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ADB:Vogl, Johann Nepomuk

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Artikel „Vogl, Johann Nepomuk“ von Anton Schlossar in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 40 (1896), S. 167–169, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Vogl,_Johann_Nepomuk&oldid=- (Version vom 5. Dezember 2024, 13:21 Uhr UTC)
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Vogl: Johann Nepomuk V., deutschösterreichischer Dichter, wurde als Sohn eines geachteten Bürgers am 7. Februar 1802 in Wien geboren und erhielt auch seine erste Erziehung und Ausbildung in der österreichischen Residenz, woselbst er, ohne eigentlich Universitätsstudien betrieben zu haben, als Kanzleibeamter der niederösterreichischen Stände, kaum in das Jünglingsalter getreten, angestellt wurde. Schon frühzeitig zeigte V. hervorragende poetische Anlagen insbesondere auf dem Gebiete des Liedes und der erzählenden Dichtung. Seine angenehme amtliche Stellung förderte nicht wenig das kurz darauf eröffnete und so reich gewordene litterarische Wirken Vogl’s, der bald mit der Wiener litterarischen Gesellschaft in Fühlung und Verkehr trat. In dem Kreise derselben fanden sich damals die Träger von Namen wie Bauernfeld, J. G. Seidl, Duller, Feuchtersleben, Schumacher, Kuffner, Castelli, Deinhardstein, Em. Veith und andere mehr. Ebenfalls noch sehr jung vermählte sich der Dichter im J. 1822 und später als seine erste Frau gestorben war, zum zweiten Male mit der Wittwe Oesterlein’s, des Redacteur’s des „österreichischen Morgenblattes“. Neben der Pflege der Geselligkeit in den Wiener litterarischen Kreisen suchte der junge Poet seinen Gesichtskreis durch häufig unternommene Reisen stets zu erweitern, besuchte einen Theil Italiens insbesondere Venedig und bereiste mit Vorliebe Ungarn. Nachdem V. schon eine reiche Zahl von Sammlungen seiner Novellen und Gedichte herausgegeben, übernahm er vom August 1841 an die Redaction des „Oesterreichischen Morgenblattes in Wien, welche er bis 1848 fortführte. Ein zweites Unternehmen, das er aber selbst begründete, und das in volksthümlichen Kreisen große Beachtung fand, war der „österreichische Volkskalender“, welcher 1845 zuerst erschien und heute noch im Sinn und Geiste Vogl’s von August Silberstein redigirt erscheint. In den Jahren 1835–38 gab er das Taschenbuch: „Frauenlob“, später 1843–1849 das Taschenbuch „Thalia“ heraus und erwies sich als geschmackvoller Redacteur. Als Poet wurde V. in Oesterreich durch seine zahlreichen Dichtungen rasch überaus populär und auch weiter hinaus fand sein litterarischer Name Beachtung, so daß der Dichter im J. 1845 von der Universität Jena das Diplom eines Doctors der Philosophie und von verschiedenen auswärtigen Vereinen Anerkennungen und Auszeichnungen erhielt, insbesondere auch von musikalischen Gesellschaften und Vereinigungen, da seine sangbaren Lieder von vielen geachteten Componisten (wie Adolf Müller, Emil Titl, Ferd. Kloß u. A.) in Musik gesetzt wurden. Für längere Zeit hat V. seinen Wohnort Wien nie verlassen; im J. 1865 begann er zu kränkeln und starb im nächsten Jahre darauf am 16. November 1866 in Wien, wo er auf dem Schmelzer Friedhofe beigesetzt wurde. Der Wiener Sängerbund, dessen Ehrenmitglied er war, setzte dem Dichter ein ansehnliches Grabdenkmal.

Vogl’s litterarische Bedeutung ist schon durch die Zahl der von ihm verfaßten Werke eine bemerkenswerthe. Er hat über fünfzig Bände der verschiedenartigsten Sammlungen von Erzählungen und Dichtungen veröffentlicht, unter denen allerdings so manches minder Hervorragende sich findet. Immerhin aber erscheint der Dichter als einer derjenigen Oesterreicher, die durch geschickte Wahl der Stoffe, zumeist auch durch Reinheit der Form und gewandte Behandlung insbesondere der Ballade und poetischen Erzählung viele der gleichzeitigen [168] Poeten überragen, er verdient jedenfalls den guten Balladendichtern beigezählt zu werden, einzelne seiner Stücke sind sogar neben die besten dieser Art zu stellen. Die novellistischen und erzählenden Prosasammlungen, welche er herausgab, enthalten einfache Erzählungen in der damals beliebten Taschenbuchmanier, auch wol weiter ausgeführte Volkssagen mit verschiedener eigener Zuthat u. dgl. Genannt seien etwa die „Novellen“ (Wien 1837), die „Erzählungen eines Großmütterchens“ (Lpz. 1840), die „Neuen Erzählungen und Novellen“ (1841) und die Novellensammlung „Schatten“ (1844). Größere Beachtung verdienen die „Slavischen Volksmärchen“ (1837), für welche er die Stoffe aus dem slavonischen Gebiete sammelte und bearbeitete, sowie „Die ältesten Volksmärchen der Russen“ (1841), beide der letztgenannten Bücher vermitteln wenig bekannte slavische Sagen- und Märchenstoffe einem weiteren Leserkreise. – Wie bereits erwähnt ist es hauptsächlich das Feld der Ballade und poetischen Erzählung, welches V. mit besonderem Geschick pflegte. Schon 1834 gab er ein Taschenbuch der Balladen, Romanzen und Sagen unter dem Titel: „Oesterreichisches Wunderhorn“ heraus, welches allerdings zumeist Stücke anderer Autoren enthält. Aber ein Jahr darauf erschienen Vogl’s eigene „Balladen und Romanzen“, denen 1887 und später manche neue Folge sich anreihte. Die Sammlung „Balladen, Romanzen, Sagen und Legenden“, welche 1846 erschien, gibt eine gute Uebersicht über des Dichters poetische Thätigkeit auf diesem Gebiete. Sie enthält auf mehr als 700 Seiten eine Menge zumeist sehr gelungener Dichtungen, wir finden vaterländische und historische Balladen darin, Bilder aus dem Seeleben, aus dem Dichter- und Soldatenleben, Zecher- und Kellersagen, Kloster- und Bergmannssagen, Volkssagen überhaupt, scherzhafte erzählende Gedichte, solche aus dem Dorfleben und aus dem Liebesleben, endlich auch Legenden und Nachbildungen aus fremden Litteraturen. Manche der Dichtungen aus dieser Sammlung sind heute noch in und außer Oesterreich verbreitet, so z. B. das innige Gedicht „Das Erkennen“ („Ein Wanderbursch, mit dem Stab in der Hand“) oder „Ein Friedhofsgang“ („Beim Todtengräber pocht es an“). Es wird wenige Anthologien geben, in denen sich nicht diese oder einige andere gelungene Balladendichtungen Vogl’s finden. Der Dichter weiß oft in knapper Form seinen Stoff vollständig zu gestalten und ein klares Bild dem Leser in gewandten Versen vorzuführen. Auffallend ist der Hang des Poeten vielfach schauerliche Stoffe zum Vorwurfe eines Gedichtes zu machen, in der erwähnten Sammlung z. B. findet sich eine ausführliche Gruppe: „Gespenstisches“, auch viele der Romanzen und Balladen klingen in düsterer oft grauenhafter Weise aus. Dagegen ist das historische Gebiet außerordentlich reich vertreten und der Legende manches wohlgelungene Stück gewidmet, es sind Sagen aus allen Ländern zur Bearbeitung gebracht und manche derselben vielleicht nur durch Vogl’s Dichtung auf deutschem Boden bekannt geworden. Der Poet hat auch „Lyrische Blätter“ (1836) herausgegeben, in den „Klängen und Bildern aus Ungarn“ (1839) ein feines Gefühl für die Poesie der Haide und des ungarischen Wesens und Lebens bekundet, das er in verschiedenen Gedichten daselbst verherrlicht und charakteristisch schildert und die Sagen der verschiedensten Stände und Berufesclassen in eigenen diesen gewidmeten Sammlungen poetisch behandelt so etwa in den „Karthäusernelken“ (1844), „Domsagen“ (1845), „Frauenrosen“ (1850), „Bilder aus dem Soldatenleben“ (1851), „Passiflora“ Sagencyclus (1854), „Schenken- und Kellersagen“ (1858), „Jägerbrevier“ (1862) u. A. m. Was von ihm an eigentlichen lyrischen Gedichten vorliegt ist zumeist weniger beachtenswerth, doch schlägt er in den „Deutschen Liedern“ (1845) zu Deutschlands Ehre warme deutschpatriotische Töne an. Manche seiner Lieder sind gleich mit den Compositionen in Musik erschienen, so die „Liedertafel“ (1845), [169] die „Soldatenlieder“ (1849), die Bergmannslieder „Aus der Teufe“ (1849). V. hat auch eine Prosadarstellung der Sage von „Twardowsky, dem polnischen Faust“ 1853 veröffentlicht und die serbische Heldensage von „Marko Kraljevits“ (1851) bearbeitet. Noch seien als gute Beiträge zur Culturgeschichte Wiens seine Bücher „Aus dem alten Wien“ (1865) sowie die „Illustrirten Kalender-Geschichten“ (1865) und die topographisch-historischen Schriften „Der Kahlenberg“ (1845) und „Hist. u. topogr. Merkwürdigkeiten Brünns“ (1844) erwähnt. Die übrigen Schriften aufzuzählen erscheint an dieser Stelle nicht nöthig, doch möge darauf hingewiesen sein, daß eine Neuausgabe der besten Balladen, Sagen u. s. w. des Dichters sich als sehr erwünscht herausstellen würde.

Dr. Aug. Schmidt, J. N. Vogl als Mensch u. Dichter. Wien 1868 (Sep.-Abdr. aus Vogl’s Volkskalender f. 1868). – Wurzbach, Biogr. Lex. LI. Thl. (1885). – Brümmer, Lex. d. dtsch. Dichter u. Pros. d. 19. Jahrhunderts. – Moderne Klassiker (Kassel 1852), Bd. 19. – Die weitere biographische u. litterarhistorische Litteratur sowie die genaue Aufzählung aller seiner Werke bei Wurzbach a. a. O.