ADB:Wilhelm II. (Markgraf von Jülich)
Herzogs Wilhelm IV. von Jülich und der Maria, Tochter des Herzogs Reinald II. von Geldern (s. A. D. B. XXVII, 725), wurde im J. 1371 durch die Partei der Bronkhorsten als Nachfolger seines Onkels Reinald III. anerkannt und, wenn auch erst siebenjährig, gegen die Candidaten der Heekeren, seine Tante Mechtild, die ältere Schwester seiner Mutter und deren Gatten Johann v. Blois (s. A. D. B. XIV, 215) unterstützt, indem sein Vater eine freilich ziemlich nominelle Regentschaft führte. Namentlich die Gunst des Herzogs Albrecht, des mächtigen Regenten von Holland, verschaffte seinen Anhängern die Oberhand in dem wüsten Bürgerkrieg, dem zuerst die Sühne der beiden Parteiverbindungen im J. 1376, dann der Landfriede des folgenden Jahres und zuletzt der Rücktritt des Johann v. Blois ein Ende machte. Zwar hielt dessen Gemahlin noch im Kampfe aus, doch 1379 wurde W., der vor zwei Jahren volljährig geworden war, und nach einander in sämmtlichen Theilen des Landes nach seiner Belehnung durch Kaiser Karl IV. die Huldigung empfangen hatte, von den Gegnern anerkannt, wenn auch noch einige verbissene Anhänger der Heekeren’schen Partei sich bis zu Mechtild’s Tode im J. 1382 widersetzten. Er hatte sich indessen mit seines Gönners Albrecht Tochter Katharina von Baiern, der Brautwittwe seines Onkels Eduard (der während des Brautstandes ermordet war) verheirathet. Die Gelderschen begrüßten seine jetzt unbestrittene Herrschaft als den Anfang einer Friedenszeit. Und freilich der innere Krieg blieb ihnen erspart, aber um so mehr stürzte sich der junge Herzog in auswärtige Kämpfe. Selbst in jenem von Kampf und Krieg erfüllten Zeitraum zog die ungebändigte Kampfeslust des vor keinem Feind zurückschreckenden Jünglings (er war 1379 erst sechszehn Jahre) die Aufmerksamkeit auf sich. Und selbst Froissard, der ihn als ein Muster der Ritterlichkeit preist, kann nicht umhin seine Tollkühnheit zu rügen. Nach den ersten Jahren seiner Regierung stürzte er sich in eine endlose Reihe von Kämpfen, namentlich mit Brabant, und was sich Brabants annahm. Doch schon vorher hatte er sein Schwert gegen die Litthauer gewandt, fünf Mal hat er in Preußen einen Feldzug des deutschen [80] Ordens mitgemacht, unter mancherlei Abenteuern, einmal wurde er von einem pommerschen Ritter gefangen und nur durch den Einspruch des Großmeisters freigemacht. Und kaum zwei Jahre später war er auf der französischen Flotte, welche die Barbaresken zu züchtigen versuchte, zur Abwechslung moslemische Feinde statt Heiden bekämpfend. Doch wie gesagt, den Kampf mit Brabant scheint er als seine eigentliche Aufgabe angesehen zu haben, in erster Reihe wegen der Ansprüche auf das von beiden Herzogthümern umstrittene Gebiet von Grave an der Maas, in zweiter wegen seiner Verbindung mit England, wogegen Brabant eng mit Frankreich und Burgund verbunden war. Gewaltigen Ruhm erfocht er hier als er im J. 1388 mit kaum 400 Reitern und wenigen Fußgängern ein großes brabantisches Heer bei Ravenstein auseinanderjagte. Die Schmach konnte der mächtige Burgunderherzog, der Beschützer der brabantischen Herzogin Johanna, dem W. sowie dessen Neffen, dem jungen Karl VI. von Frankreich, auf englische Hülfe vertrauend den Krieg erklärt hatte, nicht leiden. Der junge König selber erschien im Spätjahre mit einem gewaltigen Heere an der Maas. Mitten durch das arme jülichsche Land ging der Zug, der absichtlich Brabant vermied um es zu schonen, und das weder die Verwahrungen noch die flehentlichen Bitten des alten jülichschen Herzogs, der sich vergeblich auf seine Neutralität berief, zu schützen vermochten. Und sein Sohn weigerte sich energisch, dessen Rath, um Frieden zu bitten, zu gehorchen. Jetzt zeigte er, daß er nicht bloß ein Ritter, sondern auch ein Kriegsmann war. Er vermied jede Feldschlacht, neckte aber den Gegner mit unaufhörlichen kleinen Angriffen und sorgte die Städte, die, wie das ganze Land, treu zu ihm hielten, stark zu befestigen und vor Belagerungen zu schützen. Fast mit Gewißheit ließ sich der Rückzug der vom Hunger furchtbar geplagten französischen Massen, welche die linksrheinischen Länder durch ihre auf Lebensmittel ausgehenden Streifzüge verheerten, voraussehen, als W. den Bitten des Kölner Erzbischofs und seines Vaters endlich nachgab und Friede schloß. Die Stadt Grave gab er dabei heraus, allein unter der Bedingung, die Herzogin von Brabant solle sie seinem Freunde, dem Herrn von Kuik abtreten, so daß er eigentlich nichts vergab. Als Sieger ging er aus dem Kampf hervor, der ihm zugleich eine persönliche Annäherung zu dem französischen Könige brachte, welche später eine politische wurde. Denn wenn er auch festhielt an seinem englischen Bündniß und nach wie vor den von jetzt an in den Niederlanden wachsenden burgundischen Einfluß bekämpfte, wenn es ja nicht angeht, ihn als einen Vorkämpfer des Deutschthums in Lothringen darzustellen, trat er später in Verbindung mit dem Herzog von Orleans, dem Gegner der Burgunder, während er in Holland seine Schwester mit dem mächtigen jungen Herrn von Arkel, dem Haupte der Kabeljau’s und dem Todfeinde seines Schwagers, Wilhelm von Oostervant, verheirathete. Er war indessen 1394 durch des Vaters Tod auch Herzog in Jülich geworden und später vom König Wenzel als solcher anerkannt und brauchte seine jetzt nicht gering anzuschlagende Macht zu fortwährenden Fehden mit Nachbarn und weitabgelegenen Feinden, zur Abwechslung dann und wann auf einem Zug nach Preußen einen Streich gegen die Littauer führend, was freilich dem damals arg bedrängten Orden wenig Luft machte. Noch einmal entbrannte der Kampf mit Brabant, an dem so ziemlich alle niederrheinischen und lothringischen Fürsten und Herren theilnahmen und der nach schrecklichen Verheerungen, namentlich des brabanter und jülichschen Gebietes, durch Vermittlung seines Schwagers Johann von Baiern, des Elects von Lüttich (s. A. D. B. XIV, 231), beendet wurde (1399). Durch eine ganze Reihe von Heirathen und andere Verträge erhielt W. im nächsten Jahre den Preis, die unbestrittene Herrschaft von Grave. Eben damals hatte in England die Umwälzung stattgefunden, welche den unglücklichen Richard II. um Thron und Leben brachte. Mit seinem glücklichen Nebenbuhler, [81] dem Freund der Burgunder, Heinrich IV., wollte W. nichts zu schaffen haben. Er warf sich jetzt ganz in die Arme Frankreichs. 1401 schloß er den Vertrag von Corny, wobei er gegen 50 000 Goldschilden jährlich sich verpflichtete, dem König von Frankreich gegen alle Feinde, namentlich den König von England beizustehen, nur König Wenzel und das Reich sowie einige seiner Verwandten und niederrheinischen Bundesgenossen ausgenommen. Es war der Preis der Waffenhülfe, welche er dem Herzog von Orleans bei seinem Zug nach Paris zur Unterwerfung des burgundischen Einflusses geleistet hatte. Zu gleicher Zeit verband er sich mit den friesischen Feinden seines Schwiegervaters Herzog Albrecht von Holland, der je länger je mehr durch seinen Sohn in die burgundische Partei hereingezogen wurde. Doch es war ihm nicht gestattet in der je länger je ärger verwickelten Politik der ersten Hälfte des fünfzehnten Jahrhunderts eine Rolle zu spielen. Eben als er am Anfang einer neuen Periode seines Lebens zu stehen schien, in welcher er sich mehr und mehr gegen Holland wandte, das damals in den Gegenden nördlich vom Rheine die burgundische Partei vertrat, und jene Opposition Gelderns gegen Burgund einzutreten anfing, welche ein Jahrhundert später der Existenz des kleinen Herzogthums ein merkwürdiges Interesse verlieh, erkrankte er und starb nach zwei Monaten erst 38 Jahre alt zu Arnheim. Seine Herzogthümer hinterließ er seinem Bruder Reinald IV. (s. A. D. B. XXVII, 728), denn seine Ehe war kinderlos geblieben, wogegen er mehrere illegitime Kinder hinterließ, die er der Sitte der Zeit nach reichlich bedachte. W. war wol eine der rastlosesten Persönlichkeiten einer rastlosen Zeit, wenn auch der Schimmer der Ritterlichkeit die Härte und Selbstsucht seines Treibens verdeckte und seine Tollkühnheit und Gewandtheit, welche ihn nie die der Fassung verlieren ließ, ihm eine Popularität verschafften, welche er auch bei der Nachwelt nicht verloren hat.
Wilhelm, Herzog von Geldern und Jülich, als Herzog von Geldern W. I., der Sohn des- Froissard, Chroniques. - Wilhelmus de Berchem, De nobili principatu Gelriae (Ed. Sloet). – Chronicon Tielense. – J. A. Nijhoff, Gedenkwaardigheden uit de geschiedenis van Gelderland, Bd. III (namentlich Urkunden). – Ernsing, Wilhelm III. von Jülich als Herzog von Geldern. – Lindner, Geschichte des deutschen Reichs unter König Wenzel. – Leroux, Nouvelles recherches critiques sur les relations de la France avec l’Allemagne. – Blok, Geschiedenis van het Nederlandsche Volk, Bd. II. – Arend, Allgemeene Geschiedenis des Vaderlands, Bd. II, wo die ältere, jetzt so ziemlich überflüssige geldrische Geschichts-Litteratur wie Pontanus, Historia Gelriae und Slichtenhost, Geldersche Geschiedenissen, und auch die Brabanter Quellen angeführt sind.