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ADB:Sedulius

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Artikel „Sedulius“ von Ernst Ludwig Dümmler in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 34 (1892), S. 776–778, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Sedulius&oldid=- (Version vom 2. November 2024, 18:24 Uhr UTC)
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Sedulius **): S., gewöhnlich Scottus,, d. h. der Ire, genannt, zur Unterscheidung von dem alten christlichen Dichter Sedulius, lebte und wirkte um die Mitte des 9. Jahrhunderts und ist uns, obgleich ein vielseitiger und fruchtbarer Schriftsteller, durch kein Zeugniß eines Zeitgenossen, sondern lediglich aus seinen eigenen Schriften bekannt. Aus Irland stammend, trat er gleich so vielen seiner Landsleute die Pilgerschaft nach dem Festlande an und gelangte mit zwei [777] anderen gelehrten Priestern seines Volkes an den Hof des gütigen Bischofs Hartgar von Lüttich (840–854), der ihm und seinen Gefährten gastliche Aufnahme gewährte. Nach der Vermuthung Traube’s wäre dies im J. 848 geschehen, im Anschluß an eine irische Gesandtschaft, welche damals nach einem Siege über die Normannen zu König Karl dem Kahlen sich begab. S, verweilte jedenfalls wohl mindestens zehn Jahre in Lüttich als Lehrer an der Domschule zu St. Lambert, wie man annehmen darf. Mit ihm auch noch andere seiner gelehrten Landsleute, von denen er Dermoth begrüßt und später das Viergespann Fergus, Blandus, Marcus, Beuchell. Er erlebte in Lüttich zwei Reisen des als Wohlthäter von ihm viel gepriesenen Bischofs Hartgar nach Rom und dessen Tod, doch stand er auch zu seinem Nachfolger Franko (854–901) in freundlichen Beziehungen. Er sah einen Besuch Kaiser Lothar’s in Lüttich 854 und eine Zusammenkunft seiner Brüder und neben den fränkischen Herrschern selbst besang er auch Lothar’s I. Gemahlin Ermingard und seine Tochter, die Aebtissin Bertha von Avenay, sowie den kaiserlichen Schwager Markgrafen Eberhard von Friaul, einen gefeierten Helden, dem er in Hartgar’s Auftrage ein Exemplar von der Kriegskunst des Vegetius zu überreichen hatte. Von andern Gönnern des S. tritt besonders noch der Bischof Gunthar von Köln (850–863) hervor, trotz seiner Vergehungen unzweifelhaft ein feingebildeter Mann und Gönner der Studien, bei dem er sich vielleicht zeitweise aufhielt, ferner Adventius von Metz (seit 858) und Leutbert von Münster. Ueber Sedulius’ weitere Schicksale bleiben wir völlig im Unklaren: wir wissen nicht, ob er länger als bis 858 etwa in Lüttich verweilt hat, wo die von ihm gegründete Schottencolonie auch später unter Franko noch erwähnt wird, oder ob er etwa seine Pilgerschaft nach Mailand fortgesetzt hat. Von hier wenigstens gibt es Gedichte völlig in seiner Art und irischen Ursprunges an den Kaiser Lothar, an dessen Schwager Leodfrid und an die Erzbischöfe Angelbert II. (824–860) und Tado (860–868), die mindestens seiner Schule (wenn nicht ihm selbst) angehören müssen. Der Umstand, daß er einem jungen karolingischen Könige einen Fürstenspiegel widmete, ist für sein Leben deshalb schwer zu verwerthen, weil wir nicht wissen, welcher Herrscher gemeint ist: am wahrscheinlichsten Lothar II. (855–869), weil der Angeredete ein König war und Karl d. Gr. sowie Ludwig d. Fr. bereits unter die Verstorbenen gezählt werden. S. war übrigens kein der Welt völlig abgestorbener Asket, er liebte und besang erlaubte Genüsse, wie den Becher und das Hammelfleisch. Seine Gedichte behandeln nur selten geistliche Gegenstände, sind vielmehr zum großen Theile seinen persönlichen Beziehungen gewidmet. Die an Mitglieder des Königshauses und seine bischöflichen oder andern Gönner gerichteten fließen von übertriebenen Schmeicheleien über, in deren Ausdruck er sich öfter wiederholt und erinnern bisweilen an Bettelbriefe. An dem den Dichtern eigenen Selbstgefühle gebrach es dem Vergil von Lüttich keineswegs, auch zeigt er einen gewissen Humor. S. besaß eine für seine Zeit erstaunliche Gelehrsamkeit, vor allem die im Frankenreiche ganz verschollene, damals fast nur bei einzelnen irischen Gelehrten vorkommende Kenntniß des Griechischen, für welche, abgesehen von andern auf ihn und seinen Kreis zurückgehenden Handschriften, namentlich ein von seiner Hand geschriebener griechischer Psalter in Paris zeugt. Von seinen, gleichfalls Kunde des Griechischen verrathenden, grammatischen Schriften ist nur der Commentar zur ars Euticii gedruckt, der vielleicht noch in seine frühere irische Zeit zurückreicht, ungedruckt die Commentare zu Priscian und Donat. Von seinen streng sachlich gehaltenen theologischen Schriften besitzen wir sein Collectaneum zu den Paulinischen Briefen und einige kürzere Erklärungen, während das umfangreichere Collectaneum zum Matthäus nur handschriftlich überliefert wird. Die interessanteste seiner Schriften ist für uns der schon genannte [778] „Fürstenspiegel“ in 20 Capiteln, in dem er nach dem Muster der Cons. philos. des Boetius die prosaische Rede durch Gedichte unterbricht, die sich ihrem Inhalte nach ganz eng daran anschließen. Unter den Quellen, aus welchen er seine Beispiele entlehnt, sind die Scriptores historiae Augustae bemerkenswerth. Der Inhalt hat nur wenig Beziehung auf bestimmte gegebene Verhältnisse: Begünstigung der Kirche tritt stark in den Vordergrund der Ermahnungen. Eine deutliche Einsicht in den Umfang von Sedulius’ Belesenheit gewährt uns eine große Excerptensammlung in Cues, herausgegeben von Jos. Klein (Ueber eine Handschrift des Nicolaus von Cues, Berlin 1866), als deren Urheber Traube denselben unzweifelhaft nachgewiesen hat.

Die in einer früher Cusaner, jetzt Brüßler, Handschrift erhaltenen Gedichte des Sedulius, auf welche Pertz zuerst hinwies, gab zum erstenmal vollständig und kritisch L. Traube heraus, Poetae latini Carolini III, 151–237, nachdem die meisten schon vereinzelt an andern Orten gedruckt waren. Er vereinigte damit die Verse des Fürstenspiegels und die von Hagen entdeckten Mailänder Gedichte aus der Schule des Sedulius. Die vorher von andern nur genannte Schrift De regimine principum veröffentlichte zuerst Angelo Mai (Spicileg. Roman. VIII), 1–69, das Commentariolum in artem Euticii grammatici Hagen, Anecdota Helvetica 1–38, die theologischen Schriften, soweit sie gedruckt sind, stehen bei Migne, Patrol. cursus complet. CIII, wo auch der Fürstenspiegel wiederholt wird. Statt der früheren Arbeiten über S. von Dümmler, Pirenne, Ebert, u. s. w. darf jetzt allein auf Traube’s Schrift O Roma nobilis (München 1891 aus den Abhandl. der bayr. Akad. I. Cl. XIX. Bd.) verwiesen werden, woselbst (S. 338–371) nicht nur alles frühere, was wir von ihm zu wissen glaubten, zusammengefasst ist, sondern auch aus handschriftlichen Studien die wesentlichsten Ergänzungen hinzugefügt werden, die nur durch neue Funde auf diesem Wege noch vervollständigt werden könnten.

[776] **) Zu Bd. XXXIII, S. 552.