ADB:Steck, Johann Rudolf
Steck: Johann Rudolf St. wurde geboren zu Bern am 16. Mai 1772 als Sohn von Johann Rudolf St., der 1773 Commandant der Festung Aarburg wurde und der Frau Maria Magdalena geb. v. Jenner. Seine Jugend brachte er auf dem Schlosse Aarburg zu, durchlief dann, nachdem sein Vater schon 1778 gestorben war, die Schulen seiner Vaterstadt, widmete sich juristischen Studien und trat als junger Aspirant auf den Staatsdienst in die Staatskanzlei ein. In dieser Stellung hatte er Gelegenheit, im Juli 1792 die bernischen Abgeordneten an die außerordentliche Tagsatzung zu Frauenfeld als Secretär zu begleiten und im November desselben Jahres in ähnlicher Stellung die Besetzung von Genf durch bernische Truppen mitzumachen. So lernte er an zwei weit von einander entlegenen Punkten des Vaterlandes die politische Stimmung der Bevölkerung kennen.
Mit dem Freundeskreise, dem er angehörte und von dessen Mitgliedern ihm Joh. Rud. Fischer. später Secretär des Ministers Stapfer und Pädagog im Sinne Pestalozzi’s (1772–1800), ferner Albrecht Zehender, genannt vom Gurnigel, später Stadtschreiber von Bern (1770–1849) und Albrecht Friedrich May (s. A. D. B. XXI, 78 f.) am nächsten standen, theilte er die Begeisterung für die ursprünglichen Principien der französischen Revolution und lebte des Glaubens, daß durch freiwilligen Anschluß an dieselben das alte Staatswesen der schweizerischen Eidgenossenschaft verjüngt und vor dem drohenden Untergange gerettet werden könnte. Dieser Eindruck wurde noch verstärkt, als er 1795 im Herbst mit seinem Freunde Fischer die Universität Jena bezog, wo er sich namentlich für Fichte und Hufeland begeisterte und einen Kreis neuer Freunde fand, unter denen der Philosoph Herbart, der später eine Zeit lang Hauslehrer in Märchligen bei Bern war, ihm besonders werth wurde. Im Frühjahr 1797 reiste er über Norddeutschland und Holland nach Paris. Mit Sorge bemerkte er dort die feindselige Stimmung der französischen Republikaner gegen Bern, in welchem sie den Hauptsitz der alten Aristokratie erblickten, und sein Wunsch nach baldigen Reformen wurde um so dringender. In Paris lernte er auch seine künftige Lebensgefährtin kennen, eine geistvolle auch als Dichterin nicht unbedeutende Französin, Marie Aimée Guichelin, die ihm im Herbst als seine Gattin nach der Heimath folgte.
In Bern fand er die Staatslenker in dem angstvollen Hin- und Hertasten zwischen Widerstand gegen die französische Einmischung und Nachgiebigkeit gegen die Forderungen der Freiheitsfreunde, das die ersten Monate des Jahres 1798 ausfüllte. Die am 3. Februar proclamirte politische Gleichberechtigung aller Staatsbürger konnte den Sturm nicht mehr beschwören, Bern mußte seine Thore den Franzosen öffnen. In diesen Monaten hatte St. wieder verschiedene bernische Commissionen als Secretär zu begleiten, so die nach der Waadt abgesandte, die diesen aufgeregten Landestheil beruhigen sollte, und die Gesandtschaft Tillier’s nach Basel, Ende Februar, die sich vergeblich vor Mengaud demüthigte. Nach dem Siege der Franzosen wirkte er in der Contributionscommission mit, welche die Ansprüche der „Befreier“ mit den finanziellen Kräften der Bevölkerung auszugleichen suchte. Es trat nun mit dieser Wendung für den Kreis, dem St. angehörte, die Möglichkeit politischer Wirksamkeit ein. Das neugebildete helvetische Directorium berief ihn zu seinem Generalsecretär. Er folgte dem Rufe und begab sich am 25. April 1798 nach Aarau. Allein es war dieser Wirksamkeit keine lange Dauer beschieden. Die entschiedenen Franzosenfreunde waren unzufrieden darüber, daß das Directorium aus Männern gemäßigter Richtung zusammengesetzt war, der französische Commissar Rapinat wollte für Ochs und Laharpe in demselben Platz schaffen und verlangte gebieterisch den Austritt der Directoren Bay und Pfyffer und die Demission des Kriegsministers Bégos und [541] des Generalsecretärs St. Es mußte ihm willfahrt werden. St. nahm am 18. Juni seine Entlassung und kehrte nach Bern zurück.
Des politischen Haders müde, erwarb er nun ein Landgut in Moosseedorf bei Bern, in dessen Nähe 1799 sein Freund Fellenberg in Hofwyl sich ankaufte. Er lebte daselbst die nächsten Jahre in der Stille, in philosophischen Studien dem Lebensideal der Zeit nachtrachtend und nur noch als Mitglied des Erziehungsrathes an den öffentlichen Angelegenheiten betheiligt. Im Juni 1802 wurde er zum Beisitzer des außerordentlichen Gerichtshofes berufen, der über die Unruhen im Waadtlande wegen der sog. „bourlapapey“, d. h. Verbrennung von Lehensurkunden durch die unzufriedenen Landleute und angedrohten Abfall an Frankreich, richten sollte. Das Verfahren führte zu einigen scharfen Verurtheilungen, wurde jedoch schließlich durch eine Amnestie beendigt.
Als die helvetische Republik zusammenbrach und die Mediationsacte einen neuen politischen Zustand ins Leben rief, wurde auch St. wieder zur thätigen Mitwirkung am Staatsleben berufen. Er kam durch sechsfache Wahl am 11. April 1803 in den großen Rath und dieser wählte ihn am 25. April in das oberste Appellationsgericht. In dieser Behörde widmete er sich namentlich der Criminalistik, verfiel jedoch in Folge der peinlichen Aufregungen, die dieser Beruf mit sich brachte, in eine rasch verlaufende Brustkrankheit, die ihn am 21. September 1805 dahinraffte.
- Sammlung bernischer Biographieen I, 446 f. – Michaud, Mad. Steck et ses poésies. 1885. – Steck’s Briefwechsel mit seinen Freunden, namentlich Fischer und Zehender. – Actensammlung aus der Zeit der helvetischen Republik, von Strickler. – v. Gonzenbach, Leben des Staatskanzlers Mousson im Berner Taschenbuch 1864. – Lauterburg, Albrecht Friedrich May, ebenda, Jahrgang 1860. – Ziller, Herbartische Reliquien. 1871.