Zum Inhalt springen

ADB:Quentell, Heinrich

aus Wikisource, der freien Quellensammlung

Empfohlene Zitierweise:

Artikel „Quentell, Heinrich“ von Johann Jakob Merlo in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 27 (1888), S. 37–39, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Quentell,_Heinrich&oldid=- (Version vom 24. November 2024, 16:14 Uhr UTC)
Allgemeine Deutsche Biographie
>>>enthalten in<<<
[[ADB:{{{VERWEIS}}}|{{{VERWEIS}}}]]
Nächster>>>
Quercu, Simon de
Band 27 (1888), S. 37–39 (Quelle).
[[| bei Wikisource]]
Heinrich Quentell in der Wikipedia
Heinrich Quentell in Wikidata
GND-Nummer 102359229
Datensatz, Rohdaten, Werke, Deutsche Biographie, weitere Angebote
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Kopiervorlage  
* {{ADB|27|37|39|Quentell, Heinrich|Johann Jakob Merlo|ADB:Quentell, Heinrich}}    

{{Normdaten|TYP=p|GND=102359229}}    

Quentell: Heinrich Q. (Quentel), einer der frühesten und namhaftesten Kölner Typographen, stammte aus Straßburg, vermählte sich in Köln mit Elisabeth Helman, der Tochter eines angesehenen städtischen Beamten, und gründete in dem auf dem Domhof gelegenen, aus den beiden Häusern „Zum Palast“ und „Zum Hirtzhorn“ bestehenden großen Helman’schen Familiensitze (jetzt Domhotel) kurz vor 1479 die berühmte Buchdruckerei, die fast anderthalb Jahrhundert hindurch zu den angesehensten in Deutschland gehörte. Auf die Wohnstelle ist in mehreren seiner Druckwerke durch die Beischrift „iuxta summum“ oder „prope summum“ (d. h. summum templum, der Dom) hingewiesen. 1501 ist er gestorben. Für das Erstlingswerk seiner Pressen wird der 1479 erschienene prächtige Foliant „Fratris Astexani opus de casibus conscientiae“ gehalten, den er mit Approbation der Kölner Universität herausgab. Nachdem aber eine sorgfältige Prüfung und Vergleichung ergeben hat, daß die erste niederdeutsche Bibelübersetzung, welche man um das Jahr 1470 einzureihen pflegte, mit den ältesten Quentell’schen Typen gedruckt ist, wird man dieses ohne Jahresangabe und Druckeradresse erschienene höchst werthvolle Werk für eine dem Astexanus vorhergegangene Leistung der Quentell’schen Officin halten dürfen. Von erheblichem Interesse ist die am Schluß des Buches ausgesprochene Erklärung, daß es „nicht geschrieben, sondern mit großem Fleiß und Arbeit gedruckt sei“. Ein Zeichen, daß beim ersten Auftreten der Typographie Druckwerke und Handschriften von Vielen nicht unterschieden wurden. Neben der Uebereinstimmung der Typen ist der Umstand von Gewicht, daß sich eine xylographische Randverzierung mit der Anbetung der Dreikönige bei beiden Büchern angewendet findet. In der Quentell’schen Officin herrschte eine ungemeine Rührigkeit, so daß der Kölner Bibliograph L. v. Büllingen 134 bis zum Jahr 1500 aus derselben hervorgegangene Drucke aufzuzeichnen vermochte. Nachdem Heinrich Q. 1501 gestorben, wurde das Geschäft mehrere Jahre auf das Andenken an ihn fortgeführt. So heißt es 1502 am Schlusse eines Buches: „in officina signi felicis memorie Henrici Quentell artis impressorie sectatoris vigilantissimi Colonie diligenter elaborati vigilique lucubratione denuo correcti expliciunt“, 1503: „In litteratoria officina Henrici Quentell felicis recordationis chalcographiae [38] dum vixit propugnatoris ingeniosissimi“. Die Schlußschrift von „C. Plinii Secundi Junioris liber illustrium virorum a condita urbe“ ist dadurch besonders beachtenswerth, weil sie die Herkunft des Verstorbenen aus Straßburg meldet: „Excusum in litteratoria officina Henrici Quentell Argentini et Civis urbis Agrippine pie memorie. Anno a natali M. CCCCCVI“. Dann lautet die Geschäftsfirma für seine beiden Kinder: „Officina ingenuorum liberorum Quentell“. Um diese Zeit wird es gewesen sein, daß der bekannte Ortwin Graes (Ortuinus Gratius) in die Quentell’sche Druckerei als Vorsteher und Corrector eingetreten ist.

Peter Q., Heinrich’s Sohn, tritt mit dem Jahre 1520 als alleiniger Inhaber des Geschäfts auf, das unter seiner Leitung zur höchsten Blüthe stieg. Zu bemerken ist, daß bei ihm und allen seinen Nachkommen der Familienname die veränderte Schreibweise Quentel statt Quentell führt. Die eigenen Pressen reichten bei weitem nicht mehr hin, seine fast unzähligen Unternehmungen hervorzubringen. Die Kölner Buchdrucker Eucharius Cervicornus (Hirtzhorn) und Hiero Alopecius (Fuchs) hat er besonders viel für seinen Verlag beschäftigt. Eine Folioausgabe von 1529 der Emser’schen deutschen Uebersetzung des neuen Testaments hat am Schlusse ein Signet, welches die Bildnißfiguren des Verlegers Peter Q. und des Druckers Hiero Fuchs enthält. In den Rathsprotocollen der Stadt Köln ist seines Todes besonders gedacht; man liest daselbst am 29. Februar 1546: „Eodem die ist Peter Quentel eyn alder ratzman gestorven. Gott haeff die sele“. Es ist dies eine ganz ausnahmsweise Aufmerksamkeit, welche erkennen läßt, daß der Verstorbene auch in seinem Wirken unter den Vätern der Stadt hoch geachtet ward. Das größte und nachhaltigste Verdienst erwarb er sich durch die Herausgabe des aus neun in die Breite zusammengefügten Blättern bestehenden großen Prospects der Stadt Köln, den er durch den Maler und Xylographen Anton Woensam von Worms nach der Natur aufnehmen und in Holz schneiden ließ – ein Kunstwerk, in seiner Art so höchst ausgezeichnet, daß wohl nicht eine einzige deutsche Stadt sich eines trefflicheren wird zu rühmen haben. Man kennt zwei Ausgaben, die primitive von 1531 und eine jüngere von 1557, die letztere von seiner Schwiegertochter veranstaltet. Beide sind fast unfindbar selten geworden. Er hinterließ von seiner Gattin Barbara drei Kinder, eine Tochter und zwei Söhne, von welchen der jüngere Johann Q. das väterliche Geschäft fortsetzte. Dieser war mit Sophia, aus der Birckman’schen Buchhändlerfamilie in der fetten Henne (in pingui gallina) vermählt, die sein früher Tod schon 1551 in den Wittwenstand versetzte. Bis 1557 erscheint dann die Firma „Haeredes Joannis Quentel“. Die Wittwe schritt zur zweiten Ehe mit dem gelehrten Gerwin Calenius, Licentiaten der Rechte und kölnischen Senator, wodurch die veränderte Geschäftsfirma „Gerwinus Calenius et haeredes Joannis Quentelii“ entstand. Der neue Chef war ein unternehmender Mann, der das Quentel’sche Geschäft in seinem großen Ansehen zu erhalten wußte. Zahlreiche und bedeutende Werke brachte er auf den Büchermarkt, wobei dem Fache der Theologie, neben einzelnen geschichtlichen und juristischen Werken, der entschiedene Vorrang verblieb. Bei ihm erschien die erste lateinische Ausgabe der großen Legendensammlung des ihm befreundeten Karthäusers Leonard Surius und die prachtvoll ausgestattete Dietenberger’sche Bibelübersetzung von 1564, welche letztere den von Wittenberg, Leipzig und Frankfurt aus verbreiteten illustrirten Ausgaben der Luther’schen Uebersetzung mit Erfolg entgegengestellt wurde. Unter ihm versah Bartholomäus Laurens, der 1577 hochbetagt gestorben ist, mehrere Decennien hindurch mit vielem Lob den Posten des Correctors. (Hartzheim, Biblioth. Colon. p. 28.)

Arnold Q., Johann’s Sohn, übernahm schon einige Jahre vor des Stiefvaters am 14. September 1600 erfolgten Tode, die Handlung unter seinem [39] eigenen Namen und zeigte anfangs sich ebenfalls als ein rühriger Geschäftsmann. 1598 gab er einen Verlagskatalog heraus: „Quentelianae officinae librorum tam suis typis quam expensis excursorum Catalogus, Coloniae apud Arnoldum Quentelium“. Er verzeichnet 181 Werke, wovon 97 theologischen, 23 historischen, juridischen, medicinischen und vermischten Inhalts in lateinischer Sprache sind; die übrigen 61 sind deutsche Bücher. Angehängt sind 137 Werke, welche aus dem Verlag der Erben Arnold Birkman’s herrühren. Die stattlichen Folianten erscheinen viel seltener bei ihm, und die Familie beginnt überhaupt sich in den höheren Gesellschaftskreisen zu bewegen. Die Herren v. Quentel findet man bis zur Schlußhälfte des 18. Jahrhunderts im Besitz hoher bürgerlicher Aemter und unter den Mitgliedern der vornehmsten geistlichen Stifte der Stadt Köln. Von der Druckerpresse, von dem Bücherlager aber hielten sie sich nach Arnold’s Absterben fern. Als nächsten Geschäftsinhaber trifft man Johann v. Kreps, der 1630 die „Sacra Biblia, Das ist die ganze heilige Schrift (verdeutscht) durch Casparum Ulenbergium, gedruckt zu Köln in der Quenteleyen“ in Folio herausgab. Auf ihn folgt 1634 „Hinrich Berchem auffm Thumbhoff in der Quenteley“. Mit diesem schließt die Reihe der daselbst thätig gewesenen Drucker und Verleger. Die Benennung „Quentelei“ mag wohl schon lange vorher im Volksmunde gebräuchlich gewesen sein.

Abhandlungen des Verfassers in Lempertz’ Bilderheften und Geschichte des Bücherhandels und im 42. Heft der Annalen des historischen Vereins für den Niederrhein.