Anastasius Katzenschlucker, der große Zauberer/Die Erfindung des Osterhasen
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[91] Die Zeit ging ihren Lauf und auch Anastasius wurde älter und älter, denn dagegen gibt es kein Zaubermittel. Immerhin geht es bei einem richtigen Zauberer etwas langsamer mit den unangenehmen Begleiterscheinungen des Alters und es dauert etwas länger, ehe der böse Sensenmann dem Leben ein Ende bereitet. So war denn Meister Anastasius seine hundertundfünfzig Jahre alt geworden und fühlte sich doch noch recht munter und jugendlich. Inzwischen war sein Ruhm weit in alle Länder gedrungen und von weit und breit kamen die Leute, um sich von ihm Rat und Hilfe zu holen. Darum waren die Prachatitzer schon daran gewöhnt, Menschen in fremdartigen Kleidern in ihren Gassen zu treffen, deren Sprache sie nicht verstanden, und erzählten sich abends in der Schenke stolz, als wäre es ihr Verdienst, daß gestern wieder drei Spanier angekommen seien oder daß eine schwedische Gräfin mit großem Gefolge erwartet werde.
Was da aber eines Tages durchs Stadttor einzog, das erregte doch allgemeines Erstaunen und die Gaffer drängten sich in hellen Haufen. Drei Herolde ritten voran und riefen laut in die Menge, sie möge Platz machen der Gesandtschaft des türkischen Großsultans. Dann kamen Trompeter und Paukenschläger in weitmächtigen, roten Pluderhosen und gelben Turbanen, dann kamen Neger geritten in grünen Sammetjacken und spitzigen, mit Pfauenfedern geschmückten Mützen, dann eine Abteilung Janitscharen, nur so blitzend von Gold und Edelsteinen und ihre kohlrabenschwarzen Augen leuchteten mit ihrem Schmucke um die Wette. Und dann kam der Wagen des Gesandten selbst, den zogen sechs milchweiße Pferde und auf jedem von ihnen hockte ein possierlicher Affe mit einem Gewande wie ein Edelmann und schwang eine zierliche kleine Peitsche. Auf dem Bock neben dem Kutscher saß ein dreikäsehohes Männlein, das hatte einen roten Turban, viel größer als sein Kopf, und darauf [92] eine herrliche Agraffe mit Reiherfedern. Und eine Nase hatte der Kleine, die war so lang und spitz wie ein Dolch und darauf saß eine gewaltige Hornbrille. Der Wagen selbst aber war wohl verschlossen und die Seidenvorhänge waren zugezogen, sodaß man auch nicht einen Blick hineintun konnte. An allen vier Ecken hatte der Wagen große, spitze Laternen mit rosafarbenen Scheiben und in ihnen brannte am hellichten Tage Licht. Das Dach des Wagens schmückte ein großer goldener Knauf und darauf prangte ein riesiger Buschen von Straußenfedern in allen Farben des Regenbogens.
Dieser prächtige Zug kam zum Budweiser Tor herein und ging ohne Aufenthalt zum Passauer Tor hinaus, um vor dem Schneckenhäuschen des Anastasius Halt zu machen. Der hatte die fremden Gäste in seinem Erdspiegel schon längst gesehen und er wußte auch schon, was der Gesandte des türkischen Großsultans von ihm wollte. Er sollte ihn einladen, nach der fernen Stadt Konstantinopel zu übersiedeln und in die Dienste des Padischah zu treten. Dafür sollte er den Titel eines Obersten Zauberfürsten des osmanischen Reiches und die Würde eines Paschas mit neun Roßschweifen erhalten und ein herrliches Schloß am Goldenen Horn sollte seine künftige Wohnung sein.
Aber der kluge Anastasius wußte dank seiner Zauberkünste noch mehr: Er wußte, daß neben dem Gesandten im Wagen auch der bisherige Oberzauberer des Sultans saß, der innerlich mit diesem Plane seines kaiserlichen Herrn gar nicht einverstanden war, denn der neue Zauberfürst sollte sein Vorgesetzter werden, während er doch bisher selbst der höchste dieses Standes im ganzen Reiche gewesen war. Und darum saß er still in seiner Wagenecke und spann heimliche Pläne.
Nachdem nun der Gesandte bei Anastasius seine erste Aufwartung gemacht und ihm den Zweck seiner Anwesenheit mitgeteilt hatte, verabschiedete er sich für heute mit dem Beifügen, daß er Anastasius Zeit lassen wolle zur reiflichen Überlegung seiner Vorschläge [93] und daß man, falls er grundsätzlich einverstanden sein sollte, am nächsten Tage Genaueres vereinbaren könne. Der türkische Zauberer aber bat um die freundliche Erlaubnis, noch eine Weile bei seinem hochverehrten Kollegen bleiben zu dürfen, um sich mit ihm über verschiedene fachliche Fragen zu besprechen. Das tat er denn auch, erkundigte sich nach dem und jenem und Anastasius merkte gar wohl, wie der andere darauf lauerte, ob er sich nicht irgendeine Blöße gebe. Da ihm aber nichts derartiges gelingen wollte, begann er nach einer Weile mit kriecherischer Unterwürfigkeit:
„Ich weiß sehr wohl, über alles verehrter Meister, wie sehr Ihr mir in allen Künsten unseres Berufes überlegen seid. Und darum mag es Euch lächerlich erscheinen, wenn ich Euch sage, daß Euer ganz unwürdiger Knecht von Seiner Majestät dem Padischah, dem Allah noch tausend Jahre Leben schenken möge, dazu ausersehen wurde, Euch im Laufe dieser Tage einer vorsichtigen, möglichst unauffälligen Prüfung zu unterziehen, ob Ihr auch wirklich für jenen Posten geeignet seid. Wie es ja eigentlich selbstverständlich [94] ist, kann es sich dabei nicht so sehr um die Feststellung handeln, wie groß die Macht Eurer Kunst ist, denn alle Welt weiß ja, daß Ihr darin Euresgleichen nicht habt und daß Ihr alle Zauberer der Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft weit in den Schatten stellt, sondern vielmehr um zwei Eigenschaften, die für einen vertrauten Diener des Padischah von außerordentlicher Wichtigkeit sind. Ich meine damit unbedingte Verschwiegenheit und dann eine solche Charakterstärke, daß man sich auf Euer Versprechen, wenn es einmal gegeben ist, unter allen Umständen verlassen kann. Ich habe nun die ganze Herfahrt darüber nachgedacht, wie ich es anstellen solle, um dem Padischah zu beweisen, daß Ihr diese beiden Tugenden in vollkommenem Maße besitzet und ich glaube schließlich das Richtige gefunden zu haben. Nun sollte ich Euch natürlich mit keinem Sterbenswörtchen etwas davon verraten. Aber, um Euch die Wahrheit zu gestehen, als ich Euch sah, da hat mich gleich eine solch innige Liebe und Verehrung zu Euch erfaßt und ich bekam eine solche Angst, Ihr könntet meine Prüfung vielleicht doch nicht bestehen, daß ich Euch nun doch im vorhinein sagen muß, worin sie bestehen soll. Aber nicht wahr, Ihr gebt mir Euer großes Zauberer-Ehrenwort, daß Ihr mich niemals verraten werdet?“
„Bei meinem Eide, niemals!“ sagte Anastasius und der Türke fuhr fort:
„Also höret, was ich mir ausgedacht habe! Ich war schon öfter in christlichen Ländern und kenne darum alle ihre Bräuche. Ich weiß daher auch, daß man allerorts zu Ostern Hühnereier mit bunten Farben bemalt und sie den Kindern schenkt. Nun steht dieses schöne Fest vor der Tür; die Hausfrauen werden sicher bald mit dem Sammeln der Hühnereier beginnen und wenn sie selbst kein Geflügel haben, so werden sie wohl auf den Markt gehen und dort einkaufen wollen. Da habe ich nun gestern mein Zaubersprüchlein gesagt und allen Hennen weit und breit für eine Woche das Eierlegen strengstens verboten! Und dann habe ich noch ein [95] zweites Sprüchlein gesagt, auf daß alle Eier, die schon aufgehoben wurden, augenblicklich zerplatzen und ausfließen. Habe ich das nicht fein gemacht? Ein Osterfest ohne Ostereier! Das wird ein schöner Jammer werden!“
Er unterbrach seine Rede durch ein meckerndes Lachen, dann fuhr er fort:
„Ihr fragt nun, worin denn eigentlich Eure Probe bestehen soll? Höchst einfach, hochverehrter Meister, höchst einfach! Ihr versprechet mir jetzt mit Handschlag, daß Ihr den Bann, den ich über die Hühner ausgesprochen habe, unter keinen Umständen zunichte macht, es mag Euch darum bitten, wer will, es mag die ganze Stadt vor Euch auf den Knien liegen. Ja selbst wenn ich mich den Bittenden anschließen würde, es bleibt dabei, die Hühner legen eine Woche lang keine Eier! Versprechet Ihr mir das? Gut! Das wäre also die Probe, ob Ihr ein Versprechen halten könnt und daran sei gleich die Probe der Verschwiegenheit angeschlossen! Ihr dürft niemandem verraten, was ich Euch jetzt gesagt habe, also, daß ich [96] die Hühner verzaubert habe, Ihr dürft aber auch nichts von dem Versprechen, das Ihr mir jetzt gegeben habt, erzählen, es mag Euch darum fragen wer will. Ihr müßt so machen, als ob Ihr von alledem keine Ahnung hättet! Wenn Ihr auch das vollbringt, dann kann ich dem hohen Padischah versichern, daß Ihr die leibhaftige Verschwiegenheit seid und daß man auf Euer Versprechen bauen kann!“
Anastasius nickte freundlich zustimmend zu der Rede, bedankte sich bei dem Herrn Kollegen für seine Mitteilungen und der türkische Zauberer empfahl sich, die Hände über die Brust gekreuzt, mit einer so tiefen Verbeugung, daß sein Turban den Boden berührte. Als er aber draußen war, da rieb er sich die Hände vor Vergnügen. Was das für ein dummer Kerl war dieser Anastasius! Ganz ahnungslos war er ihm in die Falle gegangen! Also das eine war sicher, der würde nie und nimmer Zauberfürst des osmanischen Reiches werden! Wenn er sein Versprechen wirklich halten würde, nun, dann sah der Gesandte mit eigenen Augen, wie machtlos dieser angeblich allmächtige Herr in Wirklichkeit war, wenn er nicht einmal den Hühnern eine so natürliche Sache wie das Eierlegen beibringen konnte! Und hielt er sein Versprechen nicht, nun dann hatte er eben die Prüfung nicht bestanden; ein Mann, der sein feierliches Versprechen nicht halten konnte, war eben nicht würdig, das Vertrauen Seiner türkischen Majestät zu genießen. Ob so oder so, der Mann war geliefert, der Gesandte würde ohne ihn zurückreisen und Zauberfürst würde niemand anderer als er selbst werden. Hochbefriedigt über seine Schlauheit ging er in die Stadt und da in das Gasthaus zur „Säumerglocke“. Dort winkte er der Wirtin und ließ sich heimlich in das Hinterzimmer einen Schweinebraten und einen Kännlein Wein bringen, trotzdem der Prophet Mohammed seinen Gläubigen den Wein streng verboten hat.
In den Gassen der Stadt erhob sich aber bald ein großes Klagen und Jammern.
[97] „Was, Frau Nachbarin,“ hörte man sagen, „Euch sind auch die ganzen Eier gesprungen? Und der Bäckermeisterin auch! Und der Köchin vom Ratsherrn Eberhart auch! Ich habe kein einziges Stück im Hause und ist doch schon Ostern in drei Tagen. Da heißt es rasch auf den Markt gehen und noch ein Schock einkaufen!“
Doch auch in den Marktständen war nicht ein Ei ganz geblieben, und so eilten die braven Hausfrauen hinaus in die umliegenden Dörfer, doch vergebens! Nun lauerte man überall um die Hühnerställe und lauschte aufmerksam auf jenes liebliche Gackern, womit die Hennen das Ergebnis ihres Fleißes anzupreisen pflegen. Aber nirgends war etwas derartiges zu hören. Und als auch am nächsten Tage noch weit und breit kein Ei zu sehen war, da schickte der Rat der Stadt reitende Boten nach allen Seiten, sie müßten reiten, bis sie in eine Gegend kämen, die von diesem Unglück nicht betroffen sei, und dort gleich ein paar Lastwagen voll Eier bestellen.
Als nun aber ein Tag und eine Nacht vergangen war, ohne daß die Boten zurückgekommen wären, da kam jemandem der Gedanke, daß man ja den Zauberer Anastasius um Hilfe angehen könnte. Aber natürlich, das war das Einfachste! Daß ihnen das nicht gleich eingefallen war! Und so zog man denn in hellen Haufen zum Schneckenhäuschen vor dem Tore. Aber das war wohl verschlossen und alles Pochen und Klopfen schien vergeblich. Damit war auch die letzte Hoffnung geschwunden und niedergeschlagen kehrte man in die Stadt zurück.
[98] Aber auch der Gesandte hatte an diesem Tage vergeblich bei Anastasius angeklopft und war sehr verwundert darüber. Doch sein Begleiter, der türkische Zauberer, schien weniger überrascht und sagte nur mit meckerndem Lachen: „Hi, hi! Dem großen Meister Anastasius wird es scheinbar bange vor dem hohen Amte, das ihm unser allergnädigster Herr zugedacht hat!“
Er unterließ es auch nicht, dem Gesandten am Abend brühwarm zu erzählen, daß die Bürgerschaft vergeblich von Anastasius Hilfe erbeten hatte und bemerkte so nebenbei, daß es fast den Anschein habe, als ob er sich fürchte, einzugestehen, daß er nicht einmal eine so einfache Sache zusammenbringe, als den Hühnern das Eierlegen beizubringen.
So war denn über solches Suchen und Nichtfinden der Ostersonntag herangebrochen. Bis dahin war an diesem Morgen überall auf dem Frühstückstisch ein tüchtiger Blumenstrauß und eine große Schüssel mit buntgefärbten Eiern gestanden. Das war nun heuer anders. Wohl fehlte es nicht an frischen, duftenden Frühlingsblumen, aber auch nicht ein einziges buntes Ei war zu sehen. Da hättet ihr nun die langen Gesichter der Kinder und die traurigen Mienen der Eltern sehen sollen! Was half es, daß draußen die Sonne so hell und goldig schien wie seit langem nicht, was nützten die goldbraunen Osterlaibe, die, noch gar nicht angeschnitten, schon köstlichen Duft gaben, wenn es keine Ostereier gab! Und traurig schlichen die Kleinen auf die Gasse, um zu erkunden, ob es den Nachbarskindern nicht besser ergangen sei.
„Hast du auch keine Ostereier bekommen, Hansi?“ fragte die kleine Mariedl, „und du auch nicht, Franzl? Und was denn du, Everl?“
Von allen Seiten die gleiche traurige Antwort. Da kam der Fritz, der Sohn vom Gerbermeister Kiesewetter, vom Passauer Tor hergelaufen und schrie:
„Denkt euch, der Meister Anastasius ist wieder daheim, ich habe es ganz deutlich gesehen, daß aus dem Kamin des Schneckenhäuschens [99] Rauch aufsteigt! Ich weiß, gestern waren unsere Eltern alle bei ihm, ihn wegen der Eier um Hilfe zu bitten, aber sie haben ihn nicht zu Hause getroffen. Da wollen wir heute selbst hingehen, der schafft uns sicher die Ostereier. Mir hat er voriges Jahr auch gesagt, wo ich meinen verlorenen Ball wiederfinden würde!“
„Und meiner Puppe hat er neue Haare angezaubert!“ rief das Everl.
„Und meinem Schaukelpferd hat er den abgebrochenen Kopf festgemacht!“ rief Stadtschreibers Anton.
„Ja, fein, wir gehen zu Meister Anastasius, der hilft uns gewiß!“ so riefen sie alle und der ganze Schwarm zog durchs Passauer Tor zwischen den frischgrünen Wiesen dem Schneckenhäuschen zu. Der Hausherr aber stand vor der Haustüre, rauchte sein langes Pfeifchen und winkte den Kindern schon von weitem zu.
„Meister Anastasius,“ riefen sie ihm entgegen, „du mußt uns zu Ostereiern verhelfen! Bitte, bitte, ja? Und wo warst du denn gestern?“
„Ja, Kinder, ihr sollt eure Ostereier haben!“ antwortete er fröhlich, „deshalb war ich ja dieser Tage fort! Gleich wie ich gehört habe, daß die Hühner nicht mehr legen wollen, bin ich losgezogen und habe alle Tiere in Wald und Feld und Hof gefragt, ob sie nicht mir zu Liebe dieses Geschäft für einige Zeit übernehmen wollten. Aber die Spatzen und Finken, die Amseln und Zeisige, die haben mir alle gesagt, daß sie zum Hühnereierlegen viel zu klein wären und ihre eigenen Eier, die könnten sie nicht hergeben, die müßten sie ausbrüten. Und die Gänse und Enten wieder sagten, Hühnereier seien für sie zu klein, das wäre unter ihrer Würde; und die Katzen und Hunde, die Rehe und Hirsche, die meinten, mit solchen Sachen geben sie sich nicht ab. Die Hasen aber haben nicht nein sagen wollen und haben das Geschäft gleich übernommen, aber nur für die Osterzeit, wie sie sagten, und auch nur für ganz brave Kinder! Dafür legen [100] sie aber auch die Eier gleich in allen bunten Farben, sodaß sie euch die Mutter gar nicht erst färben muß. Freilich findet ihr sie nicht gleich beim Aufstehen auf dem Frühstückstisch, sondern ihr müßt euch schon die Mühe nehmen und sie suchen. Lauft nur dort an den Waldesrand hinaus, dort werdet ihr sie in Mengen finden, ja vielleicht gar schon hier im Garten!“
Also das war ein Jubel! Wie ein summender Bienenschwarm flog das dem Walde zu. Nur ein einziger Junge war zurückgeblieben und wiegte nachdenklich den Kopf. Der war einer von den Neunmalklugen und darum hatte er eine wichtige Frage zu stellen.
„Onkel Anastasius,“ begann er zögernd, „sag’ einmal, wenn du schon den Hasen das Eierlegen beibringen kannst, wäre es da nicht einfacher gewesen, wenn du die Hennen wieder dazugebracht hättest?“
„Ei, du Tausendsassa!“ lachte Anastasius, „natürlich wäre das das Einfachste gewesen, aber schau, gerade das ist mir nicht eingefallen! Ich hätte dich halt schon gestern hier haben sollen. Jetzt aber lauf’, sonst lassen dir die andern gar nichts übrig!“
War das ein Jubel in der ganzen Stadt! Fast hätte das fröhliche Gekreische der Kinder die Osterglocken übertönt, die ihr dröhnendes Frühlingslied über das Land sangen. Selbst der türkische Zauberer steckte neugierig den Kopf aus dem Fenster.
„Wo hast du denn das her?“ herrschte er den ersten Jungen an, dem die Eier aus allen Taschen guckten.
„Vom Osterhasen!“ rief der und lief weiter.
„Unsinn!“ sagte der Zauberer, „Hasen legen keine Eier!“ Und eilig zog er sich an und lief dem Schneckenhäuschen zu, um die Wahrheit zu erforschen. Gerade davor holte er den Gesandten ein, der, von drei Mohren und sechs Janitscharen begleitet, gravitätisch in der gleichen Richtung stolzierte.
Anastasius saß gerade vor seinem Haus auf der Bank und rings um ihn herum eine ganze Menge Hasen. In respektvoller [101] Entfernung standen einige Kinder, die dem sonderbaren Treiben zusahen.
„So, liebe Freunde,“ sagte Anastasius, „das habt ihr wacker gemacht. Ich danke euch schönstens dafür! Und auch die Kinder werden sich dankbar zeigen und im Winter, wenn alles tief im Schnee liegt, daran denken, wie hungrig jetzt das Getier im Walde sein mag! Jetzt lauft aber nach Hause, ich habe Wichtiges zu tun!“
Das war nun eine sonderbare Arbeit, die Meister Anastasius jetzt vornahm. Eine Nußschale war es, in deren Seiten er Löcher gebohrt hatte und in diese Löcher hatte er zwei schneeweiße Hühnerfedern gesetzt. Die band er nun mit einem Bindfaden fest an die Schale an. Er sah kaum auf, als die beiden herankamen. Erst als der Gesandte ihn höflich grüßte, hob er den Kopf und sagte:
„Seid Ihr bereit zur Abreise? Wenn es Euch recht ist und Ihr mich in meinem Gefährt begleiten wollt, so können wir heute noch vor dem Mittagessen in Konstantinopel sein. Euer Gefolge und [102] mein verehrter Herr Kollege hier können uns ja auf dem gleichen Wege nachkommen, der sie hergebracht hat!“
Damit setzte er die Nußschale auf die Erde und gleich begann sie zu wachsen und sich zu dehnen und die Hühnerfedern an ihrer Seite schlugen auf und nieder.
„Steigt ein, Herr Gesandter,“ rief Anastasius und reichte dem Verdutzten die Hand, um ihm behilflich zu sein. Der folgte seinem Ruf, ohne recht zu wissen, wie ihm geschah.
„Ja richtig,“ sagte Anastasius, „fast hätte ich auf mein Haus vergessen,“ stieg noch einmal aus, schloß die Tür des Schneckenhäuschens, zog den Schlüssel ab und steckte ihn ein. Dann murmelte er etwas vor sich hin, da wurde das Häuschen rasch kleiner und kleiner und war auf einmal ein Schneckenhäuschen wie jedes andere. Er hob es auf, steckte es in die Tasche, stieg in die Nußschale und schon erhob sich diese in die Lüfte und war bald mit starken Flügelschlägen den Augen der Nachschauenden entschwunden.
[103] Der türkische Zauberer aber wurde ganz gelb vor Ärger im Gesichte, packte rasch seine Sachen und reiste noch am selben Tage mit dem ganzen Troß ab. In seiner Wut aber hat er den Prachatitzern zum Abschied noch einen Streich gespielt und ihnen den schönen Marktplatz verbogen. Wie man noch auf alten Bildern und Stichen sehen kann, war er früher gerade und eben wie ein Tisch. Jetzt aber senkt er sich schief hinunter zu dem Gäßchen, das zur Stadtkirche führt. Und das hat nur in seinem tückischen Zorn der türkische Zauberer getan.