Zum Inhalt springen

ADB:Wolf, Johann (Theologe)

aus Wikisource, der freien Quellensammlung

Empfohlene Zitierweise:

Artikel „Wolf, Johann“ von Eduard Jacobs in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 43 (1898), S. 759–760, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Wolf,_Johann_(Theologe)&oldid=- (Version vom 17. Dezember 2024, 00:03 Uhr UTC)
Allgemeine Deutsche Biographie
>>>enthalten in<<<
[[ADB:{{{VERWEIS}}}|{{{VERWEIS}}}]]
<<<Vorheriger
Wolf, Johann (Arzt)
Band 43 (1898), S. 759–760 (Quelle).
[[| bei Wikisource]]
Johann Wolf (Theologe, 1653) in der Wikipedia
Johann Wolf in Wikidata
GND-Nummer 13585363X
Rohdaten, Werke, Deutsche Biographie, weitere Angebote
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Kopiervorlage  
* {{ADB|43|759|760|Wolf, Johann|Eduard Jacobs|ADB:Wolf, Johann (Theologe)}}    

{{Normdaten|TYP=p|GND=13585363X}}    

Wolf: Johann W., geboren zu Löbejün am 30. November 1653, † zu Hamburg am 14. Novbr. 1695, theol. Schriftsteller. Da sein Vater Christian W. als Bürgermeister eines kleinen Städtchens mit äußeren Glücksgütern nicht gesegnet war, so hatte der Sohn, als er 1666 dreizehnjährig die Schule zu Sangerhausen bezog, um dem Vater die Kosten seiner Unterhaltung zu verringern, die jüngeren Kinder des Superintendenten D. Lyser zu beaufsichtigen. Mit eisernem Fleiße gab er sich dem Unterrichte hin und gewann, zum Erlernen der Sprachen begabt, eine so reiche Kenntniß derselben und eine solche Uebung in ihrer Handhabung, daß er schon als Schüler öffentliche Reden hielt und seine Schülerlaufbahn mit einer Abschiedsrede in hebräischer, griechischer und lateinischer Sprache beschließen konnte. Im 20. Jahre bezog er die Universität Wittenberg, wurde 1674 Magister und hielt philosophische Vorträge, wobei er in fünf Jahren alle Theile der Weltweisheit erklärte. Nachdem er 1670 Licentiat der Theologie geworden war und theologische Vorlesungen zu halten begonnen hatte, berief ihn im Jahre darnach Graf Ernst zu Stolberg-Wernigerode als Superintendentrn der Grafschaft und Oberprediger zu St. Silvestri nach Wernigerode. Da man für diese Stellung höher graduirte Männer wünschte, so erwarb W. vorher die theologische Doctorwürde. Sein Amt führte er mit Eifer und Hingebung, drang auf regelmäßigen Besuch der Gottesdienste und fand auch Gelegenheit, seinen Amtseifer in außerordentlicher Weise zu bethätigen. So hatte er das damals schwer erreichbare Gebirgsdorf Schierke seelsorgerisch mit zu bedienen, und als er kaum Jahr und Tag seine Amtsthätigkeit begonnen hatte, machte ihm die 1681/82 drohende Pestgefahr viel zu schaffen. Er richtete besondere Buß-, Bet- und Singandachten ein, die er auch in Druck gab. Eifrig hielt er über der reinen orthodoxen Lutherlehre und kam dabei auch in Streit mit Calixt. Nach fünfzehnjähriger Wirksamkeit am Harze erhielt er im Mai 1695 einen Ruf als Hauptpastor an der Nikolaikirche und Scholarch zu Hamburg. Er trat dieses Amt auch am 7. August an, starb aber schon am 14. November desselben Jahres, wie es heißt aus Aerger über eine auf ihn gemachte Spottschrift. W. war ein Mann von großer geistiger Regsamkeit und Gedankenreichthum, thätig, fromm und treu im Amte. Allerdings kann er auch als Typus der Stockgelehrsamkeit seiner Zeit gelten, wozu es gut stimmt, wenn es heißt, daß seine Vorträge großen Beifall gefunden hätten. Bei einigen durch den Druck bekannt gemachten deutet schon der Gegenstand auf die Richtung der Zeit und eine gewisse Spielerei hin, z. B. bei seiner Abhandlung „de lacrymis sagarum“ und der diss. physica de lupo (mit Anspielung auf seinen Namen). Wenn er alle seine akademischen Schriften in den alten ausgetretenen Bahnen wandelnd lateinisch abfaßte, so trugen, seitdem er sein geistliches Amt angetreten hatte, fast alle seine weiteren Veröffentlichungen das Gewand der deutschen Sprache. Freilich ist hierbei hinsichtlich des Stils die Entartung und der Verfall unserer Muttersprache so sehr zu erkennen, daß diese Erzeugnisse stellenweise als abschreckende Beispiele hingestellt werden können. Bemerkt zu werden verdient dies insofern, als bekanntlich sonst gerade das ascetisch-geistliche Schriftthum jener Zeit sich durch größere Reinheit und einen freien Schwung vor den übrigen vortheilhaft auszeichnet, wie bei einem Scriver, Lütkemann, Heinrich Müller. Wol am meisten gibt sich bei ihm das Mißverhältniß zwischen Wollen und Können in seinen Versuchen zu erkennen, der Kirche und Gemeinde durch Dichtungen zu dienen. Schon unter den Kirchenliedern, die er 1681 seinen wernigerödischen Buß-, Bet- und Singandachten beigab, finden sich vier eigene. Dreizehn Jahre [760] später ließ er dann zu Quedlinburg einen „Hiobischen Andachts- und Singealtar oder sonderbare geistliche Lieder über das gesambte Haupt- und Kernbuch des wolgeplagten aber unverzagten Hiobs“ drucken, worin er sich nach einem gewissen Schema in Gedichten von verschiedenen Versmaßen versuchte. Nur bei den einfachsten Formen glückte es ihm, in der 11 Bogen 8° starken Schrift einige leidliche Stücke zu schaffen. Das von ihm verfaßte und in der Grafschaft Wernigerode eingeführte Religionsbuch: „Lutheranismus catechetico-biblicus oder rechtgläubiges Luther- und Christenthum“, worüber er mit Calixt in Streit gerieth, erwies sich beim Gebrauch als nicht praktisch. Wenn es trotzdem während der ganzen Zeit seines Nachfolgers Neuß (1696–1716) im Gebrauch blieb und neu aufgelegt wurde, so möchten wir darin ein höchst beachtenswerthes Zeugniß für das milde und conservative Wesen des Spener’schen Pietismus erkennen, dessen getreuer und tüchtiger Vertreter Neuß war. Zu erwähnen ist noch von Wolf’s Schriften die 1690 erschienene „Höchstnöthige alltägliche Hauskirche, in welcher man durch sieben Stuffen nach so vielen Wochen-Tagen … aus dem kläglichen Sünden- und Jammer-Stande in die durch Christum bereitete Gnade und sichere Anwartung zum ewigen Leben bußfertig gelangt“ (271 S. 8°). Außer den wernigerödischen Pestandachten gab W. auch eine „Christliche Beicht–, Communion- und Pestschule, auf prophetischen und apostolischen Grund gesetzet“, Goslar 1682 heraus. Am 3. Mai 1682 mit Anna Elisabeth, Tochter des gräflichen Hofraths Haberstroh zu Ilsenburg vermählt, führte er eine glückliche Ehe. Von drei ihn überlebenden Söhnen waren zwei litterarisch bemerkenswerth. Während ihm in Wernigerode die Aufsicht über die gräfliche Bibliothek anvertraut war, sammelte der emsige Gelehrte eine ansehnliche eigene, die als ein schätzbarer Zuwachs in die Hamburger Stadtbibliothek gelangte.

Zu den in Schröder’s Lexikon der Hamburg. Schriftsteller VIII, 141 angeführten Quellen betr. Wolf’s Leben und Schriften sind hinzuzufügen: C. F. Keßlin, Nachrichten von Schriftstellern und Künstlern der Grafsch. Wern., S. 30–32. – Zeitschr. des Harz-Vereins f. Gesch. und Alterth.-Kunde. 1869, II, 18–43. Seine Schriften befinden sich am vollständigsten auf der Stadtbibl. zu Hamburg und auf der fürstl. Bibliothek zu Wernigerode.