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ADB:Tann-Rathsamhausen, Ludwig Freiherr von und zu der

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Artikel „Tann-Rathsamhausen, Ludwig Freiherr von und zu der“ von Bernhard von Poten in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 37 (1894), S. 373–380, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Tann-Rathsamhausen,_Ludwig_Freiherr_von_und_zu_der&oldid=- (Version vom 17. November 2024, 12:36 Uhr UTC)
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Tann: Ludwig Samson Arthur Freiherr von und zu der T.-Rathsamhausen, königlich bairischer General der Infanterie, wurde am 18. Juni 1815 zu Darmstadt im Hause seines Großvaters, des Regierungspräsidenten Freiherrn v. Rathsamhausen, dessen älteste Tochter Tann’s Mutter war, geboren. Mit diesem starb die aus dem Elsaß stammende Familie der Freiherrn v. Rathsamhausen im Mannesstamme aus. Durch königlichen Erlaß vom 21. Mai 1868 wurde der aus der Verheirathung seiner beiden Töchter mit zwei Brüdern v. d. T. hervorgegangenen Nachkommenschaft gestattet den Namen Rathsamhausen dem ihrigen hinzuzufügen. Des Neugeborenen Taufpathen waren König Ludwig von Baiern, der mit dem Vater sehr befreundet war, und der Großvater Rathsamhausen; den Namen Arthur erhielt er zum Andenken an seinen Geburtstag, den Schlachttag von Waterloo, nach dem Herzoge von Wellington. Seine Kinderzeit verlebte er meist auf dem im J. 1866 preußisch gewordenen Stammschlosse zu Tann in der Rhön, wo die Familie den größten Theil des Jahres hindurch lebte, während sie im Winter für einige Monate nach Darmstadt zog. Sein Unterricht war Hauslehrern anvertraut, wurde aber vom Vater, dem Freiherrn Heinrich v. d. T., einem gelehrten Manne, der nachdem er die Rechte studirt und im Staatsdienst gestanden hatte, ganz den Wissenschaften lebte, [374] sorgsam überwacht, bis der Sohn am 2. Nov. 1827 behufs fernerer Erziehung der kgl. Pagerie zu München übergeben ward. Seine vortrefflichen geistigen und körperlichen Anlagen entwickelten sich hier auf das günstigste. Er war der Liebling Aller, seiner Lehrer und seiner Mitschüler, auf die letzteren äußerte er schon früh großen Einfluß. 1831 wurde er im evangelischen Betsaale der alten Residenz confirmirt. Die Natur hatte ihn augenscheinlich zum Soldaten bestimmt. Daher wählte er bei seinem Austritte aus der Pagerie den Militärstand zu seinem Lebensberufe. Am 1. August 1833 zum Junker im 1. Artillerieregimente ernannt, rückte er schon am 26. October des nämlichen Jahres zum Unterlieutenant bei demselben auf. Veranlassung zu dieser raschen Beförderung war ein Mangel an Artillerieofficieren, welchen die Uebernahme einer Anzahl derselben in griechische Dienste veranlaßt hatte. Aus diesem Grunde blieb die von Tann’s Vater gehegte Absicht, den Sohn vor seinem Eintritte in den Dienst eine Zeit lang studiren zu lassen, unausgeführt. Seine Garnison war München und mit großem Eifer widmete er sich hier dem praktischen Dienste bis im J. 1840 seine Versetzung als Oberlieutenant in den Generalquartiermeisterstab, dessen Chef Generalmajor v. Baur war, seiner Thätigkeit ein anderes Feld anwies. Die theoretische Ausbildung, welche ihm dort zu theil wurde, war er bestrebt durch praktische Erfahrungen zu ergänzen. Die Erfüllung des Wunsches, in Spanien mit den Karlisten zu fechten, ward ihm verweigert, dagegen erhielt er die Erlaubniß 1842 den österreichischen Manövern unter Radetzky in Oberitalien und den preußischen am Rhein beizuwohnen und im folgenden Jahre machte er, nachdem er im Gefolge des Prinzen Karl von Baiern zu Manövern in Ostpreußen commandirt gewesen war, in Algier einen Kriegszug unter General Bugeaud mit. Nach seiner Heimkehr wurde er an den Hof des Kronprinzen, nachmaligen Königs Maximilian II. Josef, in Bamberg berufen. Der Prinz wünschte einen Officier an seiner Seite zu haben, der ihm nicht allein ein treuer Diener sein, sondern auch ein wahrer Freund werden könne. Dazu hatte der Pagenhofmeister Dr. Johann Georg Müller, Tann’s früherer Lehrer, im Januar 1844 diesen empfohlen. Die Erwartungen, welche Müller an das durch ihn herbeigeführte Verhältniß knüpfte, sind vollständig in Erfüllung gegangen. Noch im Herbst jenes Jahres ward T. zum Hauptmann im Generalstabe befördert, im nächsten erfolgte seine Ernennung zum Adjutanten des Kronprinzen, welchen er 1846 auf einer zur Bekanntmachung mit den dortigen militärischen Einrichtungen bestimmten Reise nach Preußen, 1847 bei einem längeren Besuche Griechenlands begleitete. Von Würzburg aus, wo der Kronprinz den Winter 1847/48 verlebt hatte, ging T. mit diesem, als er den Thron bestieg, nach München. Am 31. März 1848 ward er zum Major und zum königl. Flügeladjutanten ernannt. Wenige Tage vorher hatten sich die Elbherzogthümer gegen das dänische Regiment erhoben. Die Begeisterung, welche ihr Vorgehen im ganzen deutschen Vaterlande wachrief, verbunden mit dem glühenden Wunsche, das Waffenhandwerk endlich im Ernste des Krieges auszuüben, den Friedensdegen im Kampfe zu erproben, bestimmten T., der am 24. März eingesetzten provisorischen Regierung Schleswig-Holsteins seine Dienste anzubieten. Die Erlaubniß dazu war die erste Gnade, welche er von seinem Könige erbat. Nachdem seiner Bitte willfahrt war, ging er mit sechs seiner Kameraden nach dem Norden ab. Am 10. April traf er in Rendsburg ein. Prinz Friedrich von Schleswig-Holstein-Sonderburg-Augustenburg, der Höchstcommandirende der schleswig-holsteinischen Streitkräfte, stellte ihn an die Spitze eines Freicorps. Der Armeebefehl vom 11. April verkündete seine Anstellung als Commandeur des Hamburger Corps und der demselben angeschlossenen Kieler Turner und Magdeburger Freiwilligen. Damit war der rechte Mann an den rechten Ort gestellt. [375] Tann’s ganze Persönlichkeit, gehoben durch seine Eigenschaft als Flügeladjutant des Königs von Baiern und die von ihm getragene Uniform eines solchen, sein ritterliches Auftreten, seine vornehme Denkungsweise, verbunden mit seinen militärischen Fähigkeiten und seiner Gabe Menschen jeder Art zu behandeln, ließen ihn vorzugsweise und vor Anderen, die in ähnlichen Stellungen waren, geeignet erscheinen zur Führung von Truppen, wie sie ihm hier geboten wurden. Der Beweis ließ nicht lange auf sich warten. Schon am 12. April konnte T. einen solchen beibringen. In der Dunkelheit dieses Tages hatten in den Straßen von Eckernförde Theile seines Freicorps auf einander geschossen. Innere Zwietracht und gegenseitiges Mißtrauen, welche aus dem Vorfalle entsprungen, brachten eine Stimmung zuwege, welche das Auseinanderlaufen des ganzen Corps in Aussicht stellte. Sein Auftreten bannte die Geister und machte ihn im Verein mit seinem tapferen Verhalten in einem bald darauf, am 21., bei Altenhof gelieferten Gefechte zum erklärten Lieblinge aller Freischaaren, nicht allein der ihm unmittelbar unterstellten. Diese selbst aber wurden der Heeresleitung bald zur Last und als T. dieses empfindend am 3. Mai seine und seines, des 3., Freicorps Enthebung von der übernommenen Kriegspflicht anbot, ward sie gern gewährt. Als er aber am 17. mit den Seinen in Rendsburg eintraf, zeigte es sich, daß die provisorische Regierung durch die Stimme der Bevölkerung beeinflußt ihn nicht ziehen zu lassen wünschte. Er kam der an ihn gerichteten Aufforderung gern nach und schloß am 1. Juni mit der Regierung ein Uebereinkommen ab, auf Grund dessen er aus den übrigen ein nach ihm benanntes Freicorps bilden sollte. Es durfte bis zu 1200 Mann stark sein, die Wahl der Officiere und Zugführer, die Gliederung der Truppe etc. blieben ihm allein überlassen. An die Uebernahme des Commandos knüpfte er die Bedingungen, daß der Höchstcommandirende, General v. Wrangel, die Uebereinkunft genehmige und daß er das Freicorps sofort an den Feind bringe. Beides wurde zugestanden. Mit dem Auftrage, zunächst nach Uck, 1 Meile südwestlich von Apenrade, zu marschiren und von da aus selbständige Unternehmungen gegen den bei Hadersleben stehenden Feind auszuführen, rückte er am 3. von Rendsburg nach Norden ab, brach am Abend des 6. mit 400 Mann, welche auf Wagen gesetzt waren, von Uck auf, überfiel in der Nacht zum 7. die bei Hoptrup stehende Vorhut der Dänen, nahm ihnen nach tapferer Gegenwehr 1 Geschütz, 3 Munitionswagen, 18 Pferde und 32 Gefangene ab, veranlaßte sie durch seinen Angriff das nördliche Schleswig zu räumen und kehrte unbehelligt nach Uck zurück. Sein eigener Verlust betrug 3 Todte und 27 Verwundete. Für seine Waffenthat verlieh ihm König Friedrich Wilhelm IV. den Rothen Adlerorden 3. Classe; die höchste in seinem engeren Vaterlande zu erlangende Anerkennung ihres Werthes durch ein in Gemäßheit der Ordensstatuten von ihm einzureichendes Gesuch um Zuerkennung des Militär-Max-Josef-Ordens zu erbitten, weigerte er sich in angeborener Bescheidenheit, trotz Zuredens von Freunden und Vorgesetzten. Nur die königliche Weisung ein solches Gesuch einzureichen konnte ihn dazu bestimmen. Diese erging, nachdem zwei seiner Kriegskameraden, die Hauptleute Graf Bothmer und Aldosser vom bairischen Generalstabe, den König gebeten hatten T. den Orden zu verleihen und daraufhin ward ihm die Auszeichnung später zugesprochen. Bis zu Ende des Monats Juni blieb er mit seinem auf zwei Bataillone gewachsenen Corps in Apenrade stehen, nahm dann an Wrangel’s Unternehmen gegen Hadersleben theil und kehrte, als es in den Herzogthümern nichts mehr zu thun gab und sein Freicorps aufgelöst war, nach München, wo ihm ein glänzender Empfang bereitet wurde, und in seine Stellung als Flügeladjutant zurück. Der König ernannte ihn zum Oberstlieutenant. Im selben Jahre starb sein Vater.

[376] Im folgenden ward er von neuem auf den nordalbingischen Kriegsschauplatz berufen, auf welchem er dieses Mal gemeinsam mit seinen Landsleuten fechten durfte. Baiern entsandte eine Brigade zum Reichskriege gegen Dänemark, welche mit einer königlich sächsischen die 1. Division der Bundestruppen unter dem bairischen Generallieutenant Prinz Eduard von Sachsen-Altenburg bildete. Ihm ward Oberstlieutenant v. d. T. als Generalstabschef[WS 1] beigegeben. In dieser Eigenschaft war er an der am 13. April erfolgenden Einnahme der Düppelstellung betheiligt. Nach Beendigung der Feindseligkeiten kehrte er mit den bairischen Truppen in die Heimath zurück, die er jedoch bald wieder verließ um sich die Vorgänge auf dem ungarischen Kriegsschauplatze anzusehen, wo er in der Umgebung des Feldmarschalllieutenants v. Haynau der Einnahme von Komorn beiwohnte. Nach Beendigung des Winters 1849/50 ward Schleswig-Holstein von den deutschen Mächten sich selbst überlassen und im Frühjahr 1850 schickte das Land sich an Dänemark nur auf die eigene Kraft gestützt entgegenzutreten. General v. Willisen trat an die Spitze des jungen Heeres, T. erbat und erhielt von seinem Könige die Erlaubniß in den Reihen desselben der Sache zu dienen, für welche er schon zweimal gefochten hatte. Nachdem ihm der Abschied aus bairischen Diensten bewilligt war traf er am 13. Juli in Rendsburg ein und wurde als Chef des Generalstabes angestellt. Es war eine Verwendung, welche seiner Eigenart wenig zusagte, ein Commando in der Front hätte besser für ihn getaugt. Der unglückliche Ausgang der am 25. Juli geschlagenen Schlacht bei Idstedt, in welcher das Schicksal der Herzogthümer entschieden wurde, ward durch die Heeresleitung selbst herbeigeführt. In unseliger Verblendung ließ sie sich, statt einen kräftigen Versuch zur Ausbeutung der an einer Stelle des Kampfplatzes errungenen Vortheile zu machen, durch Mißerfolge an anderen Orten zum Rückzuge bestimmen. Wenn die Verantwortung dafür in erster Linie auch den Heerführer und den Souschef seines Stabes, Major Wyneken, trifft, auf dessen Rath Willisen handelte, so ist doch T. als erster Gehülfe des letzteren und sein berufener Rathgeber von der Mitschuld nicht freizusprechen. Nachdem darauf die schleswig-holsteinische Armee eine feste Stellung bei Rendsburg bezogen hatte war es T., welcher die Ansicht vertrat, daß sie dort nicht unthätig bleiben dürfe, sondern, sobald sie sich wieder gekräftigt haben würde, die Offensive ergreifen und inzwischen in vereinzelten Unternehmungen sich versuchen müsse. Die Leitung der bedeutendsten unter letzteren, ein Angriff auf das von den Dänen besetzte Friedrichsstadt, ward ihm übertragen. Das Unternehmen sollte außerdem dazu dienen, der Regierung die reichen Hülfsquellen der von Friedrichstadt beherrschten Landschaft Eiderstedt wieder zu eröffnen. Das Unternehmen schlug fehl. Gegen Willisen’s Wunsch und Ueberzeugung in das Werk gesetzt, ohne genügende Hülfsmittel und Vorbereitung ausgeführt, standen seinem Gelingen so große, in den Bodenverhältnissen beruhende Schwierigkeiten entgegen, daß nur besondere Glücksfälle zu einem solchen hätten verhelfen können. Am 29. September begann die Beschießung der feindlichen Werke, am 4. October ward zum Sturme geschritten. T. selbst schreibt, daß er unternommen sei, weil die Ehre der Armee nicht gestattet habe abzuziehen ohne einen Angriff auf die Außenwerke versucht zu haben und weil man dem Lande und den politischen Verhältnissen ein entschiedenes Vorgehen schuldig gewesen sei. Der Versuch mißlang und bald darauf kam Tann’s Thätigkeit in den Herzogthümern dadurch zum Abschlusse, daß sein König ihn zurückrief. Am 29. October ließ er ihm schreiben, daß er erwarte, T. werde angesichts der für das bairische Heer zu gewärtigenden Theilnahme an dem zwischen Preußen und Oesterreich drohenden Kriege ungesäumt seinen Abschied nehmen. Dieser gehorchte und trat in sein früheres Dienstverhältniß als Oberstlieutenant [377] und königlicher Flügeladjutant zurück, in welchem er, 1851 zum Oberst, 1855 zum Generalmajor befördert, verblieb bis er 1859, als wiederum Krieg in Sicht kam, zum Commandeur der 1. Infanteriebrigade mit dem Sitze in München ernannt wurde. In diese Zeit fällt seine 1852 erfolgte Vermählung mit Gräfin Anna Voß, Tochter des Grafen Voß auf Giewitz in Mecklenburg-Schwerin, fallen zahlreiche Reisen im Gefolge des Königs, dessen regelmäßiger Begleiter auf Jagden wie in fremde Länder und steter Gesellschafter er war und der sich außerdem seiner Dienste für mancherlei, namentlich militärische Arbeiten bediente. Auch nach seinem Scheiden aus der Stellung als Flügeladjutant dauerte dieses Verhältniß fort und von Augsburg, wohin er 1861, gleichzeitig zum Generallieutenant befördert, als Generalcommandant der 2. Division versetzt worden war, wurde er noch im nämlichen Jahre an die Spitze der 1. Division nach München zurückberufen. Seines königlichen Freundes Nachfolger, König Ludwig II., brachte ihm das gleiche Vertrauen entgegen, welches sein Vater T. geschenkt hatte. Er ernannte T. zu seinem Generaladjutanten und entsandte ihn an die norddeutschen Höfe um den Thronwechsel anzuzeigen. Bei dieser Gelegenheit gab ihm König Wilhelm von Preußen Gelegenheit dem Sturme auf die Düppeler Höhen, die T. selbst fünfzehn Jahre früher schon einmal zu erobern geholfen hatte, am 18. April 1864 als Zuschauer beizuwohnen.

So kam das Jahr 1866 heran. Es war das schwerste seines Lebens, reich an Prüfungen, an Enttäuschungen und an bitteren Erfahrungen. Aus vollster Ueberzeugung dem Kriege mit Preußen abgeneigt, weil er ihn für einen Bruderkrieg hielt und weil er die Vorzüge der preußischen Armee, die Mängel und Schwächen des eigenen Heeres und der Heere der Verbündeten Baierns kannte, mußte er an demselben in einer Stellung theilnehmen, deren Träger naturgemäß für den übelen Ausgang hauptsächlich mitverantwortlich gemacht wurde. Er stand dem Oberbefehlshaber der mobilen Armee, Prinz Karl von Baiern, als Chef des Generalstabes zur Seite. Am 21. Mai wurde er dazu ernannt. Lieber wäre er an der Spitze seiner Division in das Feld gezogen. Nach Wien und in das Hauptquartier der österreichischen Nordarmee entsendet brachte er am 16. Juni nach München die Ueberzeugung zurück, daß jene ihren Gegnern nicht gewachsen sein würde. Aber inzwischen hatte Baiern Partei ergriffen und als die bairischen Truppen zu kriegerischer Thätigkeit kamen war die Entscheidung des Feldzuges auf dem Schlachtfelde von Königgrätz gefallen. In der Nacht, welche dem 3. Juli voranging, erfolgte bei Immelborn der erste Zusammenstoß. Am 4. kam T. zum ersten Male bei Zella selbst ins Feuer, außerdem wohnte er den Kämpfen bei Kissingen (10. Juli), wo er durch einen Schuß am Halse contusionirt wurde, bei Uettingen (25. Juli) und Hettstädt (26. Juli) bei. Am 13. schon war vom Ministerium des Auswärtigen die Weisung eingetroffen weiteres Blutvergießen zu vermeiden. Daß sie nicht volle Nachachtung fand hatte seinen Grund darin, daß die preußische Heeresleitung sich in der Ausnützung ihrer Erfolge nicht aufhalten ließ. – Ein ganz anderer als er gegangen war kehrte T. nach München zurück. Vor dem Kriege bei aller Welt beliebt und hochgeachtet, war er jetzt der besiegte Soldat, dessen Ungeschick die Mißerfolge des Heeres wesentlich mitverschuldet hatte; eine verwilderte Presse nannte ihn sogar einen verkappten Preußen, der an seinem Vaterlande Verrath geübt und absichtlich den Siegeslorbeer aus der Hand gegeben hätte. Armee und Unterführer hätten vollauf ihre Schuldigkeit gethan, nur die Oberleitung habe sich ihrer Aufgabe nicht gewachsen gezeigt. Das Heer und sein Kriegsherr hielten T. hoch, sein gutes Gewissen und die Hoffnung dereinst anders beurtheilt zu werden gaben ihm die Kraft und die Selbstbeherrschung [378] den Angriffen der Presse und den in vielen Kreisen getheilten Ansichten über seine Unfähigkeit und das Mangelhafte seiner Leistungen äußerlichen Gleichmuth entgegenzusetzen, aber sein Haar war ergraut und der Keim zu dem Herzleiden, welchem er später erlag, mag in diesem Jahre gelegt sein. König Ludwig II. gab ihm fortdauernd Beweise seiner Werthschätzung, am 28. April 1867 verlieh er ihm die Inhaberschaft des 11. Infanterieregiments, 1869 ernannte er ihn zum General der Infanterie und zum commandirenden General des ersten Armeecorps, Garnison München.

An der Spitze des letzteren zog T. am 31. Juli 1870 in den Krieg gegen Frankreich. Am 6. August kam er bei Wörth zum ersten Male ins Feuer. Die Theilnahme seines Corps am Kampfe dauerte nicht lange, aber sie war ebenso verlustreich wie wirkungsvoll; T. trug, indem er rechtzeitig in das Gefecht des preußischen V. Armeecorps eingriff, wesentlich dazu bei, das Geschick des Tages zu Gunsten der eigenen Waffen zu wenden. Ebenso war ihm vergönnt in den Entscheidungsschlachten von Beaumont und von Sedan, am 30. August und 1. September, eine hervorragende Rolle zu spielen. Namentlich in letzterer Schlacht war es der Fall. Von einer ihm gewordenen Ermächtigung Gebrauch machend, die Zeit, zu welcher er den Kampf beginnen würde, selbst zu bestimmen und den Augenblick zum Angriffe früher zu wählen als die Oberleitung angeordnet hatte, eröffnete er in richtiger Würdigung der Verhältnisse die Schlacht bevor der Morgen graute durch einen Angriff auf das Dorf Bazeilles, welches nach sechsstündigem schwerem Ringen sammt den Höhen von Moncelle in seinen Besitz kam. Sein Zweck war erreicht. Er hatte den Feind festgehalten und ein gutes Stück an dem eisernen Ringe geschmiedet, welcher das französische Heer umspannte. Nach der Schlacht mußte er mit seinem Armeecorps bis zum 11. September auf der Walstatt verbleiben um die Beförderung der Gefangenen nach Deutschland zu sichern und die gemachte Kriegsbeute zu bergen. Dann rückte er in die Linie der Einschließungstruppen vor Paris.

Aber nur für kurze Zeit. Denn neue Gefahr drohte von Süden her durch Truppen, welche sich bei Orléans gesammelt hatten. Am 6. October erhielt T. den Befehl ihnen entgegenzutreten. Zu seiner Verfügung standen außer seinem eigenen Armeecorps die preußische 22. Infanterie- und die 4. Cavalleriedivision, die 2. preußische Cavalleriedivision war angewiesen, in Uebereinstimmung mit ihm zu handeln. Es war der erste Feldzug an der Loire, der damit begann. Ein siegreiches Treffen bei Artenay am 10. October eröffnete denselben. Am 11. folgte nach hartnäckiger Gegenwehr die Einnahme von Orléans. Auf die Besetzung der Stadt und ihrer näheren Umgebung mußte sich mit Rücksicht auf die allgemeinen strategischen Verhältnisse und die zu Gebote stehende Truppenzahl Tann’s Thätigkeit einen Monat lang beschränken. Aber während dieser Zeit hatte der Feind ihm gegenüber große Massen gesammelt, mit denen er nördlich der Loire vorrückte. T. entschloß sich Orléans zu räumen um sich der gegnerischen vierfachen Uebermacht bei Coulmiers entgegenzustellen, mußte aber hier am 9. November nach tapferem Widerstande das Feld räumen und zog sich in guter Ordnung gegen Paris zurück. Da der Feind stehen blieb, so hatte der Ausgang des Treffens keine weiteren Folgen. – In Toury angekommen erhielt T. die Nachricht, daß er sammt den ihm bisher unterstellten Truppen, welche übrigens theilweise seit längerer Zeit seinem Commando durch anderweite Verfügungen entzogen waren, so daß bei Coulmiers nur Tann’s eigenes Armeecorps und die preußische 2. Cavalleriedivision zur Stelle waren, einer Armeeabtheilung zugetheilt worden sei, deren Oberbefehl dem Großherzoge Friedrich Franz II. von Mecklenburg-Schwerin übertragen war. Mit dieser nahm er an einer gewaltsamen Recognoscirung theil, welche der Großherzog in der zweiten Novemberhälfte [379] in der Richtung gegen le Mans ausführte. Sie erwies sich als ein Luftstoß. Die Gefahr drohte von der Loire und dorthin wandte sich in den letzten Tagen des Monats die Armeeabtheilung. Der December brachte ihr harte Kämpfe. Vom bairischen 1. Armeecorps widerstanden am 1. zwei Brigaden bei Villepion mit Erfolg dem Ansturme eines übermächtigen Gegners; am 2., dem Tage von Loigny-Poupry, an welchem T. sich wie gewöhnlich rücksichtslos dem feindlichen Feuer aussetzend einen Prellschuß am Beine erhielt, behauptete das Armeecorps zunächst mit zäher Tapferkeit die eingenommene Stellung und half dann die Erfolge des Kampfes auszunützen, am 4. wirkte es zur Einnahme von Orléans mit und am 5. rückte der General zum zweiten Male in die Stadt ein. Aber die schwersten Tage standen ihm und seinen Truppen noch bevor. Statt eines leichten Vormarsches nach Tours, den man erwartet hatte, brachten sie harte Kämpfe, in denen vom 7. bis zum 10. December die Armeeabtheilung des Großherzogs und demnächst die zu ihrer Unterstützung heranbeorderten Truppen nach heißem Ringen den Feind endlich zum Rückzuge bestimmten. – Damit hatte die Theilnahme des Tann’schen Armeecorps am eigentlichen Kampfe ihr Ende erreicht. Das Corps hatte an seiner Kopfstärke in den Decembertagen 245 Officiere und 5406 Mann eingebüßt, davon ein Drittel der Mannschaft und mehr als die Hälfte der Infanterieofficiere auf dem Schlachtfelde; seit dem 8. November befanden sich die Truppen, allen Unbilden der Witterung, zuerst bei anhaltendem Regen und grundlosen Wegen, dann bei schneidender Kälte preisgegeben, fast unausgesetzt auf dem Marsche und in Berührung mit dem Feinde; die Infanterie war nahezu erschöpft; die Pferde waren sehr heruntergekommen, ein Theil der Geschütze war unbrauchbar und es fehlte an Schießbedarf. Daher erfolgte der Befehl das Armeecorps aus der vordersten Linie zurückzuziehen. Es rückte zuerst nach Orléans und von hier am 24. December vor Paris, wo es am 3. Januar 1871 an Stelle des aus der Einschließungslinie nach dem Kriegsschauplatze im Südosten abrückenden 2. preußischen Armeecorps trat. Zu einer Gefechtsthätigkeit wurde es nicht mehr berufen. Es hatte im Laufe des Krieges an Todten und Verwundeten 539 Officiere, 9303 Mann verloren, 12 Feldgeschütze, 1 Adler, 6 Fahnen erbeutet, 5000 Gefangene gemacht und 6 in Schanzen stehen gebliebene Geschütze genommen.

Am 16. Juni nahm T. am Einzuge der Truppen in Berlin theil, einen Monat später rückte er an der Spitze seines Armeecorps in München ein. Er war der Held des Tages. Die Stadt München ernannte ihn zu ihrem Ehrenbürger und benannte die Straße, in welcher er viele Jahre gewohnt hatte, mit seinem Namen, die Universität verlieh ihm die Doctorwürde. An die Stelle des Schimpf und Glimpf, welche fünf Jahre früher bei der Rückkehr aus dem Felde ihn empfangen hatten, waren Lob, Jubel und Anerkennung getreten. Das Commandeur- und später das Großkreuz des Militär-Max-Josef- und das Großkreuz des Bairischen Militär-Verdienst-Ordens, das Eiserne Kreuz 2. und 1. Cl. und der preußische Orden pour le mérite waren die namhaftesten der Ordensauszeichnungen, welche seinem Verdienste Rechnung trugen; aus der von Frankreich gezahlten Kriegsentschädigung überwies ihm Kaiser Wilhelm, der ihn, als T. 1878 sein fünfzigjähriges Dienstjubiläum feierte, auch zum Chef des 2. Niederschlesischen Infanterieregimentes Nr. 47 ernannte, eine Dotation im Betrage von 100 000 Thalern und am 1. September 1873 – legte er dem Fort Nr. 8 bei Straßburg den Namen „Tann“ bei. Noch ein zweites Festungswerk hält die Erinnerung an den ruhm- und sieggekrönten bairischen Heerführer wach. Es ist das Fort 3 bei Ingolstadt, welches seit dem 20. Februar 1884 „Fort von der Tann“ heißt. Aber auch Herbes blieb T. nicht erspart. Im J. 1876 starb noch nicht zweiundzwanzigjährig, sein einziger Sohn, welcher schon während [380] der letzten Zeit des Feldzuges als Ordonnanzsoldat zu ihm commandirt gewesen war, dann aber krankheitshalber als Chevauxlegers-Lieutenant den Abschied hatte nehmen müssen. Es blieben ihm vier Töchter, von denen zwei sich mit preußischen Officieren, dem Major v. Stülpnagel und dem Hauptmann v. Kamptz, vermählten.

Fast zehn Jahre noch war ihm nach der Rückkehr aus dem Felde vergönnt an der Spitze des 1. Armeecorps dienen zu können. Da begannen körperliche Leiden sich geltend zu machen und seine Leistungsfähigkeit zu beeinträchtigen. Das milde Klima von Meran sollte ihm Linderung und Erholung bringen, aber als er wenige Tage vorher dort angekommen war machte am 26. April 1881 ein Herzschlag seinem Leben ein Ende. – Von den verschiedensten Seiten wird seinem Gedächtnisse Lob gespendet und Anerkennung gezollt. In einem Nachrufe in den „Jahresberichten über die Fortschritte und Veränderungen im Militärwesen“, herausgegeben vom Oberst z. Disp. H. v. Löbell (VIII. Jahrgang 1881, Berlin) kennzeichnet der spätere General v. Helvig, welcher unter T. den Krieg von 1870/71 als Generalstabsofficier mitgemacht hatte, letzteren mit nachstehenden Worten: „Mit v. d. T. ist einer der glänzendsten und populärsten Heerführer aus der deutschen und bairischen Armee geschieden. Von persönlich ritterlicher Erscheinung und edelem vornehmem Wesen, war jede kleinliche Eigenschaft ihm ferne geblieben. Als Mensch wie als Soldat war sein eifriges Streben stets nur auf höhere Ziele gerichtet. Sein Umgang war daher gleich interessant für Militärs, Politiker, Gelehrte und Künstler. Von ausgezeichnetem Gedächtniß unterstützt, besaß er bedeutende historische Kenntnisse, ein scharfes nur auf das Praktische gerichtetes Urtheil. Seinen um ihn trauernden Waffengefährten wird seine Kaltblütigkeit und der hohe Muth in allen schwierigsten Gefechtslagen sowol als das treffende Urtheil in Kritik von Friedensübungen stets nur als leuchtendes Beispiel dienen können. Künftigen Geschlechtern aber wird der tapfere v. d. Tann für ewige Zeiten in dankbarer Erinnerung bleiben, denn sein ruhmvoller Name ist mit allen heißen Kämpfen für die Nord- und Westmark Deutschlands innig verflochten.“ – Paul Heyse, der Dichter, ein Gesellschafter aus den Tagen des König Max, sagt: „Nur wenige Menschen sind mir begegnet, die in so hohem Grade wie v. d. Tann schon auf den ersten Blick den Eindruck machten, als ob alle ihre Gaben und Kräfte, ihr Wollen und Können in einem Gleichgewichte ständen, das so leicht nicht zu erschüttern wäre.“ Er nennt ihn einen vollendeten Cavalier, einen homme d’action, der Menschen und Umstände zu beherrschen vermöge, weil er sich selbst jeden Augenblick in der Gewalt habe. Und Professor Dr. v. Nußbaum, der berühmte Chirurg, welcher an Tann’s Seite den französischen Krieg mitmachte, schreibt: „Sein seltener Muth elektrisirte uns alle so, daß auch uns die Furcht vor den Kugeln verging.“ Er schildert T. als einen Helden vom Scheitel bis zur Sohle mit dem edelen lieben Gesichte, voll von Noblesse und Wohlwollen. Und so erschien er Jedem, der mit ihm in Berührung kam.

Lebensskizze von Oberstlieutenant H. v. Helvig im 7.–9. Beihefte zum Militär-Wochenblatt, Berlin 1882. – Desgl. von Hauptmann G. Zernin (Sonderabdruck aus der Allgemeinen Militär-Zeitung). – Brachvogel, Die Männer der neuen deutschen Zeit. Hannover 1875. – H. Helvig, Das 1. bayerische Armeekorps im Kriege 1870/71. Mit Atlas. München 1872.


Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: Generaldstabschef