Album der Schlösser und Rittergüter im Königreiche Sachsen IV. Section/H10
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Das grosse Dorf Langenau liegt in dem Amte Freiberg des Erzgebirgischen Kreises. Es zerfällt in Ober- und Nieder-Langenau, und jedes derselben hat ein amtsässiges Rittergut; die verschiedenartige Benennung der Dorftheile bezieht sich indess nicht auf ihre gegenseitige Lage, sondern eben nur auf die beiden Rittergüter, von denen wir hier das oben benannte beschreiben wollen, soweit dies gesondert bei zwei so eng verschmolzenen Theilen möglich ist.
Langenau, welches im alten Gemeindesiegel Lagna heisst, liegt am obersten Theile der Striegnit; diesen Namen nimmt das bei Langenau fliessende Gewässer erst bei St. Michaelis an. Von Freiberg ist Langenau gegen Südsüdwest 2 bis 2½ Stunde entfernt und eben so weit gegen Osten von Oederan, und ¾ bis 1¼ Stunde von Brand südwestlich, an der Strasse von Freiberg nach Zschopau, so wie an der von Zöblitz nach Blumenau. Jene läuft quer durch das Niederdorf, diese eben so durch das Oberdorf. Die Höhe Langenau‘s, beider Theile, über der Meeresfläche, geht von 1400 bis gegen 1700 Fuss. Diese bedeutende Verschiedenheit hat zur Folge, dass auch das Clima an beiden Enden des Ortes sehr verschieden ist.
Das Dorf hat den Namen von seiner grossen Länge, denn es dehnt sich 1¼ Stunde lang hin, in dem ersten Drittel die Richtung von Südsüdwest nach Nordnordost verfolgend, dann aber meist von Südosten nach Nordwesten, so dass es im Ganzen einen scharfen Bogen beschreibt.
Doch nicht blos wegen seiner Länge ist Langenau gross, sondern auch wegen seiner Einwohnerzahl, denn in mehr als 300 Häusern hat es über 2200 Seelen, so dass es nächst Collmitz das stärkste Dorf im Amte ist. Von seinen Einwohnern gehören einige unter das Bergamt Freiberg. Die jährliche Durchschnittszahl der Geburten beträgt 65–70, die der Todesfälle 45–55.
Die weitgedehnte Flur gränzt südlich mit Gross-Hartmannsdorf, nordwestlich mit dem Ober-Reichenbacher Gebiet, südwestlich mit Gränitz und Klein-Hartmannsdorf und in den übrigen Theilen mit Waldungen.
Ober-Langenau zählt ausser dem Rittergute 17 Güter, 47 Gärtner und 27 Häusler, von denen 4 Zechhäuser unter das Bergamt Freiberg gehören. Ausserdem hat es noch einen Zainhammer und einen Hufschmied. Auch mehrere Mühlen, so wie zwei Hammerwerke, am Anfange der grossen Strigis und am Fusse der Langenauer Höhe gelegen, gehören dazu.
Unter den Gütern sind einige sehr ansehnlich und wohlgebaut. Sie besitzen zusammen 13½ Magdeburger Hufe. Die Einwohner treiben starke Viehzucht, doch gewährt ihnen auch der bedeutende Flachsbau eine ergiebige Einnahme. Einige der Einwohner treiben auch nicht unbedeutenden Handel und beschäftigen zum Theil viele Menschen durch Spitzenklöppeln und Bandmachen.
Das Rittergut ist nicht sehr bedeutend, auch haben die Einwohner das früher ausgeübte Schaaftriftrecht so wie das Zwanggesinderecht abgekauft; indess besitzt es etwas Wald und einige Teiche, letztere besonders in dem Grunde, der östlich in das Grubenholz ausläuft.
Ober-Langenau und Nieder-Langenau machten früher nur eine Besitzung aus, doch im Jahre 1766 wurden sie getrennt. Das obere Gut besass seitdem im Jahre 1820 die Familie Köhn, und das untere Herr Rudolph, der im Jahre 1833 beide Güter besass, ohne sie jedoch wieder vereinigt zu haben. Gegenwärtig ist Ober-Langenau im Besitz des Herrn von Oelschlägel, der indess nicht auf dem Gute selbst wohnt, sondern königlicher Postmeister in Tharand ist.
In der Collatur von Kirche und Schule alterniren beide Güter mit einander.
Die Kirche, ein ansehnliches und stattliches Gebäude, steht ziemlich in der Mitte des Dorfes, zwischen beiden unfern von einander gelegenen Rittergütern. Eingepfarrt ist dahin das Dorf Ober-Reichenbach, so wie das Freigut Münchs- oder Mönchsfrei, im Munde des Volks gewöhnlich nur der Frei genannt. Ihre Entfernung ist 2⅛ Stunden von Oederan, 1 Stunde südwestlich von Brand, ⅝ Stunden ebenfalls südwestlich vom Himmelsfürsten, und ihre Höhe über der Meeresfläche beträgt 1400 Par. Fuss. Die Kirche wurde 1663 und dann wieder 1705 renovirt, die Pfarrgebäude aber 1688. Vor der Reformation gehörte die Pfarre zur Sedes Freiberg der Meissner Dompropstei.
Gränitz war früher Filial von Langenau, dürfte aber wohl erst seit der Reformation dazugeschlagen sein, denn vor derselben machten die zahlreichen Wallfahrer, welche alljährlich das dortige Gnadenbild besuchten, dem man wunderthätige Kräfte zuschrieb, es nöthig, einen eigenen Priester zu halten. 1614 wurde indess Gränitz zur eigenen Parochie erhoben, was weiter keinen Vortheil hatte, als die vielen elenden Pfarrstellen Sachsens um eine neue zu vermehren.
Jedes der beiden Rittergüter hatte bis zu der neuesten Aenderung unserer Gerichtsverfassung ein eigenes ansehnliches Erbgericht, Gasthofsnahrung und andere Emolumente.
Oestlich von Langenau befinden sich mehrere Silbergruben, besonders in dem sogenannten Grubenholze, welches wohl eben davon seinen [74] Namen hat. Auf der Flur von Langenau sind ausser der ziemlich beträchtlichen Hoffnung-Gottes-Fundgrube nur wenige Eigenlehnerzzechen; indessen beschäftigt der Bergbau dennoch über 300 Einwohner.
Oestlich von Langenau erstreckt sich das Grubenholz, zu welchem man gewöhnlich auch das Freiholz rechnet, obgleich es eigentlich nicht dazu gehört. Aus diesen Waldungen, die zum grössten Theile königlich sind, empfangen die meisten Zechen ihr Gruben-Zimmerholz, theils umsonst, theils gegen Freikuxe, welche Holzkux genannt werden, theils gegen billige Zahlung.
Die Gehölze bedecken eine sehr coupirte, hochgelegene Gegend. In ihrem Umkreise befinden sich viele, mitunter sehr ansehnliche Bergwerksteiche und der Hochbirkner- so wie der Erbisdorfer Kunstgraben beröhren sie.
Unter den verschiedenen Gruben, welche dieser Wald umschliesst und die ihm seinen Namen gegeben haben, sind besonders das Unterhaus Sachsen und Johannes-Fundgrube als starkbelegte Werke zu erwähnen.
Am östlichen Rande des Grubenholzes befindet sich die Wohnung des königlichen Aufsehers über die Kunstgräben dieser Gegend, des Röschen-Kunstmeisters; sie ist nach Berthelsdorf eingepfarrt. Ein zweiter Aufseher hat seine Wohnung in dem Dorfe Dörenthal.
Südöstlich von dem Dorfe Langenau erreicht das hiesige Gebirge seine höchste Höhe; sie beträgt 1800 bis 1900 Pariser Fuss über der Meeresfläche und man geniesst von ihr eine weite und sehr interessante Aussicht nach Frauenstein, Nassau, Gross-Walthersdorf, Freiberg und vielen andern Orten.
Die Geschichte von Langenau geht bis zu dem Jahre 1185 zurück. In diesem Jahre schenkte Markgraf Otto der Reiche einem gewissen Ekkard Land, um es urbar zu machen und in der darüber ausgestellten Urkunde werden die Markungen des Ortes Langenau (Langenae) als Grenze bezeichnet.
Besitzer beider Güter war gegen das Ende des 16. Jahrhunderts die Familie von Hartitsch. Im Jahre 1792 besass Ober-Langenau Hans Heinrich von Schönberg auf Tanneberg.
Von einem schmalen, halbinselförmigen Bergvorsprunge blickt stolz und stattlich das Schloss Wildenfels herab auf das umliegende Thal, das freundlich, fruchtbar und reichbevölkert ist, wie wenige in dem schönen Sachsenlande, und dessen Gauen beinahe durchgängig Besitzthum der Herren von Wildenfels sind, der Grafen von Solms-Laubach-Wildenfels, oder Solms-Wildenfels, eines der ältesten und berühmtesten Dynastengeschlechter Sachsens nicht nur, sondern Deutschlands überhaupt.
Die Lage von Wildenfels ist ungemein lieblich, wenn auch still und verborgen. Beschränken auch umliegende Höhen den Blick in die Ferne, so vergisst man das gern über der durch Kunst verschönerten reichen Natur. Zu beiden Seiten von Höhen gegen die rauhere Witterung geschützt, die das benachbarte Hochland heimsucht, erwacht der Frühling in dem freundlichen Thale von Wildenfels früher als ringsumher. Das dunkle Grün des Nadelholzes mischt sich mit den lichteren Tinten der Laubhölzer, üppiger Pflanzenwuchs bekleidet Berg und Thal und durch den blumigen Wiesengrund schlängelt sich ein rauschender Bach bis zu dem einzeln stehenden Bergkegel auf dem das Schloss erbaut ist, dessen Mauern auf der einen Seite einen jähen Abgrund überragen.
Schattige Gänge führen hinauf bis zur Höhe des Schlossberges, von welchem man einer erweiterten Aussicht über die untenliegenden Fluren, Gärten, Wiesen und Gebüsche geniesst.
Um den Schlossberg ziehen sich die schönen Parkanlagen und an denselben liegt der meist in Terrassen abgestufte Schlossgarten, in welchem ein reich ausgestattetes Gewächshaus Erwähnung verdient und ein hundert Fuss langes Feigenspalier als eine, besonderes für diese Gegend, aussergewöhnliche Erscheinung betrachtet werden darf.
Die reiche Flora dieser Gegend bietet dem Botaniker eben so reiche Ausbeute, wie für den Geognosten und Mineralogen die Berge durch Formation und Producte von hohem Interesse sind. Sie gewähren reiche Kalk- und Marmorbrüche, und die Menge verschiedenartiger fossiler Muschelthiere legt unwiderlegliches Zeugniss dafür ab, dass einst des Meeres Fluthen hier rauschten.
Unter den zahlreichen Marmorbrüchen verdient besondere Erwähnung der dem Staate gehörige schwarze Marmorbruch, der einzige in Sachsen. Er liefert nicht nur sehr schönes Material, welches stark bei dem Bau der katholischen Kirche in Dresden verwendet wurde, sondern ist auch merkwürdig durch eine vielverzweigte Höhle mit Tropffstein-Bildungen.
Der Marmor der Gegend von Wildenfels ist aschgrau, bläulichgrau, gelblichweiss, fleischfarben und schwarz mit weissen Adern und Punkten. Er ist zwar von schöner Zeichnung und guter Qualität, wird aber dennoch grösstentheils zu Kalk verbrannt, denn nicht in allen Brüchen eignet er sich zu Bildhauer-Arbeiten und nur selten finden sich grössere Stücken. Dennoch ist er zu einem Mausoleum in Zelle bei Nossen vorzugsweise verwendet worden.
Auch dem Geschichtsforscher bietet Wildenfels eine grosse Merkwürdigkeit. Es sind dies eine Anzahl Schieferplatten, welche 1718 von [75] dem damaligen Pfarrer in Weissbach, M. Sinner, eine Stunde von Wildenfels, zwischen den Dörfern Weissbach und Hermsdorf oder Hermannsdorf, aufgefunden wurden, und jetzt in der gräflich Solms’schen Bibliothek zu Wildenfels aufbewahrt werden. Sie haben zu einem Monumente gehört, das einem Krieger zum Grabe diente, welcher hier im 11. Jahrhundert auf einem Zuge gegen die Sorben und Wenden fiel und einstweilen hier begraben wurde, um später von den Seinigen abgeholt zu werden, was indess unterblieb. Die Schieferplatten, die theils nicht vollständig, theils beschädigt sind, tragen die folgende Inschrift:
„Voer glabbe alla in ainen Got vade Vahan (hier folgen eine Krone, eine Geissel und ein Kreuz) diser hoge im tuszent and tri . . . nati Chrs. Da lait godsa hermin was of a man künglg anita vilil starn Amshabt and üm handa üm dar akogl haer um gumers din was dar boolbor. Daristam haldi laits tuai. Sgrab dar harmit ludot bottai. Dia hermundr barrte sundr fantan boolbor. Das awafab hargods. Das Gebad. Voder vnser du bist im Himel. Dein voill gescho...“
Nach einer Erklärung von J. G. Weiler soll diese Inschrift so zu übersetzen sein:
„Wir glauben Alle an einen Gott, Vater von (oder wegen) der Dornenkrone, der Geissel und des Kreuzes. Dieser Hügel ist im tausend und dritten (oder 13. oder 30.) Jahre nat. Christi. Da liegt Hermann welcher war ein königlicher Mann hienieden, viel (vortrefflich) regieret amtsschaft und umhanden darum er liegt am Ende des Eichhügels. Herr um deines Jammers willen war er wolgefahren. Der Stein enthält zwei Leute des Grabes in dessen Mitte sie gelegt wurden. Die Hermunduren (Kriegsmänner) wurden (sind) wohlgefahren (selig gestorben) auch ohne Mönchskutten.[1] Das war ihres Herrgottes wegen. Das Gebet. Vater unser u. s. w.“
Einige haben behauptet, dieser vornehme Krieger sei Hermann, Markgraf von Thüringen und Meissen, gewesen, indess soll nach angestellten Untersuchungen, die der Verein der sächsischen Alterthumsforscher angestellt hat, das Ganze nur eine Mystification sein, obgleich sich nur schwer errathen liesse, von wem sie ausgegangen und zu welchem Zwecke sie veranstaltet sein sollte.
Das Schlossgebäude besteht aus 2 Abtheilungen, deren jede ihren besondern Hof hat und durch die Bauart die Zeit verräth, aus der sie stammt. Die eine hat die antiken eckigen Formen des Mittelalters, die andere die Zierlichkeit und Leichtigkeit des modernen Geschmacks.
Von der Stadt aus führt eine lange Auffahrt zu dem vordern neuern Schlosse, in welchem sich die gräflichen Zimmer, die Kanzlei und die Bibliothek befinden.
Die hintere, ältere, Abtheilung enthält die Brauerei, die Brennerei und einen alten, 50 Ellen hohen Thurm. Sie ist mit einer Ringmauer umgeben, die wahrscheinlich noch von der ersten Erbauung herrührt.
Die Auffahrt ruht auf 3 Bogen, unter welchen sich Tropfsteinbildungen einer eigenthümlichen blätterigen Art ansetzen. Sie ist mit lauter schönen neuen Gebäuden eingefasst, Wagenremisen, Gärtnerwohnung, namenlich mit ausgezeichneten Stauungen.
Das Städtchen Wildenfels, das theils am Abhange des Schlossberges, theils am Fusse desselben erbaut ist, zählt etwa 300 Feuerstellen mit nahe an 3000 Einwohnern, deren Hauptnahrungszweige Leinen- und Cattun-Weberei und Strumpfwirkerei sind. Im Ganzen ist die Bevölkerung arm, denn der grösste Theil des Grundbesitzes ist in den Händen des Grafen von Solms; ausser diesem hat Wildenfels kaum 12 begüterte Bürger.
Der Name des Ortes soll nach der Behauptung Einiger daher entstanden sein, dass man in dem wilden Felsengrunde vergebens nach Erzschätzen gesucht habe. Diese Behauptung ist aber jedenfalls unbegründet, denn offenbar ist Wildenfels und dessen Benennung älter als der sächsische Bergbau, der allerdings hier nur wenig Ausbeute gewährte, als er bis Mitte des 17. Jahrhunderts auf Kupfer und Blei betrieben wurde. Jedenfalls verdankt Wildenfels seinen Namen nur seiner wilden felsigen Lage.
Bestimmte Nachrichten finden sich über den Ursprung des Ortes nicht, indess behauptet die Sage, das Schloss sei bereits im 5. Jahrhundert von einem edlen Römer begründet worden, der sich zu Geiserichs Zeiten hierher wendete, um seinen festen Wohnsitz hier zu nehmen. So viel steht indess fest, dass Wildenfels einer der ältesten Rittersitze des Landes ist, und dass auch das Städtchen schon früh erbaut wurde; denn schon im Jahre 1233 wurden in dem Stiftungsbriefe, den Herrmann von Schoninburch (Schönburg) dem Kloster Gerungiswalde ausstellte, als Zeugen Goncelinus, Ludolfus et Sifridus, Urbani de Wildenfels, genannt.
Schloss und Herrschaft Wildenfels werden noch früher erwähnt und zwar durch ihre Besitzer in einer thüringischen Urkunde vom Jahre 1119. Diese nennt die Brüder Christian und Unarg, indess lässt sich nicht genau bestimmen, ob sie von Widenfels oder nur von Wilden hiessen.
Von Einigen ist behauptet worden, dass ein von Wilden das Schloss erbaut und nach sich benannt habe, weil sowohl sein Geschlecht als auch die Herrschaft eine Rose im Wappen führen; allein eben so gut kann auch der Name und das Wappen von dem Erwerber der Herrschaft angenommen worden sein.
So viel scheint ausgemacht, dass Wildenfels früher zu der Reichsgrafschaft Hartenstein gehörte, und dass die Grafen es ihren Vasallen, denen von Wildenfels, zu Lehen gaben, darauf einige Zeit selbst benutzten und endlich nicht gleich anderen Besitzungen an Veit von Schönburg abtraten. Wildenfels kam daher als Reichsherrschaft in den Besitz der Voigte von Weyda und später an den Grafen Heinrich von Schwarzburg. Zwar gelangten die von Wildenfels nach längerer Zeit wieder in den Besitz der Herrschaft, allein die Landeshoheit wussten die Kurfürsten Moritz und August, so wie deren Nachfolger, zu gewinnen, obgleich [76] darüber vor dem Reichskammergerichte über 100 Jahre lang ein Process geführt wurde.
Erst die Grafen von Solms erkannten 1706 diese Landeshoheit förmlich an, indem sie sich zur Leistung einer unbedeutenden Abgabe verstanden. Seitdem ist Wildenfels dem Amte Zwickau als Mittelbehörde überwiesen, doch muss dasselbe alle königlichen Rescripte versiegelt an den Standesherrn gelangen lassen.
Hanns und Heinrich von Wilden oder Wildenfels, Brüder, trugen im Jahre 1356 die Herrschaft Wildenfels mit allen Zubehörungen dem Kaiser Karl IV., als König von Böhmen, zu Lehn an und seitdem war sie eigentlich böhmisches Lehn geblieben, indess wurde davon später keine Notiz mehr genommen.
Durch Brand wurde Wildenfels mehrere Male sehr empfindlich betroffen; so brannte 1521 am Montage nach Viti das Schloss nebst einigen Häusern und Ställen und einem grossen Theile der Stadt ab; 1589 wieder das vordere Schloss, die Kirche und einige andere Gebäude; 1636 äscherte ein gewaltiges Feuer 34 Häuser ein, d. h. den grössten Theil des Ortes, denn dieser zählte im Jahre 1706 nicht mehr als 75 Häuser mit 550 Einwohnern.
Auch von der Pest wurde Wildenfels heimgesucht, und zwar hauptsächlich im Jahre 1632, wo oft in einem Hause täglich 3 bis 7 Menschen starben und 1641, wo der Ort so stark entvölkert wurde, dass 1642 nur 4, 1643 nur 8 und 1644 gar nur 2 Leichen aus der ganzen Stadt zu begraben waren.
Ungeachtet seiner von lebhafterem Verkehr und grösseren Landstrassen entfernten Lage wurde Wildenfels selbst von den Drangsalen des Krieges nicht verschont, namentlich fügten ihm im dreissigjährigen Kriege Stritzys Dragoner grossen Schaden zu.
Im Besitze von Wildenfels folgten der langen Reihe von Jahren ungeachtet nur wenige Geschlechter.
Die ältesten Besitzer von Schloss und Herrschaft, deren die Geschichte Erwähnung thut, waren, wie bereits oben gesagt wurde, die von Wildenfels, die sich bald Freiherren, bald Edle oder Pannerherren, bald Grafen nannten.
Aus diesen wird 1119 Onarg oder Unarg genannt, der in diesem Jahre ein grosses Turnier in Göttingen besuchte; – 1222 Heinrich von Wildenfels; – 1226 eine Jutta; – 1254 Ritter Heinrich; – 1296 ein Onarg; – 1306 ein Walther von Wildenfels, genannt Wolkenburg; – 1308 ein Heinrich; – 1322 verkauften Johann und Unarch Schedewitz an den Abt von Grünhain. Es werden dann viele Heinrich, Hanns und Unarch genannt, die sich aber nicht von einander unterscheiden lassen; – 1360 verkauften die Brüder Heinrich, Hans und Unarch von Wildenfels mehrere Güter in Reinsdorf, die jetzt im Besitze des Amtes von Zwickau sind, an das Kloster zu Grünhain. 1392 waren Heinrich und Johann von Wildenfels Ritter vom Georgenschilde. 1401 verkaufte Wenzel von Wildenfels das Dorf Grün und verschiedene Gefälle an das Kloster Grünhain. 1408 begaben sich Unarch und Heinrich von Wildenfels aller Ansprüche an das Kloster zu Zelle, wenn der Propst zu St. Moritz in Naumburg sie vom Banne lossprechen wollte.
Dies ist die letzte Nachricht von der ersten Wildenfelser Dynastie auf Wildenfels. Vielleicht, wahrscheinlich sogar, ging des verhängten Bannspruches wegen die Herrschaft für das Geschlecht Wildenfels verloren, indess blieben dessen Mitglieder, wie aus anderen Nachrichten hervorgeht, noch immer angesehen und reichbegütert im Lande; auch übten die Wildenfels, wie wir weiter unten zeigen werden, noch immer gewisse Rechte in der Herrschaft aus, während dieselbe in anderem Besitz war, und es lässt sich daher vermuthen, dass diese auf die Wildenfelse folgenden Besitzer die Herrschaft pfandweise inne hatten. Dies scheint auch daraus hervorzugehen, dass Conrad von Tettau, den wir bereits 1410 im Besitz der Herrschaft von Wildenfels sehen, sich nicht Herr von Wildenfels nannte, sondern nur auf Wildenfels gesessen. Auch war sein Wappen weder das der Herrschaft noch das jetzige seines Geschlechtes, sondern ein Hirschgeweih und eine Standarte. Wildenfels kam von den Tettaus sehr bald an die Pflugk. Nicol Pflugk nahm Wildenfels und das Dorf Pobecken von dem letzten Meissener Burggrafen aus dem Hartensteiner Stamm zu Lehn, und 1427 empfing er die Lehn von dem Kurfürsten, der aber die Hoheit über Wildenfels 1428 an den Burggrafen Heinrich I. aus dem Stamme der Reuss-Voigt abtrat.
Wildenfels wurde darauf von dem Enkel Nicol Pflugks an den Burggrafen verkauft und durch diesen 1454 an dessen Stammvetter Heinrich[WS 1] Voigt von Weyda. 1480 empfingen es die 3 Brüder Heinrich von Weyda, die 1487 wegen der Flüsse mit der Stadt Zwickau Fehde führten. Heinrich der Jüngere, der die ganze Herrschaft erworben hatte, übergab dieselbe 1533 an den Kurfürstl. Geh. Rath Hans Heinrich von Schwarzburg, der sie aber schon 1536 an Anark von Wildenfels, Herrn zu Ronneburg und Schönkirchen, verkaufte, wodurch also die Herrschaft zum zweiten Male in den Besitz dieses Geschlechtes kam, bei dem sie dann bis zu dessen Erlöschen verblieb. Dass dasselbe sich übrigens, wie oben erwähnt wurde, Rechte vorbehalten haben musste, geht daraus hervor, dass 1442, also zu der Zeit, als Wildenfels sich in andern Händen befand, die Brüder Unarch und Friedrich von Wildenfels den Heinz von Remse mit Zinsen in Ober-Ortmannsdorf beliehen und dass 1450 Heinrich von Wildenfels sogar Besitzer von Wildenfels genannt wird.
Der neue Besitzer, Anark von Wildenfels, erhielt 1517 von Kurfürst Friedrich dem Weisen, dessen Pathe er war, Schloss, Stadt und Herrschaft Ronneburg zum Geschenk, war auch schon im Besitz von Schönkirchen und schrieb sich Herr zu Wildenfels, obgleich er dieses, wie wir sahen, erst später durch Kauf erwarb. Er war übrigens ein ausgezeichneter Mann, und verdient besonders deshalb genannt zu werden, weil er dem Kurfürsten Johann dem Beständigen zur Reformation viele und wichtige Dienste leistete. Er starb 1538 und liegt in der Kirche zu Härtensdorf, das mit Wildenfels in näherem kirchlichem Verbande steht, begraben. Noch jetzt ist dort sein Epitaphium zu sehen.
Gleich rühmliche Erwähnung verdient Unarch Friedrich von Wildenfels, ein sehr gelehrter Mann, der 1575 Rector magnificus in Jena [77] war, als protestantischer Reichsstand die formula concordiae mit unterschrieb, und ein thätiges Mitglied der Commission war, die 1593 zu Torgau niedergesetzt wurde, um die Crell’sche Angelegenheit zu untersuchen. Er starb 1602 zu Prag, seine Leiche wurde aber nach Härtensdorf gebracht und dort in der Kirche begraben, wo er in Lebensgrösse in Stein ausgehauen ist.
Er hatte mit dem Grafen Johann Georg I. von Solms-Laubach und dessen Bruder Otto zu Sonnenwalde, ein pactum sucessorium über die Herrschaft Wildenfels abgeschlossen, und da er keine Leibeserben hinterliess, kam Wildenfels an das Geschlecht der Grafen von Solms, bei dem es auch ununterbrochen geblieben ist. Ronneburg dagegen fiel als erledigtes Lehn, an die Kur zurück.
Es wurden mit Wildenfels 7 Brüder und Vettern Solms belehnt, und ausserdem waren noch 8 andere Mitbelehnte.
Vor den Solms besass ein Veit von Uttenhofen Wildenfels auf ganz kurze Zeit unterpfändlich. Dann aber blieb es ununterbrochen bis zum heutigen Tage in dem Besitz der Grafen von Solms und ist von seinen Besitzern besonders zu nennen der königl. Preussische General-Major, Graf Heinrich Wilhelm, und dessen Sohn, der sehr verdiente Landeshauptmann, Graf Friedrich Ludwig zu Solms-Sachsenfeld.
Die Grafen von Solms-Wildenfels gehören auf den Landtagen zum ersten Stande (Prälaten, Grafen und Herren). Sie haben für ihre Vasallen einen eigenen Lehnshof, bei denen der merkwürdige Brauch herrscht, dass die Lehne vor Sonnenaufgang genommen werden müssen, wenn sie nicht verlustig gehen sollen. Die Civilverwaltung führt das im Schlosse befindliche Amt, auch hat der Graf einen oder einige Kammerräthe. Die Collatur übt er über sieben zu der Herrschaft gehörende Pfarrstellen aus, und zwar: Wildenfels mit Härtensdorf, combinirt, und mit zwei Pfarrern, Friedrichsgrün, Reinsdorf mit zwei Pfarrern, Ortmannsdorf und Weissbach.
Zu den Nebenbesitzungen von Wildenfels gehören die Vorwerke Charlottenhof und Carolinenhof, eine Schäferei bei Friedrichsgrün, der sehr schöne Schlossteich, der 500 Ellen lang und 300 Ellen breit ist, und einige Mühlen; (Ernts-Mühle, – Königs-Mühle, – rothe Mühle, – Teich-Mühle.)
Die Stadt Wildenfels, zum erzgebirgischer Kreise gehörend, liegt im 30° 17’ der Länge und 50° 39–30½’ der Breite, zwischen dem Zschockenbache und dem Härtensdorfer Wasser, 2¼ Stunde westlich von Zwickau, 2¼ Stunde südöstlich von Schneeberg, 1 Stunde nordnordwestlich von Hartenstein, 1¾ Stunde westlich von Kirchberg, und ¾ Stunde nordwestlich von Wiesenburg entfernt. Sie hat zwar im Osten ein Thor, auch zwei Vorstädte, ist aber sonst ganz offen. Gebaut ist das Städtchen zwar nett aber keinesweges schön; auch hat es nur wenige erwähnenswerthe Gebäude; dahin gehören eine Papiermühle oberhalb der südöstlichen Vorstadt, das innerhalb dieser gelegene Schiesshaus, und eine Bildhauerwerkstatt. Denn Wildenfels hat seit vielen Jahren einen Bildhauer gehabt, und darunter den nicht unberühmten Gebert, der 1809 das Monument für die Begräbnisskapelle zu Altzelle fertigte. Diesem Bildhauer müssen, wenn er es verlangt, alle grösseren, in den hiesigen Marmorbrüchen gewonnenen Marmorblöcke überlassen werden.
Wildenfels hält alljährlich am Montage nach Johannis einen Markt, ausserdem aber hat es einen wöchentlichen Gemüse- und Getreide-Markt.
Wildenfels hat 2 Schulen, die Hauptschule mit dem Diaconus und dem Cantor, in zwei Classen, und das 1772 gegründete Tertiat in einer Classe, mit dem Collegia Tertius. Beide Schulen zusammen haben zwischen 4 und 500 Schüler. Indess beabsichtigt man den Bau eines neuen Schulhauses mit 4 Classen und vier Lehrern.
Die Kirche liegt ziemlich hoch, am östlichen Rande der Stadt, 1100 Pariser Fuss über dem Meere. Sie ist alt und unansehnlich, im Innern mit schlechten Gemälden überladen, hell und freundlich, jedoch für das Bedürfniss der Gemeinde zu klein. Unter den vielen schlechten Bildern verdient jedoch eine rühmlichere Erwähnung ein Gemälde, welches der in Wildenfels geborene Hofmaler Vogel von Vogelstein aus Italien schickte, um dadurch seiner Vaterstadt ein Andenken an seine Kindheit zu verehren. Dieses Gemälde ist indess nicht, wie an einigen Orten behauptet wurde, Altarblatt.
Die Kirche wurde erst von 1577 bis 1580 erbaut, und der Thurm gar erst 1601. Bis dahin hatte Wildenfels keine eigene Kirche gehabt, sondern nur eine Kapelle im Schlosse, war übrigens aber nach Härtensdorf eingepfarrt gewesen.
Als die Kirche bei dem grossen Brande eingeäschert war, wurde sie erst 1606 wieder eingeweiht. 1633 wurde das Erbbegräbniss der Grafen von Solms daran angebaut. Die erste darin beigesetzte Leiche war die der Gräfin Anna Maria, der Gemahlin des damaligen Besitzers. Der baufällig gewordene Thurm wurde 1822 abgetragen und 1823 höher wieder neu aufgebaut.
Die kirchlichen Verhältnisse von Wildenfels sind in Folge früherer Einrichtungen eigenthümlicher Art. Es ist danach die Kirche von Härtensdorf die Mutterkirche von Wildenfels. Das Kirchenvermögen, das Pfarrgut und der zu demselben gehörige Wald, sind deshalb auch noch jetzt beiden Kirchen gemeinschaftlich. Bis 1835 wurde der Hauptgottesdienst für beide Gemeinden abwechselnd in einer der beiden Kirchen gehalten; da sie sich aber für den Besuch der Gläubigen zu klein zeigten, wird seitdem jeden Sonntag in beiden Kirchen Gottesdienst gehalten und die Geistlichen alterniren dabei gegenseitig.
Bis zur Erbauung der Kirche in Wildenfels musste der Pfarrer zu Härtensdorf für die Schlosskapelle einen Kapellan halten.
Der Kirchhof, der auf einem Hügelabhange am östlichen Ende der Stadt liegt, wurde erst 1620 angelegt. Bis dahin waren die Bewohner von Wildenfels nach Härtensdorf begraben worden. Nach der Volkssage wurden die Opfer der Pest auf einem eigenen Platze beerdigt, der am schönauer Bach, nahe der Ernstmühle, liegt und noch jetzt der Pestacker heisst.
Die Standesherrschaft Wildenfels besteht aus zwei abgesonderten Theilen, die indess nur ¼ Stunde auseinander liegen. Es gehören zu derselben ganz oder theilweise die Ortschaften Weissbach mit Hermersdorf, [78] Neudörfel, Wildenfels, Friedrichsthal, Heinrichsort, Friedrichsgrün. Diese drei letztgenannten Ortschaften sind auf herrschaftlichem Grund, meist erst im vorigen Jahrhundert, erbaut und haben viel zu dem schnellen Wachsthum der Bevölkerung beigetragen. Ferner die grossen Dörfer Reinsdorf, Ortmannsdorf und Härtensdorf; grössere oder kleinere Antheile von Zschocken, Schönau, Pöhlau und Neudörfel bei Schneeberg. Zu Härtensdorf gehört der kleine Ort Neusorge und zu Reinsdorf der einzeln gelegene Gasthof beim Freitag.
Die Herrschaft grenzt westlich mit den Aemtern Wiesenburg und Zwickau, nördlich an die Schönburgischen Herrschaften, östlich und südlich an eben dieselben, besonders Hartenstein und Stein, südöstlich auch in geringer Strecke an das Amt Schwarzenberg. Sie hat im Ganzen einen Flächenraum von 1¼ □Meilen. Die Seelenzahl beträgt zwischen 7 und 8000, war aber nach einer Zählung im Jahre 1801 nur 5105.
Der höchste Punkt der Herrschaft liegt am südöstlichen Ende von Weissbach und ist 1760 Par. Fuss über dem Meere; der tiefste ist der Muldenspiegel bei Weissbach. Von den Ortschaften liegt Härtensdorf am höchsten; auch Heinrichsdorf liegt hoch und rauh, doch ist das Klima im Allgemeinen milder, als sich bei der Nähe des Hochgebirges erwarten lässt.
Der Boden ist bergig und abhängig, daher steinig, im Ganzen doch ziemlich fruchtbar.
Von den Bergen nennen wir den Koberberg bei Heinrichsort, die lange Wand bei Ortmannsdorf, den Zschockenberg bei Zschocken, den Steinberg bei Hartmannsdorf und einen andern Steinberg bei Reinsdorf, den Henneberg an der Mulde, den Aschberg, den Katzenberg und die Augustushöhe, die zuletzt fast kegelförmig ansteigt, und auf deren Gipfel ein Belvedere errichtet ist, das den Namen mit der That trägt.
Von Gewässern sind ausser der Mulde nur verschiedene Bäche zu nennen: der Zschockenbach, der Härtensdorfer Bach, der Vielauer Bach, das Reinsdorfer Wasser, der Mülsenbach und der Weissbach. Ausserdem giebt es zwar zahlreiche Teiche, aber mit Ausnahme des bereits erwähnten Schlossteiches sind sie sämmtlich unbedeutend.
Die Waldungen sind ziemlich beträchtlich, besonders der Wildenfelser Wald, gemischt von Tannen, Fichten und Buchen, der sich bis zur Mulde und in die Nähe von Stein zieht und längs der Mulde die Brandleite genannt wird. Dann auch der Solmsische Wald.
Bei Reinsdorf gräbt man Steinkohlen; ausserdem wird kein Bergbau betrieben, die Mineralprodukte aber sind interessant, denn ausser den verschiedenen Marmorarten findet man Grauwacke und Mandelstein; bei Weissbach fand man ehemals Kupfer, vermuthet auch daselbst Eisenstein; Malachit kömmt bei Zschocken vor, Basalt bei Ortmannsdorf und Härtensdorf. Mineralquellen giebt es bei Reinsdorf, eisenhaltige Quellen bei Ober-Härtensdorf und Schönau.
Die Landwirthschaft beschäftigt sich besonders mit Klee- und Hopfenbau, viel mit Obstbau (besonders bei Reinsdorf, das einer einzigen grossen Obstpflanzung gleicht), weniger mit Flachs- und Hanfbau. Kartoffeln werden reichlich gezogen, das Getreide aber reicht zum Bedarfe nicht aus.
Die Viehzucht ist nicht unbedeutend und die zahlreichen Kalkbrennereien geben den Bewohnern Gelegenheit zum Verdienst.
Schönfeld liegt zwei Stunden südwestlich von Wolkenstein, eine Stunde von Annaberg, eine Stunde von Geyer und eine halbe Stunde von Ehrenfriedersdorf in einem flachen unterwärts recht angenehmen Grunde, welcher den kleinen Bach, der am obern Ende des Dorfes entspringt, in südlicher und südöstlicher Richtung nach der Zschopau unweit Wiesa hinabführt und dabei an Höhe sehr rasch abnimmt. Der Ort befindet sich an der Chaussee zwischen Leipzig und Annaberg 1440 bis 1800 Fuss über dem Meere. Die niedrigst gelegenen Häuser des Dorfes Schönfeld stehen schon im Zschopauthale, wo sie zwar eine höchst romantische Lage haben, aber auch bei Hochwasser in nicht geringe Gefahr gerathen, wie es zum Beispiel in den Jahren 1563 und 1661 geschah, wo die Fluthen der Zschopau hier grosses Unheil anrichteten. Das Dorf ist über eine halbe Stunde lang und zählt in einigen sechszig Häusern etwa fünfhundert Bewohner, die sich mit Bergbau, Spitzenklöppeln, Spinnerei und Viehzucht beschäftigen. Der Ackerbau der Dorfinsassen ist jedoch nicht beträchtlich, da sie nur wenig Feld besitzen, indem fast alles Areal dem Rittergute gehört; weit bekannt aber ist der Schönfelder Flachsbau, auch giebt es hier vortreffliche Wiesen. Im Orte befinden sich ein schöner, erst in neuerer Zeit erbauter Gasthof und zwei Mühlen mit vier Gängen, von denen die sogenannte Niedermühle am Ausflusse
[79] des schon erwähnten Bächleins in die Zschopau liegt. Die oberen Häuser lehnen sich an die Südseite des von hier aus steil aufsteigenden Schusterberges, der weiter hin nach Norden mit dem Sauberge eine Schlucht bildet, welche ein sehr rauhes Klima enthält. Der Schusterberg liegt 2200 Fuss über der Meeresfläche und hat einen bewachsenen Gipfel mit einigen freistehenden Gneusklippen, von denen man eine herrliche Aussicht geniesst. Man erblickt von hier den Scheibenberg, Bärenstein und Pöhlberg, die Städte Annaberg, Buchholz und Scheibenberg, die Dörfer Müldenau, Rückerswalde und andere. Einen besonderen Reiz gewinnt die Aussicht vom Schusterberge durch die waldigen Zschopaugründe bei Wiesa, das mit seinen beiden Kirchthürmen und dem Thurme des Edelsitzes sich hier ganz vortrefflich präsentirt. Am Schusterberge, über den eine gut chaussirte Strasse nach Annaberg führt, finden sich alte Spuren von Bergbau, wahrscheinlich auf Eisen. – Ein noch höherer Berg, nordöstlich von Schönfeld gelegen, heisst der Schottenberg.
Das hiesige amtsässige Rittergut liegt in der Mitte des Dorfes und hat seit einem im Jahre 1806 stattgefundenen Brande schöne neue Gebäude erhalten, die mit einem Thürmchen, einer Schlaguhr und Blitzableitern versehen sind. Das Gut gehört ohne Zweifel, wenn auch nicht zu den grössten doch zu den schönsten Rittergütern des Erzgebirges, hat bedeutende Brauerei und Brennerei, starke Rindviehzucht, eine kleine aber treffliche Schäferei, ziemliches Holz und einige im Grunde gelegene Teiche. Auf dem Gute haftet auch das Bergreale auf Zinn und andere bergmännische Produkte, weshalb es eigene Berggerichte erhielt und wenn es Zechen verleiht den rauhen Zehnten zu erhalten hat.
Die älteste Nachricht über Schönfeld reicht bis zum Jahre 1381 wo Ritter Heiderich von der Wiesa mit dem Rathe zu Geyer wegen eines Stückes Wald verhandelte, und deshalb auf sein Rittergut Schönfeld vierzig Schock Groschen lieh. Funfzig Jahre später besass das Gut Hans von Schönberg und 1493 Georg von Schönberg, der es um diese Zeit an Friedrich von Schönberg vertauschte. In der Mitte des 16. Jahrhunderts kam Schönfeld an Hans von der Oelsnitz, welcher das Gut 1553 an den Stadtrath zu Annaberg verkaufte, der es später der Familie von Nostiz überliess. Von den Nostizen kam Schönfeld um 1650 an den böhmischen Edelmann von Stammbach, später wiederum an die Nostitze, denen es noch zu Ende des vorigen Jahrhunderts gehörte, und endlich an die alte Annaberger Patrizierfamilie Eisenstuck, die es noch jetzt besitzt. Der jetzige Besitzer ist Herr Regierungsrath Reiche-Eisenstuck in Annaberg. Unter den Schicksalen, welche Schönfeld im Laufe der Jahrhunderte betrafen, ist besonders eine schreckliche Pest zu erwähnen, die 1634 über hundert Menschen in das Grab stürzte. Die grosse Wasserfluth des Jahres 1565 riss einige tiefer liegende Häuser weg und verschlang verschiedene Menschen und 1661 wurden ebenfalls einige Häuser weggespült, ohne dass jedoch dabei ein Menschenleben verloren ging. Im Jahre 1806 fand hier ein Brand statt, der die Gebäude des Rittergutes verzehrte und in der Nacht vom 26. zum 27. Juli 1822 traf die unteren Fluren Schönfelds ein furchtbares Unwetter mit heftigem Sturm und Hagelschlag, wodurch der Wohlstand des Ortes auf längere Zeit sehr beeinträchtigt wurde. – Im Jahre 1772 stieg hier die Theurung so hoch, dass ein Scheffel Korn 16 Thlr., ein Scheffel Weizen 17 Thlr., ein Scheffel Gerste 13 Thlr. und ein Scheffel Hafer 6 Thlr. kostete. Dabei starben ein grosse Anzahl Menschen an der Hungerpest, während Andere auswanderten und unterwegs aus Mangel an Nahrung und Kleidung ihren Tod fanden. Auch 1805 herrschte hier eine grosse Theurung, so dass der Scheffel Korn auf 20 Thlr. stieg, doch ist damals Niemand Hungers gestorben. – Eingepfarrt ist Schönfeld nach Ehrenfriedersdorf.
Eines der ältesten Ritterschlösser Sachsens, seiner Begründung, wenn auch nicht seinem gegenwärtigen Bestande nach, ist unstreitig das Schloss Purschenstein. In älteren Urkunden wird es Borsenstein oder Pyrsenstein genannt, und selbst jetzt noch zuweilen Borssenstein oder Porschenstein.
Das Bergschloss und Rittergut Purschenstein mit den dazu gehörigen eingebauten Häusern, die indess keine eigene Gemeinde bilden, liegt in dem erzgebirgischen Kreise, in dem oberen Bezirke des Amtes Freiberg.
Den ganzen Complex der zu Purschenstein gehörigen Ortschaften nennt man gewöhnlich die Herrschaft Purschenstein, obgleich das Gut, welches altschriftsässig und nur mit zwei Ritterpferden belegt ist, vor andern gewöhnlichen Rittergütern nichts voraus hat, als eine unwesentliche Bergwerksberechtigung.
Diese sogenannte Herrschaft, welche den südlichsten Theil des freiberger Amtes bildet, gränzt östlich an das Frauensteiner Amt, an die gräflich Waldsteinische Herrschaft in Böhmen und an den Einsiedlerwald, südöstlich, südlich und südwestlich an die gräflich Rotenhan’sche Herrschaft Rothenhaus und an das Dorf Böhmisch-Einsiedel, welches der Stadt Brux gehört; westlich an den Hirschberger Wald und mit der sogenannten [80] Herrschaft Pfaffenroda; nördlich und nordwestlich mit den Rittergütern Voigtsdorf und Dorfchemnitz.
Die grösste Ausdehnung des gesammten Gebietes beträgt von Süden nach Norden 4½ Stunde und von Westen nach Osten 2½ Stunde, da aber die Umgränzungslinie sehr unregelmässig ist, beschränkt sich der ganze Flächenraum aller zu der Herrschaft gehörenden Theile auf 13/10 Quadrat-Meilen.
Zu der Herrschaft Purschenstein gehören: Das Schloss selbst mit seinen angebauten und nach ihm benannten Häusergruppen; die Stadt Sayda; der Bergflecken Seifen; 16 ganze Dörfer, und zwar: Clausnitz, Friedebach, Pillsdorf, Ullersdorf, Heidersdorf, Dittersbach‚ Neuhausen (welches Purschenstein zunächst, d. h. unmittelbar an dem Schlossberge liegt) Cämmerswalde‚ Deutschgeorgenthal, (oder Hasenbrücke) Frauenbach, Deutsch-Einsiedel, (mit Ausnahme des Zollhauses und der Oberförsterei) Heidelbach, Heidelberg, (zur grössern Hälfte Wildbach genannt) Brüderwiese, Deutsch-Neudorf und Deutsch-Katharinenberg; ferner grössere oder geringere Antheile von Niederseifenbach, (besonders der Lässigherd und die Zechhäuser,) dem Mertelgrunde; die Sauecke oder der Katzengrund; endlich[WS 2] die drei einzelnen Hainhäuser, das Haidengut bei Pillsdorf, das Bad bei Heidelberg, die Glashütte bei Heidelbach, das grosse Vorwerk oder der Zuckerhof, und das neue Vorwerk bei Sayda.
In diesen sämmtlichen Ortschaften leben gegenwärtig etwa 10,000 Menschen, während 1801 die gesammte Seelenzahl nur 7705 betrug. Es gehört demnach die Gegend von Purschenstein zu den bevölkertesten von Sachsen, denn ohne Berücksichtigung der Stadt kommen auf die Quadratmeile 6900 Menschen und dies ist um so mehr zu bewundern, da das Klima sehr rauh ist. Vielleicht aber liegt eben in dieser Rauhheit zum grossen Theile die Gesundheit der Luft, welche eine sehr rasche Zunahme der Bevölkerung zur Folge hat, denn nach angestellten Beobachtungen beträgt die Durchschittszahl gegen 100 Geburten nur 59 Sterbefälle.
Wegen des rauhen Klimas ist auch die Tragbarkeit des Bodens nur gering, allein der Fleiss, den man den Bewohnern neben grosser Frugalität nachrühmen muss, gewährt dafür reichlichen Ersatz durch ökonomische und industrielle Thätigkeit. Besonders werden Viehzucht und Flachsbau stark betrieben, letzterer namentlich in Cämmerswalde, Clausnitz und Friedebach. Eine vorzügliche Erwerbsquelle einiger Orte ist die Holzdrechselei; Seifen verdient wegen seiner Holz- und Spielwaaren Erwähnung. Die reiche Holzmenge wird zur Anfertigung von Wagengestellen, Schlittenkufen und dergleichen Arbeiten benutzt; Bergbau, Schwammbereitung, der starke Verkehr von Freiberg nach Böhmen, die Glashütte, das Bad, die Arbeiten in den grossen königlichen und herrschaftlichen Forsten etc. bieten den Einwohnern mannigfache und gernbenutzte Gelegenheiten zum Broderwerbe, und wenn auch die meisten arm sind, so schützt doch ihr Fleiss sie vor wirklicher Noth, so lange diese nicht durch besonders ungünstige äussere Verhältnisse herbeigeführt wird. In der Regel kann man annehmen, dass Alles beschäftigt ist, was sich nur irgend zu rühren vermag und in dieser Beziehung kann die hiesige Pflege daher wahrhaft als Muster gelten. Vagabondirerei und Bettelei sind hier grosse Seltenheiten.
Die Justizverwaltung wurde bis zur neuesten Umgestaltung dieser Verhältnisse durch den in Purschenstein wohnenden Gerichtshalter besorgt, der zwei Actuarien und mehrere Schreiber zu Gehülfen hatte; für den Bergbau aber bestand in Seifen ein eigenes Bergamt mit mehreren bergmännischen Beamten, obgleich der von dem Besitzer betriebene Bergbau nur unbedeutend ist. Sein Regale erstreckt sich blos über Zinn, und es werden alljährlich nur einige Centner Zinn ausgeschmolzen, und selbst das nicht einmal an Ort und Stelle, sondern in Altenberg.
Bei Deutsch-Katharinenburg ist zwar eine Kupfergrube, allein sie gehört unter das Bergamt Marienberg.
Die finanziellen Angelegenheiten der Herrschaft, deren Reinertrag beiläufig gesagt, schon vor 30 Jahren, und unter zum Theil ziemlich ungünstigen Verhältnissen zu 20,000 Thaler, jährlich angeschlagen wurde, besorgt ein Rentbeamter, der ebenfalls in Purschenstein selbst wohnt.
Einen wesentlichen Theil der Besitzung bilden die Waldungen; diese stehen unter einem Forstschreiber, der von dem gemeinen Manne gewöhnlich Forstmeister genannt wird. Und in der That könnte er wegen der grossen unter seiner Inspection und seiner Verwaltung stehenden Wälder diesen Titel wohl beanspruchen; denn obgleich Purschenstein im Laufe der Zeiten aus verschiedenen Umständen von den früher besessenen Waldungen den Einsiedlerwald an das Lautersteiner und den Hirschberger an das Frauensteiner Amt abgetreten hat, den Oberneuschönberger an das Rittergut Pfaffroda, einen Theil des Ringelwaldes an Reichenberg, und ausserdem noch mehrere andere, kleinere Theile, so dass seine Waldungen fast zwei Drittel ihres früheren, vollständigen Umfanges verloren haben, so besitzt es deren doch immer noch ¼ □Meile.
Der grösste Wald darunter ist der Purschensteiner oder Deutschneuhofer, der grösstentheils mit Schwarzholz bestanden ist, aber auch viele schöne Buchen hat. Auch von dem Einsiedlerwalde gehört ein schön mit Buchen bestandener Antheil zu Purschenstein. Ferner gehören demselben starke Hölzer an der Flöhe, besonders am linken Ufer derselben; der Zechenwald; der Nadelholzwald am Mortelgrunde; das Mühlholz am neuen Vorwerk; das Pfaffenholz zwischen Purschenstein und Cämmerswalde; und endlich viele kleinere Waldstücken ohne besondere Namen.
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Anmerkungen (Wikisource)
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- ↑ Die Vornehmen glaubten damals, eher selig zu werden, wenn sie sich in Mönchskutten begraben liessen.