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ADB:Wilhelm von Montfort

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Artikel „Wilhelm, Graf von Montfort, Abt von St. Gallen“ von Gerold Meyer von Knonau in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 43 (1898), S. 218–221, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Wilhelm_von_Montfort&oldid=- (Version vom 22. Dezember 2024, 12:41 Uhr UTC)
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Wilhelm, Graf von Montfort, Abt von St. Gallen, † am 11. October 1301. – Schon gegen das Ende der thatkräftigen Regierung des am 10. Juni 1272 verstorbenen Abtes Berchtold (s. A. D. B. II, 521: Berchtold stammte aus dem freiherrlichen Hause von Falkenstein im nördlichen Schwarzwalde, wozu vgl. des Verf. Artikel in den Württembergischen Vierteljahrsheften für Landesgeschichte VI, 50–54, 1883 – die Ruinen liegen bei Schramberg, OA. Oberndorf) hatte Graf Rudolf von Habsburg als ein gefährlicher unternehmender Nebenbuhler den Einfluß des Stiftes St. Gallen im Bereiche des Thurgaues einzuengen angefangen. Aber erst eine zwiespältige Wahl für Berchtold’s Nachfolger bot vollends dem Grafen, der als erwählter König noch mehr Befugniß auszuüben in die Lage kam, die Möglichkeit weitgetriebener Einmischung [219] in die Angelegenheiten des Stiftslandes. Rudolf entschied sich nämlich für die Anerkennung des weniger berechtigten Gewählten, Ulrich, aus dem freiherrlichen Geschlechte von Güttingen (am thurgauischen Bodenseeufer), gegen den mit besserer Kur erwählten Verwandten Berchtold’s, Heinrich, aus dem freiherrlichen Hause Wartenberg (in der Baar), und schon vor der Königswahl nahmen die Gotteshausleute, besonders auch die Stadt St. Gallen, welche ihren ersten Freiheitsbrief hiefür ertheilt bekam, Rudolf als ihren Schutzherrn an. Durch die Königswahl wurde diese zur Reichsvogtei erwachsende Schirmgewalt ein noch stärkeres Machtmittel in Rudolf’s Hand, und so wurde vom Könige die Auskunft ergriffen, durch die Ernennung des Ulrich von Ramswag, der in der niedrigen Stellung eines klösterlichen Dienstmannes war, zum Vogt des Stiftes, das Gotteshaus tief herabzuwürdigen, andererseits sich selbst in diesem neubestellten Stellvertreter ein dienstwilliges Werkzeug gegen das Kloster zu schaffen. Aber auch sonst sank das Stift durch die unberathene, in ökonomischen Fragen ungeschickte Verwaltung Ulrich’s – durch gewaltsame Nöthigung wurde der Abt dazu gebracht, die wichtige Herrschaft Grüningen König Rudolf zu verkaufen – immer tiefer in Noth. Zwar erlosch durch den Tod Heinrich’s, der aus dem Kloster dauernd vertrieben blieb, 1274, der äußere Gegensatz; aber in der Wahl eines Nachfolgers für denselben, in Abt Rumo von Ramstein, aus einem den Falkensteinern benachbarten und verwandten Hause, erwuchs der Streit von neuem, und da dieser Abt ein Mann ohne alle Befähigung war, konnte auch der Tod Ulrich’s, 1277, wodurch das Schisma gehoben wurde, keine Besserung bringen. Endlich trat Rumo 1281, gegen die Zuweisung von Einkünften, von der Abteileitung zurück, und so wurde der Boden für eine Neuwahl geebnet.

Dieselbe bedeutete einen eigentlichen Systemwechsel für St. Gallen. Aus dem gräflichen Hause Montfort von der rothen Fahne, das in Berchtold’s Zeit dem Stifte feindselig gewesen, das in der Zeit der Doppelwahl zu Ulrich gehalten hatte, wurde W. als Abt erwählt. Hatte bisher das Umsichgreifen der Montforter vom Rheinthal abwärts in den Argengau den Zwist zwischen dem Stifte und ihrem Hause bedingt, so gedachten jetzt die Wähler das Ansehen des Geschlechtes ihrem Kloster zu Gute kommen zu lassen. Denn weltliche Brüder Wilhelm’s geboten, Rudolf zu Montfort und Feldkirch, Ulrich zu Bregenz und Sigmaringen, ein geistlicher, Bischof Friedrich, zu Cur, in einer werthvolle Hülfe für St. Gallen versprechenden Bedeutung. Alsbald bemühte sich W., durch herstellende Thätigkeit sein Stift wieder emporzubringen. Aber König Rudolf’s eigensüchtiges Gebaren und die bei ihm, sobald er Wilhelm’s kräftigen widerstandsfähigen Willen erkannt, hervortretende drückende Mißgunst lähmte diese Anstrengungen; schon gleich seinen ersten Besuch am königlichen Hofe December 1282 zu Augsburg kürzte W. durch fluchtartige Entfernung ab, um sich befürchteten weiteren Zumuthungen zu entziehen. Dann fanden unzufriedene Klosterinsassen, die sich durch des Abtes fortgesetzte Ersparnißmaßregeln bedrückt fühlten, am Hofe Gehör und Rückhalt für ihre Anklagen, und Rudolf nützte 1287 seinen Einfluß auf einen päpstlichen Legaten aus, um gegen W. einen Proceß anstrengen und den Bann gegen ihn aussprechen zu lassen. Daneben wurde St. Gallen auch mit weltlichen Mitteln eingeengt. Gegen den wichtigen Platz des Gotteshauses, die feste Stadt Wil im Thurthale, hatte der König aus der von einem St. Galler Ministerialen erworbenen, dem Gotteshause zugehörigen Burg Schwarzenbach eine Angriffsfeste in nächster Nähe geschaffen, und hier wogte im August und September 1287, indem W. Schwarzenbach angreifen ließ, Wil glücklich sich vertheidigte, erbitterter Kampf. Zwar wurde am 6. September eine Sühnverabredung vor Wil getroffen; doch als W. sich [220] selbst zum Könige begab, um den Frieden zu schließen, vermochte er das zwar nicht zu erzielen, wurde aber durch eine von Rudolf veranstaltete unredliche Ueberraschung genöthigt, dessen Söhnen auf Unkosten des Gotteshauses einen neuen Vortheil zuzuwenden. So mußte W., unterstützt durch seinen Bruder, Bischof Friedrich, auch für 1288 den Kampf fortsetzen. Anderntheils aber zog der König den Ramswager stets mehr in sein Interesse, und als das Urtheil gegen W. endlich gefällt war, daß er nicht mehr Abt sein könne, setzte der König selbst, begleitet von seinen Söhnen Albrecht und Rudolf, in St. Gallen gegen W. den Abt von Kempten, Konrad von Gundelfingen (aus einem in der Rauhen Alb sitzenden freiherrlichen Hause), als Abt ein, unter Androhung der Acht gegen alle Anhänger des verurtheilten Gegners und mit Zurücklassung Herzog Rudolf’s zur Bekämpfung desselben. Für W. begann jetzt eine Zeit der Niederlagen und der Verfolgung ärgster Art; seine Burgen fielen den Feinden anheim, auch die Feste Alt-Toggenburg; ein Zufluchtsort nach dem anderen verschloß sich oder ging verloren; Bischof Friedrich wurde nach einem verlustreichen Gefechte gefangen genommen und starb 1290 bei dem Fluchtversuche aus seinem Haftorte, der Burg Werdenberg des eifrig königlich gesinnten Montforter Stammesgenossen von der schwarzen Fahne, Grafen Hugo. Erst König Rudolf’s Tod brachte eine Aenderung, und schon gleich am 25. Juli 1291 nahmen die W. stets treu gesinnt gebliebenen angesehenen St. Galler Bürger, mochte auch der Ramswager ihnen zürnen, den rechtmäßigen Abt in St. Gallen wieder auf, wofür er ihnen zum Dank alsbald am 31. des Monats ihre Rechte in einer umfassenden Handveste bestätigte. Das Geschöpf Rudolf’s, Konrad, dessen Denkmal der umfangreiche Schuldenrodel von 1,8 Meter Länge ist, verließ seine angemaßte Stellung für immer (er starb 1302). Mit den Gegnern des verstorbenen Königs that sich W. alsbald zu dem gegen Herzog Albrecht gerichteten Bunde zusammen, welchen Bischof Rudolf von Constanz um sich vereinigte (s. A. D. B. XXIX, 541), und auch über das Gotteshausgebiet von St. Gallen brach der Krieg neuerdings herein. Zwar trug Albrecht den Vortheil im wesentlichen davon; aber wenigstens die Söhne des böswilligsten Feindes, den das Kloster hatte, des alten Ulrich von Ramswag, wurden durch die St. Galler Bürger am 25. Februar 1292 nahe der Stadt, im Riedernholz, schwer auf das Haupt geschlagen. Indessen schlief der Zwist zwischen Albrecht und W. allmählich ein, ohne daß es im August des Jahres, wo der Herzog mit seinen anderen Gegnern sich vertrug, zu einem Friedensschlusse kam; zwar dauerte besonders in der Gegend des Platzes Wil der kriegerische Gegensatz noch länger fort. Auch als endlich Albrecht ernsthafter den Willen zeigte. den Frieden herbeizuführen, und W. deswegen 1296 sich auf den Weg nach Oesterreich machte, zerschlug sich die Angelegenheit, und enttäuscht kehrte der Abt zurück. So schloß er sich, als zwischen König Adolf, der sich von Anfang St. Gallen günstig erwiesen, und Albrecht der Bruch eintrat, mit voller Entschiedenheit dem König an. Nach den im Schletstatter Vertrag vom 1. September 1297 eingeräumten Zusicherungen zog der Abt alsbald ein erstes Mal Adolf, für dessen Feldzug zum Vortheil des englischen Königs Eduard I., in die Nähe von Frankfurt zu. Im Sommer 1298 vollends war W. in Adolf’s Lager der einzige „Pfaffenfürst“, und als der König am 29. Juni, drei Tage vor der Entscheidungsschlacht, bei dem Abte das Mahl nahm, versprach er ihm: „Sol mir Got gelück geben, ich wil üwer gotzhus beßren umb XL tusend mark“. Doch am 2. Juli war W. einer der Flüchtlinge vom Kampffelde am Hasenbühl, und alle großen von Adolf eröffneten Aussichten fielen dahin. Tief gebeugt, auch in neue wirthschaftliche Schwierigkeiten durch den gemachten und eingebüßten kriegerischen Aufwand gestürzt, kehrte W. zurück. Denn der alte Gegner Albrecht war jetzt nach dem [221] Siege der König des Reiches. Erst 1301 kam es in den noch stets seit 1292 schwebenden Fragen wegen Schwarzenbach zur Aussöhnung mit dem neuen König: nach Inhalt des Vertrages, dessen Ausführung sich freilich noch länger verzögerte und nie ganz vollendete, sollten Burg und Stadt Schwarzenbach gebrochen, Wil völlig hergestellt werden. Aber W. lag schon schwer krank, als Bischof Heinrich von Constanz (s. A. D. B. XI, 513) von der Aussicht auf einen Vergleich berichten konnte, und er starb vor der am 16. October von Albrecht’s Söhnen abgegebenen urkundlichen Erklärung.

W. ist eine der bemerkenswerthesten Erscheinungen unter jenen überwiegend unglücklich kämpfenden Vorstreitern der gegen die habsburgischen Vergewaltigungen ringenden Vertreter älterer Rechtsbildungen innerhalb des Machtbereiches, den das 1273 zum Königsthron berufene Geschlecht für seine Hauspolitik in wohl gefügte Berechnung zog.

Kuchimeister’s (s. A. D. B. XVII, 285 u. 286) geradezu unübertreffliche historiographische Mittheilung und die durch Wartmann im Urkundenbuch der Abtei St. Gallen, Band III, gesammelten Urkunden sind die hauptsächlichsten Quellen für Wilhelm’s Geschichte. Nach der guten Darstellung durch I. von Arx, Geschichten des Kantons St. Gallen, Band I, 409–429, entstellte Kopp’s subjectiv gefärbte, vielfach ganz unrichtige Auffassung die Dinge, wie sie zwischen W. und dem Hause Habsburg lagen, mehrfach völlig. Vgl. vom Verf. d. Art. die Abhandlung: Die Beziehungen des Gotteshauses St. Gallen zu den Königen Rudolf und Albrecht, im Jahrbuch für schweizerische Geschichte, Band VII (1882), S. 1–56.