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ADB:Seuffert, Johann Adam Ritter von

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Artikel „Seuffert, Johann Adam v.“ von Karl Theodor von Heigel in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 34 (1892), S. 58–64, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Seuffert,_Johann_Adam_Ritter_von&oldid=- (Version vom 19. Dezember 2024, 03:53 Uhr UTC)
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Seuffert: Johann Adam v. S., Rechtsgelehrter, geboren zu Würzburg am 15. März 1794, besuchte Volksschule und Gymnasium in Würzburg, wo sein Vater Joh. Mich. S. (s. S. 53) Vorstand des Geh. Cabinets des Fürstbischofs Franz Ludwig war. Nach dem Uebertritt an die Julius-Universität wandte er sich zuerst dem Studium der Geschichte zu; nach zwei Jahren ging er aber zum Studium der Rechte über und hörte Institutionen bei Kleinschmied, Pandekten bei Schmidtlein, Deutsche Rechtsgeschichte bei Rudhart, Staatsrecht bei Behr. Schon als Sechzehnjähriger gab er eine metrische Uebersetzung der Gedichte des Alcäus heraus, begreiflicher Weise eine ziemlich unreife Arbeit; das Nämliche gilt von einer zweiten poetischen Leistung: „Blumen griechischer Lyriker, auf deutschen Boden verpflanzt“ (Würzburg 1811). Als 1814 der Feldzug gegen Frankreich eröffnet wurde, unterbrach S. seine Studien, um als Lieutenant in das Großherzoglich Würzburgische freiwillige Jägerbataillon einzutreten. Die noch vorhandenen Briefe, welche der aufgeweckte, für alle Eindrücke empfängliche junge Mann aus Frankreich an Eltern und Geschwister richtete, gewähren ein ergreifendes Bild von den Hoffnungen, die damals in der deutschen Jugend lebendig waren, und von den trüben Erfahrungen, welche die in hellen Flammen aufgeloderte patriotische Begeisterung bald wieder auslöschten. Als Bürgerlicher hatte er unter „der Insolenz, dem Uebermuth und Kaltsinn“ der adeligen Herren Kameraden zu leiden, und die lahme Kriegführung im deutschen Lager weckte in ihm Zorn und Unmuth. Als nun gar Friedenspräliminarien angeknüpft wurden und für den Freiwilligen die trostlose Aussicht sich öffnete, den Rest seiner Dienstzeit in irgend einer Festungsgarnison zubringen zu müssen, bestürmte er den Vater, Alles in Bewegung zu setzen, daß die unvorsichtig angetretene „Don Quixote’isch gewordene Ritterfahrt“ des Sohnes bald ein Ende finde. „So mächtig mein Drang war, im Kampf für deutsche Freiheit etwas Tüchtiges zu leisten, ebenso mächtig ruft es mich nun zu literarischer Thätigkeit zurück“ (Steinbach, 16. April 1814). Vor allem peinigt den für Einheit und Freiheit des Vaterlandes schwärmenden Jüngling der Gedanke, daß der Befreiungskrieg für Deutschland keineswegs Befreiung aus unwürdigen Zuständen bringen werde. „Es wäre schrecklich, wenn dieser verheerende Krieg vergebens in der Blüthe deutscher Jugend gewüthet, wenn der Deutsche vergebens all’ die ungeheuren [59] Opfer gebracht hätte, wenn nach allen den siegreichen Schlachten und patriotischen Anstrengungen ein Pfuschwerk deutscher Verfassung zum Vorschein käme, wenn, wie zuvor, Willkür der Grundzug deutscher Regierungen bliebe und man wieder mit Völkerstämmen wie mit Bällen spielte! Ich wage kaum, das Schreckliche zu denken!“ (St. Germain bei Anuberieux, 29. Mai 1814). Die Heimkehr wird von ihm mit Jubelruf begrüßt. „Gestern habe ich Freudenthränen vergossen“, schreibt er am 22. Juni von Geischwitz aus, „als ich zuerst von einem Hügel des Elsaß hinüberschaute auf die deutsche Muttererde, und den Vater Rhein, der uns morgen zurück in die Heimath bringen wird, plötzlich wieder erblickte. Ich ritt gerade allein den Truppen voraus und konnte mich da ganz der innigsten Rührung hingeben. Nie war ich in einer frömmeren Stimmung, als in diesem feyerlichen Augenblicke.“ Doch auch die Heimkehr brachte nicht die erhoffte Entlassung, und der Heeresdienst im Frieden war mit neuen Unannehmlichkeiten und Enttäuschungen verbunden. Vergeblich klagte er dem Vater: „Ich will nicht länger meine edle Zeit dem zum Puppenspiel für mich gewordenen Militärdienst widmen!“ Vergeblich richtete er Bittgesuche an Obercommando und Regierung: erst der 6. Februar 1815 brachte die ersehnte Befreiung. Nun konnte er zu seinen Studien zurückkehren. Im März 1815 erlangte er auf Grund einer Dissertation „De eo, quod justum est circa reclamationem uxoriam juris Franconici“ die juristische Doctorwürde; im Juli 1815 wurde ihm auch die Würde eines Doctors der Philosophie verliehen, unter der Bedingung, daß er nachträglich der philosophischen Facultät eine Abhandlung über ein philosophisches Thema vorlege. Im Sommersemester 1815 besuchte er Göttingen, um durch Besuch von Vorlesungen bei Heise und Hugo und durch Benutzung der berühmten Universitätsbibliothek seine juristischen und historischen Kenntnisse zu erweitern. Im folgenden Wintersemester habilitirte er sich in Göttingen als Privatdocent und hielt Vorträge über Politik, beschäftigte sich aber zugleich mit historischen Studien. Eine Frucht dieser Thätigkeit war die 1815 im Druck erschienene Schrift: „Ueber den volksthümlichen Geist im politischen Leben der griechischen Freistaaten.“ Im Frühjahr 1816 bewarb er sich um eine Professur in Würzburg; er wollte mit Schmidtlein alternirend Pandekten lesen und zugleich baierische Geschichte, die in Würzburg noch keinen Vertreter hatte. Die juristische Facultät empfahl das Gesuch, das Ministerium wies jedoch dasselbe ab und verfügte, daß S. vorher als Privatdocent an der Würzburger Hochschule eintreten sollte. Dies geschah, und der junge Gelehrte widmete sich fortan dem Lehrfach mit rührigstem Eifer; er las zwölfstündig über Pandekten nach Schwerin’s Handbuch des römischen Privatrechts, in Verbindung mit exegetischen Uebungen, zugleich vierstündig über Staatengeschichte nach Meusel und dreistündig über baierische Geschichte nach Milbiller. Schon im nächsten J. 1817 erhielt er einen Ruf als ordentlicher Professor der Rechte an die Universität Gent; als er die Stelle ausschlug, erlangte er im Juli 1817 in Würzburg ein Extraordinariat „für Geschichte, Pandekten und bayrisches Civilrecht“. Die Rede „An meine Zuhörer bey Eröffnung der Vorlesungen über bayrische Geschichte“ wurde 1818 als Programm zur akademischen Feier der Verkündigung der baierischen Verfassung gedruckt. Aus der Geschichte Baierns wird der Beweis gezogen, daß zwar die meisten baierischen Fürsten im Wohl ihrer Unterthemen eine Herzenssorge erblickten, daß aber auch die baierischen Stände allzeit ihre Pflicht erfüllten, indem sie jedem verfassungswidrigen Beginnen der Herzöge sich widersetzten. „Eine mannhafte Landschaft ist nur dem bösen Fürsten eine billige Schranke. dem guten aber nichts weniger als ein Hinderniß in der Sorge für des Volkes Wohl“. Diese Wahrheit sei für die Gegenwart, da endlich der langersehnte Morgen der Wiedergeburt einer tüchtigen Volksvertretung im Vaterlande tage, [60] ebenso ein erfreulicher Trost, wie eine ernste Mahnung. Um seine Ernennung zum Ordinarius zu betreiben, ging S. im März 1818 nach München. Er fand bei Reigersberg, Schmidtlein, Zentner u. A. freundlichste Aufnahme; von Reigersberg wurde aber der Einwand erhoben, eine so rasche Beförderung Seuffert’s könnte in Altbaiern ungünstig aufgenommen werden, da ohnehin schon über Begünstigung der Franken geklagt und z. B. das Justizministerium als „Frankenstübchen“ verspottet werde. Im nächsten Jahre erhielt jedoch S. das gewünschte Ordinariat für die bisher vertretenen Fächer mit Einschluß der Institutionen des römischen Rechts. Als nun wirklich diese Ernennung in einigen Blättern bekrittelt und mit der Wirksamkeit des Vaters als Präsidenten der Abgeordnetenkammer hämisch in Zusammenhang gesetzt wurde, erließ S. eine öffentliche Erklärung, in welcher schon ganz der energische, geradsinnige, unerschrockene Mann des Rechts, wie er sich in der Geschichte des Vaterlandes und der Wissenschaft einen ehrenvollen Platz errungen hat, das Wort führt. Als Lehrer entfaltete er eine mächtige Wirksamkeit; es waren ja in ihm alle Vorzüge vereinigt, die einem Lehrer der Hochschule Bedeutung verleihen: klarer, fließender Vortrag, Schärfe der Beweisführung. Fülle und Gründlichkeit des Wissens, gediegene, allgemeine Bildung, Hingebung an den Beruf und vor allem jenes Feuer des Geistes, das sich erwärmend und belebend den Hörern mittheilt. Nicht minder fruchtbar war seine schriftstellerische Thätigkeit im Interesse praktisch-dogmatischer Fortbildung und Bearbeitung des Rechts. Ein Verzeichniß seiner sämmtlichen Schriften findet sich in der Zeitschrift für Gesetzgebung und Rechtspflege, Bd. IV, S. 455. Sein 1825 veröffentlichtes „Lehrbuch des praktischen Pandektenrechts“ sollte weniger eine gelehrte, historische Arbeit sein, als vielmehr „eine gründliche Theorie des geltenden Rechts zum Behuf der praktischen Anwendung geben“; deshalb bewahrten auch gerade die Praktiker dem klar und faßlich geschriebenen Lehrbuche lange Zeit treue Anhänglichkeit. Ein (von Gombart verfaßter) Nekrolog rühmt als besonderen Vorzug Seuffert’s, daß Denken und Lehren dieses Juristen immer erfüllt waren vom Geiste echter Humanität, wie ihn nicht jeder Mann des Rechts so ungetrübt sich zu wahren vermag, und daß immer das Bestreben zu Tage tritt, die Jurisprudenz als eine Gottesgabe zur Erhaltung von Frieden und Ordnung wirken zu lassen. Die Ueberzeugung, daß ein Mann von so festem Charakter zum Volksvertreter berufen sei, wie kein anderer, bewog denn auch 1831 die Collegen, S. zum Vertreter der Universität Würzburg im bairischen Landtag zu wählen. S. nahm die in der „schönsten Stunde seines Lebens“ vollzogene Wahl mit Freuden an, obwohl er sich nicht verhehlte, daß die Erfüllung der Pflichten eines Volksvertreters, wie er sie auffaßte, schwere Tage bringen werde. „Mit Mäßigung und Besonnenheit, ohne Oppositionssucht, aber mit einer unerschütterlichen Festigkeit und mit voller Unabhängigkeit“, so versprach er in seiner Programmrede „zu wirken für die Sache des Lichtes und der verfassungsmäßigen Freiheit, und die Interessen des Volks, wenn’s noth thut, auch der Regierung gegenüber zu vertreten.“ Eine neue Auszeichnung war es, daß er nach Eröffnung des Landtags zum zweiten Präsidenten gewählt, also zum nämlichen Ehrenamt, das vor ihm sein Vater bekleidet hatte, berufen wurde. Und er bewährte sich als würdiger Nachfolger, da er, den Einflüssen der im Landtag von 1831 mit besonderer Leidenschaftlichkeit streitenden Parteien unzugänglich, immer nur den Eingebungen des eigenen Rechtsgefühls folgte. Er zählte auch zu den tüchtigsten Rednern des Landtags; gründliche Vertrautheit mit den behandelten Fragen, geistvolle Beleuchtung aller in Betracht kommenden Umstände, natürliche Sprache, sonores Organ, einnehmende Persönlichkeit verhalfen dem Parlamentarier zu hervorragender Wirksamkeit und Autorität. Auch die Regierung hatte wenn sie sich Blößen gab, an S. einen entschiedenen Gegner; [61] ebenso wenig fehlten ihr, wenn sie im Rechte war, die Zustimmung und die Unterstützung des geradsinnigen Mannes. Trotzdem wuchs in Regierungskreisen die Ansicht auf, daß S. allzu bedenklich „zur Demokratie hinneige“. Als es nach Schluß des Landtags im Untermainkreis zu bedauerlichen Unruhen kam, wurden dafür in erster Reihe die beliebtesten Lehrer der Würzburger Hochschule verantwortlich gemacht. Wie streng gegen den Staatsrechtslehrer Behr verfahren wurde, ist bekannt (s. A. D. B. II, 286); Schönlein wurde von seinem Lehrstuhl entfernt, und auch S. wurde durch Signat vom 28. Oct. 1832 als Appellgerichtsassessor nach Straubing versetzt, doch sollte er die Besoldung von 1200 Gulden behalten und Titel und Rang eines Appellraths führen. S. legte gegen die Verfügung, welche für ihn offenbar eine Zurücksetzung in der Dienstesclasse bedeute, mithin die ihm nach der Dienstespragmatik zukommenden Rechte verletze, Verwahrung ein; es wurde ihm aber bedeutet, auch sein Gehalt werde eingezogen werden, falls er nicht sofort bereitwillig die neue Stelle antreten wolle. S. mußte sich also fügen, wie peinlich ihn auch die erlittene Zurücksetzung berührte und wie schwer ihm insbesondere die Trennung vom Lehramt fiel. Rasch gewann er aber den ihm aufgenöthigten Richterberuf so lieb, daß er eine ihm 1833 angebotene ordentliche Professur in Zürich ausschlug. Gewissermaßen zur Belohnung wurde er im September 1834 zum Rath am Appellationsgericht in Ansbach ernannt. Im neuen Wirkungskreis fand er treffliche Gelegenheit, seine Anlagen und Kenntnisse zu verwerthen, zugleich sah er aber auch mit eigenen Augen, welcher Schlendrian in der richterlichen Praxis eingerissen war. Die Erkenntniß, daß Mangel an wissenschaftlichem Geiste viele Beamte nur nach hergebrachter Schablone des Rechts walten lasse, und der Wunsch, diesem beklagenswerthen Mißstand abzuhelfen, gaben den Anstoß zu zwei Unternehmungen, die wesentlich dazu beitrugen, die Rechtsübung in richtige und sichere Geleise zu bringen: die Bearbeitung des Commentars zur Gerichtsordnung (1836–1840) und die Gründung der „Blätter für Rechtsanwendung zunächst in Bayern“ (seit 1836). Die Anregung zu letzterer Schöpfung gab ein College, Appellrath Wehner; S. selbst aber war und blieb bis zu seinem Tode die Seele des Unternehmens. Zahlreiche Abhandlungen sind von ihm selbst verfaßt; auch den Arbeiten anderer pflegte er Erläuterungen beizufügen. Für viele wichtige und schwierige Rechtsfragen wurde durch diese klaren, scharfsinnigen Ausführungen eines Juristen, der in seiner Person den Theoretiker und den Praktiker vereinigte und in jeder Rechtsfrage eine lebendige Realität erblickte, ein fester Gerichtsgebrauch angebahnt. 1838 siedelte S. mit dem mittelfränkischen Appellgericht nach Eichstätt über, doch schon im nächsten Jahre zwang ihn nervöses Leiden, den Staatsdienst aufzugeben; unter Belassung seines Gehalts wurde er in den Ruhestand versetzt. Er siedelte nun nach München über, jedoch nicht, um das wohlverdiente otium cum dignitate zu genießen, sondern weil ihm die Hauptstadt für wissenschaftliche Arbeiten reichere Hilfsmittel bieten konnte. Nachdem er eine neue Auflage seines Pandektenrechts besorgt hatte, nahm er theil an der Revision des Commentars zur Gerichtsordnung, und 1847 gründete er das „Archiv für die Entscheidungen der obersten Gerichte in den deutschen Staaten“. Nach der Erklärung des Herausgebers sollten darin solche Entscheidungen Aufnahme finden, „soweit sie auf dem Boden des gemeinen Rechts stehen, soweit sie gemeinrechtliche Rechtsbegriffe ausprägen und ein im ganzen Umfang deutschen Rechtslebens und deutscher Rechtsanschauung geltendes jus gentium darstellen“. Es steht fest. daß auch dieses Unternehmen Seuffert’s auf die Fortbildung des gemeinen deutschen Rechts ungemein ersprießlich eingewirkt hat. Die Mußestunden widmete S. der Poesie. Im Gegensatz zu vielen, sogar bedeutenden Standesgenossen war er ganz von jenem echten Geiste der Poesie durchdrungen, der alle Erscheinungen [62] des Lebens von höherem Standpunkte auffassen läßt. Die Classiker der Alten waren seine Lieblinge, doch ließ er auch die besten Dichterwerke der Gegenwart nicht unbeachtet, und zugleich versuchte er selbst, seine Gedanken in gebundener Sprache zum Ausdruck zu bringen. Er war bescheiden genug, sich nicht für einen Dichter zu halten, aber er freute sich seiner poetischen Arbeiten und des Beifalls, der ihm in Freundeskreisen, insbesondere in der Gesellschaft der „Zwanglosen“ in München gespendet ward. Nicht ohne Selbstgefühl nennt er einmal den Dichter der „Cäeilia“ und den Dichter der „geharnischten Sonette“ seine „Freunde und Meister“, durch deren Einfluß er zum Bewußtsein seines dichterischen Talents gelangt sei. Dazu kam noch ein pathologisches Moment; infolge seines Nervenleidens fand er in schlaflosen Nächten nur allzuviel Zeit zum Versemachen, wodurch freilich seine Gesundheit noch schwerer geschädigt wurde. Aus dem Charakter des Poeten erklärt sich die Vorliebe für das Sinngedicht. In den „Versuchen in gebundener Rede“ (1837) und „Epigrammen und Sinnsprüchen eines Unparteiischen“ (1848) spiegelt sich der klare, sittliche Geist des Verfassers; der Rechtslehrer, der Staatsbeamte, der Volksmann kommen zum Wort; erprobte Lebensweisheit wird hier in Fülle geboten, doch ist es im wesentlichen Verstandesarbeit, nicht die Schöpfung eines Dichters. Dagegen ist es von besonderem Werth, daß die literarische Thätigkeit uns den Politiker S. näher bringt. Als im J. 1847 jene Spannung, die der Krisis entgegentrieb, alle Gemüther ergriff, trat auch S. wieder in die politische Debatte ein. Unter dem Pseudonym Justus Steinbühl (wohl nach der gleichnamigen Nürnberger Vorstadt) veröffentlichte er „Patriotische Betrachtungen im Gefolge der Münchener Fastnacht“. Da der Sturz des Ministeriums Abel – so wird darin ausgeführt – auch in Baiern zu freudiger Hoffnung berechtigte, wolle er wieder seine Stimme vernehmen lassen, „jedoch nur im Tone bescheidener Erwartung, ohne Begleitung der Baßgeigen, von welchen der Himmel voll hängt“. Er geißelt die Fehler des Abel’schen Regiments und wendet sich entrüstet gegen jene, denen die Begriffe Katholisch und Ultramontan identisch erscheinen; Baiern als paritätischer Staat dürfe sich nicht mehr das Verketzerungsprincip, an welchem jenseits der Berge festgehalten werde, zur Richtschnur nehmen. Was unter reinem Katholicismus zu verstehen sei, zeige das leuchtende Beispiel der Bischöfe Franz Ludwig von Erthal und Michael Sailer. Dieser scharfen Streitschrift gegen den Ultramontanismus ließ S. bald darauf „Praktische Bemerkungen über die Preßfreiheit“ folgen, worin er sich ebenso entschieden gegen engherzige Censur wendet wie gegen zügellose Preßfrechheit, die leider bereits allerorten aufgewuchert sei und die schlimmsten Früchte tragen werde. Als Freund des besonnenen Fortschritts suchte S. im politischen Leben zu wirken, wie in der Rechtswissenschaft; diesem Ziel war seine ganze öffentliche Wirksamkeit zugewendet, ob er juristische Gelehrsamkeit in praktische Bahnen lenkte oder als Abgeordneter für das Wohl seiner Mitbürger eintrat, ob er journalistische Thätigkeit entfaltete oder die bescheidenen Früchte seiner poetischen Lehrweisheit bekannt gab. Aus Seuffert’s Feder stammten die im Frühjahr 1848 erschienenen, seinerzeit viel bemerkten und seither viel benützten Artikel „Von der Isar“ in der Augsburger Allgemeinen Zeitung. „Wenige Tage nach deinem Auszug – so erklärt er in einem Briefe an seinen Schwager Hauptmann Freiherrn v. Drechsel vom 26. Mai 1848 die Provenienz dieser Artikel – kam es mit dämonischer Gewalt über mich: in dieser Zeit der Gährung und des Umsturzes meine Stimme zu erheben, um zur Mäßigung, Besonnenheit, Ordnung zu mahnen. Eine Reihe von Artikeln in der Allgemeinen Zeitung floß aus meiner Feder. Ich war in dieser Zeit fortwährend im Zustande der Produktion. Um 2 oder 3 Uhr morgens erwachend, gerieth ich sofort in diesen Zustand inneren Schaffens. Um 5 Uhr, der Zeit des [63] Aufstehens, war im Inneren der Seele so viel fertig, daß ich bis 10 Uhr oder noch länger zu thun hatte, die fertigen Gedanken aufs Papier zu bringen. … Von 1832 her mit der Würde eines königlich bairischen Märtyrers belehnt und dadurch einiger Popularität genießend, schöpfte ich die Hoffnung, durch meine Theilnahme an der publicistischen Debatte der guten Sache des monarchischen Princips, der gesetzlichen Ordnung und des besonnenen Fortschritts einigen Nutzen bringen zu können.“ Die Artikel, später gesammelt in der Schrift „Die deutschen Verfassungsreformen, patriotische Reden und Betrachtungen“ (1848) handeln von Reform des Preßgesetzes, Bodenentlastung, Reichsverfassung, Wahlrecht, Clubwesen u. s. w. Der Verfasser hält ausgedehnte freiheitliche Reformen für ein Zeitbedürfniß, aber er räth, die Weisheit und Bedächtigkeit des stammverwandten England, nicht die Thorheit und Ueberstürzung Frankreichs zum Muster zu nehmen. Obwohl ein warmer Freund des Bürger- und Bauernstandes, hält er die Erhaltung des aristokratischen Elements für nothwendig zur Erhaltung der Freiheit aller; obwohl ein Gegner des Ultramontanismus, begrüßt er die Wahl der Lasaulx, Phillips, Döllinger ins Frankfurter Parlament, da diese Männer immerhin als Märtyrer einer redlichen Ueberzeugung anzusehen seien; obwohl von Geburt ein Franke, nimmt er die Altbaiern gegen den Vorwurf eines unpatriotischen Particularismus in Schutz. Er will Einigung, nicht Einheit; er will einen Staatenbund, nicht den Bundesstaat; er will an der Spitze einen deutschen Kaiser und zwar den Preußenkönig, „denn dem Stärksten gehört der Stab“, aber die Wahl soll bis zur Festigung der Verhältnisse verschoben werden. In den 1848 veröffentlichten „Epigrammen und Sinnsprüchen eines Unparteiischen“ wird ebenso warm die Charakterfestigkeit der sieben Göttinger Gelehrten, wie der Widerstand der deutschen Fürsten gegen die „Oppositions-Industrie“ des unheilvollen Jahres gepriesen, ebenso entschieden die Knechtung des Gedankens durch Fürsten und Priester, wie die Verehrung des Geßlerhutes „Volksgebot“ verurtheilt. Kein Wunder, daß viele am „Führer des Liberalismus von 1831“, der im April 1848 zugleich mit Eisenmann (s. A. D. B. V, 770) von der Gemeinde Stadtprozelten als Abgeordneter für das deutsche Parlament aufgestellt worden war, wenig Behagen mehr fanden. Dem eigentlichen Parteiwesen stand S. jederzeit fern; persönliches Interesse konnte ihn nicht beeinflussen, somit war er auch gleichgültig gegen Lob und Tadel. „Von Wühlern Schmähung, von Gewalt’gen traf mich Leid, Und beides glänzt wie Schmuck auf meinem Ehrenkleid.“ Bald waren, wie er selbst launig erzählt, die letzten „Erübrigungen“ der alten Popularität verbraucht. Weil er sich weigerte, die absolute Souveränetät des Parlaments anzuerkennen, wurde er von vielen ehemaligen Freunden und Gesinnungsgenossen des „reactionären Renegatenthums“ geziehen. Als er im September 1848 von der Leitung eines von ihm gegründeten Blattes „der Reichsbote“ zurücktrat, hielt es der Mitbegründer für opportun, diesen Austritt gewissermaßen zur Empfehlung des „gereinigten“ Unternehmens dem Publicum anzuzeigen. Ja, sogar die Kreuzzeitung suchte den vermeintlich bekehrten Saulus als Mitarbeiter zu gewinnen. Als jedoch die schlimmen Folgen der stürmischen Bewegung von 1848 zu Tage traten, als die Reaction ohne Scheu die Güter und Rechte des Volkes antastete, da griff der „Renegat“ wieder zur Feder, diesmal aber, um die Regierung zu bekämpfen und vortheilhaft erprobte, freiheitliche Institutionen gegen absolutistische und bureaukratische Gelüste zu vertheidigen: es war eben immer derselbe Freund des Fortschritts innerhalb der gesetzlichen Schranken, derselbe Feind der Willkür und des gewaltsamen Umsturzes. Gewiß muß bedauert werden, daß ein Mann von so seltener Festigkeit und Pflichttreue nicht zu höherem Amte gelangte, wo er unmittelbaren Einfluß auf die Regierung hätte ausüben können. Bald nachdem er noch die [64] Freude erlebt hatte, daß sein ältester Sohn und tüchtigster Schüler, Ernst August, der Erbe der unbeugsamen Wahrheits- und Gerechtigkeitsliebe des Vaters, als akademischer Lehrer Anstellung fand, wurde er von langwieriger Krankheit heimgesucht. Am 8. Mai 1857 (das Datum in den Blättern für Rechtsanwendung ist falsch) verschied er. „Eine juristische Größe ersten Ranges“ nannte ihn ein Nekrolog in der Zeitschrift für Gesetzgebung; „eine Autorität, die dem noch immer gefeierten Namen des einstmaligen Kanzlers v. Kreittmayr würdig zur Seite steht“, schrieb ein College, Oberappellrath Glück, in den „Blättern für Rechtsanwendung“. Auch andere juristische und politische Organe rühmten mit warmen Worten Seuffert’s wissenschaftliches Verdienst, sittlichen Ernst und edle Menschenliebe.

Nekrologe in der Neuen Münchener Zeitung (Jahrgang 1857, Abendblatt Nr. 115), der Augsburger Allgemeinen Zeitung (1857, S. 2083 u. 2331), der Kritischen Ueberschau etc., Bd. 6, S. 137, den Blättern für Rechtsanwendung (Bd. 22, Nr. 15 ) u. a. – Personalact im k. Kreisarchiv München. – Acten und Briefe im Besitze des Sohnes, Professor E. A. Seuffert in München.