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ADB:Simbschen, Josef Anton Freiherr von

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Artikel „Simbschen, Josef Anton Freiherr von“ von Franz Ilwof in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 54 (1908), S. 345–348, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Simbschen,_Josef_Anton_Freiherr_von&oldid=- (Version vom 7. Oktober 2024, 11:58 Uhr UTC)
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Simbschen: Josef Anton Freiherr von S., k. k. Feldzeugmeister, wurde, einem siebenbürgischen Adelsgeschlecht entstammend, am 6. October 1746 zu Siebendorf bei Bistritz in Siebenbürgen geboren; dem Beispiele seines Vaters folgend, der 1763 als Feldmarschalllieutenant verstorben war, trat er in das österreichische Heer, wurde um 1768 Hauptmann im Generalstab, vermählte sich 1782 mit Rosalie v. Wagner, einer Gutsbesitzerstochter aus dem Egerlande, wurde 1786 Commandant in Zengg und befand sich im Gefolge des Erzherzogs Franz (später Kaiser), als dieser 1786 kurz vor Ausbruch des Türkenkrieges das kroatische Küstenland bereiste. In diesem Kriege leistete er, da er mit den Verhältnissen der Militärgrenze sich vertraut gemacht hatte und der serbo-kroatischen Sprache kundig war, treffliche Dienste, so daß er 1788 Major, 1789 Oberstlieutenant, 1790 Oberst wurde.

Als wenige Jahre später Oesterreich in Deutschland und Italien in vollem Kampfe gegen die französische Republik stand, bewährte S. auch in diesem seine Tüchtigkeit; er wurde dem damaligen Statthalter der Lombardei, Erzherzog Ferdinand von Modena-Este, zugetheilt und dieser betraute ihn sogleich mit einer ebenso wichtigen als schwierigen Aufgabe. Der Nationalconvent hatte den französischen Gesandten Sémonville beauftragt, sich möglichst heimlich durch die Schweiz nach Venedig zu begeben und von dort zur See nach Constantinopel zu reisen, um die hohe Pforte durch Unterhandlungen und Geschenke zum kriegerischen Vorgehen gegen Oesterreich zu bewegen und dadurch dessen Kriegführung in Deutschland und Italien zu lähmen. S. und Oberlieutenant (später Feldmarschalllieutenant) Richter von Binnenthal begaben sich als Kaufmann aus Triest und als dessen Handlungsdiener verkleidet nach Genua, dann in die Schweiz, an den Lago maggiore und an den Lago di Como, zogen über die Reise des französischen Diplomaten genaue Kunde ein und trafen so gute Veranstaltungen, daß es am 25. Juli 1793 den österreichischen Behörden gelang, den Gesandten Sémonville, dessen Begleiter Hugo Bernhard Maret, bevollmächtigten Minister der französischen Republik beim Könige beider Sicilien, die Madame Sémonville und zehn Bedienstete derselben zu Novate am Lago di Mazzola bei Chiavenna, in der Nähe der österreichischen Grenze, mit ihrer ganzen Habe an Geld, Papieren und Kostbarkeiten gefangen zu nehmen.

In den folgenden Jahren zeichnete sich S. auf dem Kriegsschauplatze in Italien aus, wurde 1796 als Generalmajor zur Armee, die unter Erzherzog Karl’s Oberbefehl in Deutschland focht, versetzt, vertheidigte hier die Festung Mainz durch neun Wochen bis zu deren Entsatz (9. September 1796) und erwarb sich in hohem Grade das Vertrauen des kaiserlichen Prinzen, dem er eine Denkschrift „Ueber die Verbesserung des Kriegswesens“ überreichte. In der Schlacht von Liptingen-Stockach (25./26. März 1799) that er sich als Befehlshaber eines selbständigen Corps hervor, machte die Schlacht bei Zürich (9. Juni 1799) mit und unterstützte (September und October 1799) die Russen unter Suworow in ihren Kämpfen in den Urkantonen und in Graubünden. Wie hoch Erzherzog Karl S. hielt, beweist, daß er ihn durch Armeebefehl vom 14. Februar 1800 zum Generalinspector und Director sämmtlicher Vertheidigungsanstalten im Deutschen Reiche ernannte, „um in die verschiedenen, theils bereits bestehenden, theils noch zu errichtenden Landesbewaffnungen das erforderliche System sowie die nöthige Einheit und Verbindung mit den k. k. Truppen zu bringen“. – 1801 wurde er zum Feldmarschalllieutenant ernannt, im Kriege von 1805 stand er wieder unter dem Oberbefehl des Erzherzogs Karl in Italien, befehligte in der Schlacht bei Caldiero (29./30. October) acht Infanterieregimenter und acht Husarenschwadronen und vollführte [346] aus eigenem Antriebe entscheidende Bewegungen, welche wesentlich zum Siege beitrugen. Die höchste militärische Auszeichnung, der Maria Theresienorden und bald darnach die Ernennung zum Inhaber eines Infanterieregimentes waren der Lohn für die Verdienste, welche er auf dem Schlachtfelde von Caldiero, sowie in seiner bisherigen Dienstleistung erworben. Um dieselbe Zeit erfolgte seine Ernennung zum Divisionär in Kroatien mit dem Sitze in Agram, wo er jedoch kaum ein Jahr verweilte, denn schon im Juni 1807 wurde er zum commandierenden General in Slavonien mit dem Amtssitze in Peterwardein befördert, zu einer ebenso ehrenvollen als schwierigen Stelle, die ihn aber zu einer furchtbaren Katastrophe führte, der er weniger durch eigene Schuld, als durch das Verhängnis der Umstände und Verhältnisse, denen er zum Opfer fiel, erlag. Hier war er der Nachfolger des damals schon 96 Jahre alten Feldzeugmeisters Freiherrn v. Geneyne, der diese Stelle durch sechzehn Jahre bekleidet hatte. Abgesehen davon, daß S. von seinem greisen Vorgänger eine Anzahl von Actenstücken zur Bearbeitung und Erledigung vorfand, lag das Schwierige des neuen Amtes darin, daß er weder mit den Zuständen und Verhältnissen, in deren Mitte er gesetzt wurde, noch mit den Personen, welche ihm als Mitarbeiter zugetheilt und untergeordnet wurden, vertraut war, daß er nicht nur das militärisch-politische Commando, sondern auch das Präsidium beim Militär-Appellationsgerichte zu führen hatte, obwohl er um die Enthebung von dem letzteren gebeten, „da er von der Rechtsgelehrtheit nicht die mindesten Begriffe hätte“, daß er zwar dem Hofkriegsrathe unterstand, jedoch auch unmittelbar den Vorständen der Armee und der Grenzverwaltung, den Erzherzogen Karl und Ludwig, ja selbst dem Kaiser Berichte zu erstatten hatte und von diesen Weisungen erhielt, und er Serbien gegenüber nicht bloß als Soldat, sondern noch vielmehr als Politiker und als Diplomat aufzutreten hatte. War schon das Land, die slavonische Militärgrenze, dem er unmittelbar vorstand, ein Gebiet, in dem es fast Tag für Tag Räubereien, Gerichtshändel, Handels- und Contumazschwierigkeiten und anderes Unangenehme und Schwierige aller Art gab, so war seine Stellung Serbien gegenüber noch viel bedenklicher und gefährlicher, denn da sollte S. als gewandter Diplomat auftreten und wirken, den Serben entgegenkommen, ohne den kaiserlichen Hof in den wachsamen Augen der hohen Pforte und Rußlands im geringsten zu compromittiren, sein Benehmen den wechselnden politischen Verhältnissen anpassen, nach bestimmten Weisungen handeln und doch auch nach eigenem Ermessen vorgehen, bei jedem Schritt nach vorwärts sich den Weg nach rückwärts offen halten, ein verläßliches Kundschafterwesen möglichst wohlfeil und unauffällig einrichten, den Puls der Volksstimmung in der Nachbarschaft fühlen, dem weitverbreiteten und durch den Serbenaufstand genährten Räuberunwesen steuern und das verwickelte Grenzsperr- und Contumazwesen überwachen.

Oesterreich war dem serbischen Aufstand gegenüber für die strengste Neutralität und wünschte einen friedlichen Ausgleich zwischen der Pforte und den Serben. Unter so schwierigen und verwickelten Zuständen übernahm S. das slavonische Generalat mit dem Auftrage, mit den Serben in Verbindung zu treten, sie Oesterreich geneigt zu machen und die Besetzung Belgrads durch die kaiserlichen Truppen zu erwirken. Bei diesen Unterhandlungen sollte S. keinesfalls die Initiative ergreifen und Vorschläge machen, sondern die Angelegenheit derart einleiten, daß die Serben selbst auf den Gedanken verfielen, sich Oesterreich anzuvertrauen, und der Wiener Hof in keiner Weise compromittirt würde. S. schickte (März 1808) einen Vertrauensmann nach Belgrad, um mit den Führern des serbischen Volkes zu verhandeln und hatte [347] am 8. April mit Kara Georg selbst eine Unterredung. Dieser sprach den Wunsch aus, Serbien möge als Militärgrenze und verwaltet nach deutschen, nicht ungarischen, Gesetzen Oesterreich einverleibt werden. Diese Unterhandlung blieb ganz resultatlos, denn sie wurde dem russischen Consul in Belgrad verrathen, die russophile Partei in Serbien gewann die Oberhand und Kara Georg zog sich vorläufig ganz von Oesterreich zurück. Erst als (Juni 1809) die Serben bei Nisch eine Schlappe durch die Türken erlitten hatten, trat Kara Georg wieder in Verhandlung mit S., der inzwischen zum Feldzeugmeister vorgerückt war, und bat, Serbien in den Schutz Oesterreichs aufzunehmen, wogegen die Festungen Belgrad, Semendria und Schabacz den österreichischen Truppen übergeben würden. Metternich lehnte jedoch, um Rußland und die Pforte nicht zu reizen, jede Intervention in Serbien ab, beauftragte aber S., mit Kara Georg freundliche Verbindung zu erhalten. Der Serbenführer hingegen wandte sich nun von Oesterreich ab, unwillig über das stete Hinhalten, über die vergeblichen Vermittlungsversuche bei der Pforte und über die Vermeidung jedes energischen Schrittes durch die österreichische Diplomatie. S. berichtete Metternich über diesen Mißerfolg – damit war aber zugleich Simbschen’s Stellung erschüttert; ein kaiserliches Handschreiben vom 24. October 1810 enthob ihn vom Peterwardeiner Generalcommando und berief ihn nach Wien.

Dort erfuhr er zu seinem höchsten Erstaunen, daß gegen seine Amtsführung in Peterwardein schwere Anklagen vorlägen und daß er von achtbaren und ehrenwerthen Persönlichkeiten des Hofkriegsraths großer und schwerer Verbrechen, die an Hochverrath grenzen, beschuldigt werde. Eine Untersuchungscommission wurde nach Arad entsendet; da war Gelegenheit gegeben, Anklagen, Verdächtigungen und Denunciationen gegen S. vorzubringen, und die große Schar von Verleumdern und Denuncianten, welche sich durch des Feldzeugmeisters Amtsführung mit Recht oder Unrecht für benachtheiligt hielten, säumte damit nicht. August 1812 wurde er sogar verhaftet und erst im December 1813 erhob das Kriegsgericht in Wien gegen ihn folgende Anklagen: 1. Mißbrauch der Amtsgewalt; 2. Mitschuld an der betrügerischen Schädigung des türkischen Aerars um 26 000 Piaster; 3. verdächtige Vermehrung des eigenen Vermögens während seiner Amtsführung in Slavonien; 4. pflichtwidriges Verhalten zu den aufständischen Serben durch Versorgung derselben mit Schießbedarf und durch Auslieferung des Miloje Petrovič.

Den ersten Punkt ließ der Untersuchungsrichter selbst bald fallen; den zweiten Punkt, Mitschuld an der Schädigung des türkischen Aerars um 26 000 Piaster bei Gelegenheit des Verkaufes von Getreide an den Pascha von Belgrad durch serbische Handelsleute entkräftete S. durch die Erklärung, daß er diese Angelegenheit von seinem Vorgänger, dem Feldzeugmeister Geneyne übernommen und den richtigen Sachverhalt wegen Mangels an Voracten nicht gekannt habe; ad 3 erwies sich, daß Simbschen’s Vermögen nicht mehr als 36 000 Gulden betrage, entstanden aus dem Heirathsgute seiner Frau und aus Ersparnissen während seiner nun schon 46jährigen Dienstzeit; inbetreff des vierten Punktes verantwortete sich S. damit, daß ihm in einer kaiserlichen Weisung die Befugniß ertheilt worden sei, die Serben mit allem, was sie zu ihrem Lebensunterhalt und zu ihrer Vertheidigung bedürften, zu versehen, und den Miloje Petrovič habe er dem Kara Georg, der ihn hinrichten ließ, ausgeliefert, aber nur auf Grund der Reciprocität und weil jener das Oberhaupt aller Räuber in Serbien gewesen sei.

Auf Grund dieser Anklagen stellte der Stabsauditor Gavenda den Antrag, S. sei der Feldzeugmeisterstelle zu entsetzen, des Maria Theresienordens [348] sammt Ordenspension für verlustig zu erklären und mit vierjährigem Festungsarrest zu bestrafen. Das Kriegsgericht verurtheilte ihn jedoch nur zu einjährigem Profoßenarrest. Der Hofkriegsrath hingegen, in dem offenbar Simbschen’s heftige Feinde und Gegner Sitz und Stimme hatten, verwarf dieses Urtheil und bestätigte die Anträge des Anklägers mit der einzigen Milderung, daß S. die bisher ausgestandene Untersuchungshaft als Strafe angerechnet werde. Am 12. Juli 1815 wurde S. dieses drakonische Urtheil verkündet. – Wenn man jetzt, nach neunzig Jahren, diesen Proceß unbefangen beurtheilt, muß man zur Erkenntniß gelangen, daß das, was S. als Verbrechen zur Last gelegt wurde, nichts anderes war, als Mißgriffe ohne böse Absicht, Verirrungen unter schwierigen Berufsverhältnissen und verworrenen Zuständen und daß in diesem Processe persönliche Feindschaft eine größere Rolle gespielt haben mag als Rechtsbewußtsein und Gewissen der obersten Richter.

Während sich diese Vorgänge gegen S. in Wien abgespielt hatten, war der Präsident des Hofkriegsrathes, Fürst Karl Schwarzenberg, Feldmarschall, ebenso wie Kaiser Franz (Sommer 1815) bei Gelegenheit der zweiten Occupation ferne von Oesterreich – in Paris. Beide scheinen mit dem harten Vorgehen des Hofkriegsraths nicht einverstanden gewesen zu sein; und nachdem sie nach Wien zurückgekehrt waren, überreichte S. dem Fürsten Schwarzenberg eine umfangreiche Rechtfertigungsschrift, die gewiß auch dem Kaiser vorgelegt wurde, denn dieser gewann über den Proceß ein anderes Urtheil als die Criminalisten des Hofkriegsrathes, lieh der Stimme des Wohlwollens, der Billigkeit, der Gerechtigkeit das Ohr und erkannte, es müsse – da es auf einem anderen Wege nicht ginge – auf dem der Gnade Recht geübt werden. S. wurde, allerdings erst am 1. August 1818, in die vorher bekleidete Feldzeugmeistercharge mit einer Jahrespension von 4000 Gulden wieder eingesetzt und ihm der Maria Theresienorden sammt der vormals genossenen Ordenspension wieder zurückerstattet.

Nur anderthalb Jahre lebte S. noch in Würden und Ehren, welche seine Rehabilitirung ihm wieder verschafft hatten; er starb, 74 Jahre alt, am 14. Januar 1820 zu Wien.

v. Krones, Josef Freiherr von Simbschen und die Stellung Oesterreichs zur serbischen Frage (1807–1810), im Archiv für österreichische Geschichte, 76. Bd., S. 127–260. – v. Krones, Feldzeugmeister Josef Freiherr von Simbschen 1810–1818. Sein kriegsrechtlicher Proceß und seine Rehabilitirung (ebenda 77. Bd., S. 151–264). – Ilwof, FZM. Josef Frhr. v. Simbschen (1746–1820) und Oesterreichs Verhältniß zu Serbien 1805–1811, in der Oesterreichisch-ungar. Revue, XV, 1893, S. 169–196.