ADB:Wetken
Johann W. († 1538) um die Einführung der Reformation und dessen Sohn Hermann W., gleichfalls Bürgermeister († 1595) um die Befestigung derselben verdient gemacht haben, während in späteren Zeiten andere Mitglieder dieser Familie sich als Kaufleute und Gelehrte eines guten Rufes, nicht zum wenigsten wegen ihrer freigebigen milden Stiftungen, erfreuten. Schon im 15. Jahrhundert war die Familie in Hamburg angesehen: Studenten des Namens finden sich mehrfach in Rostock immatriculirt. So 1480 Johann W. (als Johann Wedighe), [232] der sich später nach Greifswald wandte, daselbst 1504 und 1506 Decan der Artistenfacultät war, 1505 das Rectorat führte und ein Kanonikat an St. Nicolai bekleidete. Sein Andenken daselbst wird bewahrt durch einen Band von Handschriften, den er dem Greifswalder Convent im J. 1508 geschenkt hat und dessen Inhalt neuerdings in den Baltischen Studien (Bd. 21, S. 121) von Th. Pyl aufgezeichnet worden ist. In dem Bericht über diese Schenkung des Johannes Weteken de Hamburge werden dessen Beredsamkeit und Kenntnisse gerühmt (Mitth. des Vereins für Hamb. Geschichte, Bd. 4, S. 42). In welcher Verwandtschaft er zu dem gleichnamigen und ungefähr gleichzeitigen Bürgermeister gestanden hat, muß dahin gestellt bleiben. Mit diesem beginnt die Reihe angesehener Rathsmitglieder dieser Familie in Hamburg, von denen Vater, Sohn und Enkel Bürgermeister waren, so daß die Geschicke der Vaterstadt von der Reformation bis zum Vorabend des dreißigjährigen Kriegs unter ihrem Einfluß sich bildeten.
Wetken: Hamburgische Familie, aus der sich namentlich der BürgermeisterJohann W. wurde im April 1496 in Rostock immatriculirt, zu einer Zeit, als der Hamburger Albert Krantz (s. A. D. B. XVII, 43) die Universität bereits verlassen hatte und der nachher so vielfach genannte Barthold Moller aus Hamburg (s. A. D. B. XXII, 122) noch nicht als Professor aufgetreten war. Mit W. zugleich wurde ein Johann Moller aus Hamburg in die Matrikel eingeschrieben, möglicherweise derjenige Bruder von Barthold Moller, der in den nachfolgenden kirchlichen Streitigkeiten in der Vaterstadt zu den entschiedensten Gegnern Wetken’s gehörte und ihn sowie den Secretär Sommerfeld besonders als Anhänger der Martinischen Secte hervorhebt (Lappenberg, Chroniken, S. 549 und 590). W. und Moller wurden zugleich 1497 als Baccalaurei promovirt und es ist ein merkwürdiges Zusammentreffen, daß, als W. im J. 1500 Magister wurde, mit ihm zugleich wieder ein späterer Gegner, Henning Kissenbrügge, dieselbe Würde empfing. Während dieser 1510 als Domherr zu Schleswig in Bologna Doctor des kanonischen Rechtes wurde (Wetzel, Zeitschrift des Vereins für schleswig-holst. Geschichte 1891, S. 304), hatte W. sich der Heimath zugewandt, wo er 1508 Rathssecretär wurde und damit eine ähnliche Stellung einnahm wie die Stadtschreiber in andern Städten. Da nach Kaiser Sigismund’s Reformation vom Jahre 1440 der Stadtschreiber ein öffentlicher Notar sein mußte, so erklärt es sich daraus, wie auch W. dieses Amt beigelegt worden ist. Eine gewisse Selbständigkeit und Unabhängigkeit bewies W. im Jahre, als er in den Dienst des Raths trat, dadurch, daß er der „Einsamkeit überdrüssig“ Margarethe, die Tochter des Bürgermeisters Johann v. Spreckelsen (s. A. D. B. XXXV, 285) ehelichte. Die Rathsschreiber in Hamburg waren nämlich bis zur Reformation stets unverheirathet. Nur zwei Ausnahmen werden von Lappenberg (Tratziger, S. XVII) namhaft gemacht, die eine aus dem Jahre 1440 und die zweite, welche W. betrifft. Zu einer Zeit als man von lutherischen Bewegungen kaum etwas verspürte, sehen wir aber W. schon an Entschließungen betheiligt, die die kirchliche Reformation vorbereiteten. Denn als im J. 1522 die Kirchgeschworenen von St. Petri für ihr Kirchspiel eine Schule begehrten und der Scholasticus Hinrich Banskow (s. A. D. B. II, 43) diesen Wunsch auszuführen sich weigerte, wurde W. nebst einem andern Secretär zu dem Domherrn gesandt, um ihn zu einer Unteredung mit dem Rath zu bewegen. Banskow’s Hartnäckigkeit, mit der er jeden Einigungsversuch vereitelte, war eine der Ursachen, die die Juraten aller vier städtischen Kirchen veranlaßten, sich des Petrikirchspiels anzunehmen, infolge dessen auch die andern Domherren erklärten, sie wollten der Sache mit der Scholasterei enthoben sein und in gutem Einvernehmen mit den Juraten, angesehenen Bürgern, bleiben. Als W. wenige Jahre später, um Michaelis 1525, als Begleiter des Bürgermeisters Salsborch, nach Bremen gesandt wurde, war [233] er Zeuge wie diese evangelische Stadt, „als die erstlinge manck der Sassen“ mannhaft und erfolgreich dem kriegerischen Erzbischof Christoph, einem Bruder Heinrich’s des Jüngern von Braunschweig, widerstand. Da W. selbst sich in juristischen Schriften versucht hatte, – er soll das Stadtbuch von 1497 commentirt haben, freilich mit Benutzung früherer Ausleger (Wilckens, Ehrentempel, S. 15) – so kann es nicht ohne Eindruck und Folgen geblieben sein, wenn er hörte, wie bei diesen Verhandlungen Hieronymus Schurff, der berühmte Wittenberger Jurist und Freund Luther’s die Sache der Stadt Bremen gegen den Erzbischof vertheidigte. Im J. 1526 war es wieder derselbe Bürgermeister und mit ihm W., die nach Bergedorf deputirt wurden in „Sachen der Sekte, welche man die lutherische nennt“; so unbestimmt drücken sich die Kämmerei-Rechnungen (Koppmann, Kämmerei-Rechnungen, Bd. 5, S. 296) aus, ohne daß etwas näheres über die Veranlassung und Verlauf der Sendung bekannt ist. Mittlerweile war W. in seiner evangelischen Meinung befestigt worden und als solcher bekannt. Als nun im Frühjahr vier neue Rathsmänner zu wählen waren, gehörte W. zu diesen, und da am 12. März 1528 der alte Bürgermeister Gerhard vom Holte resignirte, so trat W. an dessen Stelle. Wenige Wochen nach seiner Erwählung in den Rath wurde W. beauftragt, den aufgeregten Zorn der Handwerker zu beschwichtigen, die nach der entscheidenden Disputation vom 28. April zwischen den Dominicanern und den evangelischen Predigern ungestüm die Stadtverweisung der Mönche forderten. Die Rathsherren wurden in ihrem Auftrage von vornehmen Bürgern zwar unterstützt, aber die Beruhigung der aufgeregten Volksmassen gelang erst besonders dem ersten evangelischen Prediger, Stephan Kempe (s. A. D. B. XV, 599). Um die kirchlichen Angelegenheiten in eine feste Ordnung zu bringen, traf Bugenhagen am 9. October 1528 in Hamburg ein, durch den Oberalten Klaus Rodenburg von Braunschweig her begleitet. W. und der Rathsherr Otto Bremer wurden auf Begehren der Bürgerschaft vom Rath bestimmt, den Reformator zu bewillkommnen und in seine Herberge, die „Doctorei“, welche bisher der Domhof Doctor Barthold Moller’s gewesen war, einzuführen. Während nun Bugenhagen im folgenden Winter die kirchlichen Ordnungen feststellte, wurden auch zwischen Rath und Bürgerschaft die Befugnisse dieser Körperschaften genauer und fester begrenzt. In dem sogenannten langen Receß vom 19. Febr. 1529 war die neue bürgerliche Verfassung und die evangelische Kirchenordnung enthalten und von allen Theilen angenommen, mit Ausnahme des Domcapitels und des Nonnenklosters Harvestehude. Daß W. zu diesen Vereinbarungen auch nicht ohne Anstrengung mitgewirkt hat, geht aus einer Aeußerung seines Sohnes, des Bürgermeisters Hermann W. hervor, der bei einem krypto-calvinistischen Streite sprach: „Weil Einigkeit ein köstliches Ding ist, und wir in der [lutherischen] Lehre geboren und erzogen sein, wollen wir auch darinnen sterben. Und ist uns wohl bekannt, was unsere Vorfahren, (will von meinem Vater nicht sagen) an Leib und Gut dabei aufgesetzet haben. Es ist nicht lachend zugegangen oder angegangen, sondern hat viel Müh und Arbeit gekostet, daß kein Aufruhr wider die Religion erreget wurde“ (David Schultetus, Innocentia Theologorum Hamb. Hamb. 1706, p. 37 und 127). Als nun Bugenhagen’s Aufenthalt in Hamburg sich seinem Ende näherte – er reiste am 9. Juni 1529 ab – wurde noch am 5. Juni in seiner Wohnung ein letzter Versuch gemacht, das Domcapitel zur Abstellung derjenigen Mißbräuche zu bewegen, welche am meisten Anstoß erregten. Hierzu erschienen vom Capitel Doctor Henning Kissenbrügge, der zu seinem Schleswiger Kanonikat noch das Hauptpastorat an St. Nikolai in Hamburg erhalten hatte, und Magister Johann Garlefftorp; vom Rath die beiden Bürgermeister Salsborch und W. nebst einigen Bürgern. Doch da Kissenbrügge sich auf die kaiserlichen Privilegien des Doms berief und [234] in Abwesenheit des Decans, der in Speyer vor dem Kammergericht eine Klage gegen die Stadt anstrengte, keine Aenderung vornehmen zu können erklärte, war auch dieser Einigungsversuch vergeblich. Hatte somit das Domcapitel auf seinen Rechten bestanden, so gelang es doch am 29. Juni (Lappenberg, Chron., S. 563) den genannten beiden Bürgermeistem, die Inhaber der andern geistlichen Lehen zu der Erklärung zu bestimmen, daß, wenn sie Zeit ihres Lebens die Einkünfte der Lehen genießen wollten, sie einwilligten, daß nach ihrem Tode Capital und Rente dem Gotteskasten anheimfielen. Noch bis zum Jahre 1533 gehörte W. dem Rath an. Dann trat er aus, in „Verstandesschwäche“ verfallen. Am 26. Februar 1538 endete sein Leben.
Des Bürgermeisters Tochter Margaretha war an Lorenz Niebur verheirathet, welcher 1540 Senator und 1557 Bürgermeister wurde und mehrfach in denselben Verhandlungen beschäftigt wurde, die Wetken’s Sohne, dem Bürgermeister Hermann W. oblagen. Dieser wurde 1522 geboren, 1554 Rathsherr und 1564 Bürgermeister. Er hatte nicht in Rostock studirt, das bisher als sogenannte Landesuniversität für Hamburg gelten konnte, sondern nachdem schon zwei seines Namens in Wittenberg studirt hatten, bezog er im Sommersemester diese Universität. Im folgenden Wintersemester traf daselbst auch Eberhard Moller [vom Hirsch] ein, der während 17 Jahre als Bürgermeister mit W. im Rathe saß. Beide hatten also noch zu Luther’s, Melanchthon’s und Bugenhagen’s Füßen gesessen; eine Gewähr, daß sie das von den Vätern begonnene Werk fortsetzen würden. Moller sowohl als W. fiel diese Aufgabe zu. Nicht geringe Schwierigkeiten bereitete das Domcapitel. Schon im December 1528 hatte sich mit einer Klage gegen den Rath, wie oben angedeutet, der Decan Clemens Grothe, unterstützt vom Propst Joachim v. Klitzing, der zugleich Domherr von Magdeburg war, an das Reichskammergericht in Speyer gewandt. Hier begann nun einer der langwierigsten und kostspieligsten Processe, die die Stadt geführt hat, zunächst vom Jahre 1529–1539, den die Stadt mit einem Kostenaufwand von fast 4000 Pfund (ungefähr 10 000 Mark) bezahlte, der aber auch die dringende Veranlassung wurde, daß Hamburg dem Schmalkaldischen Bunde beitrat. Karl V. übersandte im Anfang des Jahres 1529 das Urtheil des Kammergerichts der Stadt, wodurch dieselbe bei einer Strafe von 500 Mark Goldes angehalten wurde, dem Domcapitel die Rechte über die städtischen Kirchen, die Schulaufsicht und alle Privilegien wieder einzuräumen. Als nun auch Erzbischof Christoph von Bremen sich des Hamburger Domcapitels annahm und mit Gewaltmaßregeln drohte, wandte sich der Rath an den Kurfürsten von Sachsen und den Landgrafen von Hessen um Aufnahme in den schmalkaldischen Bund. Am 10. Januar 1536 stimmte die Bürgerschaft dem Eintritt in den Bund zu. Die Macht desselben schützte Hamburg nun freilich vor den kriegerischen Gelüsten des Erzbischofs von Bremen und der Ausführung des kaiserlichen Poenaledicts. Aber das Domcapitel setzte seine Klagen fort bis zum Jahre 1539. Da aber König Ferdinand auf dem Frankfurter Tage 1539 infolge der Rüstungen der Osmanen zum friedlichen Verfahren gegen die Protestanten geneigt war, da der kaiserliche Orator, der Vicekanzler Johann v. Veeze selbst für 18 Monate Anstand und Suspension der Processe gegen die Evangelischen forderte, kurz, da der sogenannte Frankfurter Anstand diesen Processen ein Ende machte, so beruhigte sich auch damals das Domcapitel. Aber im Jahre des Augsburger Religionsfriedens trug es, auffälliger Weise, beim Reichskammergerichte auf die Achtserklärung gegen Hamburg an. Das Reichsgericht aber übertrug die Untersuchung der Streitfrage einer Commission, bestehend aus dem Bischof von Osnabrück Johann IV. v. Hoya (s. A. D. B. XIV, 278) und dem Herzog Franz Otto von Lüneburg. Um die commissarische Behandlung der Streitfrage zu erlangen, ging Syndicus Tratziger [235] (s. A. D. B. XXXVIII, 501) nach Brüssel an den kaiserlichen Hof; in Itzehoe wurden Verhandlungen mit den Domherren in Gegenwart der Gesandten des Königs von Dänemark eingeleitet; Tratziger reiste darauf mit W. nach Osnabrück, um die Sache dem Bischof vorzutragen. Allein Hamburg erlangte durch alle diese Gesandtschaften, ungeachtet kostbarer Geschenke nach damaligem Gebrauch – der Bischof erhielt einen silbernen vergoldeten Becher, 224 Loth wiegend, der Herzog von Lüneburg ein Pferd – nur so viel, daß die Commission erneuert wurde, während der Proceß in Speyer nicht ruhte und neue Kosten verursachte. Um zum Ziele zu gelangen, sandte der Rath nun W. und den Secretär Schröder 1556 auf den Reichstag nach Regensburg und an den Hof Ferdinand’s in Prag, von wo sie erst 1557 zurückkehrten. Der Erfolg war ein dreifaches Schreiben des Königs Ferdinand sowol an das Reichskammergericht wie an die Commissare zu Osnabrück und zu Lüneburg mit dem Bedeuten, alle Mittel zum Vergleich vorzunehmen, und an das Domcapitel vom 14. April 1557 (Stelzner, Bd. 2, S. 272 ff.). König Ferdinand rügte in diesem Schreiben, daß das Capitel sich geweigert habe, die in Verden von den Commissaren verabredeten Vertragsmittel anzunehmen; er hätte sich nicht versehen, daß das Capitel sich in dieser gütlichen Handlung so unschicklich benehmen würde. Aufs neue verweist er sie an die Commissare und empfiehlt ihnen, sich mit dem Rath von Hamburg zu vereinen und zu vertragen, da auch Hamburg die Früchte des Augsburger Religionsfriedens zu genießen habe. Es war dem Könige eine ernste Sorge, daß der Friede von 1555 gehalten werde, vielleicht umsomehr als nachgerade es sich weniger um eine confessionelle Frage handelte – gehörten doch schon Evangelische zum Capitel – als um das Verhältniß des immunen Domes zur Stadt. Der Rathssecretär Schröder begab sich dann zu den beiden Commissaren, um ihnen anzuzeigen, daß die Commissionsverhandlungen fortzusetzen seien. Entscheidend für die schließliche Beendigung des Processes war es, daß Ferdinand zum ersten Reichstag, den er 1559 als Kaiser hielt, Hamburg aufforderte, Abgesandte zu schicken. W. und sein Begleiter nach Regensburg und Prag begaben sich nun auf den Augsburger Reichstag, wo Hamburg vollkommen in den Religionsfrieden aufgenommen und der Proceß des Domcapitels aufgehoben wurde. „Ein Decret des Kaisers und der Reichsstände wurde ausgefertigt, daß Hamburg im Kammergericht nicht wieder verurtheilt werden dürfe auf Anforderung des Domcapitels gegen das den Augsburger Confessions-Verwandten gegebene Versprechen“ (Koppmann, Kämmerei-Rechnungen Bd. 7, S. 234). Dieser Beschluß führte dann am 2. Mai 1561 zu dem schließlichen Vergleich in Bremen, zu dessen Abschluß auch W. (Koppmann, Kämmerei-Rechnungen Bd. 7, S. 331) mitwirkte. Die Kosten des Processes hatten sich für Hamburg von 1555 bis 1562 auf mehr als 12 000 Pfund belaufen, so daß die ganzen Kosten von 1529 an etwa 16 600 Pfund, nach dem heutigen Silberwerth etwa 40 000 Mark betrugen, deren Kaufwerth natürlich noch viel beträchtlicher war. Nachdem nun das Domcapitel länger als dreißig Jahre jeder Vereinbarung mit dem Rath widerstanden hatte, war es schon zwei Jahre nach dem Bremer Vergleich genöthigt, den Schutz des Rathes als des weltlichen Armes anzurufen. Im J. 1563 waren nämlich päpstliche Bann- und Excommunicationsbullen an den Thüren der Domkirche gegen das Capitel angeschlagen worden, dasselbe wurde in andern Schriften verspottet und mit der Entsetzung von seinen Privilegien bedroht. Von anderer als von römischer Seite werden schwerlich solche Bedrohungen haben ausgehen können, die wol erklärlich waren, da außer in Hamburg, sich in Altona und in den Klöstern Harsefeld, Alt- und Neukloster im Stifte Bremen noch immer Anhänger der katholischen Kirche befanden. Gegen solche Bedrängnisse rief nun das Capitel den Schutz des Rathes [236] an, der freilich Bedenken trug, sich in solche Interna des Capitels einzulassen. W. und Syndikus Müller verhehlten den Domherren diese Bedenken nicht. Schließlich willigte aber der Rath ein, derartige Angriffe zu hindern, wogegen das Capitel dem Rath einräumte, in den sogenannten menses papales die erledigten Dompräbenden zu vergeben. Auch diese Uebereinkunft schlossen am 30. Mai 1563 W. und der genannte Syndikus ab (Stelzner Bd. 2, S. 322). Durch den Abschluß dieser langwierigen Streitigkeiten hatte W. sich kein geringes Verdienst um den Frieden der Stadt und die Befestigung der evangelischen Sache erworben. Das Verhältniß zwischen dem Rath und dem Capitel war schiedlich friedlich klargestellt. Schon damals, sicherlich in kurzer Zeit, bestand das Capitel mehr und mehr aus Mitgliedern, die der evangelischen lutherischen Kirche angehörten. Wird doch im Receß von 1582 (Supplementband der Gesetze der Hamb. Verfassung. Hamburg 1825, S. 198), wo es sich um eine Erbschaftssteuer handelt, ausdrücklich bemerkt, daß sich die Domherren seit dem bremischen Vergleich verheirathet und Erbgüter erheirathet hätten.
Außer in dieser Sache war W. aber auch vielfach anderweitig vom Rathe verwandt worden, seine Vaterstadt zu vertreten. Als König Ferdinand eine Versammlung aller Elbuferstaaten 1556 nach Frankfurt a/Main anberaumt hatte, um über die Elbschifffahrt und die Elbzölle zu berathen, wurde W. mit Tratziger dorthin gesandt. Die Versammlung hatte das Schicksal so vieler gleichzeitiger Berathungen, daß sie resultatlos verlief. „Noch drei Jahrhunderte“, bemerkt Lappenberg (Tratziger XXXI) hierzu, „mußten unter stets und ins Abenteuerliche wachsenden Uebelständen vergehen, bis mit ungeheuren Opfern, vor allen abseiten der Enkel der Mandatare Wetken’s und Tratziger’s, durch die Gesammttheilnahme der halben bewohnten Welt eine bessere Ordnung erreicht wurde“ durch die zweite Elbschifffahrtsrevision-Commission im J. 1842 zu Dresden (s. A. D. B. XXXIV, 230). Große Gewandtheit und Umsicht erforderte sicherlich die Sendung derselben Boten nebst Lorenz Niebur und Dithmer Koel nach Itzehoe zum Herzog Adolf v. Gottorp, welcher, im Begriff nach Antwerpen mit seinen Räthen zu segeln, auf der Elbe von Hamburger Schiffern angegriffen worden war. Sie hatten das herzogliche Schiff nicht erkannt und geglaubt, es führe, dem Hamburger Stapelrecht zuwider, Getreide elbabwärts. Mit Geschossen hatten die Hamburger die Weiterfahrt verhindert und die Mannschaft des holsteinischen Schiffes aufgebracht. Um den Zorn des Herzogs zu beschwichtigen, mußten sich seine Gesandten dreimal nach Itzehoe begeben aber vergebens, bis sich der königliche Statthalter Joh. Ranzau ins Mittel legte und zu verstehen gab, daß der Herzog durch Geschenke besänftigt werden könnte: Ein silberner vergoldeter Pokal, 268 Loth schwer, gefüllt mit spanischen und ungarischen Goldstücken im Werth von 2400 Pfund (6000 Mark), von Hamburg überreicht, und eine reichliche Ehrung, dem Statthalter überwiesen, versöhnten den schwer gekränkten Herzog (Koppmann, Kämmerei-Rechnungen Bd. 7, S. 92 f.; Lappenberg, Tratziger XXXII). Hatte W. sich so auf Fürstentagen bewährt, und heikle Streitigkeiten geschlichtet, so wurde er nun auch mit seinem Schwager Niebur und dem nachmaligen Bürgermeister Nic. Voegeler 1559 nach Kopenhagen gesandt, um den König Friedrich II. zu seiner Thronbesteigung zu beglückwünschen und Namens des Raths zu beschenken (Koppmann a. a. O., S. 209).
Nicht minder wurden seine Dienste in Anspruch genommen in städtischen, sowol bürgerlichen als kirchlichen Angelegenheiten. Schon seit dem Grundgesetz der städtischen Verfassung, dem sogenannten langen Receß von 1529, hatte die Bürgerschaft, zwar mit aller Ehrerbietung gegen den Rath, aber doch unbeirrt, einen Einblick in die Verwaltung der öffentlichen Gelder begehrt. In dem Rath- und Bürgerschluß vom 5. April 1563 einigten sich endlich beide Körperschaften [237] darüber, daß aus jedem Kirchspiel zwei Bürger die öffentlichen Gelder verwalteten, als sogenannte Kämmereibürger, und daß neben zwei Rathsmitgliedern als Bauherren zwei Bürger als Baubürger das gesammte Bauwesen der Stadt zu überwachen hätten. Auch bei diesen Verhandlungen wurde W. vom Rathe deputirt, um zwischen ihm und der Bürgerschaft zu vermitteln (Supplementband der Gesetze a. a. O., S. 149–182). W. wurde dann am Schluß der zwölfstündigen Sitzung als Bauherr proclamirt. Nachdem nun W. in den verschiedensten Fällen es sich hatte angelegen sein lassen, Gegensätze auszugleichen und Schwierigkeiten zu ebenen, ist es wol erklärlich, daß, als im J. 1589 auch in Hamburg krypto-calvinistische Streitigkeiten den Frieden der Kirchengemeinden bedrohten, W., bereits im 67. Lebensjahre stehend und seit 1580 wortführender Bürgermeister, die festgesetzte kirchliche Lehre nicht geändert wissen wollte und den Segen der Einigkeit in der Lehre mit den oben ausgeführten Worten pries, die er in Gegenwart des versammelten geistlichen Ministeriums sprach. Er schloß mit den Worten: „Machen uns demnach keine Bedenken, Alte und Junge, wie wir allhier sitzen, sondern wollen bei der Lehre und unsern Bekenntnissen bleiben. Daß man Calvinum solle aufs Kissen setzen, ist man nicht geneigt, sondern wir wollen ihn dem Teufel befohlen und zugeschickt haben. So will man sich auch wiederum versichern, daß es im Ministerio keiner wird an Ihm mangeln lassen in Religionssachen, sondern werden über die unterschriebene Confession fleißig halten und derselben gemäß leben.“ Die herben Worte über Calvin dürfen wol nicht mit dem Maßstabe der Gegenwart geprüft werden, sondern müssen dem Urtheil seiner Zeit zu gute gehalten werden. Kurze Zeit darauf, 1592 stiftete W. für alte Wittwen und Jungfern einen Gotteshof, der, nach dem Brande von 1842 neu aufgebaut, dazu dient, Armen und Hülflosen ihren Lebensabend erträglicher zu machen. Im Anfang des Jahres 1593 trat W. von seinen Aemtern zurück und starb am 13. October 1595. Gewinnen wir aus der mannichfachen Thätigkeit Wetken’s den Eindruck eines selbständigen rechts- und geschäftskundigen hansischen Bürgers des 16. Jahrhunderts, der es verstanden hat, nach außen kräftig seine Vaterstadt zu vertreten und nach innen Conflicten vorzubeugen, der vor seinem Tode fromm der Armuth gedachte, so zeugt das schöne Epitaphium aus Sandstein, das er in der Nicolaikirche 1566 seinen beiden jung verstorbenen Söhnen errichten ließ, ebenso sehr von seinem Familien- wie von seinem Kunstsinn. Es steht jetzt in der Sammlung Hamburgischer Alterthümer und ist unter den wenigen aus älterer Zeit erhaltenen Grabdenkmälern das umfangreichste und eines der schönsten. Man sieht das Bildniß der beiden Kinder in einer Nische im Sarge liegen. Daneben knien auf einer stark vorspringenden Plinthe der Bürgermeister und seine Frau nebst zwei lebengebliebenen Kindern, Johann und Joachim.
Dieser Johann W. wurde der dritte Bürgermeister seines Namens. Obwol er 1577 in Rostock studirt hatte, scheint er Kaufmann geworden zu sein, da er verschiedene bürgerliche Aemter übernommen hat; 1603 in den Rath gewählt wurde er 1614 Bürgermeister. Nur eine Gesandtschaftsreise nach dem Haag wird 1616 von ihm erwähnt (Stelzner 2, S. 534), von der er krank zurückkehrte und am 11. October desselben Jahres starb. Seine Tochter Katharina verheirathete sich mit dem rechtsgelehrten Licentiaten Erasmus W. Ihr Sohn Hermann W. hat sich durch bedeutende Vermächtnisse und milde Stiftungen und durch die Gründung einer Freischule verdient gemacht. Hermann W. war als Kaufmann in Rouen etablirt, wo bis zur Aufhebung des Edicts von Nantes die Holländer und Hansen die bedeutendsten Schiffsrheder und Fabrikanten waren. Dort hat er sich mit einer Holländerin 1673 verheirathet. Da er sich hatte naturalisiren lassen, so wurden auch auf ihn die Folgen des Revocationsedicts [238] angewandt, indem er nicht zu denen gehörte, die ihr Bekenntniß abschworen. In den alten Kirchenregistern zu Rouen findet sich die Notiz: „Hermann W., seine Frau, die Schwester und die Domestiken“ wurden angezeigt, als solche, die nicht abgeschworen hatten: – zwei Cavalleristen aufzunehmen; seine Frau, Anna Dierquens, in ein Kloster gesteckt“ (E. Lesens im Bulletin de la Commission de l’historie des Eglises Wallonnes. Tome 5. La Haye 1892, p. 205–227). W. kehrte nach Hamburg zurück und vermachte in seinem Testamente vom Jahre 1703 120 000 Mark Species = 180,000 R.M. an milde Stiftungen, deren eine, bis vor kurzem als „Wetken’sche Freischule“ bestanden hat. W. starb 1712.
Nachdem laut Dr. Otto Beneke’s sorgfältigen Nachforschungen (Stammbaum der Wetken im Hamburger Stadtarchiv) auch die nach Thüringen und Holstein u. s. w. übergesiedelten Glieder des Wetken’schen Geschlechtes ausgestorben waren, blieb als letzter derselben wieder ein Hermann W., geboren in Hamburg am 8. October 1808. Auf den Wunsch seiner frommen Mutter widmete W. sich dem geistlichen Stande und entfaltete zuerst in Erfurt, dann als Oberpfarrer und Superintendent zu Osterwieck in der Grafschaft Wernigerode eine reich gesegnete Thätigkeit. Wegen seiner gläubigen Richtung, die er vielleicht nicht ohne Schroffheit vertrat, hat es ihm im J. 1848 ebensowenig an Anfeindungen gefehlt als wegen seiner Verdienste um die Schule, um den Gustav-Adolfsverein und die Mission an Beweisen der Anerkennung und Liebe an seinem 50jährigen Jubiläum 1883. Am 14. Februar 1886 ist er eines sanften Todes entschlafen.
- Außer den im Texte angeführten Quellen sind benutzt: Buek, Hamb. Bürgermeister. – Kellinghusen, Hamb. Schriftsteller-Lexikon, Bd. 8. – Zeitschr. des V. für Hamb. Geschichte, Bd. 8, S. 267–342, Bd. 9, S. 626 ff. – Staphorst IV, S. 767. – Hamburgs milde Stiftungen, S. 173. – Sillem, Reformation in Hamburg (Halle 1886). – Sillem, Die Matrikel des Akad. Gymnasiums in Hamburg 1891, S. 208.