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ADB:Silberschlag, Johann Esaias

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Artikel „Silberschlag, Johann Esaias“ von Paul Tschackert in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 34 (1892), S. 314–316, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Silberschlag,_Johann_Esaias&oldid=- (Version vom 3. Dezember 2024, 18:04 Uhr UTC)
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Silberschlag: Johann Esaias S., evangelischer Prediger, geboren zu Aschersleben am 16. November 1716, † zu Berlin 1791. Im Zeitalter der Aufklärung verdient S. eine besondere Beachtung deswegen, weil er unter Festhaltung altgläubiger Frömmigkeit den Sinn für Naturwissenschaften in hervorragendem Maße geweckt und gepflegt hat; er verband kirchlichen, ja pietistisch angeregten Glauben mit einer so ausgeprägten Liebe zu den „Realien“, den Naturwissenschaften, daß er als einer der Bahnbrecher für den modernen Realschulunterricht anzusehen ist. Er stammte aus einer Familie, in welcher die Beschäftigung mit Medicin und Chemie fast erblich war. So lenkte denn sein Vater, welcher in Aschersleben Arzt war, seinen Sinn frühzeitig auf Beobachtung der Natur und auf die Beschäftigung mit mathematischen Zeichnungen und physikalischen Instrumenten. Der Knabe ging darauf ein und zeichnete und modellirte mit Begierde. Im J. 1737 starb sein Vater und im nächsten Jahre bezog der junge S. durch Vermittelung eines Freundes seiner Eltern die gelehrte Schule des Klosters Bergen bei Magdeburg, welche sich damals unter Leitung [315] des mild pietistischen Abtes Steinmetz eines hohen Rufes erfreute. Der Geist dieser Schule gewann bald einen so entschiedenen Einfluß auf S., daß er seinen Entschluß, Arzt zu werden, aufgab und nach Absolvirung des Schulcursus in seinem 20. Lebensjahre auf der Universität zu Halle das Studium der Theologie begann; aber als Nebenstudium trieb er das der Naturwissenschaften weiter. Auf diesem Doppelgeleise hat sich von da an sein Leben bis zu seinem Ende bewegt; aber das Bild dieses Lebens hinterläßt nirgends den Eindruck einer Disharmonie; Theologie und Naturwissenschaften waren für S. keine Gegensätze; Probleme, welche zwischen beiden auftauchen, erledigten sich für ihn leicht, weil er den Inhalt der Erkenntniß mehr mit lebhafter Einbildungskraft zu erfassen und mit bewunderungswürdigem Geschick sinnlich darzustellen, als mit logischer Kraft zu durchdringen verstand. S. war kein scharfer Denker, und wurde, je älter desto entschiedener, ein Gegner aller Neuerungen; seine Stärke war Frömmigkeit und Freude an der Natur. Beide zu bethätigen, hatte sich ihm in seinem Leben reiche Gelegenheit dargeboten. Ueberblicken wir nach dieser allgemeinen Beurtheilung seiner Person seinen Lebensgang.

Auf Grund seiner nahen Beziehungen zum Abte Steinmetz fand er nach Abschluß seiner Universitätsstudien zunächst im J. 1745 eine Anstellung als Lehrer hauptsächlich naturwissenschaftlicher Fächer in der Schule des Klosters Bergen selbst. Acht Jahre wirkte er in diesem Amte, bis er, körperlich und geistig überanstrengt, im J. 1753 eine Landpredigerstelle (in Wolmirsleben) bei Magdeburg annahm. Hier erholte er sich bald wieder, verheirathete sich und wurde als Prediger so bekannt, daß er 1756 als Pastor in eine hervorragende Stadtpredigerstelle, nach Magdeburg, berufen wurde. Während des siebenjährigen Krieges, welcher damals ausbrach, befand sich der preußische Hof zeitweilig hier. Dieser Umstand lenkte die Aufmerksamkeit hoher Persönlichkeiten auf S.; der Oberhofprediger Sack wohnte außerdem in Silberschlag’s Hause; so erklärt sich, daß, als sich in Berlin für ihn eine geeignete Stelle fand, man ihn dahin zog. Hatte doch bereits auch die Berliner Akademie der Wissenschaften auf Grund von Studien, die er über die Wurfmaschinen der Alten angestellt hatte, in einer für ihn ehrenvollen Weise 1760 auf ihn aufmerksam gemacht, indem sie ihn zu ihrem auswärtigen Mitglied ernannte. Als daher der verdienstvolle Stifter der Realschule in Berlin, der Oberconsistorialrath R. Hecker gestorben war, wurde S. 1769 als dessen Nachfolger in der Stellung als Oberconsistorialrath Director dieser Schule und als Prediger der Dreifaltigkeitskirche nach Berlin berufen. Da die Direction der Schule viel Schwierigkeiten mit sich brachte, gab er sie nach fünfzehnjähriger Amtsführung (1784) auf, während er die Stellen als Prediger und Oberconsistorialrath beibehielt. War er doch bald nach seiner Uebersiedelung nach Berlin von dem Könige Friedrich II., welcher seine praktisch-naturwissenschaftlichen Leistungen schätzte, in das von ihm im J. 1770 errichtete Oberbaudepartement berufen und mit dem Referat über Maschinenwesen und Wasserbau betraut worden. S. hat auch in diesem Nebenamte viel Beschäftigung auf sich genommen und sich z. B. besonders hülfreich bewiesen, als am Niederrhein (in den preußischen Gebietstheilen) im Frühjahr 1784 durch plötzliches Thauwetter 118 Deichbrüche erfolgten und 14 Städte und 84 Dörfer unter Wasser standen. Da ihn zeitraubende Beschäftigungen dieser Art in Anspruch nahmen, so hatte S. keine Zeit gefunden, sich auf dem Gebiete der wissenschaftlichen Theologie auf dem laufenden zu erhalten; auch entsprach seiner pietistisch-kirchlichen Grundgesinnung der stürmische Drang der negativen Aufklärungstheologen durchaus nicht. „Es giebt“, so äußerte er sich, „zwei Quellen der menschlichen Erkenntniß, die Vernunft und die Offenbarung. Wenn nun die schwache, menschliche Vernunft schon zu einer Gewißheit führt wie die [316] mathematische ist: wie weit größer und unerschütterlicher muß da die Gewißheit der heiligen Schrift sein, in welcher Gott selber redet.“ In diesem apologetisch-positiven Geiste ist seine „Lehre der heiligen Schrift von der Dreyeinigkeit Gottes“ (2. Aufl., Stück 1–4, 1783–1791) abgefaßt. Er trug daher auch kein Bedenken, das Wöllner’sche Religionsedict vom Jahre 1788 zu billigen und selbst Mitglied der alsbald viel berufenen Prüfungscommission zu werden, welche fortan die preußischen Theologen auf ihre Rechtgläubigkeit hin zu prüfen hatte, während die aufgeklärten Oberconsistorialräthe zu Berlin, Spalding, Büsching, Teller, Dietrich und Sack dem Könige Friedrich Wilhelm II. ein schriftliches Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit jenes Edicts und der darauf angeordneten Prüfung überreichten. Silberschlag’s Stärke war nicht die wissenschaftliche Theologie, sondern die begeisternde Predigt, die er in edel populärer Form zu halten verstand, und eine gewissenhafte Seelsorge, durch die er besonders den kranken Gliedern seiner Gemeinde nachging. Er hat sich daher in allen den drei Gemeinden, in welchen er als Geistlicher gewirkt, großer Beliebtheit erfreut. In seinem Hause lebte er einfach, thätig und fromm, bis der Tod seinem arbeitsreichen Leben im J. 1791 ein Ziel setzte. Die „Gedächtnißpredigt“ hielt ihm sein College Hermes. Sie befindet sich auf der Bibliothek in Göttingen, angebunden an die unten zu erwähnende Selbstbiographie Silberschlag’s. Gedruckt existiren von S. außer dem erwähnten dogmatischen Werke viel Predigten und zahlreiche physikalische, naturgeschichtliche und ähnliche Arbeiten. Ihre Titel stehen in dem unten anzuführenden „Leben von ihm selbst beschrieben“ (1792), S. 58 ff. und bei (Joh. Georg) Meusel, Lexikon der vom Jahre 1750–1800 verstorbenen teutschen Schriftsteller, XIII. Bd. (1813) S. 168 ff.

Sein „Leben von ihm selbst beschrieben“ erschien 1792 (Berlin, 62 S.); auf dieser Biographie ruht Friedr. Schlichtegroll’s „Nekrolog für das Jahr 1791“, Bd. II (Gotha 1793), S. 192 ff. (Die in den „Lebensbeschreibungen jetzt lebender und neuerlich verstorbener Gottesgelehrten und Prediger in den Kgl. Preuß. Landen“ [Halle 1768, S. 36 ff.] befindliche Vita ist belanglos.) – Bildnisse von S. erwähnt Meusel a. a. O. S. 172.