ADB:Werdenberg, Grafen von
Werdenberg: Grafen von W. Die Grafen von Werdenberg sind von dem Geschlechte der Grafen von Montfort ausgegangen, als um die Mitte des 13. Jahrhunderts die zwei Brüder Rudolf und Hugo II. von Montfort ihre ausgedehnten Besitzungen theilten. Hugo, der jüngere Bruder, erhielt die untern, ausschließlich rechtsrheinischen Gebiete, dabei auch die Burgfeste Montfort oberhalb der Klus beim vorarlbergischen Dorfe Götzis, und seine Nachkommen nannten sich bleibend nach jener Feste. Dem älteren Bruder, Rudolf, fielen die obern Gebiete auf der rechten und linken Seite des Rheins zu mit den Burgfesten Werdenberg und Sargans. Sicher ist, daß sich dieser Rudolf I. noch Graf von Montfort, wahrscheinlich, daß er sich daneben auch Graf von Sargans geschrieben hat. Dafür, daß er auch den Namen eines Grafen von Werdenberg geführt hätte, sind bis jetzt keine zuverlässigen Anhaltspunkte vorhanden.
Abwechselnd als Grafen von Montfort und als Grafen von Werdenberg erscheinen aber urkundlich seine zwei Söhne: Hugo I. und Hartmann I., die unter sich noch einmal eine Theilung ihrer Besitzungen vornahmen, und zwar so, daß den Kern der von Hugo übernommenen Gebiete die Herrschaft Werdenberg mit der gleichnamigen Burg bildete, den Kern der an Hartmann überlassenen Landschaften das fruchtbare Thal vom Walensee bis zur Sar mit der Feste Sargans. Und als dann im J. 1277 Hugo von seinem Schwestersohne die aus dem alten Linzgau hervorgegangene Grafschaft Heiligenberg an sich brachte, gewöhnte man sich, von da an seine Linie von Werdenberg-Heiligenberg zu nennen, im Gegensatze zu der Linie Hartmann’s von Werdenberg-Sargans.
Graf Hugo I. († am 7. December 1280) wird mit seinem Bruder Hartmann zum ersten Male 1254 als Zeuge in einer Kiburger Urkunde genannt. Es darf als sicher angenommen werden, daß seine Mutter Clementa eine Schwester Graf Hartmann’s des Jüngeren von Kiburg gewesen und daß durch diese Verbindung zuerst der Name Hartmann in das Geschlecht der Werdenberger gekommen ist. Aus diesem verwandtschaftlichen Verhältniß erklärt sich auch leicht, daß dem Grafen Hugo gemeinsam mit dem Grafen Rudolf von Habsburg, dem Schwestersohn des älteren Grafen Hartmann von Kiburg, die Vormundschaft über die kiburgische Erbin Anna, die Tochter des jüngeren Hartmann, anvertraut wurde. Wir finden Hugo von 1264–1272 in dieser Stellung, die ihn wol häufig mit dem Habsburger in Berührung brachte. Die beiden Grafen fanden sich auch zusammen in einer Fehde gegen den Grafen Rudolf I. von Montfort und gewannen den Abt von St. Gallen zu ihrem Verbündeten (1267 oder 1271). Als Graf Rudolf von Habsburg zum römischen König gewählt worden war, übertrug er dem befreundeten Werdenberger die Landvogtei Oberschwaben mit dem Auftrag, das dem Reiche Entfremdete zurückzufordern. Schon am 14. März 1274 urkundete Hugo als judex provincialis superioris Sveviae und hat – gewöhnlich unter dem Titel eines Landgrafen – die Verwaltung dieser Lande bis zu seinem Tode besorgt. Auf dem Zuge gegen Ottokar von Böhmen stand er an König Rudolf’s Seite und erscheint nachher oft als Zeuge in seiner Umgebung. Der Ankauf von Heiligenberg ist durch Rudolf vermittelt worden. Eine zwiespältige Abtwahl im Kloster St. Gallen benutzte Hugo, um den großen Hof Bütswil und die Stadt Lichtensteig im Thurthal als Pfand in seine Hand zu bringen und dadurch mitten im Gebiet der kräftigen Toggenburger Grafen eine feste Stellung zu gewinnen. Als Haupt des Hauses Werdenberg führte er die [750] Vormundschaft über die 3 Söhne seines frühe (vor 1271) verstorbenen Bruders Hartmann von Werdenberg-Sargans.
Hugo II. († 1305/9), der Einäugige, Hugo’s I. einziger Sohn, wird zum ersten Male im J. 1275 oder 1277 erwähnt. Gleich seinem Vater hielt er fest zum Hause Habsburg. Wie gut Hugo II. bei König Rudolf angesehen war, geht daraus hervor, daß er im Januar 1281 mit Anderen auserwählt wurde, um des Königs Tochter Clementia zu ihrem Verlobten Karl Martel nach Neapel zu geleiten. In dem Streite der Habsburger mit dem aufstrebenden Zürich, mit dem Abte Wilhelm von St. Gallen aus dem Hause Montfort und mit dem Bischof von Constanz aus dem Hause Habsburg-Laufenburg, in dem Kampfe Herzog Albrecht’s um die Krone: überall setzte Hugo II. seine ganze Person ein. Im April 1292 hat er den österreichischen Herzogen das durch Zürich hart belagerte Winterthur gerettet, sodann mit Herzog Albrecht das äbtische Wil belagert und nach zweimonatlichem Widerstande erobert. Hier, auf dem Felde von Wil, wurde er mit seinem Vetter Rudolf II. von Werdenberg-Sargans durch Albrecht zum Ritter geschlagen. Graf Hugo war dabei, als der zumeist gegen die Begünstigung der schwäbischen Herrn am Herzogshofe gerichtete Aufstand des österreichischen Adels niedergeworfen wurde (1295/96) und wiederum – fast selbstverständlich – auf dem Schlachtfelde bei Göllheim, wo Herzog Albrecht dem König Adolf von Nassau die Krone abgewann, und bei der Krönung in Aachen (1298). Zum Danke für diese getreuen Dienste soll auch ihm, wie einst seinem Vater, die Landvogtei in Oberschwaben übertragen worden sein. Ende Juli 1305 wird Hugo II. zum letzten Male urkundlich erwähnt.
Durch seine enge Verbindung mit dem Herzog und König Albrecht ist Hugo II. wol veranlaßt worden, dem jüngsten seiner drei Söhne den Namen Albrecht zu geben, und eben dieser jüngste Sohn hat sich besonders hervorgethan.
Albrecht I. († ca. 1365) erscheint zuerst als Zeuge in einer Urkunde vom 25. August 1308. Wie sein älterer Bruder und seine sargansischen Vettern trat Albrecht, der Ueberlieferung ihres Hauses folgend, zunächst in Dienstverhältnisse zu den österreichischen Herzogen und ergriff die Partei Friedrich’s des Schönen. Nachher aber wußte er sich in seiner langen Laufbahn mit Ludwig dem Baier und Karl IV. nicht weniger gut zu stellen. Von König und Kaiser Ludwig ist er zum Reichslandvogt um den Bodensee und zum Reichsvogt der Länder Uri, Schwiz und Unterwalden ernannt worden (1327 und 1331 urkundet Albrecht unter diesen Titeln) und König Karl ernennt ihn 1348 zum capitaneus et defensor episcopi Tridentini. Nach Johann v. Winterthur wäre Albrecht auch mehrmals mit König Johann von Böhmen gegen die Heiden gezogen, hätte sich dabei durch ganz besondere Tapferkeit ausgezeichnet, von diesen Zügen eine vornehme, junge Heidin mit nach Hause gebracht und im Frauenkloster zu Bludenz versorgt.
Deutet die Theilnahme an solchen Fahrten auf eine Lust an Abenteuern, so zeugt die Art und Weise, wie Albrecht seine hohen Verbindungen zur Erweiterung und Abrundung seiner Herrschaft zu benutzen wußte, von kluger Berechnung und politischem Verständniß. Unverkennbar tritt doch daraus sein Plan hervor, im Anschluß an die schon früher als Pfand vom Reiche an das Haus Werdenberg gelangte Burg und Stadt Rheinegg vor allem eine gesicherte, feste Stellung zwischen den Grafen von Montfort und dem Abte von St. Gallen, seinen mächtigsten und gefährlichsten Nachbarn und Rivalen, und zugleich eine bessere und gesichertere Verbindung seiner Stammlande im oberen Rheinthal mit der Herrschaft Heiligenberg zu gewinnen. 1344 ließ er sich „für den Dienst [751] und Schaden, den er in Baiern genommen“, die Reichsvogtei über den größten Theil des späteren Appenzellerlandes und die nächsten Umgebungen des Klosters St. Gallen um 600 Mark Silber verpfänden. Allein Abt Hermann beeilte sich, die drohende Gefahr, in werdenbergische Abhängigkeit zu gerathen, durch Bezahlung der Pfandsumme an Albrecht zu beseitigen und sich selbst für Dienstverpflichtungen, die er dem Kaiser gegenüber einging, 600 Mark auf die Vogtei schlagen zu lassen (1345). Im J. 1347 gelang es Albrecht dafür, die Reichsvogtei Rheinthal mit der Stadt Altstätten und dem schönen Kelnhof Thal mit dem dazu gehörigen Gericht, unmittelbar bei Rheinegg, als Pfandschaften an sich zu bringen, für die keine baldige Rücklösung zu befürchten war. Diese Erwerbungen müssen dem Hause Montfort um so unangenehmer gewesen sein, als ihnen schon 1330 diejenige der in seinem Rücken gelegenen alten Grafschaft im Allgäu, jetzt zum Eglof genannt, vorausgegangen war. Eher wahrscheinlich, als nur möglich ist es, daß auch die Erwerbung der oberhalb an Werdenberg angrenzenden Herrschaft Wartau mit der stattlichen Burg dieses Namens auf Albrecht zurückgeht, der damit den Sarganser Grafen näher auf den Leib rückte und auch seine Stellung gegen diese stärkte. Dagegen veräußerte er seinen im Machtbereich der Toggenburger gelegenen Besitz, der die Gefahr von Conflicten mit dem thatkräftigen Geschlechte in sich barg und bei seiner ausgesetzten Lage in einem solchen Falle kaum haltbar gewesen wäre.
So schien das Haus Werdenberg-Heiligenberg um die Mitte des 14. Jahrhunderts mächtiger als je dazustehen, um so fester, als seit dem Jahre 1334 Albrecht I. der einzige seines Stammes war und dessen ganze Gewalt in seiner Hand vereinigte. Da mochte es wol ohne ernstliche Gefährde gelegentlich größeres und kleineres Mißgeschick bei den vielfältigen Zerwürfnissen leiden, in die der unruhige Mann der Reihe nach mit fast allen Nachbarn seiner vielgestaltigen Gebiete gerieth.
Aber noch in den letzten Jahren Albrecht’s I. bereitete sich die entscheidende Wendung in dem Geschicke des Hauses vor. Im Anschluß an Habsburg-Oesterreich war es emporgekommen; durch den Gegensatz zu Habsburg-Oesterreich sollte es untergehen.
Im November 1355 kam es zu einem ersten heftigen Streit mit Herzog Albrecht II. von Oesterreich, weil sich Graf Albrecht von W. dem Bischof von Constanz gegen den Herzog angeschlossen hatte. Heiligenberg wurde von dem österreichischen Vogte hart bedrängt und der Vorhof des Schlosses eingenommen. Doch söhnten sich die Gegner im Januar 1356 wieder aus – wahrscheinlich durch Vermittlung des Kaisers –, und dieser erste Zusammenstoß mit Oesterreich konnte als eine rasche und ohne weitere Folgen vorübergehende Fehde betrachtet werden, wie sie damals alltäglich waren. Schon bedenklicher ließ es sich an, als Albrecht im Januar 1360 mit den Grafen von Montfort-Feldkirch in offenen Krieg gerieth über das Erbe der am 29. März 1359 im Mannesstamm ausgestorbenen Linie Montfort-Tosters und Graf Rudolf III. von Feldkirch und seine Söhne sich unter den Schutz des weitsichtigen Herzogs Rudolf IV. von Oesterreich stellten, um sich vor der Rache der Werdenberger für den Ueberfall der linksrheinischen Gebiete und deren Verwüstung zu sichern. Mit allen ihren Festen, Leuten und Gütern verpflichteten sie sich dem Herzog zu Dienst und Gehorsam, wogegen dieser seinen Landvogt in Schwaben und Elsaß anwies, sie gegen Albrecht den Aelteren von W. und seinen gleichnamigen Sohn zu schirmen und die zwei Grafen zur Herausgabe der zu ihren Handen genommenen zwei Töchter und Güter des letzten Grafen von Montfort-Tosters zu zwingen. Dazu kam es nun freilich nicht. Eine österreichische Heeresmacht erschien nicht in diesen obern Landen, und ein glücklicher Handstreich des jungen Albrecht, des einzigen Sohnes [752] Albrecht’s I., führte zu einem glücklichen Ausgang des erbitterten Kampfes für die Werdenberger. Es gelang Albrecht II., den Grafen Rudolf von Montfort-Feldkirch mit seinem ältesten Sohn Ulrich auf dem Bodensee aufzufangen, als sie von Arbon nach Lindau fahren wollten (Juli 1361). Um die Freiheit wieder zu erhalten, mußten sie sich zu einem Frieden herbeilassen, in dem die Werdenberger alles Verlorene zurück erhielten und ihre Ansprüche an das Erbe von Tosters behaupteten. So konnte Albrecht I. seine Tage in Ruhe beschließen; aber die werdenbergische Herrschaft war durch den Montforter Krieg doch heftig erschüttert und geschwächt, die Grafen in arge Geldnöthe und Processe verwickelt, und die eingeleitete enge Verbindung der ihnen nun erst recht feindlich gesinnten Montforter mit Oesterreich gewann um so bedrohlichere Gestalt, als dieses so gewaltig herangewachsene und um sich greifende Haus nicht bloß im J. 1363 das Hinterland der vorarlbergischen Landschaften, Tirol, an sich brachte, sondern zwei Jahre später (8. April 1365) durch den Ankauf der ansehnlichen Feste Neuburg bei Götzis mitten in dem bisher unbestrittenen Machtbereich des ursprünglichen Hauses Montfort-Werdenberg festen Fuß faßte. Um diese Zeit muß Albrecht I. gestorben sein. Am 16. Mai 1364 wird er zum letzten Mal in einer Urkunde Karl’s IV. erwähnt, durch welche der Kaiser den Grafen Albrecht I., seinen Sohn Albrecht II. und dessen ältesten Sohn Hugo IV. aller Achtsprüche enthebt, die gegen sie auf irgend einem Landgericht ergangen seien und die Kläger, welche diese Achtsprüche ausgewirkt haben, an das kaiserliche Hofgericht verweist.
Von den Nachkommen Albrecht’s I. erweckt nur noch einer näheres Interesse: Rudolf II. (geboren ca. 1370, † ca. 1420), und auch dieser nicht wegen seiner hervorragenden Persönlichkeit, sondern nur weil er sich in seiner Bedrängniß vorübergehend den Appenzellern in ihrem Kampf gegen Herzog Friedrich von Oesterreich und den Adel ringsum angeschlossen hat und deswegen sehr unverdientermaaßen zu einem über Standesvorurtheile erhabenen Freiheitshelden gemacht worden ist.
Rudolf II. war der Sohn Heinrich’s III. von Werdenberg-Rheinegg, des dritten der vier Enkel Albrecht’s I. Sein Vater starb frühe (1391/92), als Rudolf, der älteste von drei Brüdern, kaum dem Jünglingsalter entwachsen war. Durch die Enkel Albrecht’s I. war der Gesammtbesitz des Hauses Werdenberg-Heiligenberg durch wiederholte Theilungen in die vier Herrschaften Werdenberg, Rheinegg, Bludenz und Heiligenberg zerstückelt worden, und zwar war dieses geschehen, während der letzte Graf von Montfort-Feldkirch auf sein Ableben hin schon seine ganze Herrschaft an das Haus Oesterreich verkauft hatte und das ebenfalls enge mit Oesterreich verbundene Haus Werdenberg-Sargans eine immer feindseligere Haltung gegen Werdenberg-Heiligenberg annahm. Als nun der jugendliche Rudolf II. die Herrschaft Werdenberg, sein um ein paar Jahre jüngerer Bruder Hugo V. die Herrschaft Rheinegg antrat – der dritte Bruder Heinrich war damals offenbar noch nicht mündig –, da schien den lauernden Feinden der Augenblick gekommen, um über Werdenberg-Heiligenberg herzufallen. Am 3. November 1393 traten Graf Johann I. von Sargans, Graf Heinrich I. von Sargans-Vaduz, dessen Bruder Bischof Hartmann von Cur und Abt Burkhart von Pfävers zu einem förmlichen Bündniß gegen die zwei Brüder von Werdenberg-Rheinegg und ihre Oheime Albrecht III. zu Bludenz und Albrecht IV. zu Heiligenberg zusammen. Zum Losschlagen aber kam es erst, als sich Herzog Leopold IV. an die Spitze dieses Bündnisses stellte und dessen Führung übernahm. Schon 1390 war ihm durch den Tod des letzten Grafen von Montfort-Feldkirch diese vorarlbergische Herrschaft zugefallen. Am 23. Mai 1393 hatte er durch den Ankauf von Sax und Gams einen Keil [753] zwischen die werdenbergischen Besitzungen im untern und obern Rheinthal getrieben, und im April 1394 war Graf Albrecht III. von Bludenz veranlaßt worden, sich vor dem drohenden Sturme dadurch in Sicherheit zu bringen, daß er – wie früher Graf Rudolf IV. von Montfort-Feldkirch – seine ganze Herrschaft auf sein Ableben hin an Oesterreich verkaufte. Nun vereinigte sich Herzog Leopold mit dem Bunde von 1393 zur förmlichen Auftheilung der übrigen werdenbergischen Landschaften oberhalb des Bodensees. Oesterreich nahm den Löwenantheil für sich in Anspruch: was von dem Nußbaum zur Räfis ob Werdenberg zu beiden Seiten des Rheins bis an den Bodensee hinunter, was im St. Johanner Thal und dieses Thal abwärts bis in das Thurgau gelegen ist. Am 30. Juni 1395 wurde das erweiterte Bündniß zu Freiburg im Breisgau abgeschlossen; in der letzten Augustwoche brach die Katastrophe über das Haus Werdenberg herein.
Die Vogtei Rheinthal und Stadt und Burg Rheinegg, wo Hugo V. und Albrecht IV. von Heiligenberg den Angriff abgewartet hatten, fielen nach kurzem Widerstand dem Herzog in die Hände. Auf Schloß Werdenberg vermochte sich Rudolf gegen alle Angriffe zu halten; doch sah er sich im Januar 1396 genöthigt, das St. Johanner oder obere Thurthal mit der Feste Starkenstein an Oesterreich zu verpfänden und sich zur Offenhaltung der übrigen werdenbergischen Burgen zu verpflichten. Im November 1397 mußte er sogar die festen Plätze Werdenberg, Freudenberg und Hohentrins aus Geldnoth dem schon in halber Abhängigkeit von Oesterreich lebenden Oheim zu Bludenz als Pfand überlassen. Wol brachte ihm 1399 die Heirath mit Beatrix von Fürstenberg, einer verwittweten Gräfin von Mömpelgard, eine Mitgift von 4000 Pfund Hellern zu und setzte ihn dadurch in den Stand, jene Festen wieder einzulösen. Doch scheint im J. 1401 ein neuer Waffengang der Werdenberger mit Oesterreich wieder unglücklich für sie ausgefallen zu sein, so daß sie gezwungen waren, die Schlösser und Herrschaften Wartau und Freudenberg an Leopold IV., Werdenberg an den Grafen Heinrich von Montfort-Tettnang zu verpfänden, dem sie dann im August 1404 Herzog Friedrich IV. von Oesterreich in plötzlichem Ueberfalle abgewann.
So hatte Oesterreich im Kampfe gegen Werdenberg erreicht, nach was es von Anfang an gestrebt hatte, und noch mehr als das. Rudolf II. aber war schon völlig von seinem Stammlande losgelöst, als er am 28. October 1404 zu Landammann und gemeinen Landleuten von Appenzell schwur, um mit ihrer Hülfe wieder zu dem Seinigen zu kommen; dafür sollte er den Appenzellern auch gegen Jedermann, ausgenommen den römischen König und den Obertheil in Curwalchen, beholfen und sollten alle seine Burgen und Städte, die er jetzt innehat oder noch gewinnt, deren offene Häuser sein. Daß Rudolf von W. nachher am 17. Juni 1405 mit den Appenzellern am Stoß gegen die Oesterreicher und ihre Verbündeten gekämpft hat, ist bekannt. Das unnatürliche Bündniß brachte ihm aber, soweit man sieht, nur die rheinthalische Burg Zwingenstein ein; von weiterer Zurückerstattung seiner verlorenen Lande war keine Rede, obschon sich die Stadt St. Gallen bei den ihr verbündeten Landleuten von Appenzell verschiedene Male zu seinen Gunsten verwendete. In seinen Hoffnungen getäuscht, schlug sich Rudolf wieder zu den schwäbischen Adelsgenossen und scheint den Appenzellern im December 1407, als sie vor Bregenz lagen, auch seinen Absagebrief geschickt zu haben. Ist diese Annahme richtig, so wäre er wol auch dabei gewesen, als am 23. Januar 1408 das belagerte Bregenz von der schwäbischen Ritterschaft entsetzt und die Kampflust der Bergleute durch eine schwere Niederlage so gründlich gedämpft wurde, daß sie ihren großen Bund [754] ob dem See völlig preisgaben. Noch einmal finden wir die Brüder Rudolf und Hugo von W. im Streite mit Oesterreich wegen einer Forderung von 8000 Pfund Hellern; im September 1410 wurden sie durch einen Schiedsspruch damit abgewiesen. Von da an erscheint Rudolf nur noch hin und wieder in Urkunden, die das St. Gallische Oberland betreffen und mit Sicherheit darauf schließen lassen, daß er sich mit seiner Gemahlin auf die Burg und Herrschaft Hohentrins zurückgezogen habe, welche ihm noch allein als freier Besitz geblieben war. Von einer Einlösung der übrigen verpfändeten Gebiete konnte keine Rede mehr sein; die Feste Wartau mit Zubehör wurde vielmehr 1414 von Graf Rudolf endgültig an den letzten Grafen von Toggenburg verkauft, nachdem der Oheim Albrecht auf Heiligenberg schon im Jahre vorher seine Burg und Grafschaft an Herzog Friedrich von Oesterreich veräußert hatte. Drei oder vier Jahre später ist Albrecht IV. kinderlos gestorben, wahrscheinlich im J. 1420 Rudolf und im J. 1428 sein Bruder Hugo; beide ebenfalls ohne Nachkommen. Und damit erlosch die Linie Werdenberg-Heiligenberg, die älteste des Gesammthauses.
ausgehend von Hartmann I. († 1265/70) muß fast eher den rätischen als den deutschen Dynastengeschlechtern zugezählt werden. Schon die ihr bei der ersten Scheidung zugewiesenen Stammlande im obern Vorarlberg und im jetzt St. Gallischen Oberland trugen zu jenen Zeiten noch halbwegs rätischen Charakter an sich. Dazu aber brachten Heirathen mit Erbtöchtern aus den ersten rätischen Adelsfamilien – Vaz und Räzüns – ausgedehnten Besitz in den jetzt bündnerischen Thalschaften an das Haus.
Neben Rudolf II. (ca. 1258–1322), dem Zeit- und Gesinnungsgenossen Hugo’s I. u. II. von W. und ebenfalls einem getreuen Anhänger der Habsburger Rudolf und Albrecht, sind als die hervorragendsten Persönlichkeiten dieser Linie zu nennen Hartmann IV., Bischof von Cur (geboren ca. 1350, † am 6. September 1416) und Georg, der letzte seines Geschlechts (geboren ca. 1425, † am 23. Februar 1504), der am 2. Januar 1483 die Grafschaft Sargans den sieben ältesten Orten der Eidgenossenschaft verkaufte, dann am leichtlebigen Hofe zu Innsbruck zu den vertrautesten Räthen Erzherzog Sigmund’s gehörte, bis die ganze Sippschaft vom Kaiser und den tirolischen Ständen aus dem Lande gejagt wurde (1487), und von da an als geächteter Mann unter dem Schutze der Eidgenossen lebte, in der vergeblichen Hoffnung, durch ihre Fürsprache bei Kaiser Maximilian noch einmal zu Gnaden zu kommen. Am 23. Februar 1504 ist er gestorben, ohne eheliche Nachkommen zu hinterlassen. Von seinem ganzen, großen Besitz war ihm schließlich nichts mehr geblieben, als der bis zu seinem Ableben vorbehaltene Fruchtgenuß der auch schon verkauften Herrschaft Ortenstein im Domleschg, von allen seinen Würden nur noch diejenige eines Königs der Keßler in der Grafschaft Sargans.
Von der Linie Werdenberg-Sargans hatte sich ca. 1280/90
abgezweigt durch die Heirath Rudolf’s II. mit Adelheid, der Tochter des Markgrafen Heinrich von Burgau und Erbin der Herrschaft Alpeck mit Langenau. Rudolf’s ältester Sohn Heinrich (geboren ca. 1280, † ca. 1332) übernahm diese in der Nähe von Ulm gelegene Herrschaft. Er schloß sich in den Kämpfen Ludwig’s des Baiern mit dem Hause Oesterreich dem ersteren an und wurde von Ludwig zum Landvogt von Oberschwaben gemacht. Durch seine Vermählung mit Agnes, der Tochter des Grafen Eberhart des Erlauchten von Wirtemberg, fiel ihm als nie mehr eingelöstes Pfand für die Aussteuer seiner Gattin die [755] Herrschaft Trochtelfingen im späteren Fürstenthum Hohenzollern zu. Von seinen zwei Söhnen wurde der ältere, Eberhart, Stifter
während der jüngere, Heinrich II., Alpeck übernahm. Diese letztere Linie erlosch im J. 1400, nachdem ihre letzten Vertreter die ganze Herrschaft an die reiche Stadt Ulm verkauft hatten. Dagegen gelang es der Linie Trochtelfingen im J. 1399, von dem Grafen Eberhart dem Milden von Wirtemberg die Herrschaft Sigmaringen-Veringen gegen eine Zahlung von 7212 Goldgulden als Pfand an sich zu bringen und 1434 nach langem Proceß ihr Erbrecht auf die Grafschaft Heiligenberg gegen Herzog Wilhelm von Oesterreich geltend zu machen und Heiligenberg als Lehen vom Reiche zu erhalten. Aus dieser
ist noch ein recht bedeutender Mann hervorgegangen, vielleicht die bedeutendste Persönlichkeit des ganzen Geschlechts.
Graf Hugo oder Haug XI., geboren ca. 1440, † am 7. August 1508. Graf Hugo XI. war ein Sohn des Grafen Johann oder Hans von W. und der Gräfin Elisabeth von Wirtemberg. Von drei Brüdern geistlichen Standes wurde Johann Bischof zu Augsburg und fand als solcher öfters Gelegenheit, Hugo in politischen Angelegenheiten zu fördern; zwei ältere Brüder weltlichen Standes traten nicht besonders hervor; eine Schwester Agnes vermählte sich mit dem Grafen Niklaus von Zollern, und einer ihrer Söhne wurde als Bischof von Augsburg der Nachfolger seines Oheims.
Hugo muß um das Jahr 1440 geboren sein. Schon 1460 erscheint er als „Stebelmeister“ am kaiserlichen Hofe in Wien; 1466 nennt ihn Friedrich III. seinen Rath und obersten Truchseß und noch 1473 und 1475 credenzt Hugo seinem Herrn bei großen Festlichkeiten und schreitet ihm voran. In dieser höfischen Stellung wurde er immer mehr der politische Vertraute und Rathgeber des Kaisers und allein oder mit andern sein stehender Commissär und Vertreter an den fast jährlich wiederkehrenden Reichstagen, an Fürsten-, Städte- und Landtagen, sein Unterhändler und Vermittler im Verkehr mit den einzelnen Fürsten und Herren. Daneben war aber Hugo auch des Kriegshandwerks kundig und vertheidigte 1462 die Burg in Wien mit Erfolg gegen die aufständischen Bürger und 1477 die Stadt Wien gegen die Ungarn. Zwischen hinein zieht er auch als oberster Feldhauptmann gegen plündernde böhmische und gegen aufständische österreichische Adelige (1476).
Die Hauptthätigkeit Hugo’s im kaiserlichen Dienste war aber doch bei weitem die diplomatische. Ihm vor allem lag die undankbare Aufgabe ob, von den Ständen des Reichs Hülfe in den stehenden Bedrängnissen seines Herrn durch die eigenen Unterthanen, die Böhmen, die Ungarn, die Türken beizubringen. Mit den hadernden Fürsten und den widerwilligen Städten unterhandelte Hugo an den meist sehr unvollständig besuchten Reichsversammlungen, die zu Augsburg, Regensburg oder Nürnberg abgehalten wurden, und mühte sich mit beweglichen und eindringlichen Reden ab, Bewilligungen von Geld oder Mannschaften von ihnen beschließen zu lassen. War es dann aber mit aller Kunst und unsäglicher Geduld gelungen, solche Beschlüsse durchzusetzen, so kamen sie nur höchst unvollständig oder gar nicht zur Ausführung.
Soweit damals noch von einer Reichspolitik gesprochen werden konnte, war sie beherrscht von dem Gegensatz zwischen den fränkischen Brandenburgern und den bairischen Herzogen. Im J. 1466 sucht Graf Hugo als kaiserlicher Gesandter zwischen den beiden Häusern zu vermitteln, um eine Landfriedensordnung, die Vorbedingung für eine kräftige Abwehr nach außen, zu Stande zu bringen. Später [756] ist er der Rathgeber und Begleiter des Kaisers bei dessen Unterhandlungen mit Herzog Karl von Burgund, die im September 1473 zu der Zusammenkunft der beiden Fürsten zu Trier und infolge dieser zu ihrem vollen Zerwürfnisse führten, aus dem wiederum im nächsten Jahre die Belagerung von Neuß durch die Burgunder hervorging. In dem Reichsheere, welches Neuß nach langer Bedrängniß glücklich entsetzte, befand sich auch Hugo von W. Am 6. Juni 1475 ritt er in die befreite Stadt ein, um im Namen des Kaisers die Huldigung der Bürger entgegen zu nehmen. Ein Jahrzehnt später, als der Ungarnkönig Matthias Corvinus Wien erobert hatte, durchzog Hugo das ganze Reich von einem Ende bis zum andern, um für den aus seinen Stammlanden vertriebenen Kaiser Hülfe zu suchen.
Daß Hugo durch seine diplomatische Fähigkeit die Schäden der in voller Auflösung befindlichen Reichsverfassung gründlich kennen lernte, ist natürlich genug, und daß er sich nach Kräften bemühte, Besserung zu schaffen, war ihm schon durch die Noth geboten, um überhaupt Erfolge für seinen Herrn erreichen zu können. Daß er aber ein großer Staatsmann gewesen wäre, der aus weitblickendem Patriotismus eine Umgestaltung der überlieferten, den Dienst versagenden und unbrauchbar gewordenen Einrichtungen angestrebt hätte, wird man deswegen doch nicht sagen dürfen.
Das ärgerlichste Hinderniß, das ihm bei den Reichsversammlungen immer wieder in den Weg trat, war die ewig widerstrebende Haltung der Städte, deren Boten niemals mit den nöthigen Vollmachten versehen waren und alles „zum Hintersichbringen“ nahmen. Um dem ein Ende zu machen, ließ Hugo auf dem Augsburger Reichstag von 1474 die Beschlüsse der oberen Stände auch für die Städte verbindlich und deren Zustimmung als unnöthig erklären; folgerichtig wurden sie auch nicht mehr zu den Reichsversammlungen geladen, sollten sich aber ihren Beschlüssen gleichwol unterziehen. Davon, daß sie dies gethan hätten, war keine Rede; doch ergab sich aus diesem Vorgehen eine so unbehagliche Situation für die Städte, daß sie sich im J. 1487 auf ein scharfes, kaiserliches Mahnschreiben entschlossen, zum ersten Male auf das „Hintersichbringen“ zu verzichten und mit gehörigen Vollmachten ausgerüstete Boten auf den Reichstag zu schicken. Dafür wurden sie nun auch zu den vorberathenden Ausschüssen beigezogen, und zwei Jahre später traten auf dem Reichstag zu Frankfurt die Städte zum ersten Male als gleichberechtigtes drittes Collegium neben die Collegien der Kurfürsten und Fürsten. Damit aber war eine bleibende, wirksame Ordnung in die Berathungen der Reichstage gebracht, wozu ohne Zweifel Hugo von Werdenberg den ersten Anstoß gegeben hat.
Wie indeß diese Besserung nicht aus allgemeinen, politischen Erwägungen, sondern aus Maßregeln hervorgegangen ist, die das Bedürfniß des Augenblicks an die Hand gegeben hat, so sind es auch unmittelbar praktische Gesichtspunkte gewesen, die den Grafen Hugo im J. 1487 zu dem Versuche veranlaßten, die schwäbischen Prälaten, Grafen, Herren und Städte zu einem besondern Bunde zu vereinigen und damit den Anstoß zu einer höchst bedeutsamen politischen Neubildung im Reiche zu geben. Wol wurde auf dem durch kaiserliches Mandat auf den 26. Juli nach Eßlingen einberufenen Tage in allgemeinen Worten durch den Grafen Hugo verkündet, daß die Durchführung des auf dem Frankfurter Reichstage von 1486 auf zehn Jahre beschlossenen Landfriedens der Zweck des Bundes sein solle. In der That aber handelte es sich darum, ein festes Gegengewicht gegen das nach allen Seiten um sich greifende Baiern zu schaffen, das im vorhergehenden Jahre seine Hand auf die altberühmte Reichsstadt Regensburg gelegt hatte und eben jetzt im Begriffe stand, mit dem Erzherzog Sigmund von Oesterreich einen Kaufvertrag über sämmtliche vorderösterreichische Landschaften und die [757] Landvogtei in Schwaben abzuschließen. Zu verhindern, daß dieser Kauf zu Stande komme, lag gleichermaßen im unmittelbarsten Interesse Kaiser Friedrich’s als Haupt des österreichischen Hauses und aller schwäbischen Stände, wie insbesondere des gräflichen Hauses Werdenberg. Die von Baiern drohende, gemeinsame Gefahr ist es auch ohne Frage gewesen, was schon am 14. Februar 1488 zum wirklichen Abschluß des schwäbischen Bundes geführt hat, zunächst für die Zeit des Frankfurter Landfriedens, also bis zum Jahre 1496. Graf Hugo von W. wurde als Hauptmann der Ritterschaft zum St. Georgenschild auch zum Hauptmann des in dem neuen Bunde vereinigten schwäbischen Adels ernannt. Der Beitritt des Grafen von Wirtemberg und verschiedener Reichsfürsten erhöhte die politische Bedeutung des Bundes und machte ihn für die nächsten Jahrzehnte zur ausschlaggebenden Macht in Süddeutschland.
Inzwischen war auch durch die Verbindung Kaiser Friedrich’s mit dem tirolischen Landtag die Katastrophe über das erzherzogliche Regiment in Innsbruck hereingebrochen. Am 8. Januar 1488 wurden Sigmund’s Räthe in die Reichsacht erklärt; sie stoben nach allen Richtungen auseinander; die von ihnen eingeleitete und immer weiter geführte enge Verbindung mit Baiern war damit zersprengt und die größte Gefahr für Schwaben beseitigt.
Einer der hervorragendsten jener geächteten Räthe am Innsbrucker Hof war der Freiherr Johann Wernher von Zimmern gewesen, dessen Herrschaften Meßkirch und Oberndorf den werdenbergischen Herrschaften Sigmaringen und Heiligenberg zunächst lagen und die zwei Häuser in vielfache Berührung brachten. Eben noch hatte sich Johann Wernher von Zimmern angeschickt, Ansprüche auf Veringen und Heiligenberg gegen Werdenberg geltend zu machen. Jetzt wurde Graf Hugo von W. durch kaiserliches Mandat vom 22. Januar 1488 beauftragt, die genannten Zimmern’schen Herrschaften zu Händen des Reiches einzuziehen, und durch Urkunde vom 16. Mai übertrug der Kaiser Friedrich alle heimgefallenen Herrschaften und Güter des in die Schweiz geflüchteten Freiherrn dem Hause Werdenberg, ohne Rücksicht darauf, daß Johann Wernher in Voraussicht des Kommenden in aller Form zu Gunsten seiner Kinder auf sie verzichtet hatte, um sie seiner Familie zu erhalten.
Durch seine Stellung als Hauptmann des schwäbischen Bundes und als Haupt des mit Zimmern verfeindeten Hauses Werdenberg ist Graf Hugo von nun an in Schwaben zurückgehalten worden. Mit seinem alten Gönner, Friedrich III., trifft er wol noch gelegentlich in Innsbruck zusammen; von einem längern Verweilen an dem in der letzten Lebenszeit des Kaisers nach Linz verlegten Hofhalte verlautet nichts mehr. Dagegen finden wir Hugo 1492 als obersten Feldhauptmann des schwäbischen Bundes an der Seite König Maximilian’s, als dieser zu Augsburg die Aussöhnung des in die Reichsacht erklärten Herzogs Albrecht IV. von Baiern mit dem Bunde vermittelte. Schon vorher, im October 1491, hatte der junge König den Grafen zu seinem Rathe mit einer jährlichen Bestallung von 600 Gulden ernannt, und im gleichen Jahre war Hugo als Landeshofmeister in die Dienste des Grafen Eberhart im Bart von Wirtemberg getreten, der vier Jahre später am Reichstag zu Worms in feierlicher Weise zum Herzog erhoben wurde.
Es ist wol als sicher anzunehmen, daß Graf Hugo durch jenes Dienstverhältniß nähern Anschluß an Wirtemberg gesucht habe, um in dem angesehensten und mächtigsten schwäbischen Hause einen festen Rückhalt gegen die Freiherrn von Zimmern zu erlangen, welche die Hoffnung auf Wiedererlangung ihrer Herrschaften keineswegs aufgaben. Schon der alte Freiherr Johann Wernher war mit Erlaubniß König Maximilian’s aus der Schweiz zurückgekehrt und verbrachte seine letzten Lebensjahre als Rath am Hofe Herzog Albrecht’s von Baiern. [758] Nach seinem Tode (1495) erschienen auch seine am kurpfälzischen Hofe auferzogenen zwei ältesten Söhne Veit Wernher und Johann Wernher wieder im Lande und suchten und fanden Freunde und Helfer in wachsender Zahl, so daß Graf Hugo nach dem Tode des ihm verbundenen und befreundeten Herzogs Eberhart (Febr. 1496) es für gerathen erachtete, den jungen Freiherrn ein Abkommen vorzuschlagen, nach welchem Oberndorf an Zimmern zurück fallen sollte, Meßkirch aber den Werdenbergern geblieben wäre. Allein Veit Wernher zog es vor, im folgenden Jahre Oberndorf durch Ueberfall zu gewinnen, und auf gleiche Weise brachte Johann Wernher im J. 1502 Meßkirch in seine Gewalt. Die Grafen von Werdenberg konnten gegen diese Landfriedensbrüche kein Recht erlangen und mußten sich, um nur wieder Ruhe zu erhalten, auf dem Reichstage zu Augsburg von 1504 durch einen Vergleich zum endgültigen Verzichte auf Oberndorf und Meßkirch bequemen. Dieser Vergleich ist vom König Maximilian zwischen Graf Hugo und seinen drei Neffen Johann, Christoph und Felix von W. einerseits und den drei noch lebenden Brüdern von Zimmern – der älteste Veit Wernher war schon 1499 gestorben – anderseits vermittelt worden. Vier Jahre später, am 6. August 1508, starb Hugo zu Sigmaringen und wurde zu Trochtelfingen begraben.
Von den drei ihn überlebenden Neffen, den Söhnen seines Bruders Georg, starb Johann 1522 kinderlos. Felix, ein tüchtiger Kriegs- und Hofmann im Dienste Maximilian’s und Karl’s V., gelangte durch Heirath mit einer wallonischen Erbin zu reichem Besitze im Luxemburgischen und überließ schon 1510 die ihm bei der Theilung zugefallene Herrschaft Sigmaringen mit Veringen seinem Bruder Christoph, „weil wir sonst und an andern Orten genugsam und wohl versehen sind“. Er war klein von Statur, aber von jähzorniger Gemüthsart und erschlug am 10. Mai 1511 einen Grafen von Sonnenberg auf offenem Felde bei Riedlingen aus Rache für ein Spottwort, mit dem ihn der Sonnenberger kurz vorher an der Hochzeit des Herzogs Ulrich von Wirtemberg mit Sabine von Baiern gereizt hatte. Vergeblich waren alle Bemühungen der Verwandtschaft des Erschlagenen, den Grafen Felix zur Rechenschaft zu ziehen. Die Gunst seines kaiserlichen Herrn schützte ihn, und ungefährdet und ungestraft behielt er seine hohe Stellung inne. Im Bauernkrieg von 1525 schlug er den Aufstand im Hegau nieder; im Spätjahr 1529 führte er ein paar tausend Landsknechte dem Kaiser nach Italien zu. In der Nacht vom 11/12. Juli 1530 starb er eines plötzlichen Todes auf dem Reichstag zu Augsburg, wo auch sein Bruder Christoph anwesend war, der Typus eines einfachen deutschen Landedelmannes, während Felix mit den glänzenden burgundischen und spanischen Herren am kaiserlichen Hofe in seiner Erscheinung gewetteifert hatte. Mit Christoph, der am 29. Januar 1534, Nachts zwischen 10 und 11 Uhr, in Sigmaringen verschied, ist das Haus Werdenberg erloschen.
- Vanotti, Geschichte der Grafen von Montfort u. Werdenberg. Belle-Vue bei Constanz 1845. – Krüger, Die Grafen von Werdenberg-Heiligenberg u. von Werdenberg-Sargans, St. Gall. Mittheilungen, Bd. XXII, St. Gallen 1887. – Zimmer’sche Chronik, herausgegeben von Barack, 2. Auflage, Bd. I u. II, Freiburg i. B. u. Tübingen 1881. – Wiedemann, Die Reichspolitik des Grafen Haug von Werdenberg i. d. J. 1466–1486, Stettin 1883. – Schweizer, Vorgeschichte und Gründung des Schwäbischen Bundes, Zürich 1876. – Stälin, Wirtemberg. Geschichte, Bd. III, Stuttgart 1856. – Riezler, Geschichte Baierns, Bd. III, Gotha 1889. – Huber, Geschichte Oesterreichs, Bd. III, Gotha 1888. – Bachmann, Das deutsche Reich am Ausgange des Mittelalters, Leipzig 1894. – Ulmann, Kaiser Maximilian I., Bd. I., Stuttgart [759] 1884. – v. Liliencron, Die historischen Volkslieder der Deutschen, Bd. II., Leipzig 1866.– Osann, Zur Geschichte des schwäbischen Bundes, Gießen 1861.