ADB:Seebeck, Thomas Johann

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Artikel „Seebeck, Thomas Johann“ von Ludwig Stieda in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 33 (1891), S. 564–565, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Seebeck,_Thomas_Johann&oldid=- (Version vom 19. April 2024, 19:56 Uhr UTC)
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Seebeck: Thomas Johann S., namhafter Physiker, wurde am 29. März (9. April) 1770 als Sohn eines wohlhabenden und angesehenen Kaufmanns in Reval (Esthland) geboren. Nachdem er das Gymnasium seiner Vaterstadt verlassen hatte, wandte er sich zuerst nach Berlin, dann nach Göttingen, um Medicin zu studiren: schon früh fühlte er sich zu den Naturwissenschaften hingezogen. In Berlin hörte er die Vorlesungen an dem damaligen medicinisch-chirurgischen Collegium, in Göttingen besuchte er die Vorlesungen bei Blumenbach, Lichtenberg, Richter u. a. Den Plan, sich der Praxis zu widmen, gab er bald auf; er beschloß, sich ganz der Wissenschaft hinzugeben. Er zog nach Baireuth, verheirathete sich im J. 1795 mit einer Tochter des markgräflich ansbachischen Hofkammerraths Boye und beschäftigte sich mit wissenschaftlichen Studien. Im J. 1802 erwarb er sich in Göttingen den Grad eines Doctors der Medicin und siedelte nach Jena über, veranlaßt durch die Vereinigung bedeutender Männer, die zu Anfang des Jahrhunderts daselbst noch bestand. Hier kam S. in Berührung mit Knebel, Schelling, Hegel, Griesbach, Oken, Loder, Ritter und vor allem mit Goethe, dessen Gast er oft in Weimar war. Bei dieser Gelegenheit hielt er dem Großherzog und den Personen des Hofes Vorträge über die Fortschritte der Physik, über Galvanismus u. a. m. An Goethe’s Farbenlehre hat S. regen Antheil genommen. Im Jahre 1810 wandte sich S. wieder nach Baireuth, wo er in einem Hause mit Jean Paul lebte, dann ließ er sich 1812 in Nürnberg nieder. Hier machte er die bedeutendsten seiner Entdeckungen auf dem Gebiete der Optik; hier verlebte er genußreiche Tage im Kreise seiner Familie und seiner Freunde, zu denen Hegel, Merkel, Schweigger u. a. gehörten. Im J. 1812 war S. zum correspondirenden Mitgliede der Akademie der Wissenschaften zu Berlin erwählt worden, am 26. November 1818 wurde er zum ordentlichen Mitglied ernannt und verlegte infolge dessen seinen [565] Wohnsitz nach Berlin, um unbehindert von allen äußeren Ereignissen des Lebens sich der wissenschaftlichen Forschung hinzugeben. Seit 1823 begann er zu kränkeln und am 10. December 1831 erlag er im 62. Jahre seinen Leiden. „Ein feuriger Sinn für die Wissenschaft, der auch fremdes Verdienst bereitwillig anerkannte, ein entschiedener männlicher Charakter, und ein würdevolles Aeußere, das in Gestalt und Haltung an den, ihm wenige Monate später nachfolgenden Dichtergreis erinnerte, waren die seltenen Gaben, mit welchen die Natur einen Mann ausgerüstet hatte, der zwar von Freunden und Gelehrten hochgeschätzt worden ist, im weiten Publicum aber nie jene Berühmtheit genossen hat, zu welcher Lehramt und Schriftstellerei, zwei von ihm nicht betretene Wege, bisweilen nur allzu wohlfeil verhelfen“ (Poggendorff). – S. beschäftigte sich zu Anfang seiner selbständigen Thätigkeit insbesondere mit Versuchen, die die Volta’sche Säule betreffen; doch hat er hierüber nichts veröffentlicht. Bald aber wandte er sich ganz der Optik zu; vielleicht ist es gerade das Verhältniß zu Goethe, das hierzu Veranlassung bot. S. suchte die Wirkungen farbiger Beleuchtung zu ergründen und studirte die physikalischen wie chemischen Wirkungen des Lichts (Wirkung farbiger Beleuchtung in Goethe’s „Zur Farbenlehre“ II); ferner gehören hierher eine Reihe Abhandlungen, die in Schweigger’s Journal für Chemie und Physik 1811–1814 gedruckt sind. Im Anschluß an die Entdeckung der Polarisation des Lichts durch Malus (1808) untersuchte S. das Verhalten des Glases im polarisirten Licht; dabei gelang es ihm am 21. Febr. 1813 die sogenannten entoptischen Figuren zu sehen. Er ermittelte auch (1814), daß der Spannungszustand des Glases eine der nothwendigsten Bedingungen zum Entstehen dieser Figuren ist. Die Akademie der Wissenschaften zu Paris ertheilte ihm daher die Hälfte des für 1816 ausgesetzten Preises von 3000 Frcs. Schließlich ist hervorzuheben, daß S. der Entdecker des Thermo-Magnetismus oder der Thermo-Elektricität ist. Im J. 1822 machte S. der Akademie die Anzeige, „daß heterogene Metalle, namentlich Wismuth und Antimon, für sich ohne alle Feuchtigkeit, zum Kreise geschlossen, bloß vermöge einer Temperaturdifferenz an den Berührungsstellen magnetische Eigenschaften erlangen“. („Magnetische Polarisation der Metalle und Erze durch Temperatur-Differenz.“ Abhandlungen der Berliner Akademie aus den Jahren 1822 u. 1823, und „Von dem in allen Metallen durch Vertheilung zu erregenden Magnetismus.“ Abhandlungen der Berliner Akademie aus dem Jahre 1825.) Die Kunde von Seebeck’s großer Entdeckung verbreitete sich sehr rasch. Weiter hat S. Untersuchungen veröffentlicht über den Magnetismus des glühenden Eisens, über die Magnetisirbarkeit verschiedener Metalle und über die magn. Polarisation von Legirungen und Oxyden zwischen den Polen starker Magnete. – Einige (8) Abhandlungen hat S. in der Akademie gelesen, aber nicht drucken lassen.

Gedächtnißrede auf Thomas Johann Seebeck, gehalten in der öffentlichen Sitzung vom 7. Juli 1839 von Herrn Poggendorff in den Abhandl. d. kgl. Akad. d. Wissensch., zu Berlin aus d. J. 1839. Berlin 1841, S. XIX bis XXXVIII. – Die in Recke-Napiersky’s Lexicon IV, 172–174 enthaltenen biogr. Notizen sind fast wörtlich dem Nekrolog in der Preußischen Staatszeitung 1831 Nr. 348 entlehnt. Ein vollständiges Verzeichniß aller wissenschaftlichen Abhandlungen ist bei Poggendorff und bei Recke-Napiersky zu finden.