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ADB:Sulzer, Josef

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Artikel „Sulzer, Josef“ von Albert Schumann in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 37 (1894), S. 151–153, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Sulzer,_Josef&oldid=- (Version vom 27. November 2024, 02:46 Uhr UTC)
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Sulzer: Franz Josef S., Geograph und Historiker, bis auf C. v. Wurzbach (s. u.) nach seinen Lebensverhältnissen fast gar nicht bekannt, wurde in der damals österreichischen, jetzt aargauischen Rheinstadt Laufenburg am 21. Mai 1727 getauft, also wol am vorhergehenden Tage geboren. Sein Vater, Laurenz S. (1685–1740), war Mitglied des städtischen Rathes („Senator“) und genoß in seiner Umgebung den Ruf eines biederen, thätigen, wirthschaftlichen und das Wohl seiner Mitbürger eifrig fördernden Mannes. Er hatte sich 1716 mit Maria geb. Leuw verheirathet, diese Gattin jedoch am 8. April 1721 bei der Geburt eines vierten Kindes wieder verloren und am folgenden 28. Juli mit Maria Anna geb. Kienberger eine neue Ehe geschlossen. Von den zwei Knaben und vier Mädchen, welche aus derselben hervorgingen, war Josef S. das dritte Kind und der ältere Sohn. Nach dem Besuche der Laufenburger Schule trat er vermuthlich in eine geistliche Lehranstalt; denn die Ueberlieferung sagt, daß ihn sein Vater für den Jesuitenorden bestimmte, was um so wahrscheinlicher ist, als jener einer strenggläubigen Richtung huldigte, der Rosenbruderschaft angehörte und sich durch Freigebigkeit um die heimischen Kapuziner verdient machte. Auch die kampffrohe Stimmung gegen alles pfäffische Wesen, die der jüngere S. in seinen Schriften offenbart, dessen nachmalige Begeisterung für die Reformen Kaiser Josef’s II. und der späte Beginn seiner akademischen Laufbahn mögen auf einen derartigen Vorgang schließen lassen. Erst am 10. Januar 1754, also bereits 27jährig, findet er sich als Student der Physik in der Universitätsmatrikel von Freiburg i. B. eingetragen. Ob er hier oder anderswo noch juridische Vorlesungen gehört hat, ist nicht nachzuweisen. – Von 1759 bis 1773 diente er als österreichischer Hauptmann und Auditor bei Lattermann-Infanterie Nr. 45 und vermählte sich in den sechziger Jahren mit Johanna v. Drauth († am 16. April 1817 in Kronstadt), der Tochter des Kronstädter Senators Josef v. Drauth, womit er zugleich in Siebenbürgen heimathberechtigt wurde. Sie schenkte ihm drei Kinder. Der Sohn Josef Friedrich, geboren am 4. Mai 1767 in Kronstadt, trat – wahrscheinlich 1782 – als Cadet in das Cavallerieregiment Savoyen-Dragoner Nr. 5, bethätigte sich dann bei der Militärausmessung in Klausenburg, übernahm hierauf die Stelle eines Privatsecretärs [152] beim außerordentlichen bairischen Gesandten Baron Widenhof in St. Petersburg, bekleidete 15 Jahre lang den Posten eines dortigen Geschäftsträgers und schloß sein staatsmänisches Wirken als außerordentlicher bairischer Gesandter und bevollmächtigter Minister am großherzoglichen Hofe in Darmstadt. Nach dem Tode König Max Josef’s I. (13. Oct. 1825) in den Ruhestand getreten, verbrachte er seine noch übrigen Lebensjahre in Aschaffenburg und starb dort unvermählt am 23. April 1837. Die ältere Tochter, Johanna, Gattin des k. k. Oberstlieutenants J. v. Thurnfeld, verschied am 19. Novbr. 1833 in Hermannstadt; die jüngere, Luise, wohnte und starb (6. Febr. 1850) in Wien. Sie schuf sich ein dauerndes Andenken durch die Stiftung eines Capitals von mehr als 16,000 fl., dessen Zinsen das k. k. Kriegsministerium laut letztwilliger Verfügung an zwei unbemittelte verwaiste Officierstöchter zu vergeben hat. – 1773 ward Josef S. als Lehrer der Philosophie und der Rechte nach der Walachei berufen, scheint aber diese Stelle bald wieder aufgegeben zu haben, wol deshalb, weil man ihn anfänglich mit der Bearbeitung eines Landesgesetzbuches betraut, dann aber dessen Ausführung vereitelt hatte. Eine Zeit lang widmete er sich nun in Tyrnau bei Preßburg der Bewirthschaftung eines Pachtgutes, sah sich aber wegen seiner freien religiösen Ansichten von den dortigen Geistlichen auf der Kanzel angegriffen, sodaß er das Gut mit einigem Verluste wieder aufgab. Zu Anfang der achtziger Jahre eröffnete sich ihm eine doppelte Aussicht: er hoffte entweder Nachfolger seines Schwiegervaters in Kronstadt zu werden, als man die hervorragendsten Beamten Siebenbürgens in anderen Kronländern verwendete, oder als österreichischer Consul nach der Walachei zu kommen, erhielt aber schließlich doch keines der beiden Aemter. Noch vor Entscheidung der letzteren Angelegenheit unternahm er im Sommer 1782 mit seinem 15jährigen Sohne „eine litterarische Reise“ bis nach Vorderösterreich und dem Elsaß. Er gedachte dabei seinem jugendlichen Begleiter ein Stück Welt zu zeigen, aber auch das Geld einzufordern, „welches der k. k. Obervogt der Herrschaft Laufenburg schon seit 20 Jahren“ – also vermuthlich seit dem Tode seiner am 22. November 1755 gestorbenen Mutter – „bei der Abhandlung seines väterlichen Vermögens unterschlagen hatte“. Auf dieser Reise kehrte er mit Vorliebe in den Klöstern ein, besichtigte die Bibliotheken und suchte den Umgang bedeutender Männer: so Bodmer’s, Lavater’s, Sal. Geßner’s, des Theologen J. J. Heß in Zürich, des Buchdruckers J. Thurneisen und des schon dem Tode nahen Isaak Iselin in Basel. Im Elsaß zeigte er seinem Sohne „die berühmten Kattunfabriken Mülhausen’s, des blinden Herrn Hofraths Pfeffel berufene Militärschule, die Festungswerke zu Neu-Breisach und die Ruinen der vormaligen Reichsfestung Alt-Breisach“. Während seines Aufenthaltes in Freiburg lernte er die Professoren Frz. Jos. Bopp und Jos. Anton Petzeck kennen. Sie riethen ihm, sich um den Lehrstuhl der Statistik zu bewerben, den Josef II. damals an der Hochschule zu errichten gedachte, und gaben ihm auch Empfehlungsschreiben nach Wien mit. Als sie ohne Wirkung blieben, trat S. wieder in das kaiserliche Heer zurück und zwar mit dem ihm angebotenen Grade eines Rittmeisters und Auditors im Dragonerregimente Savoyen. Im August 1791 ist er dann, 64 Jahre alt, in dem walachischen Städtchen Pitesti gestorben. – Von seinen Schriften ist die werthvollste die auf eigener Beobachtung von Land und Leuten beruhende „Geschichte des transalpinischen Daciens, das ist, der Walachei, Moldau und Bessarabiens, im Zusammenhange mit der Geschichte des übrigen Daciens, als ein Versuch der allgemeinen dacischen Geschichte mit kritischer Feder entworfen“ (Des 1. oder geographischen Theils 1.–3. Bd., 1781–82; mit Karten und Plänen). Den zweiten oder historischen Theil, der bereits vollständig ausgearbeitet war, wollte der Verfasser 1790 als „Versuch einer allgemeinen dacischen [153] Geschichte“ in 2 Bänden auf Vorausbestellung veröffentlichen; doch hat sein Tod diese Absicht vereitelt. Nach v. Wurzbach haben sich ansehnliche Bruchstücke davon erhalten, so namentlich in der Büchersammlung des Hermannstädter Obergymnasiums die an Ausführlichkeit alle bisherigen Darstellungen übertreffende Beschreibung des russisch-österreichischen Türkenkrieges von 1787 bis 1789, die allein 50 Bogen füllt, daneben noch ein Auszug im ungarischen Nationalmuseum zu Pesth. Nur ein ganz kurzes Bruchstück des 2. Theiles: „Ueber den wahren Standort der trajanischen Brücke“ ist in der „Siebenbürgischen Monatsschrift“ (7. Bd., S. 81–89) gedruckt worden. – Eine zweite Schrift Sulzer’s, welche die oben erwähnte Reise von 1782 schildert, trägt den Titel: „F. J. S. Altes und neues oder dessen litteralische (so!) Reise durch Siebenbürgen, den Temeswarer Banat, Ungarn, Oesterreich, Bayern, Schwaben, Schweiz und Elsaß etc. in drey Sendschreiben an Herrn Prediger Theodor Lange, zu Kronstadt in Siebenbürgen“ (1782). Nach dem kurzen Vorworte hat ein Unbekannter die darin enthaltenen umfänglichen Briefe ohne Vorwissen des Verfassers herausgegeben; „er fand sie bei dem Empfänger auf dem Tische, steckte sie heimlich ein und ließ sie drucken, weil ihr Inhalt dieses Diebstahls werth war“. Trotz der bloßen Andeutung des Namens errieth man doch alsbald den Briefschreiber und griff ihn wegen seiner offenen Darlegung von Uebelständen und Mißbräuchen in mehreren bei v. Wurzbach angeführten Gegenschriften heftig an. – Noch hat S. die „Fragmente aus des Obristlieutenants Friedrich Schwarz v. Springfels Beschreibung der österreichischen Walachei“ im „Ungarischen Magazin“ (3. Bd., S. 139 ff.) veröffentlicht, und seinen Briefwechsel mit dem Göttinger Professor Michael Hißmann aus Kronstadt, dem Recensenten seiner „Geschichte des transalpinischen Daciens“ in den „Göttingischen gelehrten Anzeigen" (1781–83), enthalten die „Blätter für Geist“ (Kronstadt 1845, Nr. 22 u. 23) und das von Anton Kurz herausgegebene „Magazin für Geschichte, Literatur und alte Denk- und Merkwürdigkeiten Siebenbürgens“ (2. Bd., Kronstadt 1846, S. 239–243).

C. v. Wurzbach, Biogr. Lexikon, 40. Thl. (1880), S. 306b–308b. – Außerdem vgl.: Sulzer’s Altes u. neues (s. o.). – Meusel’s Gel. Teutschland, 7. Bd. (1798), S. 741; 16. Bd. (1812), S. 382 u. 20. Bd. (1825), S. 706; Lexikon, 13. Bd. (1813), S. 553 f. – F.-J. Fétis, Biographie universelle des musiciens, 2e éd., tome VIIIe (1878), p. 167a. (Gefl. archivalische Aufschlüsse über Sulzer’s Geburtsjahr und Familienverhältnisse, die bisher im Dunkeln lagen, verdanke ich Hrn. Rector Fr. Wernli in Laufenburg, eine Notiz Hrn. Universitätsbibliothekar Dr. Fr. Pfaff zu Freiburg i. Br.)