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ADB:Tscherning, Andreas

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Artikel „Tscherning, Andreas“ von Max Hippe in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 38 (1894), S. 714–716, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Tscherning,_Andreas&oldid=- (Version vom 21. November 2024, 14:32 Uhr UTC)
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Band 38 (1894), S. 714–716 (Quelle).
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Tscherning: Andreas T., schlesischer Dichter, entstammt einer alten Bunzlauer Familie. Am 18. November 1611 zu Bunzlau als Sohn des Kürschnermeisters Andreas T. und der Margarethe Ruthard geboren, ward er von seinen Eltern in Frömmigkeit und Gottesfurcht erzogen. In Bunzlau besuchte er auch die Schule, verließ aber Eltern und Vaterstadt, als im J. 1630 die schweren religiösen Bedrückungen, von denen damals seine protestantischen Mitbürger heimgesucht wurden, ihn für sein Bekenntniß fürchten ließen. Mit zwei Freunden begab er sich zunächst nach Görlitz. Unmittelbar nach seiner Ankunft übertrug ihm der dortige Bürgermeister Franz Bever die Erziehung seiner Kinder. Daneben aber fand T. auch Gelegenheit, seine Studien unter der Leitung des Gymnasialrectors Elias Kuehler, der ihm in väterlichem Wohlwollen zugethan war, fortzusetzen. Von seinen Eltern aus Görlitz zurückgerufen, ging T. dann zur Vervollständigung seiner Schulbildung nach Breslau, wo ihm wiederum die Unterstützung und Freundschaft hülfreicher Gönner in so reichem [715] Maaße zu theil ward, daß er die Stadt nachmals als seine zweite Heimath zu betrachten pflegte. In die Zeit seines etwa dreijährigen Breslauer Aufenthaltes fällt seine erste litterarische Wirksamkeit. Er veröffentlichte im J. 1634 die ersten Früchte seines dichterischen Schaffens in einer Sammlung „Deutsche und lateinische Gedichte“, welche indessen nur zwei deutsche Gelegenheitspoeme enthielt. Am 7. Mai 1635 bezog T., mit Empfehlungen von Opitz versehen, die Universität Rostock, mußte aber, noch bevor er seine Studien vollendet hatte, wegen Mittellosigkeit die Hochschule verlassen. Bereits im Mai 1637 finden wir ihn wiederum in Breslau, wo er als Erzieher und Lehrer in vornehmen Familien wirkte. Namentlich seine poetischen Talente gewannen ihm hier viele Freunde, unter denen der als Musiker und Dichter geistlicher Lieder bekannte kaiserliche Rath Matthäus Apelles von Löwenstern sich des armen, strebsamen Jünglings besonders warm und hülfreich annahm. Zeitlebens ist T. diesem Manne für seine Wohlthaten in dankbarer Verehrung verbunden geblieben, wie zahlreiche Gelegenheitspoesien und ein reger Briefwechsel beweisen. Ihm hatte es T. auch wesentlich zu danken, daß er nach einem längeren Aufenthalt in Thorn, wo man ihn vergeblich drängte, am Gymnasium eine professio juris anzunehmen, 1642 an die Universität Rostock zurückkehren konnte, um hier seine Studien zu Ende zu führen. Aus der Zeit dieses zweiten Breslauer Aufenthaltes stammen die ersten bedeutenderen Publicationen Tscherning’s. 1641 veröffentlichte er als Ergebniß seiner Studien auf dem Gebiete der orientalischen Sprachen, die er in Rostock getrieben, eine „Centuria proverbiorum Alis imperatoris Muslimici distichis Latino-Germanicis expressa … cum notis brevioribus“, und im nächsten Jahre ließ er unter dem Titel „Deutscher Getichte Früling“ (Breßlaw, In Verlegung Georg Baumanns, 1642) eine umfangreiche Sammlung seiner deutschen Poesien folgen, von denen nicht wenige schon vorher in Einzeldrucken veröffentlicht worden waren. In der Vorrede dieses Matthäus Apelles von Löwenstern gewidmeten Werkes entschuldigt T. die Schwächen seiner Dichtungen. Er bittet zu bedenken, daß er nur auf das Drängen vornehmer Freunde zur Veröffentlichung der Sammlung geschritten sei, und daß seine Poesien nur selten der Ausfluß einer frischen, ungetrübten Dichtermuße seien, auch nicht immer Gegenstände seiner eigenen freien Wahl enthielten. Er habe „etliches bey guttem Muthe, etliches betrübt und trawrig, nicht weniges freywillig, viel auff andrer Befehl vnnd gegebene masse der Zeit hingeschrieben“; deshalb sei nur „ein theil mit fleisse gesetzt, ein Theil vberhin geeilet worden“. Aber seine Sammlung führe ja auch nur den Titel „Frühling“; die reiferen Früchte seiner Muse hoffe er in einem „Sommer“ dereinst vorlegen zu können. In der That machen die Gedichte Tscherning’s vielfach den Eindruck flüchtiger, bestellter Arbeit. Es sind ganz überwiegend Gelegenheitspoesien, die zumeist ernsten oder freudigen Familienereignissen ihre Entstehung verdanken und nur bisweilen eine gewisse Wärme der Empfindung verrathen. Aber wo es T. an dichterischer Kraft, ernster Vertiefung in einen Gegenstand oder Gedankenfülle gebricht, da überrascht er nicht selten durch die Glätte der Form und glückliche Bilder, durch die Reinheit und treffende Gewandtheit seiner Sprache. T. zeigt sich in allem als ein verständnißvoller, treuer Nachahmer von Opitz, den er sich nicht bloß im ganzen Charakter seiner Poesie, sondern vielfach auch in der Nachbildung der äußeren Form zum Vorbild genommen hat. Nach zweijährigen Studien zu Rostock ward T. am 12. Mai 1644 zum Magister der Philosophie promovirt und einige Tage später an Lauremberg’s Stelle zum Professor der Dichtkunst ernannt. In dieser Stellung, in welcher er einmal zum Rector, mehrfach zum Decan gewählt wurde, hat T., von Amtsgenossen und Schülern hochgeehrt, bis an sein Lebensende gewirkt. Seine poetischen Leistungen während [716] des fünfzehnjährigen Zeitraums seiner Rostocker Lehrthätigkeit sind verhältnißmäßig spärlich und gehen über das bisher erreichte Ziel nicht hinaus. Sie beschränken sich auf eine kleine Sammlung lateinischer Gelegenheitsgedichte („Schediasmatum liber unus“, Rostochi 1644), auf dichterische Zuthaten zu Opitzens Singspiel „Judith“ (1646) und auf ein neues Bändchen deutscher Gedichte, welches eine Art Fortsetzung des „Frühlings“ bilden sollte. Dasselbe enthält neben wenigen Epigrammen und einem kleinen dramatischen Gedicht, welches die Auferweckung des Lazarus behandelt, wiederum vorwiegend Gelegenheitspoesien, die aber in Inhalt und Form das im „Frühling“ Gebotene jedenfalls nicht überragen. T., der schon damals vielfach von Krankheit gequält wurde, mochte selbst fühlen, daß der Inhalt der Sammlung die Hoffnungen nicht ganz erfüllte, die sein „Frühling“ bei allen Freunden deutscher Dichtkunst erweckt hatte, und nannte das Buch bescheiden „Vortrab des Sommers Deutscher Getichte“ (Rostock 1655). Ein Jahr vor seinem Tode veröffentlichte er noch ein theoretisches Werk („Unvorgreiffliches Bedencken über etliche mißbräuche in der deutschen Schreib- und Sprachkunst / insonderheit / der edlen Poeterey.“ Lübeck / In Verlegung Michael Volcken 1658), in welchem er eine Reihe nützlicher Bemerkungen über orthographische, etymologische, syntaktische und lexikalische Fragen zum Gebrauch für Studirende zusammengetragen hat. Als Anhang folgt der Arbeit unter dem Titel „Kurzer Entwurff oder Abrieß Einer Deutschen Schatzkammer / Von schönen und zierlichen Poëtischen redens-arten / umbschreibungen / und denen Dingen / so einem getichte sonderbaren glantz und anmuht geben können …“, eine alphabetisch geordnete, vorzugsweise aus Opitz und Flemming schöpfende Sammlung poetischer Stellen über verschiedene Gegenstände, welche gleichfalls praktischen Zwecken dienen sollte. – Bald nachdem T. seine Professur erlangt, hatte er sich mit der Wittwe des Advocaten Simon Hinz, einer Tochter des Lübecker Kanonikus Johannes Marsilius, verheirathet, die ihm zwei Kinder, einen Sohn Andreas (geb. 1645) und eine Tochter Katharina (geb. 1647) gebar. T. starb nach drei Jahre langen, schweren Leiden am 27. September 1659.

T. erfreute sich von seiten seiner Zeitgenossen außerordentlich hoher Werthschätzung. „Hic erit Opitio par, nisi major erit“ hatte einer seiner schlesischen Freunde von ihm gesungen, und mehrfach begegnet man zeitgenössischen Urtheilen, welche die beiden Bunzlauer Dichter zum wenigsten auf eine Stufe stellen. Noch Morhof ist der Ansicht, daß T. in vielen Stücken Opitz erreicht habe. Das erscheint uns heute als eine starke Ueberschätzung. Bei aller Anerkennung seiner poetischen Leistungen wird man T., der sich übrigens selbst in allem, was er geschrieben, durch wohlthuende Bescheidenheit auszeichnet, als einen der tüchtigsten und verdienstvollsten Nachfolger, aber immerhin nur als einen Nachfolger und Schüler Opitzens betrachten dürfen, dessen Hervorbringungen hinter den bedeutsamen und bahnbrechenden Leistungen des Meisters sicherlich zurückbleiben.

Selbstbiographie Tscherning’s in dem Rostocker Universitätsprogramm des Johann Georg Dorsch auf Tscherning’s Tod vom 30. September 1659. – K. H. Jördens, Lexicon deutscher Dichter und Prosaisten V, 92 ff. – Eine reichhaltige Sammlung der Correspondenzen Tscherning’s befindet sich auf der Stadtbibliothek zu Breslau.