Album der Rittergüter und Schlösser im Königreiche Sachsen III. Section/H25
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Die Ortenburg von Bautzen, reich an geschichtlichen Erinnerungen, gehört zu den denkwürdigsten und interessantesten Schlössern von Sachsen. Möchte es uns gelingen, in kurzen Umrissen ein treues Bild davon zu entwerfen:
Das Schloss Ortenburg liegt am Ende des Granitfelsens, auf welchem die Stadt Bautzen erbaut ist, dem Bretzschen oder Proitzschenberge, einem andern eben so hohen Berge gegenüber, zwischen welchen beiden im Thale die Spree fliesst. Schon im Jahre 807 soll der Schlossberg von den wendischen Anwohnern der Furt unter demselben, nach Zerstörung ihrer Veste auf dem Proitzschenberge in Folge des Sieges der Deutschen über die Böhmen und Sorbenwenden angebaut worden sein; doch ist dies blos Sage.
Erst im Jahre 958 wurde der Schlossberg durch die Erbauung einer Burg der Sitz eines Burggrafen und gegen das Ende des 10. Jahrhunderts entstand die Stadt Budissin, welche 1002 der polnische Herzog Boleslaus Chobri eroberte, 1005 Kaiser Friedrich II. ihm wieder abnahm und mit deutscher Besatzung in dem Markgrafen Herrmann von Meissen versah, aber der 1018 geschlossene Friede wieder unter polnische Hoheit brachte.
Im 11. und 12. Jahrhundert waren die Grafen von Groitzsch mit dem Schlosse Ortenburg und mit der Herrschaft Bautzen beliehen, welche es ebenfalls wohl mehr als Burggrafen verwalteten oder der Stelle des Statthalters unter böhmischer Herrschaft vorstanden.
Diese erste Landesstelle, die des Landvoigts, behauptete sich auch im 15. Jahrhundert unter dem Könige Matthias Corvinus fort, welcher im Jahre 1483, nachdem die alte Ortenburg abgebrannt war, ein neues Schloss erbauen und dem Landvoigte als Sitz und Residenz anweisen liess. Dieser Matthias Corvinus steht in voller Rüstung über dem äussersten Thore ausgehauen.
Dieses neue Schloss wurde aber zum Theil im Jahre 1620 ein Raub der Flammen, so dass das jetzige in der Abbildung zu erschauende eigentlich aus dem Jahre 1635 stammt.
Johann Georg I. erwarb in diesem Jahre am 30. Mai die beiden Lausitzen durch den Separatfrieden mit dem Kaiser zu Prag und zwar als ein Mannlehn der Krone Böhmens als erblichen Besitz mit Beibehaltung aller ihrer Rechte und Freiheiten. Johann Georg I. behielt deshalb auch den Landvoigt bei, dessen Stelle nachher Johann Georg III. und Friedrich Christian als Kurprinzen verwalteten.
Der Sitz des Landvoigts in der Ortenburg war daher auch die Veranlassung zu den häufigen Besuchen von Königen und Kaisern. Denn auf demselben halten Johann 1319, Karl V., Wenzel IV., Ferdinand I., Maximilian II., Rudolph II. Hof gehalten, vorzüglich in unruhigen Zeilen, wo sie sich in Prag nicht sicher hielten. Auch Georg III. floh hieher vor der Pest.
Mit dem Jahre 1777 hörten die Landvoigte auf und von dieser Zeit an versorgte ein Oberamts-Verwalter, der seit 1800 den Titel eines Oberamts-Hauptmanns führte, die damit verbundenen Geschäfte; denn der Landvogt hatte sehr wichtige Functionen. Ihm stand der Vorsitz beim Oberamte wie bei dem Judicio ordinario zu, er bestätigte die von den Ständen gewählten Amtshauptleute zu Bautzen und Görlitz, er besetzte vom Oberkanzler an alle Stellen beim Oberamte, empfing in des Landesherrn Namen von allen Vasallen den Eid der Treue und hatte überhaupt den wichtigsten Einfluss auf alle Angelegenheiten der Provinz.
Im Parterre des Schlosses und im ersten Stockwerk befand sich daher auch der Sitz der Oberamts-Kanzlei und des Oberamtsarchivs. Auch wurden in demselben die Gerichte der Verordneten von Land und Städten und die Vorbeschiede des Bautzner Amtes gehalten. Die ganze Gerichtsverfassung der Lausitz beruhte später auf der vom König Matthias II. im Jahre 1611 bestätigten Amts- und Gerichtsordnung, welche durch spätere Gesetze und Verordnungen des Hauses Sachsens die bekannten Abänderungen erlitten hat.
In dem Schlosse Ortenburg ist auch der grosse Versammlungssaal, wo der jedesmalige Landesherr der Oberlausitz die Huldigung annimmt, und daneben ein grosses, schönes, mit einer Stuckaturdecke versehenes Audienzzimmer, welches wegen seiner Decke besonders merkwürdig ist, weil dieselbe 9 Felder mit Scenen aus der lausitzischen Geschichte enthält. In dem einen Felde wird Graf Wieprecht von Groitzsch im Jahre 1086 von Heinrich IV. mit dem Lande und der Herrschaft Bautzen beliehen. Wieprecht kniet vor dem auf dem Throne sitzenden Kaiser und greift mit seiner Rechten nach dem Panier, worauf die Wappen des neuen Lehens zu sehen sind. Auf seinem Schilde bäumt sich ein Ross, hinter ihm erblickt man einen Ritter mit dem herzoglichen Hute, und neben dem Kaiser stehen zwei Herolde mit dem kaiserlichen Wappen und Handzeichen.
In einem anderen Felde erblickt man den Kurfürsten Friedrich V. von der Pfalz zu Pferde, wie er mit gesenkter Lanze im starken Galopp auf das böhmische und lausitzer Wappen zurennt: eine deutliche Anspielung auf seine Bemühungen um die böhmische Krone, mit welcher auch der Besitz der Lausitz verbunden war. In einem dritten Felde sieht man Prag im Hintergrunde und den dahin fliehenden Friedrich. Im vierten Felde kniet der Kurfürst Johann Georg I. vor dem Kaiser und empfängt von demselben die Lehn.
Im Jahre 1815 fiel die ganze Niederlausitz und der grössere Theil der Oberlausitz an Preussen, und von den bekannten 6 Städten sind der Lausitz blos vier geblieben: Zittau, Löbau, Camenz und unser Bautzen mit der Ortenburg, wo heute noch der Sitz der jetzigen Landesbehörden ist.
Der Raum jenseits der Spree, oder auf der Westseite derselben heisst die Seydau, wo einige 100 Häuser sich befinden.
[194] Von der Westseite führt eine im Jahre 1777 erbaute steinerne Brücke von einem einzigen 33 Ellen weit gespannten Bogen auf den Raum der Ostseite, welcher mit seinen Häusern den Namen „unterm Schlosse“ führt. Nördlich vom Schlossberge liegen die Ruinen der im Jahre 1634 eingeäscherten Nicolaikirche, auf welchen der Gottesacker der katholischen Gemeinde deutscher und wendischer Nation angelegt ist. Diese auf einem Abhange sich über bedeutende Substructionen erhebenden Ruinen geben der Ansicht der Stadt von den gegenüber liegenden Anhöhen einen eigenthümlichen Reiz.
Die Stadt Budissin stösst im Norden, Nordwesten und Westen unmittelbar an den Rand des jähen Abhanges nach dem Flusse und der im Nord-Westen am weitesten vorspringende Theil des Berges trägt eben das Schloss Ortenburg. In Südwesten und durch Süden herum bis wieder nach Norden wird die innere Stadt von den Vorstädten umgeben. Die Letzteren haben 2 freie Plätze, 8 ansehnliche und mit Häusern wohlbebaute Strassen und früher eine besondere Befriedigung durch Wall und Graben, wo jetzt schöne Anlagen und Gärten das Auge erblickt, über welche im Süden das Lauerthor (wohl früher das Laubenthor, weil es nach den Gränzgebirgswäldern führt), in Ost und Südost das Reichenthor, (nach Zittau und Görlitz hin) im Osten das Ziegelthor und im Norden die Königspforte liegt.
Vom Lauenthor bis zur Königspforte führt eine Allee ½ Stunde lang und diese geht gewissermassen auf dem Hügel des Schiesshauses noch weiter fort, indem dessen Baumpflanzungen und englische Anlagen bis ins untere Spreethal hinableiten. Zum Schiesshause, wo man eine der herrlichsten Aussichten geniesst, bringt auch noch aus der schmalen nördlichen Vorstadt das Gerberthor.
In Süd, Südost und Osten wird auch die innere Stadt durch Alleen von den Vorstädten geschieden. Sie hat etwa 12 ansehnlichere und mehrere Nebengassen und ist durchgängig gut, im Haupttheile aber wirklich grossstädtisch und residenzmässig gebaut.
Die Spree fliesst mehr gegen Nordosten, aber mit einer Unzahl von Krümmungen, weshalb sich ihr Thalgrund sehr verschieden gestaltet.
Bei Budissin selbst und dann wieder ¼ Stunde weiter unten ist er sehr enge und von steilen — je ½ Stunde von hier auch sehr felsigen Bergen eingeschlossen; dagegen bildet sich zunächst unterhalb der Saydau ein sehr lieblicher Kessel, in welchen mehrere Nebengründe ausgehen, wogegen oberhalb der Stadt die Berge an der Spree so flach sind, dass sie kaum ein Thal bilden. Coupirt ist daher die Gegend nur in ihrer nördlichen Hälfte und noch steigt südöstlich an der Vorstadt ein Hügel an. Längs dem rechten Spreeufer, unter dem aus Granit gebildeten Stadt- und Schlossberge hin, ziehen sich noch viele vorstädtische Häuser ohne Gärten und bilden auch theils beim Lauenthore, theils von der Ortenburg bis zum Gerberthore ordentliche Gassen; sie heissen „unterm Schlosse“ und gehören theils zur Stadt und theils zum Stifte, weshalb sie, gleich der Saydau, früher weniger Abgaben, aber dafür auch Handfrohne auf dem Schlosse leisten mussten.
Höher hinauf an der Spree stehen die sogenannte Fabrik und einige Mühlen; die Papiermühle aber nebst zwei Mahlmühlen steht in der Saydau, die Ziegeleien aber theils an der Camenzer Strasse oberhalb der Saydau; in einem Grunde, theils ¼ Stunde von der Stadt gegen Südwest, an dem Hügel, auf dessen Rücken der Exercierplatz und an dessen steilem südlichen Abhange, nächst über dem Flusse, eine serbische Schanze liegt. Bei der letztern Ziegelei führt der sogenannte Schaafsteg über die Spree. Bei der h. Geistkirche vor dem Lauenthore ist die schöne, auf 4 Pfeilern ruhende Hauptbrücke zu sehen, sowie bei der Saydau noch eine kurze Brücke sich befindet.
Das Vorgebirge zwischen der Stadt und der Saydau, der Ortenburg nordwärts gegenüber, in einem Felsen gerade auslaufend und im Westen noch jetzt Spuren altserbischer Befestigung zeigend, heisst der Protschen oder Protzschenberg, welcher früher das alte Schloss trug, welches man, nachdem die Franken es erobert hatten, auf den jetzigen Schlossberg verlegte. Bei Anlegung des Kirchhofs für die Wenden wurden sogar Trümmer der Burg Rodozischko ausgegraben.
Zur Herstellung eines geregelten Gottesdienstes und Kirchenwesens für die Stadt und Umgegend unternahm Bischof Bruno II. von Meissen, ein Herr von Baruth, 1213 den Bau der Kirche zu St. Petri und gründete nach dessen Vollendung 1221 das Collegiatstift zu St. Petri mit 7 Canonicis, deren erster Propst aus den Capitularen des Hochstifts Meissen vom Bischof gewählt, der zweite Decan nur aus den Canonicis von diesen selbst gewählt sein sollte. Die Zahl der Letzteren wurde später auf 12 erhöht.
Dem Propste übertrug der Bischof das Archidiaconat über die Provinz mit der geistlichen Gerichtsbarken und der Leitung der kirchlichen Angelegenheiten und nahm von seiner Aufsicht nur das Collegiatstift selbst aus.
Der in Meissen residirende Propst liess seine Geschäfte durch einen Substituten in Budissin verwalten. Im Jahre 1481 erlangte der sächsische Landesherr vom Papste Sixtus IV. das Recht, den Propst zu Budissin aus den Capitularen des Hochstifts zu wählen, wogegen das Recht der Einsetzung und Bestätigung desselben dem Capitel zu Budissin überlassen wurde. Dieses gelangte allmälig durch Schenkungen, Vermächtnisse und Käufe zu grossem Grundbesitz und nach dem in Folge der Reformation im Meissner Lande der letzte Bischof, Johann von Haugwitz 1559 Stolpen, seine bisherige Residenz, verlassen und die evangelische Confession angenommen hatte, durch Erlöschen der bischöflichen Gewalt über die Lausitz auch zu höherem Ansehn.
Der Propst Hieronymus von Kommerstädt, zugleich Decan in Wurzen, war schon vorher Protestant geworden und so wurde in Ermangelung eines katholischen Propstes die Ausübung der bischöflichen Befugnisse mit der geistlichen Gerichtsbarkeit über die Katholiken in der Lausitz 1560 Seiten des Kaisers dem Decan zu Budissin und 1570 für den Fall einer Erledigung des Decanats den Capitularen übertragen.
Seitdem besteht das Collegiatstift in der Würde eines von bischöflicher Jurisdiction eximirten, selbstständigen Domstifts und nennt seine Kirche Domkirche und das Collegium seiner Mitglieder Domkapitel. Diese Befugnisse verblieben bei der Abtretung der Lausitz an das Churhaus Sachsen 1635, zufolge der Bestimmungen des Prager Friedens dem Decan und Domkapitel.
Der Kaiser behielt sich zwar in diesem Frieden, als König von Böhmen, ein Oberschutzrecht über die Stifter und Klöster in der Lausitz und über gedachte kirchliche Administration vor, doch ist seitdem auf Antrag der Oberlausitzer Provinzialstände die Publication der kaiserlichen Bestätigung neugewählter Decane unterlassen worden.
Die Wirksamkeit der Administration des Decans und des an die Stelle der ehemaligen kirchlichen Aufsichtsbehörde des Propstes getretenen domstiftlichen Consistorii, an dessen Berathungen der jedesmalige Domstiftssyndicus, als Vorstand der Domstiftsgerichte, ein evangelischer Rechtskundiger Theil nimmt, beschränkt sich seit 1815 auf den unter sächsischer Hoheit verbliebenen Theil der Oberlausitz.
Die Würde des Propstes ist nach der Reformation insofern erhalten worden, als ein von dem sächsischen Landesherrn dazu ernannter adeliger Domherr des Hochstiftes Meissen den Titel des Dompropstes führt und die Einkünfte der Propstei in Budissin bezieht, ohne irgend mit den Amtsverrichtungen [195] eines Propstes betraut zu sein, weil er, wie alle Domherren zu Meissen, Protestant ist.
Der Decan zu Budissin wird, seit er die Administration bischöflicher Befugnisse hat, in der Regel vom Papste zum Bischof in partibus infidelium ernannt, nimmt an den Landtagen der Provinzialstände als eines ihrer vornehmsten Glieder Theil und sitzt seit Einführung der Constitution im Königreiche Sachsen in der ersten Kammer der Ständeversammlung zwischen dem Oberhofprediger und dem Superintendenten zu Leipzig.
Ausser dem Dome zu St. Petri sind hiernach 6 Kirchen: Die Kirche zu Unserer lieben Frauen, die Kirche zu St. Maria und Martha, die Kirche zu St. Michaelis, die Dreifaltigkeitskirche und die Begräbnisskirche zum heil. Geist, welche neben der Spreebrücke an der Landstrasse nach Dresden zu liegt, wie wir oben schon erwähnt haben.
Das Collaturrecht über die katholischen Kirchen in Budissin steht dem domstiftlichen Consistorio zu, doch wählt der Decan das ganze Collegium Canonicorum, der Scholasticus den Decan, welcher auch die Stellen der Capellane bei den katholischen Pfarreien in der Überlausitz besetzt. Senior und Cantor gelangen zu ihren Stellen durch Aufrücken.
Das Collaturrecht über die evangelischen Kirchen in Budissin, über die an denselben bestehenden geistlichen Aemter, übt der Stadtrath von Budissin.
Ausserdem hat Bautzen ein schönes Gymnasium, eine Bürgerschule, eine Armenschule im Waisenhause; die Prenzel’sche Stiftsschule, über welche ebenfalls vom Stadtrathe das Collaturrecht geübt wird, über das ausserdem hier noch eingerichtete Landschullehrer-Seminar haben die Landstände der Oberlausitz das Besetzungsrecht der einzelnen Stellen.
Das Schullehrer-Seminar ist seit 1817[WS 1], das Waisenhaus schon im Jahre 1699 gestiftet. Letzteres ist mit dem Armenhause vereinigt.
An andern Gebäuden zeichnen sich aus die beiden Landhäuser, welche abgesondert früher dem Budissiner und Görlitzer Kreise gehörten.
In dem ersteren befinden sich die Landsteuer-Expedionen, das Archiv der Gerichtsbehörden und die Rüstungen derjenigen, die den Vorritt gethan haben.
Die Schicksale des Ortes anlangend, so hat Budissin viel Ungemach von jeher erlitten. Schon im Jahre 1400 überfiel Hans von Kottewitz das städtische Gebiet, verheerte 22 Dörfer und nahm die Leinwand von der Bleiche mit fort.
Im Jahre 1405 bis 1408 rebellirten die Bürger gegen den Rath, bis König Wenzel selbst hieher kam, auf dem Rathhause Gericht hielt, 14 Rebellen köpfen liess, 86 des Landes verwies und der Bürgerschaft ihre Privilegien, sowie dem Rathe die freie Kühr wieder nahm.
Von den Hussiten wurde die Stadt und das Schloss 1431 hart bedrängt und 9 Stunden lang, wiewohl vergebens, bestürmt.
Der grösste Schaden wurde der Stadt und dem Schlosse durch die Belagerung Wallensteins zugefügt, indem auf Befehl des letztern erst die Vorstädte und dann auch die Stadt angezündet wurden. Kaum war dieses Unglück im Jahre 1634 über die unglückliche Stadt gekommen, so folgte schon 1639 ein neues, indem in diesem Jahre Torstensohn die Stadt eroberte und verwüstete.
Weniger litt die Stadt 1813. Zwar wurde durch die Beschiessung der Stadt vom französischen General Compans am 20. Mai 1813 den Einwohnern Angst und Schrecken eingejagt; allein bald darauf erschien Napoleon, zog in die Stadt ein und befestigte solche.
Hierauf folgte die 2tägige Hauptschlacht vom 20. und 21. Mai, welche jedoch den Einwohnern von Budissin wenig Schaden verursachte. Fürst Wittgenstein nämlich, der die bei Lützen geschlagene russische und preussische Armee bis hieher zurückgeführt hatte, bezog hier am 14. an dem rechten Spreeufer eine durch Natur und Kunst feste Stellung. Frische preussische Truppen unter Kleist und russische unter Barclay de Tolly verstärkten das Heer bis auf 96000 Mann.
Napoleon konnte unter solchen Umständen nur durch Uebermacht den Sieg erringen, weshalb er die schon gegen Berlin gesendeten Corps unter Ney, Lauriston und Reynier wieder an sich zog und den Verbündeten eine Armee von 148,000 Mann Franzosen, Sachsen, Würtemberger und Baiern entgegen führte. Das Hauptquartier der Verbündeten war Wurschen, nach welchem Orte auch die Schlacht benannt wird. Hier waren Alexander, Friedrich Wilhelm und die englischen, österreichischen und schwedischen Gesandten beisammen. Eine meilenlange, doppelte Reihe von Verschanzungen, davon jetzt noch Ueberbleibsel zu entdecken sind, bildete den Schutz des Heeres, welches sich links, unweit Hochkirch, an die bis zur Grenze fortsetzenden Waldberge lehnte, während der rechte Flügel sich an befestigte Hügel stützte, welche die Spree dominiren, und das Centrum durch Budissin selbst, durch Sümpfe, die Anhöhen bei Burg und verschanzte Dörfer gedeckt war; indessen erschwerten viele Teiche die Verbindung des rechten Flügels mit dem Reste des Heeres.
Die Vereinigung Neys und Lauristons gelang aber, wogegen Reynier erst später in die Nähe des Schlachtfeldes rückte.
Am 20. Mai passirte das französische Hauptheer die Spree auf mehreren Punkten. Oudinot rückte gegen den linken Flügel vor, Ney mit Lunriston aber bis gegen Klix. Das Centrum, von Soult commandirt, griff unter Macdonald und Marmout die Avantgarde in und um Budissin unter Wittgenstein und Kleist hart an. Doch konnte erst um 6 Uhr Abends Marmont Budissin und noch später die niederkainischen Anhöhen occupiren.
Am 21. griff man zunächst den linken Flügel unter Miloradowitzsch an, während Ney auf der andern Seite die Baruther Höhen und Portitz nahm, und hierdurch Barcley vom Centrum unter Blücher abschnitt.
Zwar nahm Blücher Preititz wieder, verlor es aber fast zugleich mit dem Schlüssel seiner Stellung, den Krekwitzer Anhöhen. Unterdessen war auch Reynier bei Gleina, also im Rücken der Verbündeten, angekommen, und Blücher musste die Durchbrechung des Centrums fürchten, wenn er mehr Truppen an den rechten Flügel abgeben wollte. Deshalb wurde der Rückzug angeordnet. Gross war die Tapferkeit der Franzosen, aber auch gross die der Verbündeten.
Die Besiegten zogen unverfolgt vom Schlachtfelde mit Hinterlassung von 12,000 Todten, Verwundeten und Gefangenen.
Viele Dörfer der Umgegend lagen damals in Asche, und mancher Bewohner derselben hatte seine ganze Habe verloren; allein Fleiss und Betriebsamkeit hat diese tiefgeschlagenen Wunden wieder heilen helfen.
Die Bierbrauereien, die Fabriken und Manufacturen in Tuch, Strümpfen, Barchent, Leder, Kattun, Papier, Pulver, Tabak u. s. w. sind hier nicht ohne Bedeutung und bringen den Einwohnern von Budissin und den Bewohnern der Umgegend Nahrung und Wohlstand.
Die zwei Bautzner Wochenmärkte sind aber berühmt hinsichtlich des Getreide- und Fischhandels, wegen des vielen Federviehs, besonders der Gänse und ihrer Federn, wegen des Flachs- und Garnhandels, indem die umliegenden Fabrikdörfer hier ihren ganzen Bedarf einkaufen.
Ausserdem werden vier Jahrmärkte und zwei Wollmärkte in Budissin abgehalten, die Käufer und Verkäufer aus der Nähe und Ferne in grosser, reicher Zahl heranziehen.
[196] Unerwähnt dürfen wir zum Schlusse nicht lassen, dass Budissin auch zwei grosse ausgezeichnete Bibliotheken besitzt, die Raths- und die Gersdorf-Waicha’sche Bibliothek. Die Letztere befindet sich in einem dazu eigens bestimmten Hause auf dem Burglehn und besitzt ein besonderes Capital zur Vermehrung derselben von Hans von Gersdorf auf Waicha.
An beiden Bibliotheken ist ein Lehrer des Gymnasiums als Bibliothekar angestellt und zu beiden ist der Zutritt wöchentlich zwei Mal gestattet.
Seit Einführung der neuen Gerichtsorganisation ist Budissin auch der Sitz eines Bezirksgerichts, unter dem das Gerichtsamt von Bautzen steht, sowie es auch die übrigen früher hier eingeführten hohen Landesbehörden behalten hat.
Die Stadt Budissin mit seinen 816 bewohnten Gebäuden und 10,706 Einwohnern steht unter dem dasigen Gerichtsamte.
an der Strasse von Bautzen nach Görlitz, ½ Stunde von Weissenberg entfernt gelegen, wird eigentlich in Ober- und Nieder-Kotitz oder Alt- und Neu-Kotitz eingetheilt. Ein Bestandteil von Kotitz war Särke, und Kotitz und Särke bildeten daher in früherer Zeit auch nur ein Rittergut.
Der Rittersitz war Kotitz, von dessen Erbauer der Ort seinen Namen entlehnt hat. Sehr frühzeitig kam dann Kotitz mit Särke in den Besitz der von Gersdorf’schen Familie.
Zur Zeit des 30jährigen Krieges besass Kotitz mit Särke Peter von Gersdorf, welcher ohne männliche Lehenserben verstarb und die Güter wurden an einen gewissen Philipp Junghans in Bausch und Bogen verkauft. Von Letzterem acquirirte solche im Jahre 1655 Hans Adolph von Haugwitz, welcher dieselben 1659 an Joachim Ernst von Ziegler und Klipphausen auf Nostitz, Landesältesten des Budissiner Kreises, überliess. Dieser war es, welcher laut eines Kaufbriefes vom 22. März 1660 die Hälfte seiner Güter Kotitz und Sarigk an Friedrich Ferdinand von Gersdorf auf Lehne also verkaufte, dass der Verkäufer von Kotitz, „den freyen Kretzscham darinnen frey Wein und Bier zu schenken, zu backen und zu schlachten, sammt Pertinenzien für sich behielt, das übrige Kotitz aber sammt dem Rittersitze und Wohnhause in Kotitz an den Käufer kam. So sind die beiden Güter getrennt und bis zur heutigen Stunde nicht wieder vereinigt worden.
Friedrich Ferdinand von Gersdorf auf Kotitz und Lehne starb am 1. Juli 1690 und hinterliess 5 Söhne: Hans Friedrich, Hans Ludwig, welcher im Auslande gelebt hat und nicht wieder nach Hause gekommen ist; Gottlob Ehrenreich, Hans Asmus, welcher im August 1690 auf einem Feldzuge gestorben ist, und Hans Wenzel, welcher erst im Jahre 1700 mündig wurde. Nach gehaltener brüderlicher Theilung hatte Hans Friedrich von Gersdorf Kotitz bis 1696, wo er starb. Ihm folgte Gottlob Ehrenreich von Gersdorf auf Lehne im Besitz von Kotitz bis zur Mündigkeit seines jüngsten Bruders durch Interims-Kauf und bedingten Wiederkauf. Denn das Gut Kotitz war dem Hans Wenzel durchs Loos zugefallen, dem Gottlob Ehrenreich aber Lehne. Hans Wenzel von Gersdorf besass das Gut Kotitz von 1700 bis zum October des Jahres 1707, wo er es an Johann Christian von Heldrich auf Pommritz und Niethen um 12,000 Thaler verkaufte.
Dieser Johann Christian von Heldrich hat den Rittersitz zu Kotitz von Grund aus neu aufgeführt, wie wir solches jetzt in der Abbildung zu sehen Gelegenheit haben. Ausserdem aber hat er das Rittergut in zwei Güter getheilt; sodann hat er Kotitz mit der neuerbauten herrschaftlichen Wohnung als das Lehngut Oberkotitz an Joachim Ernst von Nostiz auf Gersdorf um 15,600 Thaler verkauft, sein Niedervorwerk aber, zu welchem er einige Feldstücke und Unterthanen vom Obergute hinüber genommen hatte, als das nun ebenfalls für sich bestehende Lehngut Niederkotitz annoch behalten. Dies geschah im Jahre 1709. Joachim Ernst von Nostitz auf Oberkotitz starb im Jahre 1714 und hinterliess 4 Söhne, deren einer, Julius Heinrich von Nostitz, nach gehaltener brüderlicher Theilung das Gut Oberkotitz erhielt, welchem es aber der obengenannte Johann Christian von Heldreich im Jahre 1719 wieder abkaufte. Doch besass auch von Heldreich das Gut wieder nur bis 1721, wo er es an Christian Gottlob von Metzradt auf Wawitz und Drehsa verkaufte. Dieser acquirirte auch wieder Niederkotitz, von welchem beide Güter an Hans Rudolph von Metzradt gekommen sind. Letztrer starb im Jahre 1758 zu Kotitz und hatte noch vor seinem Tode 1753 beide Güter an seine Gemahlin Christiane Margarethe von Metzrath, geb. von Heldreich, verkauft, wodurch Ober- und Niederkotitz an Carl Gottlob von Heldreich auf Bellwitz und Rosenhain gekommen sind. Letztrer war kursächsischer Appellationsrath und ein mildthätiger und doch sonst strenger Mann. Nach dem Tode desselben im Jahre 1783 kamen die Güter durch Kauf von den Heldreich’schen Erben an den geheimen Finanzrath, Friedrich Herrmann Carl Greif von Langenau. Von diesem erwarb im Jahre 1791 beide Güter Henriette Louise, verw. Kammerherrin von Miltitz, geb. von Schönberg, Stiftshofmeisterin zu Radmeritz und überliess sie 1797 wieder käuflich [197] an Gottlieb Wilhelm Grafen von Bressler, nachdem sie sich durch Lehdenanbau und durch Anpflanzungen, sowie durch ihre Mildthätigkeit ein gutes Andenken gestiftet hatte. Nach der Zeit hat die schon genannte Tochter des Grafen von Bressler die Güter Ober- und Niederkotitz so lange besessen, bis sie unter Sequestration kamen. Im October des Jahres 1836 hat Ernst Gottlob von Heynitz, früher Besitzer des Rittergutes Hermsdorf und Grünberg bei Dresden, die Güter Ober- und Niederkotitz an sich gekauft.
Das jetzt vereinigte Rittergut Kotitz ist nicht unbedeutend und hat vortreffliche Felder und Wiesen. Die Lage selbst und die Umgebung des Ortes hat viel Anmuthiges. Vom Thurme aus sind die Aussichten wahrhaft lieblich zu nennen.
Nach alten Urkunden bestand vordem das ganze Kotitz nur aus zwei Bauergütern und sechs Gartennahrungen, welche, sammt der sehr alten Mahlmühle, dem Rittergute Kotitz zugehörten.
Im Jahre 1709 sind die zwei Bauergüter nicht mehr im Besitze gewesen, sondern wüste liegen geblieben und nur die Gebäude haben noch darauf gestanden. Sie wurden zum Rittergute geschlagen und seit dieser Zeit hat Kotitz kein Bauergut mehr, sondern nur Garten- und Häuslernahrungen.
Niederkotitz, auch Klein-Kotitz, Neu-Kotitz oder nur „das Vorwerk“ genannt, hat keine besonderen Nummern, sondern dieselben werden in Oberkotitz mit eingezählt.
Noch um’s Jahr 1780 machten nur eine Gartennahrung und vier Häuslernahrungen mit dem Gute das Niederkotiz aus.
Seit den 80er Jahren aber und bis in die neueste Zeit sind dort nach und nach dreissig neue Häuser entstanden.
Die Grundherrschaft hat nach und nach aus allen Gegenden Menschen dahingezogen, welche nun grösstentheils mit Tagelöhnerarbeit ihr und ihrer Familien Leben gut durchbringen können.
Oherkotitz, welches noch ums Jahr 1780 7 Gartennahrungen und 3 Häuslernahrungen zählte, hat sich seitdem gleichfalls um 11 Häuser vergrössert, unter welche auch die im Jahre 1821 neuaufgebaute vor der Pfarre stehende obere Schmiede gehört.
Wenn man nun den sammt der niedern Schmiede unter die Gerichtsbarkeit von Nostiz gehörigen, an der alten Strasse liegenden, sehr alten Kretzscham, sowie eine Gartennahrung und drei Häusler, die unter den Gerichten von Wurschen stehen, mit rechnet, weil diese Häuser nach Kotitz eingepfarrt sind, auch der Lage nach zum Dorfe Kotitz gehören, so zählt Ober- und Niederkotitz zusammen mit der Kirche, dem Pfarrhaus, dem Schulhaus und der Mühle, 63 Hausnummern, welche unter dem Gerichtsamte Weissenberg stehen.
Die Kirche zu Kotitz anlangend, so stand eine solche schon im 14. Jahrhundert. Auswendig an die Kirchmauer ist eine Gruft angebaut, welche die Weichaische heisst und eine besondere Geschichte hat. Ihr Begründer ist Hans von Gersdorf, ein ehemaliger Besitzer des Gutes Weicha gewesen. Dieser hat bei Joachim Ernst von Ziegler und Klipphausen auf Nostitz, als dem seit 1693 vollgewaltigen Collator der Kirche zu Kotitz angesucht und auch erlangt, auf dem Kirchhofe zu Kotitz für zwei Personen ein Begräbniss auf seine Unkosten gegen ein Gewisses, so inhalts seines Testamentes der Kirche zu Kotitz und zwar infinite gereichet werden sollte, bauen zu dürfen.
Hans von Gersdorf ist auch wirklich mit seiner Gemahlin in seiner damals neuerbauten Gruft zu Kotitz beigesetzt worden. Doch ist seit dem Napoleonischen Kriege die Gruft leer und es sind nur noch zwei Leichensteine vorhanden, welche von ihm und seiner Gemahlin Nachricht geben. Seit Anfang der 40er Jahre ist vielmehr in diese Gruft die Sacristei verlegt, wodurch in der Kirche selbst eine bedeutende Ständevermehrung entstanden ist.
Das Collaturrecht über Pfarre und Schule steht dem Besitzer von Kotitz zu. Bis zum Jahre 1678 hatte dieses Besetzungsrecht der Besitzer von Särke. Allein im Jahre 1773 hat Carl Gottlob von Heldreich auf Ober- und Niederkotitz dem damaligen Besitzer des Gutes Särke, dem Johann Erdmann von Gersdorf auf Wurschen, Belgern, Nechern, Kohlwesa, Rodewitz u. s. w., das allein habende Jus patronatus um 350 Thaler abgekauft und somit wieder zum Gute Kotitz gebracht, wobei es bis auf unsre Zeiten geblieben ist, und der Himmel mag den derzeitigen Herrn Besitzer als Collator der Kirche und Schule von Kotitz noch lange beschützen und erhalten.
Die Kirche von Kotitz besitzt mehrere Legate von früheren mildthätigen Gerichtsherrschaften, wie z. B. das von Ziegler’sche, das von Heldreich’sche, das von Langenau’sche und von Miltitz’sche. Von dem Letztern sollen die Kinder in Ober- und Niederkotitz unentgeldlichen Schulunterricht erhalten.
Die Höhe, auf welcher die Kirche, wie auch ein Theil des Dorfes steht, läuft nach Morgen in ebenes Land aus, nach Mittag und Mitternacht aber hat sie einen ziemlich steilen, nach Abend gar einen abschüssigen Abhang, an dessen Fusse das Kotitzer Bächlein vorbeifliesst.
Dieser abschüssige Abhang, gleich hinter der Kirchhofsmauer, enthält einen kleinen Steinbruch und heisst der Kirchberg, worauf noch einige Linden stehen, welcher Abhang ausser dem Kirchhofsplatze das einzige liegende Besitzthum der hiesigen Kirche ist. An jedem der beiden Eingänge des Kirchhofs stehen zwei der Kirche zugehörige im November des Jahres 1768 gepflanzte Linden.
In die Schule zu Kotitz gehen die Kinder von Ober- und Nieder- und Neukotitz und Särke, sowie auch die von Lauske, und werden in derselben zusammen 160 Kinder unterrichtet.
Trotz der kleinen Häusler und Besitzlosen, so hat doch in neurer Zeit der Ort selbst sich gehoben und finden die einzelnen Bewohner stets ausreichende Arbeit bei der hiesigen Gerichtsherrschaft und in der Umgegend.
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in wendischer Sprache Rodzischczo, abgekürzt Rosczo genannt, hat seinen Namen von seiner Lage auf einer Felsen-Anhöhe und seiner Bestimmung erhalten, indem sein wendischer Name eine Burg oder Veste bedeutet und der obere Theil des Ortes in früheren Jahrhunderten ein befestigter Rittersitz gewesen ist.
Eine in der Nähe des jetzigen herrschaftlichen Schlosses befindliche Schanze hat die Merkmale ehemaliger Bollwerke und Wilhelmine von Gersdorf hat in einer in den Erheiterungen von Zschokke enthaltenen Erzählung recht lebhaft an die im 12. Jahrhundert schon bestandene Veste von Graditz erinnert.
Der deutsche Name Gröditz, früher Gräditz, ist dem ursprünglich wendischen nachgebildet. Das jetzige Rittergut, Kirche, Pfarre und Schule und ein grosser Theil des Dorfes liegen auf einer freien Anhöhe, von welcher sich nach allen Seiten hin die weiteste Aussicht öffnet und nicht nur die gegen Mittag von Ost nach Nordwest sich hinziehende Gebirgskette, sondern auch manch einzelne, entfernte Bergspitze, als: die Lausche, die Landeskrone bei Görlitz und selbst ein Theil des Riesengebirges gesehen werden kann. Daher Gröditz selbst von mehreren Seiten in weiter Ferne zeigt.
Eine ausgezeichnet schöne Lage hat das in der Abbildung befindliche Schloss, das mit seiner Morgenseite am Abhange hoher Felsenwände steht, die mit Holz bewachsen sind, nach Morgen hin sich ausdehnen und in der Tiefe mit den gegenüber befindlichen, zu dem Rittergute Weicha gehörenden Felsenhöhen ein angenehmes Thal, die Skala, d. i. Felsengrund, genannt, bilden, in welchem die Löbau fliesst.
Das jetzige Schloss in Gröditz verdankt seine Entstehung dem hochadeligen alten Geschlechte von Gersdorf, welches von dem ersten Markgrafen der Lausitz, Gero, seinen Namen ableitet. Alle die Dörfer, die in der Lausitz Gersdorf heissen, wurden früher die Gerensdörfer genannt, denn die Geschichte von der auf dem Gersten-Acker erretteten burgundischen Prinzessin, welche unter dem König Rudolph I. sich ereignet haben soll, ist nicht hinlänglich begründet und mithin auch unerwiesen, dass das altadelige Geschlecht derer von Gersdorf die Urheber dieser That waren. So viel steht fest, dass sie von Anfang an als tapfere Helden ihrer hohen Landes-Herrschaft sich stets bewiesen haben, wofür sie auf jegliche Weise mit dem grössten Vertrauen in Militair- und Civil-Staatsdienst von jeher beehrt wurden.
Es bewährt sich so recht an diesem Geschlechte der Spruch des Herrn: „Eine gute Saat wird fort gute Früchte erzeugen und segensvoll auf Kind- und Kindeskinder wirken“. Oder ist es kein Zeichen von dem grössten Segen, welcher auf dieser Familie ruht, wenn man in den Annalen der Geschichte lesen muss, dass dieselbe von der Entstehung des Schlosses Gröditz bis auf die neuesten Zeiten im Besitze desselben ununterbrochen geblieben ist?
Der vorletzte Besitzer von Gröditz war Herr Ernst Gustav von Gersdorf, Kreisdirektor zu Budissin und Comthur des Civil-Verdienstordens, von welchem es Herr Gustav von Gersdorf überkam, der auch jetzt noch damit beliehen ist.
Zu dem Rittergute Gröditz gehört ein bedeutendes Areal an Feldern, Wiesen und Waldungen um das Dorf und Vorwerk Cortnitz und ein Teil des Dorfes Wuischke. Letzteres kleine Dorf haben die letzten Besitzerinnen desselben, die beiden Fräulein von Maxen, bei ihrem erfolgten Ableben an die Pfarre zu Gröditz vermacht und der dasige Pfarrer ist demnach seit dem Jahre 1663 Grundherr von demjenigen Theile dieses Dorfes, welcher nicht zu dem Rittergute Gröditz gehört.
In die Kirche zu Gröditz sind aber noch mehrere Orte ausser Wuischke und Cortnitz eingepfarrt, wie z. B. Nechern, Wurschen, Belgern, Drehsa, Rackel, Briessnitz, Cannewitz und Weicha.
Die hiesige Kirche ist ursprünglich sehr alt: dieselbe wurde aber im Jahre 1790 auf den alten Grundmauern völlig erneuert und mit einem [199] Schindeldach versehen. Das Innere ist ganz einfach und der Raum beschränkt. Alterthümer und Denkmäler von historischem Werthe sind weder in der Kirche noch auf dem Kirchhofe zu finden.
In der Parochie selbst erinnern zwei alte Schanzen, bei Belgern und Rackel, an Kriege von früheren Jahrhunderten und eingemauerte Kanonenkugeln an dem herrschaftlichen Schlosse zu Wurschen an das Jahr 1813.
Das Pfarrhaus zu Gröditz hat blos im untern Stocke Mauer und ist bei dem Ueberfalle von Hochkirch, wo der obere Theil des Ortes und auch die zur Pfarrei gehörigen Wirtschaftsgebäude abbrannten, vom Feuer verschont geblieben.
In die Kirchenschule zu Kotitz sind die drei Orte Cortnitz, Wuischke und Weicha gewiesen. Die Zahl der Schulkinder beläuft sich auf 140.
Die Collatur von Kirche, Pfarre und Kirchenschule ruht auf den beiden Rittergütern Nechern und Gröditz.
Die Nebenschulen von Gröditz sind in Wurschen und Rackel, worüber das Collaturrecht dem Grafen und Edlen zu Lippe Biesterfeld-Weissenfeld zusteht.
Die Parochianen von Gröditz bestehen aus Wenden und Deutschen, weshalb der Gottesdienst an jedem Sonntag zuerst in wendischer und dann in deutscher Sprache stattfindet.
Die ganze Kirchfahrt hat aber nur einen gemeinschaftlichen Begräbnissplatz, welcher die Kirche rings umgiebt und den Ruhestätten darauf durchgängig eine feste Grundlage gewährt.
In der Nähe von Gröditz ist der berühmte Berg, der Czorneboch – welcher auch Porschiza, Braschiwa Hora genannt wird – und seinen Namen von dem einstigen dasigen Aufenthalte der wendischen Priester und Priesterinnen, die den Cultus der Götter und Göttinnen des Frageaberges besorgten, erhalten hat. Hier auf diesem Czorneboh fanden die schauerlichen Mysterien der gefürchteten Nacht- und Todesgöttin, Czorneboh Pya, statt, und von dieser, wie von der Lebens- und Liebesgöttin Ziwa, wurden die Orakelsprüche ertheilt.
Gröditz liegt eine Stunde von Weissenberg und ist diesem Gerichtsamte mit den übrigen Dörfern der Parochie einverleibt.
Gröditz hat in seinen 50 Gebäuden an 300 Bewohner.
eine Stunde von Löbau entfernt, liegt an der Westseite der Chaussee von Zittau nach Löbau und besteht der Ort aus Nieder- und Oberottenhain.
Ungefähr 1000 Schritte von Niederottenhain liegt Sonnenberg am Sonnenberge. Die auf diesem Hügel befindliche Felsengruppe bietet eine angenehme Aussicht nach allen Richtungen in die Umgegend und führt den Namen Jüdden oder Jürdenhaus, was von den grottenartigen Vertiefungen auf der Ostseite herrührt.
Nach alten Sagen ist auf demselben ein Tempel oder Opferaltar des Wodan, Wodin oder Odyn, d. i. des Weltenschöpfer, gewesen und davon stammt der Name des Dorfes, welcher aus Odynhain in Ottenhain verwandelt worden ist.
Die Urbesitzer des Ortes sollen auch zuerst am Sonnenberge gewohnt haben.
Von Ottenhain gegen Morgen liegt der nicht zu hohe Berg, der Jäckel genannt, von dem man nördlich bis in Nieskyer, östlich in die Görlitzer und nordwestlich in die Bautzner Gegend eine der vortrefflichsten Aussichten geniesst.
Das Schloss von Niederottenhain, welches zwei Etagen hoch und zwölf Fenster in der Fronte hat, ist ein stattliches Gebäude und die Wirthschaftsräume sind vortrefflich zu nennen; ein daranstossender Garten ist nicht der grösste, aber derselbe gewährt lieblichen Aufenthalt.
Das zum Gute gehörige Areal ist nicht unbedeutend. Die Felder und Wiesen gehören der mittleren Bodenklasse an und die Holzungen, die weniger in Schwarzholz, wie in lebendigem bestehen, sind gut bestanden. Die dazu gehörige Branntweinbrennerei ist in gutem Zustande und die Ziegelbrennerei von grossem Umfange.
Im 16. Jahrhundert war Ottenhain nur ein Ort und gehörte einem Herrn von Miltitz. Im Jahre 1571 wurde es unter Anderm an einen Herrn Christoph von Gersdorf auf Baruth für 7400 Thaler verkauft, von welchem [200] es 1617 an Christoph Volkmar von Gersdorf auf Baruth, Drehsa und See kam. Im Jahre 1623 kaufte Georg von Gersdorf auf Herwigsdorf Ottenhain um 13,938 Thaler, von welchem es nach dessen Ableben seine Wittwe Helene, geb. von Schwanitz, die sich 1631 mit Johannes vom Berge anderweit verehelichte übernahm.
Dann kam es in Sequestration und 1660 wurde der obere Theil, als Ober-Ottenhain an Caspar Rudolph von Gersdorf abgetreten.
Der Sohn der Helene, verw. von Berge, Caspar Gottlob von Berge, kaufte Niederottenhain 1668 um 7000 Thaler. Letzterer starb 1686 und die Wittwe Marie Sidonie von Berge, geb. von Nostitz, acquirirte es für 8000 Thaler, welche es 1693 an ihren Sohn Adolph Benjamin von Berge um 900 Thaler verkaufte. Letzterer erwarb 1697 Oberottenhain. Durch diesen Kauf wurden beide Güter vereinigt und blieben 101 Jahr beisammen.
Im Jahre 1717 fiel Ottenhain von Adolph Benjamin von Berge an dessen Sohn, den königlich polnischen Hauptmann Wolf Adolph von Berge, welcher 1772 mit Tode abging. Nun folgte dessen Sohn, Carl August Leopold von Berge: 1788 verpachtete dieser Ottenhain und zog nach Zittau in seine Privatwohnung, und 1796 verkaufte er ganz Ottenhain an den Lieutenant Christoph Moritz von Beschwitz auf Gross-Schweidnitz. Letzterer verkaufte Niederottenhain an Frau Eleonore Dorothea, geb. von Ingenhoff, verehelichte von Metzrath um 38,000 Thaler am 4. Febr. 1798.
Am 4. Januar 1809 kaufte Niederottenhain Herr Johann Gottlob Erdmann von Nostitz, Amtshauptmann und Gegenhändler des Markgrafthums Oberlausitz, auf Ober-Ruppersdorf, Ober-Oderwitz und Niethen für 42,000 Thaler. Nach dessen Tode fiel es durch Schenkung desselben an dessen Schwestersohn, Carl August Wolf von Berge.
Am 8. März 1821 fiel es bei dessen Tode an seine beiden Schwestern, Frau Kammerherrin Henriette Charlotte Wilhelmine von Nostitz, geb. von Berge auf Ruppersdorf und Frau von Ruhberg, geb. von Berge auf Böhla bei Ortrandt. Die Frau Kammerherrin von Nostitz übernahm es durch Vergleich mit ihrer Schwester allein und nach der erstern Tode kam es an deren einzige Tochter, Thuiska von Nostitz, verehelichte von Mayer.
Nach der letzteren Ableben stand es unter Administration des Herrn von Mayer auf Lieske und Ossling, welcher es später, und zwar im Jahre 1831, an Herrn Samuel Gotthelf Reichel aus Löbau verkaufte.
Der dermalige Besitzer aber ist Herr Edm. Lehmann.
Die Einwohner des Ortes nähren sich von Landbau und Spinnerei. Die Schafzucht ist unbedeutend, desgleichen Fischerei und Gänsezucht. Die Rinderzucht ist nur auf den Bedarf beschränkt und Pferdezucht giebt es gar nicht.
Von den Handwerkern existiren hier Schuhmacher, Schneider, Maurer und Zimmerleute, 4 Schmiede und mehrere Weber, so dass im Ganzen 46 Webstühle in Thätigkeit sind.
Ausserdem befindet sich im Orte ein Gasthof, 2 Wassermühlen, 4 mit Dienstgeld abgelöste Bauergüter, 6 Gärtnernahrungen, 10 Feldhäuslernahrungen, 22 Häusler auf der Aue, zusammen 46 Wohnungen.
Eine besondere Kirche hat der Ort Ottenhain nicht, vielmehr ist solcher mit Tiefendorf, Körbigsdorf, Alt-Löbau, Oelsa, Ebersdorf, Gross-Schweidnitz nach Löbau eingepfarrt, dagegen besitzt Ottenhain ein eigenes Schulhaus, worüber den beiden Gerichtsherrschaften von Ottenhain das Besetzungsrecht zusteht.
Die ersteren Ansiedelungen in hiesiger paradiesischer Gegend erfolgten von den Sorben und die Sage von dem Sorben-Häuptling Mlink oder Monk und seiner Geliebten, nachherigen Gattin Mary lebt noch im Munde des Volkes. Er, Monk, soll an der Spitze seines Volksstammes die Urwälder gelichtet und den ersten Ort Alt-Löbau angelegt haben, und von diesen Ansiedlern wurden auch die Orte Gross-Schweidnitz und Ottenhain erbaut, wiewohl einige Chronikschreiber sogar behaupten wollen, dass Ottenhain schon vor den Sorben erbaut gewesen sei, so dass es also einer der ältesten Orte hiesiger Gegend sein müsste.
Oestlich vom obern Rittergutshofe befindet sich unmittelbar unter der Chaussee beim Stundensteine ein starker und guter Quell, dessen Wasser im Dorfe entlang fliesst und mit Zufluss einer Menge anderer, zum Theil mineralischer und eisenhaltiger Quellen am Ende des Dorfes unter demselben die sogenannte Crummbach bildet, welche sich bei Ebersdorf ins Löbauer Wasser ergiesst.
In und bei dem Dorfe befinden sich mehrere Granit- und Basaltbrüche.
Niederottenhain gehört mit seinen Bewohnern zum Gerichtsamt Löbau.
Anmerkungen (Wikisource)
- ↑ die 8 ist handschriftlich eingetragen
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