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ADB:Trübner, Nicolaus

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Artikel „Trübner, Nicolaus“ von Karl Steiff in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 38 (1894), S. 674–677, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Tr%C3%BCbner,_Nicolaus&oldid=- (Version vom 13. Dezember 2024, 11:14 Uhr UTC)
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Trübner: Nicolaus T., genauer Johann Nicolaus, ein deutscher Buchhändler in London, von dem es kaum zu viel gesagt war, wenn in einem seiner Nekrologe ihm nachgerühmt wurde, er habe die goldenen Tage der Aldus und Elzevier wieder heraufgeführt. So groß war der Umfang seines Geschäftes, so bedeutungsvoll seine Thätigkeit für die Entwickelung bestimmter Wissenschaften, so hervorragend auch seine persönliche Stellung im Kreise der Gelehrten. Geboren ist T. zu Heidelberg, nach dem Taufbuch der dortigen lutherischen Gemeinde am 12. (nicht 16., auch nicht 17.) Juni 1817. Sein Vater, der Gold- und Silberschmidt Karl Albrecht T., ließ ihn zwar das Gymnasium besuchen; aber ihn seiner Neigung entsprechend studiren zu lassen, wollte ersterem zu theuer sein. So wurde er denn für den Buchhandel bestimmt, für dessen Erlernung sich an Ort und Stelle, in dem bekannten Geschäfte von J. C. B. Mohr, die beste Gelegenheit bot. Hier trat T. im Winter 1831/32 als Lehrling ein, um später bei Vandenhoeck & Ruprecht in Göttingen (1838), bei Hoffmann & Campe in Hamburg (1841) und bei Wilmans in Frankfurt a. M. (1842) Gehilfenstelle zu versehen. In letzterem Hause lernte ihn W. Longman, der Senior des großen Londoner Verlagshauses gleichen Namens kennen, der ihm eine Stellung in seinem Geschäfte anbot und so die Veranlassung wurde, daß T. nach London kam. Mit 30 Schillingen in der Tasche, seinem ganzen Vermögen, betrat dieser 1843 den Boden, auf dem er der Gründer eines weltumspannenden Geschäftes werden sollte. Wenig versprechend waren die Anfänge desselben. Denn als der junge Mann im Herbst 1851 bei Longman austrat, um sich selbständig zu machen, sah er sich genöthigt, hierfür die Unterstützung einiger Heidelberger Freunde und Verwandten zu suchen und dazu noch eine Verbindung mit dem Buchhändler Thomas Delf einzugehen, die zunächst verhängnißvoll werden sollte. Das Geschäft hatte keinen Erfolg und die sauer erworbenen Ersparnisse sowie die Unterstützung aus Heidelberg gingen verloren. T. suchte daher nach kurzer Zeit einen andern Gesellschafter, den er in David Nutt fand und diese Verbindung dauerte, unter der fortan bleibenden Firma Trübner & Co. bis zu Nutt’s Tod 1863, worauf T. 1866 den Antheil desselben von dessen Erben kaufte. Erst nach dieser Zeit, 1873, baute er sein großes Geschäftshaus in Ludgate Hill, vorher war er in Paternoster Row gewesen. Unglücklich hatte sich, wie gesagt, die Verbindung mit Delf erwiesen und doch bildete sie, genauer besehen, die erste Etappe zu Trübner’s großartigen Erfolgen. Durch Delf, der die Vertretung eines namhaften amerikanischen Verlagshauses hatte, wurde sein Auge auf die außereuropäischen Länder gerichtet und mit weitem, praktischem Blick erkannte er bald, welche Bedeutung Englands Weltstellung für den Buchhandel gewinnen konnte, wenn man sie auszunützen verstand. Und er, der Fremdling, war der Erste, der es verstand. Dank seiner [675] seltenen Thatkraft gelang es ihm, vor allem den Ein- und Ausfuhrhandel mit Nordamerika in kräftigen Fluß zu bringen und zu einem großen Theil durch seine Hand zu leiten. Zweierlei war es, was ihm dabei wesentlich zu statten kam. Indem er seine ganze Aufmerksamkeit dem amerikanischen Buchhandel zuwandte, kam er dazu, das erste Verzeichniß der in den Vereinigten Staaten im laufenden Jahrhundert veröffentlichten Werke zu verfassen; dasselbe ist unter dem Titel Bibliographical guide to american literature 1855 in erster und – in großer Vollständigkeit – 1859 in zweiter Auflage erschienen und das Vorbild für alle späteren Unternehmungen dieser Art geworden. Damit war T. mit einmal beim amerikanischen Buchhandel aufs allerbeste eingeführt und wie er nun nach dem ersten Erscheinen des Buches im Sommer 1855 (nicht schon 1852) noch den weiteren Schritt that und selbst einen mehrmonatlichen Besuch in Nordamerika machte, war es ihm ein Leichtes, überall die werthvollsten Verbindungen anzuknüpfen. Eine Frucht dieser Reise war auch die Herausgabe der Schrift: The literature of american aboriginal languages von Dr. H. E. Ludewig in New-York, die T. nach des Verfassers Tod 1857 mit einer Lebensskizze desselben herausgab. Nun aber wandte der unternehmende Mann seinen Blick vom Westen nach dem fernen Osten, von dessen Litteratur bis dahin nur Weniges nach Europa gekommen war. Und nach dieser Richtung wurde er recht eigentlich der Schöpfer und Vermittler eines geregelten buchhändlerischen Verkehrs. Mit der zähen Willenskraft, die ihm eigen war, überwandt er die größten Schwierigkeiten und bald hatte er in allen bedeutenden Städten des Orients, in Bombay und Calcutta, in Colombo und Bangkok, in Peking und Shangai, in Yokahama, in Teheran und vielen andern seine Vertreter. Ja selbst über Australien, Südamerika, Süd-, Ost- und Nordafrika dehnte er mit der Zeit das Netz seiner Verbindungen aus, so daß dasselbe schließlich so ziemlich die ganze außereuropäische Welt umspannte. Um aber das Erreichte möglichst fruchtbar zu machen, gründete er 1865 mit dem Titel: Trübner’s American (sp. auch European) and Oriental Literary Record eine Zeitschrift, welche die gelehrte Welt mit den neuesten litterarischen Erscheinungen der überseeischen Länder und mit den die letzteren betreffenden Schriften bekannt machte, daneben aber auch kürzere und längere Mittheilungen aus jenen Ländern enthielt und einschlägige Fragen erörterte. Dieselbe wurde bald jedem, dessen Studien auf den betreffenden Gebieten lagen, zum unentbehrlichen Hilfsmittel und hat, wie Sayce sagt, für den Fortschritt der orientalischen Wissenschaften eine Bedeutung gewonnen, die kaum überschätzt werden kann. – Von wesentlichem Werth war es schon für die bisher geschilderten Unternehmungen, daß T. der betreffenden Litteratur nicht fremd gegenüber stand; denn er hatte noch als erwachsener Mann Sanskrit unter Goldstücker und Hebräisch unter Benisch gelernt und mit dem Schriftthum des Orients sich aufs genaueste bekannt gemacht, so daß der eben angeführte Gewährsmann, Sayce, ihm das Zeugniß gibt, er sei mehr als nur ein Buchhändler mit orientalischem Lager, er sei vielmehr selbst Orientalist gewesen. Das aber kam ihm noch ganz besonders in einem Zweige seines Geschäftes zu statten, der ihn in der Folge fast ausschließlich in Anspruch nahm, während er die Leitung des eigentlichen Bücherhandels den einzelnen Abtheilungsvorständen überließ; wir meinen den Verlag. Auf den Orient bezügliche Werke nehmen darin naturgemäß einen breiten Raum ein – ca. 700 Veröffentlichungen dieser Art zählt sein letzter Verlagskatalog auf – und deutsche, italienische, französische, englische, indische und japanische Gelehrte sind dabei vertreten. An einzelnem soll hier nur die von ihm 1878 begründete Oriental Series hervorgehoben werden, eine Sammlung von Werken zur orientalischen Philologie (Texte, Uebersetzungen u. s. w.), sowie zur Geschichte [676] und Geographie, zur Litteratur- und Religionsgeschichte des Orients, von der allein bis zu Trübner’s Tod ungefähr 40 Nummern erschienen sind. Es war begreiflich, daß diese Dienste, die T. als Verleger wie als Buchhändler den orientalischen Wissenschaften leistete, in den betheiligten Kreisen große Anerkennung fanden. Auf mehr als einem Orientalistencongreß kam dies zum Ausdruck und was insbesondere die indische Litteratur betrifft, so schrieb nach seinem Tode ein hervorragender Gelehrter Indiens, niemand, sei es Gelehrter oder Verleger, habe sich so große Verdienste um die Litteratur dieses Landes erworben als T. Wir würden übrigens ein einseitiges Bild von der Thätigkeit dieses Mannes gewinnen, wenn wir nicht auch beachten würden, daß er mit seinem Verlag sich keineswegs auf das besprochene Gebiet beschränkt hat. Denn manch anderes Fach, auch die übrigen Zweige der Philologie, auch die Geschichte der Religionen, auch die Philosophie hat er mit Eifer gepflegt und wie er überhaupt mit Vorliebe solche Werke verlegt hat, die seinen persönlichen Neigungen, seiner freieren religiösen und politischen Gesinnung entsprachen, so war es ihm namentlich ein Anliegen, Werke der deutschen Philosophie, wie solche von Fichte, Feuerbach, Schopenhauer, Ed. v. Hartmann u. A. durch geeignete Uebersetzungen den Engländern zugänglich zu machen. Fügen wir zum Schluß hinzu, daß zu diesen Unternehmungen allen ein sehr bedeutender Kommissionsverlag sich gesellte, daß z. B. mehr als 60 gelehrte Gesellschaften und Behörden T. ihre Veröffentlichungen zum Vertrieb überließen (unter letzteren die englische Regierung selbst sowie eine Anzahl von Kolonialregierungen), so kann man den Umfang seines Geschäftes ermessen und man begreift, daß die Zahl der Publicationen, die seine Firma tragen, auf mehr als 3000 sich beläuft.

Trotz der gewaltigen Arbeitslast, die auf ihm lag, brachte es T. bei seinem eisernen Fleiße fertig, auch noch schriftstelletisch thätig zu sein. Wir meinen nicht die bibliographischen Veröffentlichungen, die er im Zusammenhang mit seinem Geschäfte herausgab – die wichtigsten sind bereits angeführt –, wir meinen auch nicht die Lebensskizze des belgischen Gelehrten und Consuls in England, Octave Delepierre, die ihm die Pietät gegen diesen seinen Schwiegervater in die Feder dictirte. Aber in einer großen Zahl von Aufsätzen ergriff er zu Fragen seines Berufs oder des öffentlichen Lebens das Wort und in einer Reihe kleinerer Schriften bethätigte er seine Freude am Uebersetzen. Schon als Gehilfe bei Longman veröffentlichte er (1845) „Sketches of flemish life“ von Hendrik Conscience, die die erste englische Uebersetzung eines flämischen Buches sein sollen; ihnen folgten später, für einen kleineren Kreis bestimmt, Uebersetzungen aus Scheffel, Eckstein und Brunnhofer’s Buch über die Weltanschauung des Giordano Bruno. Ein größeres Werk über diesen italienischen Philosophen, für das er in den letzten Jahren Stoff gesammelt hatte, kam nicht mehr zur Ausführung; ein anderes über den Buchhandel im classischen Alterthum, in deutscher Sprache geschrieben, lag zwar bei seinem Tod, wie es scheint, im Manuscript in der Hauptsache fertig vor, ist aber, soviel wir feststellen konnten, nie veröffentlicht worden.

Wohl war es eine im weitesten Sinne internationale Stellung, die T. mit der Zeit sich errungen hatte. Sein Name war in Rio und Valparaiso so gut bekannt als in Peking und Tokio, in Bombay und Calcutta so gut wie in Boston und Philadelphia, und in seinem Heim herrschte bei seinen glänzenden Sonntagabendempfängen, wie Theilnehmer erzählen, ein babylonisches Gewirr von Sprachen. Aber ein treuer Sohn seiner Heimath, ist dieser Deutsche doch geblieben. Das hat er nicht nur durch seine fast alljährlichen Besuche in Heidelberg und im Schwarzwald bewiesen. Im Kriege von 1870–1871 trat er in seinem Record wiederholt mit scharfer Feder für das gute Recht seines [677] Vaterlandes ein. Nach dem Kriege war er es, der die Sammlungen für die neu zu errichtende Straßburger Bibliothek in England und den englischen Kolonieen in die Hand nahm und dank seinen unermüdlichen Anstrengungen zu einem hocherfreulichen Ziele führte. Der Heidelberger Universität aber hatte er als Ehrengabe zu ihrem 400jährigen Jubiläum (1886) seine eigene Bibliothek zugedacht. Da er vorher starb, so wurde sein Vorhaben von seiner Witwe und zwar schon 1885 ausgeführt. Neben reichen Bücherschätzen kamen hundert Handschriften damit in den Besitz der Ruperto-Carolina.

T. verschied am 30. März 1884. Eben hatte er noch Gäste aus Indien bei sich bewirthet, als ein Herzleiden seinem Leben ein jähes Ende bereitete. Da er nur eine Tochter besaß, so hatte er schon einige Jahre vor seinem Ende zwei Theilhaber angenommen, Edwards und Duffing. Diese führten das Geschäft unter der alten Firma weiter, bis es 1889 mit den Häusern Kegan Paul und Trench zu Einem großen Unternehmen verschmolzen wurde.

Karl J. Trübner, geb. zu Heidelberg am 6. Januar 1846, welcher 1872 zu Straßburg im Elsaß die bekannte Verlagsbuchhandlung gründete, ist ein Neffe von Nicolaus T.

Ueber Nicolaus Trübner erschien bereits 1874 in Ueber Land und Meer, Bd. 32 S. 655 ff., ein lesenswerther Aufsatz (mit Holzschnitt-Porträt), der einen Einblick in den damaligen Stand seines Geschäftes gewährt. Vgl. dann weiter die Nachrufe von dem Buchhändler K. W. Hiersemann im Börsenblatt für den deutschen Buchhandel 1884 S. 2360 ff., 2427 ff. (auch in einer Sonderausgabe erschienen); von dem Orientalisten A. H. Sayce in Trübners Record 1884 S. 33 ff. (mit einer autotypisch vervielfältigten Photographie Trübner’s), wo außerdem S. 37 ff. 40 der wichtigsten Nachrufe aus englischen und amerikanischen Zeitschriften und Zeitungen abgedruckt sind; und von dem Neffen K. J. Trübner im Centralblatt für Bibliothekswesen I, 1884, S. 240 ff. (gleichfalls im Record a. a. O. S. 50 ff., sowie in v. Weech’s Badischen Biographien Th. 4, 1891, S. 468 ff. wiederholt).