich noch gegenwärtig in der Stadtbibliothek zu Nürnberg und besitzt, wie die Untersuchungen verschiedener Forscher (s. u.) dargethan haben, entschiedene Bedeutung für die Geschichte der Entdeckungen. Insbesondere ist darauf das südamerikanische Festland durch eine im wesentlichen richtig gezeichnete Meerenge von einem antarktischen Lande, das „Brasilia inferior“ heißt, getrennt; wenn man sich vergegenwärtigt, daß die wirkliche Durchfahrt zwischen Patagonien und dem Feuerlande von Magellan erst am 21. October desselben Jahres entdeckt worden ist, in welchem S. mit seinem Globus hervortrat, so scheint man allerdings vor einem Räthsel zu stehen. Wieser aber hat durch umsichtiges Quellenstudium nachgewiesen, daß S. aus einer Flugschrift, die schon vor 1515 als „Newe Zeytung aus Presillg-Landt“ erschienen war und von den portugiesischen Fahrten nach Südamerika erzählte, die Nachricht von einer solchen Meerstraße geschöpft habe, die jedoch schwerlich die wirkliche Magellanstraße, sondern wahrscheinlich nur die mit einem Durchpaß verwechselte Mündung des La Plata-Stromes gewesen ist. Ebenfalls Wieser zeigte, daß bereits in dem oben erwähnten geographischen Schriftchen eine solche Wasserverbindung zwischen Atlantischem und Großem Ocean erwähnt ist, und endlich glückte ihm noch der Nachweis, daß ein zur Hauslabschen Sammlung gehöriger Erdglobus, der dieselbe Meerenge verzeichnet und außerdem erstmalig für den neuen Erdtheil die Benennung „Amerika“ aufweist, schon 1515 von unserem S. ausgeführt worden ist, während man früher hinsichtlich der Autorschaft durchaus im unklaren war. Aus Schöner’s späterer Zeit sind ebenfalls noch Erd- und Himmelsgloben vorhanden, welche er in zwei kleinen 1533 zu Nürnberg edirten Schriften beschrieb.

Seine schriftstellerische Thätigkeit als Astronom eröffnete S. im J. 1515 mit dem gnomonischen Tractate „Horarii cylindri canones“ (Anweisung, Sonnenuhren auf einem Zylindermantel zu zeichnen), und ebenso ließ er noch in Bamberg einen Lehrbegriff der Kirchenrechnung drucken, worin er auch die damals schon sehr brennend gewordene Frage der Kalenderverbesserung behandelte. In Nürnberg ließ er es sich vornehmlich angelegen sein, die ihm von den Relicten seines einstigen Lehrers Walther (s. d.) überlassenen Schriften des Regiomontanus für die Oeffentlichkeit zu bearbeiten; 1532 gab er dessen die Begründung einer wissenschaftlichen Kometenkunde in sich schließenden „Problemata XVI de cometae (1472) magnitudine longitudineque ac de loco ejus vero“ heraus, 1533 den für die Geschichte der Buchstabenrechnung bedeutsamen „Algorithmus demonstratus“, den allerdings Joh. Müller nicht selber verfaßt, sondern nur aus Wiener Handschriften zusammengestellt hatte, und in gleichem Jahre sowohl die Abhandlung über die Erdbewegung („An Terra moveatur an quiescat, Joannis de Monteregio disputatio“), worin sich übrigens der berühmte Verfasser gegen eine etwaige Achsendrehung völlig ablehnend verhält, als endlich noch das erste modern gehaltene Handbuch der Trigonometrie (Regiomontan’s „De triangulis omnis modi libri quinque“). Eine Reihe anderer Schriften von Regiomontan, Walther und Georg Peurbach verließ 1544 die Presse unter nachstehendem Titel: „Scripta clarissimi mathematici M. Joannis Regiomontani de torqueto, astrolabio armillari, regula magna Ptolemaica baculoque astronomico ex observationibus cometarum aucta necessariis Joannis Schoneri, Carolostadii, additionibus; item observationes motuum solis ac stellarum tam fixarum quam erraticarum; item libellus M. Georgii de quadrato geometrico“.

Aus Schöner’s eigener Feder sind ferner von rein-astronomischen Schriften besonders die „Aequatorii astronomici omnium fere uranicorum theorematum explanatorum canones“ (Bamberg 1524) hervorgegangen. Späterhin gehörte [297] seine Neigung vorwiegend der Astrologie, über deren verschiedene Zweige er 1539 und 1540 Monographien verfaßte, auch ist ihm die Veröffentlichung von Werner’s „Canones de judiciis aurae“ – einem sehr merkwürdigen Versuche, die Meteorologie auf Gestirnseinwirkungen zu begründen – zu verdanken. Zu dem systematischen und sehr verdienstlichen Lehrbegriff der Sonnenuhrkunde, den Andreas S. späterhin publicirte (s. o.), hat er einzelne Materialien ebenfalls der Verlassenschaft des Verf. entnommen; aus letzterer gab dann der jüngere Schöner „Opera mathematica Johannis Schoneri“ heraus, die im ganzen 16 theils schon früher veröffentlichte theils noch unbekannte Schriften des thätigen Mannes enthalten. Dessen Name ist auch unlöslich verknüpft mit den berühmten „Revolutiones orbium coelestium“ des Coppernicus; als nämlich Rheticus in Nürnberg Verhandlungen wegen des Druckes obigen Werkes angeknüpft hatte, gelang es ihm, Osiander und S. als Beaufsichtiger der Arbeit zu gewinnen, und wenn auch der ersten dieser beiden, ein in unaufhörliche Streithändel verwickelter Theologe, sich um das Werk nur in der zweifelhaften Weise verdient machte, daß er diesem eine wenig würdige Einleitung vorsetzte, so kommt dafür zweifellos seinem Gefährten der Ruhm zu, die Vollendung des Fundamentalbuches der neueren Astronomie überwacht, ja erst ermöglicht zu haben. Es ist sehr wahrscheinlich, daß S. bei dieser Thätigkeit und unter dem Einflusse seiner mit Rheticus gepflogenen Unterredungen selbst zu einem überzeugten Anhänger der Lehre geworden ist, über welche er sich in seiner Erstlingsschrift noch mit sehr spöttischen Worten geäußert hatte.

Doppelmayr, Historische Nachricht von den Nürnbergischen Mathematicis und Künstlern, Nürnberg 1730. S. 43 ff. – Zedler, Großes vollständiges Universallexikon aller Wissenschaften und Künste, 35. Band, Leipzig-Halle 1743. Sp. 991. – A. de Varnhagen, Jo. Schoener e P. Apianus influencia de om e outro e de varios de seus contemporaneos na adopcao do nome America, Wien 1872. – F. Wieser, Magalhaes-Straße und Austral-Continent auf den Globen des Johannes Schoener, Innsbruck 1881. – L. Prowe, Nicolaus Coppernicus, 1. Band, 2. Theil, Berlin 1883. S. 390 ff. 428 ff. 514 ff.