Zum Inhalt springen

ADB:Zwinger, Theodor (Professor der Theologie und Antistes der Basler Kirche)

aus Wikisource, der freien Quellensammlung

Empfohlene Zitierweise:

Artikel „Zwinger, Theodor“ von Arnold von Salis in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 45 (1900), S. 544–547, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Zwinger,_Theodor_(Professor_der_Theologie_und_Antistes_der_Basler_Kirche)&oldid=- (Version vom 25. Dezember 2024, 14:05 Uhr UTC)
Allgemeine Deutsche Biographie
>>>enthalten in<<<
[[ADB:{{{VERWEIS}}}|{{{VERWEIS}}}]]
Band 45 (1900), S. 544–547 (Quelle).
[[| bei Wikisource]]
Theodor Zwinger der Jüngere in der Wikipedia
Theodor Zwinger der Jüngere in Wikidata
GND-Nummer 11760318X
Rohdaten, Werke, Deutsche Biographie, weitere Angebote
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Kopiervorlage  
* {{ADB|45|544|547|Zwinger, Theodor|Arnold von Salis|ADB:Zwinger, Theodor (Professor der Theologie und Antistes der Basler Kirche)}}    

{{Normdaten|TYP=p|GND=11760318X}}    

Zwinger: Theodor Z. (20. Nov. 1597 – 27. Dec. 1654). Antistes zu Basel 1630–1654. Aus Bischofzell im Thurgau wanderte Anfangs des XVI. Jahrhunderts der Kürschner Leonhard Zwinger (– der ursprüngliche Familienname war Speiser, und Zwinger scheint nur ein Zuname gewesen zu sein –) in Basel ein, erwarb sich daselbst a. 1526 das Bürgerrecht, heirathete Christine Herbster, die Schwester des bekannten Buchdruckers und Professors Johannes Herbster gen. Oporinus, und begründete als Stammvater das bedeutende Mediciner- und Theologengeschlecht der Zwinger. Schon sein Sohn Theodor (1533–1588, s. o.), der Schüler und Freund des berühmten Franzosen Petrus Ramus, hatte sich auf verschiedenen akademischen Lehrstühlen in Basel ausgezeichnet, durch theologische Schriften nicht minder, als durch seine medicinischen Kenntnisse und Leistungen. Und sein Sohn Jakob (1569–1610), dem Petrus Ramus noch Pathe gestanden, war u. a. ein naher Freund des Guilelmus Arragosius, dieses Leibarztes von Kaiser Maximilian II. und von drei Königen Frankreichs, gewesen und hatte dessen reiche Bibliothek geerbt. Als Spitalarzt, ohne Gehalt seiner Vaterstadt dienend, starb er sammt seiner Ehefrau an der Pest am 11. September 1610.

Dieses Jakob Sohn war der spätere Dr. und Prof. theol. und Antistes der Basler Kirche, Theodor Z. Geboren am 20. November 1597, wurde er von seinem Vater für das Studium der Theologie bestimmt, und erlangte, bald nach dessen Tode, schon im November 1613 die Magisterwürde. Die reiche medicinische Bibliothek seines Vaters und seines Großvaters, welche ihm als Eigenthum zugefallen war sammt den „vielen chymischen Instrumenten und Materialien“, lockte ihn nun zum Studium der Medicin. Eine tödtliche Krankheit aber zog ihn von diesem ab und leitete ihn wieder zu den theologischen Studien hinüber. (Pet. Ochs, a. a. O. VI, 749 sagt: Er genas und wurde ein Erzcalvinist.) 1617 wurde er Candidat des Predigtamtes. Nach einer Studienreise und längerem Aufenthalt in Heidelberg, Leyden, England, Paris und Genf kehrte er im November 1619 nach Basel zurück und wurde hier städtischer Gemeinhelfer, schon 1620 Obersthelfer, Archidiakonus, 1627 Pfarrer bei St. Theodor, und schon im Juni 1630 mit erst 33 Jahren, nachdem eine in Basel wüthende Pest gleichzeitig die Pfarrer am Münster, bei St. Peter und St. Leonhard hinweggerafft hatte, oberster Pfarrer am Münster, Antistes Eccl. Basil., Dr. theol. und Prof. theol. Veteris Testamenti an der Hochschule; 1636 und 1642 war er Rector Magnificus, 1654 sollte er Prof. Novi Testamenti werden, starb aber, bevor er dieses neue Lehramt antreten konnte, am 27. December 1654.

[545] Schon frühe hatte Z. mit besonderem Eifer nächst der heil. Schrift Calvin’s Institutionen gründlich durchgearbeitet und persönlich eine entschieden reformirte Ueberzeugung und Stellung angenommen. Mit Vorliebe behandelte er in seinen Schriften Themata, welche ihm Gelegenheit boten, das Recht der reformirten Lehre darzuthun, auch gegenüber von Uebertreibungen derselben, welche den Gegnern willkommen sein mußten. Schon seine Inauguralrede beantwortete die Frage nach dem Schicksal der im papistischen Aberglauben Verstorbenen dahin, daß die Protestanten keineswegs lehrten, ihre Vorfahren seien deswegen schlechthin verdammt. Er sagt u. a.: „Zu keinen Zeiten haben wir uns angemaßt, dem Richteramt Gottes vorzugreifen oder seiner Allmacht Schranken zu setzen. Selbst den Heiden schließen wir die Thüre des Himmels nicht zu. Wie viele unserer Vorfahren, die unter dem Papstthum gelebt haben, haben entweder aus Unwissenheit die Irrthümer desselben getheilt, oder sie haben, wie das von Vielen geschehen ist, sich schon damals diesen Irrthümern widersetzt! – Nolo proscribere omnes, nolo absolvere omnes. Damno qui ore Dei damnantur, qui fiduciam nullam posuerunt in Christo“. – Auf die Einwendung aber, dann dürfte man füglich im Papstthum bleiben, wenn man auch in diesem selig werden könne, antwortete Z.: „Im Papstthum konnte man wohl selig werden; aber nicht durch das Papstthum. Grund genug, demselben den Rücken zu kehren und den sicheren Weg zur Seligkeit durch den Glauben an das Evangelium zu betreten!“ –

Auch hinsichtlich der Lehre von der Prädestination betonte Z. von jeher den reformirten Standpunkt, gegenüber den Lutheranern, welche die göttliche Erwählung durch das göttliche Vorherwissen des Glaubens (ex fide praevisa) bedingt sein ließen. Ein größeres dogmatisches Werk von seiner Hand liegt nicht vor; dagegen hat er in zahlreichen Dissertationen und Predigten, in einem Commentar über den Brief an die Römer, und in einer Erklärung (Analysis) von Calvin’s Institutionen seine Ansichten auch schriftlich niedergelegt – Neuerungen, wie sie damals in der Schule zu Saumur aufzutauchen begannen, widersetzte er sich standhaft als Schirmer calvinischer Orthodoxie.

Kurz vor seinem Tode arbeitete er eine Schrift aus über das heil. Abendmahl, die von seiner Wittwe, einer geborenen Buxtorf, und seinen Söhnen 1655 im Druck herausgegeben wurde. („Erklärung und Rettung der reinen Lehre vom heil. Abendmahl unseres Herrn Jesu Christi.“) Die Widmung oder Zuschrift derselben an den Rath bedauert das Auseinandergehen der Reformatoren auf diesem Punkt der Lehre infolge von Mißverständnissen, zu deren Hebung Zwinger’s Abhandlung mithelfen möchte. Doch machte er dabei nicht etwa synkretistische Concessionen gegenüber dem Lutherthum, sondern betont entschieden die geistliche Gegenwart Christi im Abendmahl und den geistlichen Genuß seines Leibes durch den Glauben, und weist die Behauptung ab, daß auch ungläubige Communicanten den Leib des Herrn empfangen. Ueber die lutheranisirenden Bestrebungen des 1585 verstorbenen Antistes Sulzer äußerte sich Z. sehr ärgerlich und abweisend, indem er ebenso eifrig für die Basler Confession von 1534 eintrat. Und um die Verschiedenheit der reformirten Kirche von der lutherischen in Beziehung auf das Abendmahl auch im Ritus herauszuheben und äußerlich bemerkbar zu machen, führte er, nach dem Vorgange der französischen Kirchen, auch in der deutschen Kirche Basels, statt des bisherigen Gebrauches der Hostien, den Gebrauch und das Brechen des gewöhnlichen Hausbrotes ein, in der Stadt am 2. October, auf der Landschaft um Weihnachten 1642. Um dieselbe Zeit gaben, unter Zwinger’s Antistitium, auch die Basler bereitwilligst ihre Unterschrift zu der neuen Auflage der Helvetischen Confession (1644), um damit die [546] letzte Spur des seit Sulzer’s Tagen bestehenden Verdachtes zu tilgen, als ob Basel sich dem Lutherthum zuneigen könnte.

Um so begreiflicher ist die kühle Zurückhaltung, mit welcher der Schotte Joh. Duräus (Dury) auch in Basel aufgenommen wurde mit seinen Versuchen einer Einigung der beiden protestantischen Confessionen und Kirchen. Unterstützt vom Protector Oliver Cromwell, reichlich versehen mit gewichtigen Empfehlungen der britischen Universitäten, hatte er halb Europa durchreist und durch Verbreitung von Druckschriften, in zahllosen Briefen, auf eigens dazu einberufenen Synoden, für seine unionistische Idee Propaganda zu machen gesucht. So kam er 1654 auch nach der Schweiz, nach Zürich, Bern und im September nach Basel. Er wurde zwar freundlich aufgenommen und geehrt, auch im Convent der Geistlichen. Aber weitere Folgen hatte sein Auftreten nicht, Antistes Z. hatte ihm schon vorher in einem Briefe das Schwierige seines Unternehmens vorgestellt, und äußerte sich nun in gleichem Sinne in seinem Namens der Theologen der Regierung eingereichten Gutachten. Man finde, heißt es da, den Zweck des Herrn Duräus „trefflich, herrlich und gut, als welchen er bei sich selbst gefaßt habe aus einem friedfertigen und liebreichen Herzen. Belangend aber die Mittel, finde man auch sie an sich selbsten zwar gut und bedächtlich, aber von ziemlicher Weitläufigkeit. Es sey auch jetzt noch zu früh, dieselben zu erwägen. Wiewohl übrigens wenig Hoffnung des Gelingens zu fassen sei, so solle man doch die Hand nicht vom Pflug zurückziehen. Das Beste sey wohl, wenn die Reformirten erst unter sich selbst eins würden, dann erst könnte man allmählich und staffelweis auch mit den Lutheranern handeln. Wie in politischen Fehden dem eigentlichen Frieden ein Waffenstillstand vorangehe, so möge es auch hier gehalten werden; denn das erste Erforderniß sei, daß man die Feindseligkeiten und Schmähsucht einstelle. Weitere Schritte aber wären jetzt noch verfrüht und vergeblich“. – Duräus verließ nun zeitweise Basel und die Schweiz und ging nach Deutschland. Auf Anregen von Antistes Ulrich in Zürich sollten alle reformirten Stände gemeinsam vorgehen. Es wurde vorgeschlagen ein „Judicium ecclesiarum et academiarum Helvetiae reformatarum de studio pacificatorio Venerandi et clarissimi D. Duraei“ und eine „Declaratio Amplissimorum Helvetiae reformatae Magistratuum“ etc. Ueber den Verhandlungen in dieser Angelegenheit starb Antistes Theodor Z.; während des nun folgenden einjährigen Interregnums führte den Vorsitz im Kirchenrath Prof. Joh. Buxtorf II, und dieser, eigensinniger als Z., trachtete und brachte es dahin, daß Basel ablehnte, an jenen vorgeschlagenen allgemein schweizerischen Erlassen sich zu betheiligen. Ueber das schließliche Scheitern der Bemühungen des Duräus vgl. bes. Hagenbach, Gesch. d. Basler Confession S. 166 ff. und Ochs VII, 44–52.

Dem Antistes Theodor Z. verdankt, nächst seinem gleichnamigen Großvater, die der sogen. „Frey-Grynäischen Bibliothek“ in Basel 1759 überlassene und 1785 einverleibte wichtige „Zwinger’sche Briefsammlung“ den an Umfang und Inhalt bedeutendsten Theil ihres Bestandes, insbesondere hinsichtlich der Geschichte der reformirten Kirche, ihrer Lehrstreitigkeiten und ihres Verhältnisses zum Lutherthum. Diese Sammlung, von den späteren Gliedern der Familie fortgesetzt, umfaßt 70 Bände, mit Briefen aus den ersten Jahrzehnten des XVI. bis ins XVIII. Jahrhundert – vgl. hierüber Rud. Stähelin, Briefe aus der Reform.-Zeit etc. Programm zur Rectoratsfeier der Univ. Basel, 1887. – Die Schriften Zwinger’s zählt am vollständigsten auf Leu, Allgem. Helvet. Lexikon, 1764, S. 557–568.

Im übrigen vgl. bes. Athenae Rauricae 1778. – J. Chr. Iselin, Hist. Lexikon 1728. – K. R. Hagenbach, Die theol. Schule Basels etc. 1860, [547] S. 24 ff.; – ders., Krit. Gesch. d. ersten Basler Conf., 1857, S. 95 ff., 157 ff. – Pet. Ochs, Gesch. d. Stadt u. Landschaft Basel Bd. 6 u. 7.