ADB:Timann, Johann

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Artikel „Timann, Johann“ von Paul Tschackert in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 38 (1894), S. 352–354, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Timann,_Johann&oldid=- (Version vom 19. März 2024, 11:26 Uhr UTC)
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Timann: Johann T., auch Tidemann oder nach seinem Geburtsort Amsterdam Amsterdamus genannt, protestantischen Theologe, † 1557. Als einer der Reformatoren Bremens verdient T. in der Reformationsgeschichte Norddeutschlands besondere Beachtung. Er stammte aus Amsterdam, wo er vor 1500 geboren wurde. Als nach dem Wormser Reichstage von 1521 Karl V. in seinen Erblanden die evangelisch Gesinnten verfolgen ließ, ging, wie viele andere, so auch T. aus seiner Heimath und begab sich nach Wittenberg, wo er zu Luther und Melanchthon in ein näheres Verhältniß trat. Von hier aus zog er mit seinem Gesinnungsgenossen Jakob Probst nach Bremen, wo beide Pastoren [353] wurden, und zwar T. an der St. Martinikirche. Sie sorgten für durchgängige Einführung der Reformation, was bereits 1525 durchgesetzt wurde. Zwar hat es an Rückschlägen nicht gefehlt, wie denn T. mit Probst wegen eines Aufruhrs 1532 die Stadt zeitweilig verlassen und nach Brinkum gehen mußte. Dennoch ließen die Bremer Reformatoren in ihrem Werke nicht nach; 1534 konnten sie die erste Bremer Kirchenordnung ausgehen lassen, welche (bei Michel Lotther in Magdeburg gedruckt) unter dem Titel „Der Ehrentriken Stadt Bremen christlike Ordenunge u. s. w.“ mit einer Vorrede Bugenhagen’s im Druck erschien. Als ihr Hauptverfasser darf T. angesehen werden, welcher sie nach dem Muster der bereits bekannten Bugenhagenschen Kirchenordnungen, besonders der Braunschweiger von 1528, ausgearbeitet hat. Als dann die norddeutschen Städte Hamburg, Bremen, Lübeck, Rostock, Stralsund und Lüneburg am 15. April 1535 zu Hamburg einen Convent abhalten ließen, um durch ihre angesehensten Theologen Maßnahmen gegen die, alle kirchliche und bürgerliche Ordnung umstoßenden Wiedertäufer zu vereinbaren, genoß T. solches Vertrauen in Bremen, daß er als Vertreter der Stadt zu dem Hamburger Convente deputirt wurde. (Die Beschlüsse dieses für die Befestigung der lutherischen Kirche in Norddeutschland wichtigen Conventes bei Greve, Memoria Aepini [des Hamburger Superintendenten, der hier die Stadt Hamburg vertrat], p. 25–29). Auf dem Schmalkaldener Tage 1537 finden wir T. wieder als geistlichen Abgesandten Bremens; die Schmalkaldischen Artikel unterschrieb er als Joannes Amsterdamus Bremensis. Auch an den Religionsverhandlungen auf dem Collegium zu Worms und dem Reichstage zu Regensburg 1540 und 1541 nahm T. als Vertreter Bremens theil und stand als kirchlicher Berather den staatlichen Gesandten dieser Stadt zur Seite. Dieser seiner erprobten kirchlichen und kirchenpolitischen Thätigkeit ist es wohl zuzuschreiben, daß er von den Grafen von Hoya zur Vornahme von Kirchenvisitationen in deren Gebiete und im Lippe’schen Lande herangezogen wurde. (Ein Graf von Hoya war Mitvormund der jungen Grafen von Lippe; so kam T. auch in die Grafschaft Lippe.) Auf einer Generalvisitation in der Grafschaft Hoya, welche im Januar 1557 begann, erkrankte er; von Nienburg, wo er am 13. Februar ankam, konnte er nicht mehr weiter reisen und starb hier „christlich und gottselig“ am 17. Februar 1557. – T. vertrat in Bremen den streng lutherischen Standpunkt unter Ablehnung des Interims und unter Bekämpfung des reformirten Lehrtropus in der Sacramentslehre. Letzteres trat besonders in seinem Streite mit Hardenberg hervor, der seit 1547 am Dome als Prediger wirkte und als solcher nicht dem Rathe der Stadt, sondern dem (jetzt auch evangelisch gesinnten) Domcapitel unterstand. Durch den Verkehr mit Johannes a Lasco, der zweimal bei Hardenberg in Bremen war, im Winter 1549 und 1550 und im Jahre 1553, mag dieser in seiner Abweichung vom lutherischen Abendmahlsdogma gestärkt worden sein. Als daher Lasco in Friesland einen Katechismus mit zwinglischer Abendmahlslehre veröffentlichte und infolge der deshalb entstandenen Wirren das Land verlassen mußte, griff T. zur Feder und schrieb ein Buch zur Vertheidigung der lutherischen Abendmahlslehre, betitelt „Farrago sententiarum consentientium in vera et catholica doctrina de coena domini, quam firma assensione et uno spiritu iuxta divinam vocem ecclesiae Augustanae confessionis amplexae sunt, sonant et profitentur“ (Vorrede vom 15. Mai 1554, gedruckt zu Frankfurt am Main bei Petrus Brubachius 1555, ohne Anhang 605 S. 8°). In dieser Schrift lehrte T. die Ubiquität des Leibes Christi „quod Christi corpus ubique sit“ auf Grund der beiden Aussprüche „quod verbum caro factum est“ und „quod sedet ad dextram patris“. Er ist der Meinung gewesen, daß diese spätere lutherische Theorie bereits in der [354] Augsburger Confession vorausgesetzt sei. Ihm Unlauterkeit vorzuwerfen, liegt kein Grund vor. Aber wegen der Freundschaft des Bremer Dompredigers Hardenberg mit Lasco ist anzunehmen, daß Timann’s Buch auch persönlich gegen Hardenberg gerichtet war. Daher datirt man von dem Erscheinen desselben den Anfang des „zweiten Bremischen Sacramentsstreites“. T. verlangte nämlich, daß alle Bremer Geistlichen, um ihre Einheit in der Lehre zu bethätigen, seine Farrago unterschreiben möchten; als Hardenberg wegen seiner Abweichung in der Ubiquitätslehre die Unterschrift verweigerte, begann T. (in der Fastenzeit 1556) gegen ihn zu predigen. Gegen Ostern dieses Jahres suchte der Rath die Theologen durch ein Colloquium zu versöhnen, was aber nicht gelang. Um sicher zu gehen, entschloß sich daher der Rath, von seinen Predigern ein Bekenntniß vom Abendmahl zu fordern, welches auch Hardenberg unterschreiben sollte. (Dasselbe findet sich in hochdeutscher Uebersetzung in der Dänischen Bibl. Band V, S. 194–199.) Hardenberg aber verweigerte die Unterschrift, weil er nicht unter dem bremischen Rathe stehe, sondern vom Domcapitel berufen sei. Darauf wandte sich der Rath an dieses, und das Domcapitel veranlaßte den Domprediger zur Einreichung eines Bekenntnisses. Dem leistete er Folge, indem er mit einer schon früher von ihm verfaßten Reihe von Thesen gegen die Ubiquitätslehre eine Copie eines Bekenntnisses von Wolfgang Musculus vom Abendmahl als das seinige einsandte. Ueber diese Thesen suchte nun der Rath Gutachten von der theologischen Facultät in Wittenberg und von den Kirchenministerien zu Magdeburg, Braunschweig, Hamburg, Lübeck und Lüneburg zu erlangen. Das Gutachten der Wittenberger (melanchthonisch gesinnten) Facultät fiel versöhnend aus, die Kirchenministerien vertraten dagegen die Timann’sche Lehre. Um des Friedens willen dachte daher der Rath schon jetzt an die Entfernung Hardenberg’s. Auf Vorschlag des damaligen Braunschweiger Superintendenten Mörlin wurde Heshusius als Superintendent nach Bremen berufen, der Mann, dessen Lebenselement der Streit war. Ehe dieser sich weiter entwickelte, starb T., wie oben berichtet ist. (Hardenberg mußte 1561 Bremen verlassen und starb 1574 in Emden.)

Die Schriften Timann’s neben der oben angeführten Farrago sind aufgezählt bei Rotermund, Lexikon aller Gelehrten in Bremen II, 216 ff.

Vgl. D. Carl Bertheau’s Artikel „Timann“ im 15. und „Hardenberg“ im 5. Bande von Herzog’s Realencyclopädie; an beiden Stellen befindet sich die sorgsamste Angabe der Quellen und Litteratur über T. und den „zweiten Bremischen Sacramentsstreit“. – Gust. Frank, Gesch. der prot. Theologie I, (1862). S. 134 ff. – „Wahrhaftige und glaubwirdige Historie von dem christlichen und gotseligen Abscheid aus diesem tödlichen Leben des Erwirdigen Herrn Johannis Timanni Amsterdami … durch Magistrum Paulum Neoclesianum, Superintendenten der Grafschaft Hoia und Broeckhusen, und M. Adrianum Antuerpiensem Pastorem, trewlich beschrieben“. Anno MDLVII. (Gedruckt zu Hamburg durch Johan Wickradt den Jüngeren; Bogen A bis G in 4°.)