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Apophras

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Autor: Lukian von Samosata
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Titel: Apophras
Untertitel:
aus: Lucian’s Werke, übersetzt von August Friedrich Pauly, Zwölftes Bändchen, Seite 1459–1482
Herausgeber:
Auflage:
Entstehungsdatum: 2. Jahrhundert
Erscheinungsdatum: 1831
Verlag: J. B. Metzler
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Erscheinungsort: Stuttgart
Übersetzer: August Friedrich Pauly
Originaltitel: Ψευδολογιστής
Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: Scan auf Commons
Kurzbeschreibung:
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[1459]
Apophras.

1. Nun das ist doch wohl eine ausgemachte Sache, daß du das Wort Apophras[1] gar nicht kanntest. Denn [1460] wie konntest du mir Schuld geben, man merke mir den Ausländer an der Sprache an, als ich von dir sagte, du wärest einem Apophras ähnlich, indem ich, wie ich mich recht wohl erinnere, deinen Charakter mit einem verworfenen Tage verglich – wenn dir dieses Wort je einmal zu Ohren gekommen wäre? Ich werde dich nun gleich belehren, was der Ausdruck Apophras besagen will. Vorerst aber muß ich auf dich anwenden, was einst Archilochus sagte: „du hast die Grille am Flügel gefaßt;“ wenn du anders schon von einem Jambendichter, Namens Archilochus aus Paros, etwas gehört hast, einem ungemein freimüthigen und aufrichtigen Manne, der sich Nichts daraus machte, seine Meinung derb zu sagen, mochte es auch noch so kränkend für Die seyn, welche in die Falle seiner Jamben geriethen. Von einem Solchen, der ihn einst beleidigt hatte, sagte er: „der Mann hat die Grille beim Flügel gefaßt,“ indem er sich mit einem Thierchen verglich, das für sich schon, und ohne genöthigt zu werden, laut genug ist, aber wenn es am Flügel ergriffen wird, nur um so durchdringender schreit. „Welcher Gedanke, Unglücklicher,“ setzte er hinzu, „einen Dichter gegen dich aufzureizen, der ohnehin schon eine fertige Zunge hat und darauf aus ist, sich mit Stoff für seine Jamben zu versehen?“

2. Mit denselben Worten drohe ich auch dir, wahrlich nicht, als ob ich mich dem Archilochus gleichstellen wollte (wie sollte ich auch, da ich so weit hinter diesem zurückstehe?), sondern weil ich so viele tausend jambenwürdige Stückchen aus deinem Leben weiß, daß selbst Archilochus, auch wenn er den Simonides und Hippónax zu Hülfe nähme, nicht fertig [1461] würde, auch nur Eine deiner vielen Schlechtigkeiten gehörig zu schildern. Denn du hast gemacht, daß die Helden ihrer Jamben, ein Orodöcides, Lycambes und Bupalus neben dir nur als Stümper in der Schurkerei erscheinen. Es ist, als ob ein guter Genius das spöttische Lachen über das Wort Apophras auf deine Lippen gelegt hätte, damit es an den Tag käme, daß du unwissender bist als ein Scythe, und daß die gemeinsten und alltäglichsten Dinge dir fremd sind; und damit ein freimüthiger Mann eine gute Gelegenheit bekäme, sich über dich auszulassen, ein Mann, der dich von Haus aus genau kennt, und keineswegs hinter dem Berge halten, sondern Alles recht vernehmlich heraussagen wird, was du, außer deinen früheren schlechten Streichen, noch jetzt bei Tag und bei Nacht zu treiben pflegst.

3. Wiewohl an dir selbst ist die Mühe verloren, mit der, unter Gelehrten üblichen, Freimüthigkeit gegen dich zu verfahren. Denn du wirst durch einen solchen Tadel nicht besser werden, so wenig als man dem Mistkäfer ausreden kann, im Kothe zu wühlen, an den er sich nun einmal gewöhnt hat. Auch glaube ich nicht, daß es einen Menschen gibt, dem unbekannt wäre, was du alles dich erfrechst, und wie du, alter Knabe, am eigenen Leibe sündigst. Glaube nicht, deine Schändlichkeiten in sicherer Verborgenheit zu treiben. Man braucht wahrlich nicht erst die Löwenhaut dir abzuziehen, um zu sehen, was für ein großer Esel du bist. Es müßte Einer eben erst aus dem Hyperboräerlande zu uns gekommen oder noch dummer als ein Cumaner seyn, wenn er nicht, auch ohne auf ein Yha von dir zu warten, gleich auf den ersten Blick dir ansähe, daß du der geilste aller Esel [1462] bist. Diese deine Eigenschaften haben längst schon an mir und vielen Andern aller Orten ihre Herolde gefunden, und dein Ruhm steht in dieser Hinsicht noch weit über dem eines Ariphrades, eines Misthon aus Sybaris und jenes berüchtigten Bastas aus Chios, der es in diesen Dingen zur Meisterschaft gedacht hatte. Gleichwohl muß ich davon sprechen, auch wenn ich Sachen vorbringen sollte, die längst nicht mehr neu scheinen, um nicht in den Verdacht zu gerathen, als sey ich der Einzige, der Nichts davon wisse.

4. Das beste aber wird seyn, ich rufe einen von den Vorwortführern des Menander zu Hülfe, den Elenchus [die Ueberführung], einen der Wahrheit und Freimüthigkeit befreundeten Genius, der nicht der unbedeutendste unter den Bühnengöttern, und nur solcher Leute Feind ist, die, wie du, vor seiner Zunge sich zu fürchten haben, weil er sie genau kennt, und Alles, was er von ihnen weiß, aller Welt erzählt. Es wäre also doch wohl sehr ergötzlich, wenn es ihm gefiele, selbst in unsere Mitte zu kommen, und den Zuschauern den ganzen Inhalt des Drama’s darzulegen. Wohlan denn, bester aller Prologen und Genien, Elenchus, komm und belehre meine Zuhörer auf’s Ueberzeugendste, daß ich nicht nur so in den Tag hinein oder in verläumderischer Absicht, noch überhaupt unberufen zu diesem Vortrage mich entschloß; sondern daß theils der Wunsch, mir selbst Genugthuung zu verschaffen, theils der Abscheu vor der Schändlichkeit dieses Menschen überhaupt, mich dazu vermochte. Dieses allein ist’s, was du sagen und meinen Zuhörern klärlich darthun wollest: sodann magst du in Gnaden wieder abtreten und das Uebrige mir überlassen. Ich werde sodann [1463] ganz dein Verfahren beobachten und den Mann von Allem so gänzlich überführen, daß Niemand solle sagen können, du hättest in deinem Prolog nicht wahr und offen gesprochen. Uebrigens bitte ich dich, mein lieber Elenchus, den Zuhörern durchaus Nichts zu meinem eigenen Lobe zu sagen, noch auch mit Allem, was von diesem Menschen zu sagen, ohne Weiteres herauszurücken. Denn da du ein göttliches Wesen bist, so würde sich’s für dich nicht ziemen, die Ausdrücke, die von so abscheulichen Dingen zu gebrauchen sind, selbst in den Mund zu nehmen.

5. So spricht also nun mein Vorredner folgendermaßen:

„Dieser Mensch, der sich für einen Sophisten ausgibt, kam einst nach Olympia, um der festlichen Versammlung daselbst einen lange zuvor zusammengeschriebenen Aufsatz vorzutragen, dessen Inhalt die Theilnahme des Pythagoras an den Eleusinischen Mysterien war, welche diesem als einem Nichtgriechen von einem gewissen Athener aus dem Grunde streitig gemacht worden war, weil ja Pythagoras selbst gesagt hätte, er sey unter anderem einmal auch Euphorbus gewesen.[2] Er hatte aber in diesem Aufsatz, wie die Krähe des Aesop, ein Bunterlei von fremden Federn zusammengelesen. Um nun den Schein zu haben, als gebe er nicht auswendig gelerntes altes Zeug von sich, sondern spreche aus dem Stegereif, so bat er einen seiner Bekannten, einen vielbewanderten Advokaten aus Paträ, ihm, wenn er ein Thema für einen öffentlichen Vortrag verlangen würde, den Pythagoras [1464] vorzuschlagen. Dieß that der Mann und lud das Publikum ein, jene Rede über Pythagoras anzuhören.“

6. „Allein der Redner spielte seine Rolle herzlich schlecht, indem er Alles so fertig nach einander hersagte, daß man wohl merkte, wie das Ganze längst vorbereitet und eingelernt war; wiewohl die allzeit fertige Unverschämtheit seines Gehülfen Nichts unterließ, (dieses Gaukelspiel) zu begünstigen. Die Zuhörer brachen in ein allgemeines Gelächter aus: Viele sahen nur den Patreer an und gaben ihm deutlich zu verstehen, daß ihnen sein Antheil an dem Schelmstück nicht entgehe; Andere, denen die einzelnen Stellen der Rede wohl bekannt waren, unterhielten sich während des ganzen Vortrags nur damit, einander auf die Probe zu stellen, Wer das beste Gedächtniß habe, um sich sogleich zu erinnern, welchem der damals berühmtesten Improvisatoren diese, jene Stelle angehöre.“

7. „Unter den Vielen, die damals lachten, befand sich nun auch gegenwärtiger Verfasser. Wer hätte auch nicht lachen sollen über eine so ungeschickt gespielte, handgreifliche, und schamlose Betrügerei? zumal da ihn überhaupt schwer ankommt, das Lachen zu halten. Als nun vollends der Redner den Ton seines Vortrags nach seiner Meinung in’s Melodische stimmte, und ein weinerliches Klagelied auf Pythagoras abzuleyern anfing, da glaubte unser Verfasser den Esel des Sprichworts, der Cither spielen will, so leibhaft vor sich zu haben, daß er eine helle, herzliche Lache aufschlug. Der Mann wandte sich um, bemerkte ihn, und Dieß war der Anlaß der zwischen ihnen bestehenden Feindschaft.“

[1465] 8. „Einige Zeit darauf trat das neue Jahr ein, oder vielmehr der dritte Tag nach dem großen Kalender (der dritte Januar), an welchem die Römer, nach einem alten Brauche und dem von dem Könige Numa ihnen vorgeschriebenen Ceremonialgesetze zufolge, Jahresgelübde und Opfer darbringen, indem sie des Glaubens leben, als ob die Götter an diesem Tage ihren Gebeten besondere Aufmerksamkeit schenkten. An diesem heiligen Festtag also war es, wo eben jener Mann, der zu Olympia über den verpfuschten Pythagoras gelacht hatte, diesen ekelhaften Prahler, der fremde Reden als eigene deklamirte, auf sich zukommen sah. Er kannte genau Dessen Charakter, seine lüderliche und schändliche Aufführung, und wußte, was er zu treiben pflegt, und worüber man ihn schon betroffen hatte. Daher sagte er zu einem seiner Bekannten: „„laß uns dieser widerwärtigen Erscheinung aus dem Wege gehen; denn mit diesem zusammenzutreffen, würde uns den heiligsten Tag zum Apophras [Unheilstag] machen.““ Dieses Wort Apophras hörte der Sophist, und um sich nun, wie er meinte, an dem Manne wegen jenes Gelächters schadlos zu halten, lachte er darüber als über ein barbarisches, im Griechischen ganz unbekanntes Wort, und fragte alle Umstehenden: „„Apophras? Was ist doch das? Vielleicht eine Frucht? ein Kraut? oder ein Stück Hausrath? Sagt mir doch, kann man das Ding essen oder trinken, diesen Apophras? Hab’ ich doch mein Tage dieß Wort nie gehört, und werde auch nie errathen, was er heißen soll.““

9. „Durch solches Geschwätz glaubte er diesen meinen Mann zu demüthigen; und wirklich lachte man auch genug [1466] über den Apophras, aber nur, weil er selbst, was er freilich nicht merkte, den vollendetsten Beweis seiner eigene Unwissenheit geliefert hatte. Zu dem Ende hat also Jener gegenwärtigen Aufsatz, den ich bei Euch einführe, verfaßt, um Euch zu zeigen, daß dieser ruhmwürdige Sophist auch das gewöhnlichste Griechisch, das man in jeder Schenke und jeder Werkbude kennt, nicht versteht.“

10. So weit der Elenchus als Vorredner des Drama, das ich nun vor euch spielen lassen werde. – Mit allem Rechte und mit einer Zuverläßigkeit, als ob ich auf dem Delphischen Dreifuß säße, könnte ich vorerst aufführen, was du alles in deiner Vaterstadt gethan, was in Palästina, in Aegypten, in Phönicien und Syrien, was sodann in Griechenland und Italien, und was du jetzt noch hier in Ephesus thust, wo du den Gipfel deiner Verrücktheit erreicht und der Schmach deines Charakters die Krone aufgesetzt hast. Denn da du, nach dem Sprichwort, der Trojaner bist, der sich Tragöden gemiethet hat,[3] so wäre es ganz in der Ordnung, dich nun gleich deine eigene Schande hören zu lassen.

11. Doch davon nachher. Vorerst ein paar Worte von Apophras. Sage mir also, ich beschwöre dich bei den Schutzgöttern deiner unsaubern Neigungen,[4] wie konntest du dieses Wort tadelhaft und lächerlich finden? Nun freilich, das Wort ist gar nicht Griechisch, es hat sich durch den Verkehr mit Gallien, Thracien oder Scythien eingedrängt, und [1467] du, als genauer Kenner des gesammten Atticismus, hast es ausgestrichen aus dem Griechischen und seine Aechtung ausgesprochen. Daher natürlich dein Gelächter, als ich neulich, heraustretend aus der Attischen Grenze, ein so seltsames Kauderwelsch sprach. Doch nein – Leute, welche sich auf die Sprache besser verstehen, als du, werden dir sagen, daß es kein Wort gibt, das ächter Attisch wäre, als dieses, und daß es leichter wäre, zu behaupten, Erechtheus und Cecrops seyen Ausländer gewesen, als zu beweisen, Apophras sey kein Attischer, auf Attica’s Boden gleichsam gewachsener Ausdruck.

12. Es gibt sehr viele Gegenstände, welche sie mit keinen andern Ausdrücken, als alle übrigen Griechen benennen; aber eigenthümlich ist ihnen das Wort Apophras, womit sie einen schwarzen, verwünschten, Unsegen drohenden, zu keinem Geschäfte räthlichen Tag, kurz einen Tag bezeichnen, der gerade ist, wie du. Siehst du, so hast du denn gelegentlich gelernt, was man in Athen eine Apophras Hemera (verrufener Tag) nennt: an einem solchen Tag ruhen die Verhandlungen aller öffentlichen Behörden, man führt keine Rechtssache, verrichtet keine heilige Handlung, und nimmt überhaupt Nichts vor, was unter guten Auspicien, gethan seyn will.

13. Dazu können verschiedene Ursachen die Veranlassung gegeben haben. So kann man z. B. die Jahrestage, an welchen man große Verluste im Kriege erlitten hatte, für Unglücktage erklärt haben, an welchen keine gesetzlich gültige Handlung sollte verrichtet werden dürfen; oder man hat – doch es ist wahrlich nicht mehr an der Zeit, einen so bejahrten [1468] Gesellen einen versäumten Unterricht nachholen zu lassen, da er ja nicht einmal die Vorkenntnisse dazu hat. Oder gibt es ausser diesem Nichts mehr, was du nicht wüßtest? Du brauchst also bloß noch Dieß zu lernen, um Alles zu wissen? Nein, Mensch! es könnte dir noch hingehen, wenn dir Dinge fremd wären, die nicht eben auf der Straße liegen und dem gemeinen Manne weniger bekannt sind: den Apophras aber könntest du nicht anders benennen, auch wenn du wolltest; denn es gibt dafür nur diesen Einen und allgemein angenommenen Ausdruck.

14. „Mag seyn“ (hält man mir vielleicht entgegen): „allein es gibt gewisse veraltete Ausdrücke, die man nicht ohne Unterschied gebrauchen darf: solche, die im gewöhnlichen Leben nicht mehr gangbar sind, hat man zu vermeiden, um keinen Mißverstand zu erregen und den Ohren unserer Zuhörer nicht wehe zu thun.“ Ja, Ehrenmann, daß ich einen solchen Ausdruck von dir gegen dich gebraucht habe, darin mag ich allerdings gefehlt haben: ich hätte in der Landessprache der Paphlagonier, Cappadocier oder Bactrianer mit dir reden sollen, um mich dir verständlich zu machen; das wäre dir wohl lieb zu hören gewesen. Allein unter Griechen mußte ich Griechisch reden. Uebrigens, so sehr auch die Athener in verschiedenen Zeitaltern Manches an ihrer Mundart geändert haben, so hat sich doch dieses Wort durch alle Zeiten und in Jedes Munde erhalten.

15. Ich könnte dir eine Menge Schriftsteller, Dichter, Redner, Geschichtschreiber nennen, welche sich dieses Wortes vor mir schon bedient haben, wenn dich nicht eine Reihe von Namen, welche dir gänzlich unbekannt sind, auf’s neue [1469] in Verlegenheit setzen müßte. Ich will sie also lieber nicht nennen, weil sie ohnehin Jedermann genugsam kennt. Wenn hingegen du im Stande seyn wirst, einen Einzigen unter den Alten aufzuweisen, der es nicht gebraucht hat, so sollst du mir, sprichwörtlich zu reden, vergoldet zu Olympia stehen. Allein ein Mensch, wie du, der zu hohen Jahren gekommen ist, und dabei doch solche Dinge noch nicht weiß, wird ohne Zweifel auch nicht wissen, daß Athen eine Statt in Attica ist, und daß Corinth auf dem Isthmus, Sparta in dem Peloponnes liegt.

16. Noch wäre übrig, daß du sagen könntest, das Wort selbst hättest du wohl gekannt, aber seine unpassende Anwendung auf dich hättest du getadelt. Auch darauf werde ich dir das Gehörige zu antworten wissen: merke also wohl auf, wenn anders deine Unwissenheit dir nicht völlig gleichgültig ist. Schon die Alten haben viele dergleichen Beinamen Menschen deines Gelichters zu ihrer Zeit angehängt, wie es denn natürlich zu allen Zeiten unflätige Gesellen und Schurken gegeben hat. So nannte z. B. Jemand einen Menschen von zweideutigem Charakter einen Cothurn, weil diese Art Schuhe für jeden Fuß paßt: ein Anderer hieß Lypaës,[5] weil er ein ungestümer Volksredner war, der Aufruhr in den Bürgerversammlungen zu erregen pflegte; ein anderer Redner hieß der Siebente,[6] weil er jedesmal [1470] in den Versammlungen, wie die Kinder am siebenten Monatstage, Späße machte und den Ernst des Volkes in Scherz und Lachen verkehrte. Und ich soll, bei’m Adonis! nicht auch das Recht haben, einen durch und durch verdorbenen, in aller Schlechtigkeit aufgewachsenen Menschen mit einem unsegenbringenden, verworfenen Tage zu vergleichen?

17. Wenn uns ein Mensch begegnet, der am rechten Fuße lahm ist, so weichen wir ihm aus, zumal wenn wir ihn des Morgens früh ansichtig werden. Und Wer bei’m Herausgehen aus seinem Hause einen Verschnittenen, einen Zwitter oder einen Affen erblickt, der geht desselben Wegs wieder nach Hause, weil er sich aus einem so fatalen und widerlichen Zeichen nichts Gutes für seine Verrichtungen an selbigem Tage verspricht. Und nun, wenn mir bei’m Beginne und am frühen Morgen eines ganzen Jahres, der meinem ersten Ausgange sogar ein Cinäde über den Weg läuft, ein Mensch, der Unaussprechbares thut und leidet, der eben dadurch gebrandmarkt und (von aller Gesellschaft) ausgeschlossen ist, der fast nur unter dem Namen seiner Laster bekannt ist, ein Betrüger, ein Spitzbube, ein meineidiger, heilloser Galgenstrick, der den Abgrund verdiente – dem soll ich nicht aus dem Wege gehen, ihn nicht mit einem unglückdrohenden Tage vergleichen dürfen?

18. Oder bist du etwa nicht dieses Alles? Du wirst es mir nicht läugnen wollen, da ich ja die Herzhaftigkeit an dir kenne, mit welcher du sogar deines Thuns und Treibens dich rühmst, stolz darauf, daß die Kunde davon nicht verloren gegangen, sondern allenthalben verbreitet ist. Wolltest du mir aber auch entgegentreten und läugnen, das dem so [1471] sey, Wer würde dir Glauben schenken? Etwa deine Mitbürger? (denn mit diesen fange ich billig an.) Aber Diese wissen ja, in welcher Schule du in deiner ersten Jugend gesteckt, und daß du dich einem lüderlichen Taugenichts, dem bewußten Kriegsmanne, überlassen hast, der dich durch die Dienste, die du ihm leistetest, in den Grund verdarb und so ausnutzte, bis er dich endlich, wie einen zerlumpten Fetzen, von sich warf.

19. Auch haben sie natürlich noch nicht vergessen, daß du dich als junger Bursche auf der Schaubühne umgetrieben. unter den Tänzern als Gaukler dich brauchen ließest und der Vorderste der ganzen Bande seyn wolltest. Nie sah man vor Beginn des Stückes einen Andern als dich auf die Bühne treten, um den Titel des Drama anzusagen. Da mußtest du allemal recht zierlich geputzt, mit goldenen Schuhen, in einem Purpurmantel und mit Kränzen in den Händen herauskommen und die Zuschauer um ihren wohlwollenden Beifall bitten; und wirklich hielten diese schon große Stücke auf dich, so daß du immer unter lautem Klatschen abtratest. Und dieser Mann ist jetzt der große Redner und Sophist! Wenn die guten Leute das von dir hörten, es müßte ihnen, wie dem Pentheus in der Tragödie, vorkommen,

Als sähen sie zwei Sonnen an dem Himmel, und
Ein doppelt Theben. – –[7]

Und die Frage würde sich ihnen aufdrängen: „Wie, der Nämliche, der damals – –? Was doch aus einem Menschen [1472] werden kann!“[8] Daher thust du freilich wohl daran, daß du deine Landsleute nicht mehr besuchst, in jenen Gegenden dich gar nicht mehr sehen lässest, und lieber freiwillig eine Vaterstadt vermeidest, die doch die größte und schönste unter allen Städten Phöniciens ist, und wo sich’s im Sommer und Winter so angenehm lebt. Du wolltest wohl lieber gehangen seyn, als unter Leuten leben, die dich kennen, die sich an deine frühere Geschichte erinnern, die deine Maske dir abzögen. Doch, was sage ich? Vor Wem solltest denn du dich schämen? Was gäbe es auch noch so Schmähliches, das Du für schimpflich halten könntest? – Ich höre eben, du habest bedeutende Besitzungen dort? Ohne Zweifel das erbärmliche Thürmchen, gegen welches des Sinopeers Tonne füglich für den Pallast Jupiters gelten könnte. – Also nein, es würde dir auf keine Weise gelingen, deine Mitbürger so umzustimmen, daß sie dich nicht für den schlechtesten Burschen von der Welt und für den gemeinsamen Schandfleck der ganzen Stadt halten sollten.

20. Vielleicht aber wirst du dich auf das Zeugniß der übrigen Syrer berufen, wenn du behaupten willst, dich in deinem Leben nie einer schlechten und strafbaren Handlung schuldig gemacht zu haben? Ja, bei’m Herkules! Antiochia weiß davon zu sprechen: hat nicht die ganze Stadt zugesehen, wie du den jungen Menschen, der aus Tarsus kam, bei Seite führtest und – – doch die Geschichte ist zu ekelhaft, um sie hier aufzurühren; kurz es gibt noch Leute, die [1473] sich recht gut zu erinnern wissen, wie sie dich auf des Burschen Schoos sitzend antrafen, und wie er Dinge mit dir trieb, welche du selbst am besten wissen mußt, wenn anders dein Gedächtniß dich nicht gänzlich verlassen hat.

21. Oder kennt man dich vielleicht in Aegypten nicht, was deine Zuflucht nach jenen eben genannten preiswürdigen Thaten war, wegen welcher du dich aus Syrien davon machen mußtest, und wohin die Kaufleute dir nachsetzen ließen, weil du bei ihnen kostbare Kleider gekauft hattest, um unter Weges einen Zehrpfennig zu haben? Allein Alexandria weiß wahrlich keine geringern Dinge von dir, und es wäre auch nicht billig gewesen, dieser Stadt geringere Ehre als den Antiochenern anzuthun. Im Gegentheile, deine Sittenlosigkeit zeigte sich dort noch weit weniger verschleyert, deine Unfläterei noch weit toller, dein Name war jetzt weit übler berüchtigt, als je: du hattest jetzt die Maske völlig abgelegt. Ein Einziger war, der dir vielleicht noch glaubte, als du jenen Gerüchten widersprachst, der sich deiner annahm und der Letzte war, von welchem du in Dienste genommen wurdest,[9] ein vornehmer Römer, dessen Namen zu nennen du mir erlassen wirst, um so mehr, da Jedermann weiß, welchen ich meine. Ich übergehe die vielen Ungezogenheiten, die du dir in seinem Hause erlaubtest, und welche dir gleichwohl eine Zeitlang hingingen. Allein als er dich einmal auf dem Schoos eines jungen Mundschenken Oenopion überraschte, wie da? Glaubte er wohl, auch im Angesichte dieser [1474] Scene noch, du wärest kein Solcher? Da müßte er wohl blind gewesen seyn. Nein, er legte seine Meinung deutlich genug an den Tag, indem er dich auf der Stelle aus dem Hause jagte, und sogar, wie man sagt, nachdem du draußen warst, eine Reinigungsweihe durch das ganze Haus vornehmen ließ.

22. Achaja endlich und ganz Italien sind voll deiner Thaten und deines Ruhmes, eines Ruhmes, den ich dir von Herzen gönne. Und Wer sich noch verwundert über die Dinge, welche du hier in Ephesus treibst, der würde sich gewiß nicht wundern, wenn ihm deine frühere Aufführung bekannt wäre. Wiewohl, etwas Neues hast du hier doch gelernt, ein gewisses Verfahren nämlich mit Weibern …

23. Und nun sprich, sollte nicht auf einen Menschen, wie du bist, der Ausdruck Apophras passen? Mit einem Munde, der von solchen Verrichtungen herkommt, willst du sogar noch, das Unverschämteste! deine Freunde küssen, die es doch am wenigsten verdienten, deine Gesellschafter, die schon übel genug mit deinem Munde dran sind, aus welchem sie eine so barbarische Aussprache, eine so grelle Stimme, ein so verworrenes, sinn- und geschmackloses Geschwätz vernehmen müssen; aber nun vollends sich küssen zu lassen, das verhüten die guten Götter! Lieber noch einen Nattern- und Vipernkuß; denn ein Biß und eine kleine Geschwulst ist Alles, was dabei zu wagen ist: man ruft den Arzt und läßt sich heilen. Aber mit einem Kusse von dir vergiftet, Wer dürfte sich noch einem Altar oder Tempel nahen? Welcher Gott würde seine Gebete erhören wollen? Wie viele Weihkessel, wie viele Ströme brauchte er, um sich zu reinigen?

[1475] 24. Und nun, ein Mensch, wie du, wollte sich über Andere wegen Wörter und Namen lustig machen, während er sich solcher Handlungen schuldig macht? Was mich betrifft, so würde ich mich schämen, das Wort Apophras nicht zu kennen, geschweige daß ich läugnen sollte, es gebraucht zu haben. Aber du führst barbarische Ausdrücke im Munde, die dir gleichwohl noch Keiner von uns zum Vorwurf gemacht hat, als z. B. βρωμολόγος, τροπομάσθλης, ῥσιμετρεῖν, ἀθηνιῶ, ἀνθοκρατεῖν, σφενδικίζειν, χειροβλημἃθαι. [Etwa: Stinkredner, Drehschlingel, Wortmessen, es athenert mich, Blumenbewältigen, schlenkern für schleudern, handverwalken.] Daß dich doch Hermes Logios sammt deinen Redensarten verderbe! In welchem Buche hast du sie jemals gefunden? Etwa in der verschimmelten Scarteke irgend eines elenden Leichenpoeten, oder in den saubern Tagebüchern der Philänis,[10] die du nie aus den Händen legst? Nun – jedenfalls sind sie deiner und deines Mundes würdig.

25. Aber, weil ich deines Mundes erwähnt habe, was wolltest du wohl antworten, wenn deine Zunge eine Klage wegen Beschädigung, oder wenigstens wegen unwürdiger Behandlung gegen dich anstellte? Gesetzt also, sie spräche: „Undankbarer! du warst ein armer Mensch ohne alle Aussicht, ohne allen Unterhalt: da war ich es, die zuerst auf der Schaubühne dir einigen Namen bei den Leuten verschaffte, [1476] indem ich bald ein Ninus, bald einen Antiochus, bald sogar einen Achilles aus dir machte. Und nachher habe ich dich lange damit gefüttert, daß du die Kinder buchstabiren lehrtest; endlich machte ich ja, daß du sogar für einen Sophisten giltst, und umgebe dich mit einem sehr unverdienten Ruhm, indem du die Reden Anderer vorträgst. Was hast du mir nun vorzuwerfen, daß du so mit mir umgehst, und die schandbarsten, ekelhaftesten Dienstleistungen mir zumuthest? Ist’s nicht genug an Dem, was ich den Tag über thun muß, lügen, falsch schwören, und alle die Albernheiten und den Unrath deiner Declamationen auswerfen? Auch nicht des Nachts lässest du mich Unglückliche ruhen! Während ich nur zum Reden geschaffen bin, muß ich mich zu Dingen, wofür andere Glieder vorhanden sind, mißbrauchen, und mit einer Fluth von Unsauberkeit besudeln lassen. Wie wohl wäre mir, wenn man mich ausschnitte, wie die Zunge der Philomele! Denn glücklicher noch, als ich, sind die Zungen Derer, welche ihre eigenen Kinder fraßen.“

26. Um aller Götter willen, wenn deine Zunge eine eigene Sprache bekäme und so spräche, und noch dazu auf das Zeugniß deines Bartes sich stützte, was wolltest du ihr antworten? Ohne Zweifel dasselbe, was du neulich dem Glaucus erwiedertest, der dir über ein eben verübtes Stückchen dieser Art Vorwürfe gemacht hatte; eben das, sagtest du, hätte dich in kurzer Zeit bekannt und berühmt gemacht: denn deine Deklamationen hätten dir freilich einen solchen Namen nicht verschaffen können; und doch ist es eine gar zu hübsche Sache um die Berühmtheit, komme sie denn woher sie immer wolle. Zum Beweise wirst du ihr alsdann die vielen [1477] Beinamen aufzählen, welche du in den verschiedenen Gegenden erhalten hast, und welche von der Art sind, daß ich mich wundere, wie du den Apophras so übel aufnehmen konntest, während du doch über jene so ganz nicht unwillig wurdest.

27. In Syrien hieß man dich die Lorberrose, warum? schäme ich mich zu sagen, so wahr Minerva lebt! Meinetwegen bleibe die Sache ein ewiges Geheimniß. In Palästina hießest du die Dornhecke, ohne Zweifel wegen deines stachlichten Bartes, den du damals noch scheeren ließest, und der so störend war – in Aegypten die Synanche [die Halsentzündung], aus einer offenkundigen Veranlassung; du seyst nämlich einmal an einen Matrosen von einem Dreimaster gerathen: der aber hätte dich an der Kehle gepackt und dir das Maul so verstopft, daß du beinahe erstickt wärest. Die unvergleichlichen Athener aber wählten für dich keine so räthselhafte Benennung, sondern thaten durch Hinzusetzung eines einzigen Buchstaben dir deine Ehre an, indem sie dich Atimarchus[11] nannten; denn es war billig, daß du sogar vor dem berüchtigten Timarchus noch Etwas voraus hättest. Und in Italien, ha! welch heroischen [1478] Beinamen führtest du dort! du hießest der Cyclop weil du einst in schandbarer Lust Homers bekannte Stelle nach deiner Weise aufführtest. Trunken lagst du da als Polyphem, mit dem Becher in der Hand. Ein bezahlter Bursche, der zweite Ulysses, naht dir mit dem wohlgespitzten Pfahl, als ob er das Auge dir ausstoßen wollte;

Aber dieses verfehlt’ er, und seitwärts bog sich die Lanze,
Und die stürmende Spitz’ flog unten neben dem Kinn hin.[12]

(Mag die Anwendung dieser Verse auch frostig seyn, immer gut genug, wenn von dir die Rede ist.) Denn auf’s Maul, statt auf’s Auge, war’s abgesehen: und wirklich sperrte es der Cyclop so weit auf, als wollte er, wie die Charybdis, den ganzen Utis sammt seinen Gefährten und all seinem Schiffgeräthe verschlingen – eine Scene, von welcher alle Anwesenden Zeuge waren, und welche du am folgenden Tage mit Nichts anderem als mit der Stärke des Weines entschuldigen konntest.

28. Und im Besitze eines Reichthums an so vielsagenden Beinamen schämst du dich noch am Apophras? In aller Welt, so sage mir doch, warum? Da du ja sogar von männiglich dir nachsagen lässest, du liebest den Lesbischen und den Phönicischen Brauch?[13] Oder sind diese Wörter dir etwa eben so unbekannt, wie das Wort Apophras, und du glaubst vielleicht sogar, sie enthalten ein Lob für dich? Nein, vielmehr [1479] bist du mit jenem Vorwurfe schon seit lange genug befreundet genug; aber das Wort Apophras, welches dir unbekannt ist, scheint dir bloß darum verwerflich und unwürdig, in das Verzeichniß deiner Beinamen aufgenommen zu werden. Uebrigens finde ich eine vortreffliche Genugthuung darin, daß der Ruhm deines Namens sogar bis in die Gemächer der Frauen gedrungen ist. Wenigstens neuerlich, als du die Unverschämtheit hattest, um die Hand eines Mädchens zu Cyzicum zu freyen, gab der Schelm, der von Allem wohl unterrichtet war, zur Antwort: „bleibt mir mit einem Mann vom Leibe, der selbst einen Mann nöthig hat!“

29. So steht es also mit dir; und nun willst du dich noch um Wörter bekümmern, willst noch spotten über Andere und die Nase rümpfen? Freilich nicht Alle können so reden wie du. Denn Wer hätte z. B. Kühnheit des Ausdrucks genug, gegen drei Ehebrecher statt eines Säbels, um einen Dreizack zu rufen? Oder von Theopompus zu sagen, er habe mit dreispitziger Rede die vornehmsten Städte gestürzt, oder er habe Griechenland aufgedreizackt und er sey ein Cerberus im Reden?[14] und noch tausend andere Ausdrücke, die gar nicht werth sind, erwähnt zu werden. Nur das Einzige führe ich noch an, was Ohrenzeugen mir erzählt haben. Du sprachst von einem reichen Manne, der ein Feind von zwei Armen gewesen sey, [1480] und sagtest: „Er ließ das Eine [θάτερον für τὸν ἔτερον, den Einen] von den beiden Armen umbringen.“ Natürlich lachten deine Zuhörer. Du willst dich also schnell verbessern und sagst: „Nicht doch, ich wollte sagen ἂτερον [was gar kein Wort ist]“.

30. Die Stückchen, zu welchen dich die Armuth trieb, dir zum Vorwurf zu machen, davor möge mich die gute Adrastéa bewahren. Man muß es Einem zu gut halten, den der Hunger plagt, wenn er von einem Bürger eine Geldsumme in Verwahrung nimmt, und sie ihm nachher abschwört, oder wenn er unverschämt bittet oder gar bettelt, mitunter auch Kleider in den Badehäusern stiehlt, und den Zolleinnehmer macht. Ich rücke dir also das nicht vor: möge es immer hingehen, daß man auf alle Weise seiner Noth sich erwehre. Allein Das ist das Unverzeihliche, daß du, als ein armer Schlucker, Alles, was du mit deiner Unverschämtheit erworben hast, mit Lüderlichkeiten so schandbarer Art wieder durchbringst. Wenn du mir übrigens die Möglichkeit ließest, Etwas an dir zu loben, so würde ich sagen, das war ein recht artiger Streich von dir, daß du mit der angeblichen Rhetorik des Tisias, welche ein Machwerk von dir selbst war,[15] jenen einfältigen alten Kerl um dreißig Goldstücke [1481] prelltest; denn wirklich ließ er sich durch den Namen Tisias übertölpeln, und zählte dir für das Büchlein siebenhundert und fünfzig blanke Drachmen auf.

31. Das viele Uebrige, was ich dir noch zu sagen hätte, will ich dir erlassen. Nur diese Warnung noch: treibe deine Lüderlichkeiten nach Gefallen, und werde meinetwegen nicht müde, die tollsten Ausschweifungen an dir selbst zu verüben, nur jenes Aergste nicht mehr! denn es geht doch nicht an, mit solchen Leuten an dieselbe Tafel sich laden, den Freundschaftsbecher von ihnen sich zutrinken zu lassen, und aus derselben Schüssel mit ihnen zu essen. Auch das Küssen bei’m Abschied solltest du bleiben lassen, zumal bei Denen, welche dir kurz zuvor den Mund aphradisch gemacht haben. Und weil ich nun doch einmal im Tone eines freundschaftlichen Rathgebers bin, so gib auch die üble Gewohnheit auf, deine grauen Haare zu salben, und anderwärts sie mit Pech auszuziehen. Ein anderes ist es in einer Krankheit, wo der ganze Körper eine solche Behandlung erfordern kann: wo aber diese nicht vorhanden ist, warum soll denn glatt und blos seyn, was ja doch nicht sichtbar werden soll? Das Einzige, was du von einem Weisen an dir hast, sind deine grauen Haare: schone also doch um des Himmels willen diesen ehrwürdigen Deckmantel deiner Unsauberkeit! Am meisten aber verschone deinen Bart mit so unflätigen Mißhandlungen, oder lasse sie ihn wenigstens nur bei Nacht, in dichter Finsterniß erleiden! aber am hellen Tage – weg damit! das ist viehisch!

32. Du siehst nun, um wie viel besser es gewesen wäre, den Sumpf nicht aufzurühren,[16] und nicht über das Wort [1482] Apophras zu lachen, das dir jetzt alle Tage deines Lebens zu ungesegneten machen wird. An mir wenigstens soll es nicht fehlen, dieß zu bewerkstelligen. Du kennst noch gar nicht das ganze Unheil, welches du dir auf den Hals gezogen. Abgenutzter Spitzbube! Elender Cinäde! du solltest dich ja verkriechen, wenn dir ein kräftiger Mann, der seine Haare hat, auch nur in’s Gesicht sieht! Aber vielleicht klingen auch diese Titel dir lächerlich und räthselhaft, Cinäde und dergleichen: denn du weißt nicht, wie die Dinge heißen, die du treibst. Halte dich also immer auch darüber auf, wenn du für den Apophras nicht schon drei- und vierfach bezahlt bist. Nur miß dir alsdann von Allem die Schuld selbst bei. Denn, wie der vortreffliche Euripides zu sagen pflegt: ein ungebändigt Maul, und thörichte Verachtung der Gesetze nimmt ein unseliges Ende.



  1. Άποφράς, sc. ἡμέρα, was dies nefastus bei den Römern, ein Tag, der keinen Segen bringt, an welchem nichts Wichtiges, namentlich keine Gerichtsverhandlungen vorgenommen wurden: sodann überhaupt: unheilverkündend, verworfen. – Um sich die Erbitterung, mit welcher Lucian in diesem Aufsatze seinen Gegner behandelt, einigermaßen zu erklären, erinnere man sich, daß Lucian von Geburt ein Syrer war, daß er aber seinen Stolz darein setzte, durch die Reinheit seines Griechischen Ausdrucks, welche er sich mittelst des sorgfältigsten Studiums der Literatur und Manier der Attiker angeeignet hatte, für einen ächten Griechen zu gelten.
  2. S. IX, 1150. (der Traum oder der Haushahn, 4.).
  3. S. der Fischer 38. (Bd. III. S. 396.).
  4. Im Texte: „bei der Venus Pandémos (vulgivaga), Genetyllis und Cybele.“
  5. Ein gänzlich unbekanntes, wahrscheinlich corruptes Wort, wofür Gessner vorschlug Lyssa (Tollwurm).
  6. Der siebente Tag jedes Monats war ein Erholungstag für die Griechische Jugend, und dem Apollo geheiligt, der am siebenten Thargelion geboren worden war.
  7. Eurip. Bacch. V. 915. Vergl. Virgil Aen. IV, 470.
  8. „Was doch – kann.“ Wiel., für die abgebrochene Frage im Original: „Und nach jenen [Auftritten] –?“
  9. In ein gelehrtes Dienstverhältniß nämlich, wie es in dem Aufsatz: die gedungenen Gelehrten geschildert ist.
  10. Eine Hetäre, von welcher, wie von der Elephantis, das Alterthum eine Sammlung muthwilliger Darstellung hatte. S. Jakobs zur Anthol. I. P. I. p. 385. ff.
  11. Der Gegenstand dieser Ausfälle hieß also Timarchus, welcher Name durch Ehrenkönig verdeutscht werden könnte. Das verneinende A, vorangestellt, verwandelt den Ehrenkönig in einen Schandkönig. Zugleich aber erinnerte ersterer Name an den lüderlichen Timarchus, welcher dem Redner Aeschines eine so schmähliche Celebrität verdankte, daß in der Folge sein Name als Sprüchwort in entehrendem Gedächtnisse blieb. S. Aesch. R. g. Tim. (Bd. 41. dieser Samml.) und dort Bremi. S. 38.
  12. Parodieen von Hom. Il. XI, 233. V, 293. Vergl. Odyss. IX, 371 ff.
  13. Gewisse Unnatürlichkeiten, von den Alten selbst ἂῤῥηιοι μίξεις, infanda coëundi genera, genannt.
  14. Im Original folgen die Worte: „denn noch vor Kurzem hast du mit angezündeter Laterne einen, wie ich glaube, verlorenen Bruder gesucht,“ deren Sinn in diesem Zusammenhange räthselhaft ist.
  15. Das Wortspiel in τὸ δισκόρακος ἔργον ἀυτὸς ποιήσας (wie wohl zu lesen ist, und darauf ἐξήρπασας) mußte aufgegeben werden. Κόραξ hieß der Lehrer des Rhetorikers Tisias: das Wort bedeutet aber eigentlich Rabe, Galgenvogel. – Vielleicht, daß der Geprellte, über welchen Lucian hier triumphirt, der Ignorant ist, welchem der Aufsatz Bd. XI, S. 1415. ff. gilt.
  16. Sprichwörtlich: „rühre nicht die Camarína an!“ Die Bewohner [1482] der Stadt Camarína in Sicilien hatten, der Warnung des Orakels zuwider, einen Sumpf ausgetrocknet, der ihre Stadt von einer Seite gegen feindliche Angriffe geschützt hatte. Jetzt rückte der Feind über den trockenen Boden und eroberte die Stadt.