ADB:Venatorius, Thomas
Osiander, Link und Veit Dietrich, sondern in der Geschichte der protestantischen Theologie überhaupt gebührt dem Thomas V. ein dankbares Gedächtniß. Zwar lagen seine Studien und seine Verdienste zunächst auf dem mathematischen und philologischen Gebiete, aber je länger desto mehr beschäftigte ihn die Theologie und in ihr ist er theoretisch und praktisch erst recht fruchtbar thätig gewesen. In der Geschichte der evangelischen Theologie hat er seine Stelle als erster Ethiker, indem er 1529 eine Schrift „De virtute christiana“ in drei Büchern veröffentlichte. Nimmt man gewöhnlich an, daß die wissenschaftliche Darstellung der christlichen Sittlichkeit im Protestantismus erst mit Calixt in Helmstedt im 17. Jahrhundert beginnt, so wird der vorliegenden Schrift aus dem 16. Jahrhundert eine besondere Beachtung zu theil werden müssen. Nach E. Schwarz’ Darstellung, welcher selbst der Geschichte der Ethik seine fachmännische Aufmerksamkeit gewidmet hat, war V. in seinem Werke vom Osiander’schen Glaubensbegriffe ausgegangen, hatte den Glauben als Kern und Inbegriff der christlichen Tugend aufgefaßt und in der Erfüllung der Pflicht nach ihren verschiedenen Seiten die Bewährung der vom Glauben erzeugten und getragenen christlichen Gesinnung darzustellen gesucht. So entstand die erste selbständige Bearbeitung der Ethik auf protestantischer Seite. Gehen wir den wichtigsten Nachrichten seines Lebens näher nach, so führt uns der Anfang desselben nach Nürnberg, wo er um das Jahr 1488 geboren wurde. Er hieß ursprünglich Gechauff (Jagauf), latinisirt Venatorius. Durch den Nürnberger Mathematiker Joh. Schoner vorgebildet, studirte er auf mehreren Universitäten Mathematik mit so gutem Erfolge, daß er fähig wurde, im [600] J. 1544 die Werke des Archimedes zum ersten Male herauszugeben. Philologische und dichterische Begabung zeigte er sodann durch lateinische Gedichte, durch eine 1531 erschienene metrische Uebersetzung von Aristophanes’ Plutus und durch die Herausgabe von Pirkheimer’s Uebersetzung der Anabasis. Sein Hauptfach war indeß längst die Theologie geworden, zu deren Betrieb er auch nach Absolvirung seiner Universitätszeit in den Dominicanerorden trat. Als Mönch hielt er sich in verschiedenen bairischen Klöstern auf, wurde aber 1520 durch seinen Freund Willibald Pirkheimer nach Nürnberg gezogen; hier, in seiner Vaterstadt, hat er von da an fast sein ganzes Leben zugebracht. Als er ankam, war gerade die Reformation in vollem Gange. V. schloß sich ihr eifrig an und blieb ihr treu bis an seinen Tod; anfangs theologisch wesentlich von Osiander beeinflußt, später mehr der symbolisch-lutherischen Dogmatik zugethan, wirkte er seit 1523 als Prediger der Hospital- und Dominicanerkirche, seit 1533 aber als Pastor zu St. Jakob. In diesen geistlichen Aemtern betheiligte er sich an allen wichtigen kirchlichen Verhandlungen Nürnbergs. Auch außerhalb dieses Wirkungskreises fand er Gelegenheit zu kirchlicher Wirksamkeit, als er 1544 zur Einführung der Reformation nach Rothenburg a. d. Tauber abgeordnet wurde und ein halbes Jahr diesem wichtigen Zwecke widmete. V. starb am 4. Februar 1551.
Venatorius: Thomas V., protestantischer Theologe, † 1551. – Nicht bloß in der kirchlichen Geschichte Nürnbergs nebenSchriften: „Ducum, Judicum, Regum populi Israelitici historica methodus per Barthol. Stenum. Praefatus est editor Th. Venatorius ad Joh. Hessum“ (Norimb. 1523); „Axiomata sacra rerum christianarum“ (1526); „Ein kurz Unterricht den sterbenden Menschen ganz tröstlich, geschrieben an Hartwig Gerell, Diener der Armen zu Nürnberg im N. Spital“ (1527), (auch zu Wittenberg 1529 mit Luther’s Vorrede herausgekommen); „Monodia de morte Alb. Dureri et epitaphia duo, nebst dem Epicedium des Hel. Eob. Hessus“ (1528 gedruckt); „De virtute christiana libri III praeterea index additus praecipuas sententias complectens“ (Nor. 1529); „Eine kurze Unterricht von beiden Sacramenten, dem Tauf und Nachtmal Christi, durch Th. Venatorium, Prediger der Armen im Spital zu Nürnberg“ (Nürnb. 1530); „Ermahnung zum Creutz in der Zeit der Verfolgung“ (1520); „Draco mysticus, s. venatio“ (1530); „Aristophanis Plutus, graece, cum interpretatione lat. metrica Th. Venatorii etc.“ (1531); „Xenophontis graecarum rerum libri VII a Bil. Pirkheimero lat. redditi. Praefatus est editor Th. Venatorius ad Seb. et Ge. Gederos“ (Nor. 1532). Diese Vorrede Venatorius’ steht auch in den Opp. Pirkheimer p. 248 sqq. (so Witt s. unten S. 86); „De sola fide iustificante nos in oculis Dei epistola apologetica“ (Nor. 1534 und 1556); „Epistola Theologorum Nor. W. Linkii, A. Osiandri, V. Theodori, Th. Venatorii ad Dom. Rup. a Mosham“ (1539), auch deutsch von demselben Jahre); „Archimedis opera etc.“ (Basileae 1544); „Epigramma in Ael. Donati … methodum ill. per L. Culmannium“ (Francof. 1545); „Enarratio psalmorum 88, 103, 104 etc.“ (1549); „Distributiones 20 in priorem Pauli Ep. ad Timotheum“. – 3 Briefe Venatorius’ an Pirkheimer in dessen Opera p. 224 sqq. und 331 sqq.; 9 Briefe Venatorius’ an Link in Verpoorten, Analecta superioris anni sacra, p. 149–173.
- Vgl. Will, Nürnbergisches Gelehrten-Lexikon IV, 83–87, wo die ältere Litteratur über Venatorius verzeichnet ist. – E. Schwarz, Thomas Venatorius in Theol. Stud. und Krit. 1850, S. 79 ff. und dessen Artikel in Herzog, Realencyklopädie 2. Aufl. 16. Bd., 344 ff.