ADB:Sibutus, Georg
Car. Ed. Foerstemann, Album Academiae Vitebergensis etc. (Lips. 1841) S. 18). Da er höchst wahrscheinlich ein Thüringer war, so deutet Böcking die Bezeichnung Daripinus (von δέρειν und pinus) so, daß S. vielleicht aus dem weimarischen Städtchen Tannroda gewesen sei. Den Dichterlorbeer hatte ihm Kaiser Maximilian, der Gönner der humanistischen Bildung, verliehen, wie man aus einem Gedichte von Kilian Reuter aus Mellerstadt auf ihn (wieder abgedruckt Hutteni opp. ed. Boecking I 14) und aus dem Auctarium des Joannes Piemontanus (handschriftlich auf der Bonner Universitätsbibliothek) sieht, dessen Artikel über S. mit den Worten beginnt: Georgius sibutus natione teutonicus poeta, regius iam pridem ab inclito rhomanorum rege Maximiliano laurea coronatus. – Er ist wahrscheinlich ein Schüler von Konrad Celtis, wie er auch Verbindungen mit Freunden des Celtis hat (Ad Theodericum Ulcenium, Ad Petrum Bononium - Bonomum). Auch mit dem „Wanderprediger des Humanismus“, Hermann van dem Busche, war er bekannt. Dieser fügte zu dem Panegyricus, mit welchem S. die Ankunft des Kaisers Maximilian in Köln feierte, und der 1500 bei Quentel in Köln im Druck erschien, ein Epigramm von 14 Versen hinzu. Vor seinem Eintritt in die Universität Wittenberg dürfte S. an der Hochschule zu Köln gelehrt haben. – In Wittenberg gehörte er zu jenem humanistischen Kreise, welcher vor dem Auftreten Luther’s 1517 die Hochschule beherrschte und seine warme Verehrung für den Kurfürsten Friedrich von Sachsen, den Stifter und gütigen Beschützer der Hochschule, auch in Schriften aussprach. Zunächst betheiligte er sich an der Verherrlichung der neugegründeten Universität durch Besingung der Stadt Wittenberg in seiner Siluula in Albiorim (= Wittenberg) illustratam (Impressum Lipcz per Baccalaureum Martinum lantzberg Herbipolitanum). Der Inhalt dieses seltenen Schriftchens ist bei F. G. Freytag (Adparatus litterarius II, 982–987) verzeichnet. Als wahrscheinlich im Herbst 1510 ein großes Turnier in Wittenberg stattfand, besang S. das Fest in einem lateinischen Gedichte von etwa 1000 Hexametern: Friderici et Joannis Illustriss. Saxoniae principum torniamenta per Georg. Sibutum, Poe(tam) et Ora(torem) Lau(reatum), heroica celebritate decantata. Wittenberge per Joannem Gronenberg. – Daß S. zum Kreise der entschiedenen Humanisten oder „Poeten“ gehörte, dafür spricht seine Erwähnung in dem Carmen Rithmicale des Magisters Philipp Schlauraff in den Epistolae obscurorum virorum. Darnach wohnt er in Wittenberg, besitzt gute medicinische Kenntnisse und hat ein nahezu 80 Jahre altes Weib, das er nur deshalb geheirathet haben soll, weil sie reich ist, noch den Ofen heizen und gutes Bier bereiten kann, das sie dann selbst verkauft. Auch nennt ihn Hutten in seiner zehnten Lötz-Elegie als einen vom Kaiser gekrönten Poeten (Hutteni opp. ed. Boecking III, 67). – Als lateinischen Schnelldichter oder Improvisator lernen wir S. kennen durch sein „Carmen de musca Chilianea in tribus horis“ (Leipzig 1507). – Am 15. Juli 1520 wurde er in Rostock immatriculirt. Vgl. Hofmeister, Matrikel d. Universität Rostock II, 1, 77. – Im J. 1522 erklärt sich Luther bereit, für S. einzutreten (De Wette, Luther’s Briefe II, 270). In einem anderen Kreise finden wir ihn mit seiner Publication: Ad potentissimum atque invictissimum Ferdinandum, deren Vorrede „Wien den 16. März 1528“ unterzeichnet ist. Dieselbe ist an Bernhard von Gleß, Bischof von Trient, gerichtet, der ein Freund humanistischer Bildung war und z. B. mit [141] Desiderius Erasmus von Rotterdam in Briefwechsel stand (vgl. Adalb. Horawitz, Erasmiana I (Wien 1878) S. 35). S. versichert in der Vorrede, er habe seine Widmung auf Rath des Doctors Fabri, des „einzigartigen Verteidigers der christlichen Religion“, gemacht. Damit ist jedenfalls Johann Heigerlin (genannt Faber), Bischof von Wien, gemeint, der Luther in einer Streitschrift angegriffen hat (vgl. Ad. Horawitz, Joh. Heigerlin. Wien 1884). Die genannte Schrift enthält noch eine Aufforderung zum Türkenkriege (Exhortatio in Thurcum), eine Widerlegung der Wiedertäufer (Confutatio in Anabaptistas), die bekanntlich um die Mitte des 16. Jahrhunderts in Oesterreich sehr zahlreich waren, eine Beschreibung von Olmütz, am Schlusse ein Epitholamium (sic) ad Vuolfgangum Festinantium, virum doctum et omni uirtute praeditum. In dem von mir benutzten Exemplare dieses seltenen Schriftchens aus der Hof- und Staatsbibliothek in München fehlt übrigens die Widerlegung der Wiedertäufer. Nach dieser Schrift ist kein Zweifel darüber möglich, daß er, obgleich früher Humanist, sich später der katholischen Partei angeschlossen hat. – Einem in jener Zeit vielbehandelten Thema gilt seine Schrift „Ars memorativa“, die für Prediger und Juristen als sehr nützlich bezeichnet wird. Darin findet sich ein Gedicht auf die hlg. Anna, deren Cultus im Volke und bei den Humanisten am Ende des Mittelalters sehr verbreitet war. Von den weiteren Gedichten, welche Piemontanus verzeichnet, scheint nichts erhalten zu sein.
Sibutus: Georg Daripinus S., Humanist, lateinischer Dichter und Arzt. Im J. 1505, unter dem Rector Simon Duchkon, wurde in die Matrikel der Universität Wittenberg eingetragen: Georgius Sibutus daripinus poeta laureatus (vgl.- Artikel Sibutus von Böcking in dessen Ausgabe der Opera Hutteni. Supplement II, 2, 469–471. – K. Schmidt, Wittenberg unter Kurfürst Friedrich dem Weisen. Erlangen 1877. – Weller, Altes u. Neues, II, 716. – Goedeke, Grundriß zur Geschichte der deutschen Dichtung. 2. Aufl. II, 89.