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ADB:Varnbüler, Nikolaus

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Artikel „Varnbüler, Nikolaus“ von Friedrich Wintterlin in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 39 (1895), S. 498–499, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Varnb%C3%BCler,_Nikolaus&oldid=- (Version vom 22. November 2024, 01:18 Uhr UTC)
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Varnbüler: Nikolaus V., Professor der Rechtswissenschaft und herzogl. württemb. Rath, geboren am 5. December 1519 zu Lindau, † zu Tübingen am 20. August 1604, entsproß einer altadeligen, der Familienüberlieferung nach aus Graubünden stammenden Familie, deren Glieder im 14. und 15. Jahrhundert in St. Gallen einflußreiche Aemter bekleideten und zugleich Besitzer des festen Hauses Weinstein im Oberrheinthal waren. Ulrich V. († 1496), der die St. Galler in der Schlacht bei Granson geführt hatte, flüchtete, als Bürgermeister von St. Gallen im Streite mit dem dortigen Kloster unterlegen, vor der Rache des Abts und seiner Verbündeten nach Lindau, wo schon sein Sohn Johann Bürgermeister wurde. Dieser und Agathe, aus der Augsburger Patricierfamilie Meuting, sind die Eltern von Nikolaus V., der zu Hause und in den Schulen von Lindau seine erste Bildung erhielt. Im J. 1537 begab er sich zum Besuch der dortigen Akademie nach Straßburg, wo er drei Jahre verblieb, hier schon von seinen Lehrern wegen seiner guten Geistesgaben gerühmt. Im J. 1541 ging V. nach Löwen, wo ihn besonders Mudäus anzog, von da 1542 nach Köln. Hier schloß er sich eng an Oldendorp an. Hatte B. schon zu Straßburg neben den philosophischen Studien Institutionen gehört, so wandte er sich in Köln vollständig der Rechtswissenschaft zu und konnte schon am 23. Februar 1544 zu Tübingen, wohin er sich im Herbst 1543 begeben hatte, zugleich mit seinem Bruder Georg zum Doctor promoviren. Zunächst als Advocat am herzogl. Hofgericht zu Tübingen thätig, wurde V. noch im J. 1544 zugleich Professor der Pandekten. Wol im selben Jahr ernannte ihn Herzog Ulrich zum Rath, in welcher Eigenschaft er vier württembergischen Herzogen diente. Zum ersten Male im J. 1548 ward ihm Gelegenheit geboten, seine Befähigung zu politischen Geschäften an den Tag zu legen. Damals hatte Württemberg wie ganz Oberdeutschland schwer unter den spanischen Besatzungen zu leiden, welche Kaiser Karl, um seinen Maßregeln Nachdruck und Bestand zu verschaffen, überall einlegte. Um diese Last von Tübingen abzuwenden, wurde V. mit dem Bürgermeister Stammler abgesandt. Sie ritten in 27 Stunden von Tübingen nach Augsburg und es gelang wesentlich Varnbüler’s Geschicklichkeit in den Verhandlungen mit dem Kaiser und Alba, die drohende Beschwerung von der Universitätsstadt abzuwenden. Indessen mehrte sich Varnbüler’s Ansehen als Docent, so daß er im J. 1554 zum ersten Male zum Rector gewählt wurde, welche Würde er später noch wiederholt erlangte. Neben der Thätigkeit als Lehrer und beim Hofgericht, widmete sich V. mit besonderem Eifer der Ausarbeitung juristischer Consilien als Mitglied der Facultät. Im J. 1558 wurde er als Nachfolger des Gribaldus Professor des Codex. In diese Zeit fällt auch Varnbüler’s Mitarbeit an der Entstehung des ersten und zweiten württembergischen Landrechts. Im October 1552 ließ Herzog Christoph die Entwürfe zum Landrecht, soweit solche aus der bisherigen Thätigkeit herzoglicher Räthe und einer Commission der Landschaft hervorgegangen waren, der Juristenfacultät, zu deren bedeutendsten Mitgliedern V. schon damals gehörte, zum „Fürnehmen und Deliberiren“ übersenden. Gegen Ende des Jahres 1553 war [499] ein vollständiger Landrechtsentwurf von der Juristenfacultät und dem ihr beigegebenen herzogl. Rath Beer ausgearbeitet in den Händen des Herzogs. Es spricht für das besondere Ansehen, dessen sich V. bei diesem erfreute, daß Christoph, als bald nach der Publication des Landrechts von vielen Seiten eine Declaration zweifelhafter Punkte (besonders im Erbrecht) verlangt wurde, erst nachdem er speciell mit V. hierüber conferirt und ein Gutachten von der Juristenfacultät sich hatte erstatten lassen, auf solche Wünsche einging. Auch an den weiteren Berathungen und Arbeiten, welche schließlich zum zweiten Landrecht von 1567 führten, nahm V. hervorragenden Antheil. Noch wiederholt wurde er auch zu Gesandtschaften verwendet. So wirkte er im J. 1555 bei Abschluß des Augsburger Religionsfriedens mit. So führte ihn das Jahr 1576 auf den Reichstag zu Regensburg, und muthete er im J. 1577 für seinen Herzog die in Folge des Todes K. Maximilian’s neu zu empfangenden Tirolischen Lehen. Auch zu Kammergerichtsvisitationen wurde V. als württembergischer und (seit 1580) markgräflich-brandenburgischer Rath abgeordnet. Im J. 1594 legte er sein Amt als Professor nieder, blieb aber noch als Mitglied des Senats und der Facultät thätig. V. hat keine litterarischen Arbeiten publicirt. Seine Vorlesungen erfreuten sich wegen des klaren und eleganten Vortrags eines bedeutenden Rufs. Besonderes Ansehen verschaffte ihm aber seine Consulententhätigkeit, durch welche er für die Richtung der Tübinger Juristenfacultät bestimmend wurde. – V. war seit 1547 mit Regina, Tochter des Augsburger Patriciers Walter, verheirathet und feierte mit derselben umgeben von zahlreicher Nachkommenschaft am 30. August 1597 die goldene Hochzeit, welche E. Cellius durch ein gedrucktes lateinisches Gedicht verherrlichte. Er folgte seiner Frau wenige Monate im Tode nach.

Leichenrede von Sigwart. Tübingen 1605. – Harpprecht, Oratio de ortu, vitae cursu et obitu D. Nicol. Varenbüleri. Tubing. 1605. – Adami vitae p. 395 s. – Stintzing, Geschichte der deutschen Rechtswissenschaft I, 687 ff. – Gütige Mittheilungen des Verfassers einer (ungedruckten) Geschichte der Familie v. Varnbüler, Herrn ständischen Archivars Negierungsraths Dr. Adam in Stuttgart.