ADB:Woensam von Worms, Anton
Woensam: Anton W. (von Worms) gehört zu denjenigen Malern, mit welchen die alte, ruhmvolle Schule in Köln abschließt, deren Werke noch Anklänge ihrer einstigen Hoheit und Anmuth erkennen lassen. Weiteren Kreisen indessen ist er durch seine zahlreichen xylographischen Arbeiten bekannt geworden, auf welchem Gebiete er zu den besten Künstlern seiner Zeit zählt.
Anton war der einzige Sohn des Malers Jaspar W. von Worms, der im ersten Decennium des XVI. Jahrhunderts in Köln seinen Wohnsitz aufgeschlagen hatte. 1510 wird er bereits als ansässiger Bürger der rheinischen Metropole erwähnt, indem die Schreins- oder Grundbücher zum 10. Juli beurkunden, daß er mit Elßgin (Elisabeth), seiner ehelichen Hausfrau, das auf der Sandkaule, der Ecke des Hauses zur Landskrone gegenüber gelegene Haus „zum Scherffgyn“ angekauft habe. Den Besitz an Häusern und Renten vermehrte Jaspar von Jahr zu Jahr, woraus zu folgern ist, daß er ein vielbegehrter und vielbeschäftigter Künstler war. Mit diesen glücklichen Vermögensverhältnissen verbanden sich die mehrfachen Auszeichnungen, welche ihm seine Zunftgenossen angedeihen ließen, indem sie ihn in den Rath wählten, zum Bannerherr der Malerzunft erhoben sowie in das Collegium der Vierundzwanziger erkoren. Leider besitzen wir keine documentirten Werke von ihm. Dieses Mannes und der Elßgin einziger Sohn war, wie bereits erwähnt, Anton W. Aus mehrfachen Gründen ist mit ziemlicher Sicherheit zu folgern, daß er nicht in Köln das Licht der Welt erblickt hat, sondern bereits im Jünglingsalter stehend mit seinen Eltern von Worms eingewandert ist. In Köln vermählte er sich mit Geyrtgin (Margareta), der Tochter des Kölner Bürgers Johann Doenwalt. Als dieser 1528 gestorben war, schritt Anton’s Frau mit ihren zwei Brüdern zur Theilung des väterlichen Hauses auf dem Domhofe bei der Drachenpforte, von welchem jeder sein Dritttheil erhielt. Aus der Ehe Anton’s mit Margareta Doenwalt entsproßten drei Kinder, ein Sohn Jaspar mit Namen, zum Unterschiede von seinem Großvater „der jonge“ genannt, und zwei Töchter, von welchen die eine in der Taufe den Namen der Großmutter Elßgyn, die andere ihrer Mutter Namen Margareta empfing. Letztere wurde in der Folge die Gattin des Malers Hans Herspach und später nach dessen Ableben diejenige des Arnold v. d. Branckh. Anton W. segnete bereits 1541 das Zeitliche, überlebt von seinem Vater Jaspar, welcher zwischen 1547 und 1550 aus dem Leben schied. Sein Sohn Jaspar, der von 1541 bis 1548 als Lehensnachfolger seines Vaters erscheint, starb in letzterem Jahre. Die Belehnung geht dann nacheinander auf zwei Töchter Johann Doenwalt’s über, des Schwagers Anton’s von Worms, der im J. 1528 bei der erwähnten Theilung des Hauses an der Drachenpforte zugegen war. Die Wittwe Anton’s lebte noch 1561. Auch Anton W. genoß, wie sein Vater, mit seiner ganzen Familie hohes Ansehen in Köln. In einem warmen Verhältnisse der Freundschaft und Anhänglichkeit scheint er zu Meister Werner von Würzburg, Kanonikus des St. Georgstifts in Köln, gestanden zu haben, welcher die beiden Töchter des Künstlers in seinem Testamente mit Zuwendungen bedachte.
Tritt man dem künstlerischen Wirken Anton’s von Worms näher, so hat man, wie eingangs erwähnt, zwischen seiner Thätigkeit in der Malerei und in der Holzschneidekunst zu unterscheiden. Als Maler muß er zwar in technischer Hinsicht vor seinem Zeitgenossen Bartholomäus von Bruyn und dessen beiden Söhnen zurücktreten, welche in ihrem Fache so Hervorragendes leisteten, daß sie neben Holbein gestellt werden dürfen. Zwar darf bei ihnen nicht verschwiegen werden, daß sie auf dem Gebiete der religiös historischen Malerei sich etwas von [705] den gediegenen älteren Traditionen losgesagt haben und in ihrer Gefühls- und Darstellungsweise häufig als entschiedene Manieristen erscheinen. Anton von Worms hingegen hat sich von diesen Neuerungen nicht beherrschen lassen; in seinen gemüthvollen und verständigen historischen Compositionen ist der Geist der alten Maler noch vorwaltend geblieben. Seiner Gemälde gibt es zwar nicht sehr viele, aber immerhin mehr, als man gewöhnlich annimmt; er hat sie, wie dies auch bei seinen Holzschnitten geschah, nur zum kleineren Theile mit seinem Monogramm versehen, so daß sie vielfach nicht als seine Erzeugnisse erkannt wurden. Als Monogramm bediente er sich der Buchstaben A W und T W (T von Thoniß herrührend, wie er seinen Taufnamen, der Volkssprache gemäß, manchmal umwandelte). A W erscheint nur ineinander geschoben, wobei wohl zu beachten ist, daß der Querstrich vom A niemals fehlt, was wohl bei einem andern Meister der Fall ist, welcher für die Verlagswerke Georg Rhau’s zu Wittenberg Holzschnitte lieferte und irrthümlich mit Anton W. identificirt wurde.
An Gemälden unseres Meisters sind folgende bis jetzt bekannt geworden: in der kgl. Gemäldegalerie zu Berlin befindet sich als Nr. 1242 die Darstellung des jüngsten Gerichtes, welche des näheren beschrieben ist in Sotzmann und Schorn’s „Kunstblatt“ 1838, Nr. 56. Das Provinzialmuseum in Bonn bewahrt einen St. Petrus, St. Paulus und einen geistlichen Stifter von ihm. In der großherzogl. Gemäldegalerie zu Darmstadt ist als Nr. 257 eine Madonna mit dem Kinde als Woensam’s Werk aufgeführt. In Frankfurt a. M. kam 1826 ein von Anton von Worms gemaltes Bildniß zur Versteigerung, von welchem das in der dortigen Hermann’schen Buchhandlung erschienene „Verzeichniß einer Sammlung von Oelgemälden“ berichtet, daß es einen Gelehrten im Pelzrocke, die Hände auf einem Tische liegend, darstelle; auch sei das Bild mit des Meisters Monogramm versehen gewesen. Eine weitere Notiz über das Bild findet sich in Nagler’s Neuem allgem. Künstl.-Lex. XXII, 90. Im erzbischöflichen Museum zu Freising befindet sich ein Crucifixus und Heilige, von Anton v. Worms gemalt. Die Sammlung zu Godesberg verwahrt von ihm eine Anbetung der Könige, Stifterin, hl. Dorothea und hl. Andreas, Kniefiguren. Am Platze seines Schaffens selbst, in Köln, befindet sich im städtischen Museum unter Nr. 250 ein figurenreiches Bild, den gekreuzigten Heiland, Heilige und den Stifter, den Karthäusermönch Petrus Blomevenna, darstellend. Der Maler hat diesem Bilde sein Monogramm beigefügt. Ein zweites Bild Woensam’s verwahrt das städtische Museum unter Nr. 355; es hat in figurenreicher Composition die Gefangennahme Christi mit landschaftlichem Hintergrunde zum Gegenstande. Das mit Nr. 251 bezeichnete Bild derselben Sammlung, die Kreuzigung Christi darstellend, gehört einem Nachfolger Woensam’s an. In der St. Severinskirche in Köln befindet sich eine Maria mit dem Jesuskinde auf dem Schoße; in der St. Ursulakirche ebendaselbst der Flügel eines nicht mehr vollständig erhaltenen Triptychons. Ferner befanden sich noch mehrere unserm Meister zuzuschreibende Bilder in den Gemäldesammlungen kölnischer Kunstliebhaber, so in der Sammlung des Herrn Leonard Beckers, in derjenigen von Clavé v. Bouhaben, in derjenigen Dormagen’s sowie bei J. J. Merlo. Auch die kgl. Pinakothek in München enthält einige Bilder Woensam’s. Das Verzeichniß seiner Producte ist indessen damit noch nicht abgeschlossen; es wird noch manche Bildnisse geben, welche seiner Autorschaft zuzuschreiben sind.
Was nun seine Holzschnitte angeht, so möge hier von einer Aufzählung derselben abgesehen werden. Die Fülle derselben ist eine zu große; man bedenke nur, daß er für die Pressen eines Peter Quentel, Eucharius Cervicornus, Johann [706] Soter, Melchior Novesianus, Jaspar Gennep. Franz und Arnold Birkmann, Johann Gymnicus, Hero Alopecius, Johann Dorstius, Johann Prael, Arnt v. Aich u. A. thätig war, und man wird sich einen Begriff von der Menge seiner Holzschnitte machen können. Auch hat Merlo (s. u.) dieselben in seiner Monographie über unsern Meister verzeichnet, so daß es genügen dürfte, hier darauf hinzuweisen. Nur des bedeutendsten seiner Holzschnitte sei hier besonders gedacht, den er für Peter Quentel anfertigte, seines großen Prospectes der Stadt Köln, welchem Sotzmann (s. u.) eine eigene Schrift widmete. Wol keine andere deutsche Stadt kann sich eines trefflicheren rühmen; der Künstler hat hier mit ausdauerndem Fleiße sein Höchstes geleistet, und nicht nur entsprechender Lohn, sondern auch hohe Anerkennung seiner Mitbürger wird ihm zu theil geworden sein. Der Philosoph Caspar Colb, für welchen Anton von Worms eine Folge von Tafeln zu einem Astrolabium herstellte, preist ihn mit dem höchsten Lobe und nennt ihn von fast dädalischem Geiste beseelt, ein Lob, welches in der That W. für seine Holzschnittarbeiten vollauf in Anspruch nehmen kann. Jedenfalls ist er auf diesem Gebiete der bedeutendste Kölner Künstler gewesen.
- J. D. F. Sotzmann, Ueb. d. Antonius v. Worms Abbildung d. Stadt Köln aus d. J. 1531. Mit 3 Vorstellungen in Steindruck. Köln 1819. – J. J. Merlo, Nachrichten von dem Leben und den Werken Kölnischer Künstler. Köln 1850. S. 517–538 und 1. Forts. S. 166–175. Neubearbeitung und Erweiterung von E. Firmenich-Richartz. Düsseldorf 1895. Col. 971–1099. – Derselbe, Anton Woensam von Worms, Maler und Xylograph zu Köln. S. Leben u. s. Werke. M. Nachträgen. Leipz. 1864 u. 1884.